Titel: Bericht des Ausschusses für Chemie über vorstehende Abhandlung des Hrn. Eduard Schwartz; von Hrn. Aug. Scheurer abgefaßt.
Autor: August Scheurer [GND]
Fundstelle: Band 57, Jahrgang 1835, Nr. LXIII., S. 299
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LXIII. Bericht des Ausschusses fuͤr Chemie uͤber vorstehende Abhandlung des Hrn. Eduard Schwartz; von Hrn. Aug. Scheurer abgefaßt. Scheurer, uͤber das Bleichen der Baumwollenzeuge. Ohne mich bei den zwei ersten, gleich interessanten Theilen der Abhandlung des Hrn. Schwartz aufzuhalten, gehe ich unmittelbar zur Pruͤfung der dritten Frage uͤber, womit er sich beschaͤftigt hat, naͤmlich derjenigen, welche das Vorkommen fetter Substanzen in den Zeugen und die gegenwaͤrtig gebraͤuchlichen Verfahrungsarten sie beim Bleichen zu beseitigen, betrifft. Hr. Schwartz schikt dieser Untersuchung theoretische Betrachtungen uͤber die Natur der Fette im Allgemeinen und ihr Verhalten zur Luft, den Alkalien, dem Chlor etc. voran. Er bemerkt, daß in den meisten Faͤllen die Luft das Agens ist, welches die neutralen Fette in saure Fette umaͤndert. Man ist zwar ziemlich allgemein dieser Meinung, aber gewiß ist die Veraͤnderung, welche die Oehle durch ihre langsame Oxydation an der Luft erleiden, von ganz anderer Art, als diejenige, welche die Alkalien hervorrufen. Im ersten Falle, naͤmlich bei der Oxydation in Beruͤhrung mit Luft, wird nur eine sehr unbedeutende Menge Fett gesaͤuert, besonders bei solchen Fettarten, welche die Eigenschaft haben in Folge ihrer Unreinheit ranzig zu werden, waͤhrend ein reines Oehl mehrere Monate mit der Luft in Beruͤhrung seyn kann, ohne die geringste Veraͤnderung zu erleiden. Nach und nach tritt jedoch ein Zeitpunkt ein, wo die Absorption von Sauerstoff sehr bedeutend ist und rasch erfolgt; dadurch entstehen aber keine fetten Saͤuren, sondern eine gallertartige Substanz, die alle Eigenschaften eines viel Wasserstoff enthaltenden Koͤrpers verloren hat und auf Papier keine Fleken mehr hervorbringt. Auf diese Art wirkt also die Luft durch Laͤnge der Zeit. Bekanntlich ist auch beim Bleichen haͤufiges Auslegen auf den Bleichplan das sicherste Mittel die Fettfleken zu zerstoͤren. Die Luft kann in diesem Falle um so kraͤftiger wirken, da die auf dem Zeuge befestigten Fettfleken ihr eine sehr große Oberflaͤche darbieten. Saͤuert sich hingegen eine fette Substanz in Folge ihrer Beruͤhrung mit einer Basis oder einem Koͤrper, zu welchem die fette Saͤure Verwandtschaft hat, so ist der Hergang folgender: die neutrale fette Substanz theilt sich in zwei sehr ungleiche Portionen, beilaͤufig 92/100 des Oehles werden in fette Saͤuren verwandelt, worin der Kohlenstoff zum Wasserstoff in demselben Verhaͤltnisse steht, wie in dem neutralen Fette, der Sauerstoffgehalt aber viel geringer ist, und dieser verlorene Sauerstoff findet sich beinahe ganz wieder im zweiten Producte, dem Glycerin, welches dem Gewichte nach 8 Proc. betraͤgt. Bei der Saͤuerung der Fette oder der Oehle findet also keine Absorption von Sauerstoff Statt, sondern sie verlieren vielmehr Sauerstoff. Bekanntlich kann man auch die Fette ohne Zutritt von Luft oder Sauerstoffgas verseifen. Die Substanzen, welche vorzugsweise die Fette saͤuern, sind: Kali, Natron, Kalk, Bleioxyd, Kupferoxyd, die Mineralsaͤuren, das Chlor; die Baumwollen- und Leinenfasern besizen diese Eigenschaft ebenfalls in hohem Grade. Man hat schon vor langer Zeit eine merkwuͤrdige Thatsache beobachtet, daß naͤmlich frisch geoͤhlte Baumwollenzeuge in Beruͤhrung mit einem Metalloxyde, z.B. Kupferoxyd, sich bisweilen von selbst entzuͤnden. Eine andere, durch viele Ungluͤksfaͤlle bewaͤhrte Thatsache beweist uns, daß die Pflanzenfaser unter gewissen Umstaͤnden so schnell auf die Fette wirkt, daß dadurch ploͤzlich eine Entzuͤndung erfolgen kann. Die Mineralsaͤuren und das Chlor wirken auf die Fette auf aͤhnliche Art wie die Alkalien; man erhaͤlt einerseits fette Saͤuren, womit sie Verbindungen eingehen, und andererseits Glycerin. Kurz, so oft mit einer neutralen fetten Substanz ein Koͤrper in Beruͤhrung kommt, welcher sich mit den fetten Saͤuren, die sie liefern kann, zu verbinden vermag, wird jener Koͤrper auch die Bildung dieser fetten Saͤuren hervorrufen. Wenn man von dem angefuͤhrten Grundsaze ausgeht, muͤssen die Mineralsaͤuren, weit entfernt die Oehle in den Alkalien unaufloͤslich zu machen, sie gerade darin loͤslicher machen, vorausgesezt, daß man das Alkali in hinreichender Menge zusezt, um zuerst die mit dem Fett verbundenen Saͤuren zu saͤttigen; und dieses ist auch wirklich der Fall. Ich habe oben angegeben, daß der Baumwollenzeug fuͤr gewisse fette Saͤuren eine hinreichend große Verwandtschaft hat, um allein schon die Saͤuerung der neutralen Fette veranlassen zu koͤnnen; daher kommt es auch, daß man beim Bleichen von Baumwollenzeugen, welche lange in rohem Zustande mit dem Fett, dessen sich der Weber bediente, aufbewahrt wurden, die groͤßten Schwierigkeiten findet, dasselbe vollstaͤndig herauszuschaffen. Durch wiederholtes Laugen mit kaustischem Alkali kann man ihnen zwar einen großen Theil der fetten Saͤuren entziehen, aber die lezten Antheile widerstehen demselben, wie dieses durch die Versuche des Hrn. Schwartz hinreichend erwiesen ist. Seine Resultate stimmen so gut mit meinen eigenen Erfahrungen uͤberein, daß man diese Thatsache nicht mehr in Zweifel ziehen kann. Ich gehe nun zur Hauptfrage uͤber, welche in obiger Abhandlung aufgestellt wird, und die zugleich fuͤr den praktischen Bleicher das groͤßte Interesse darbietet: ist es nuͤzlich oder nicht, beim Bleichen Kalk anzuwenden? Nach dem Verfasser ist der Kalk als Aufloͤsungsmittel der Fette beim Bleichen angewandt nicht nur unwirksam, sondern sogar schaͤdlich, weil er einen Theil dieses Fettes noch mehr auf dem Zeuge befestigt. Die Theorie spricht hiebei ganz zu Gunsten seiner Meinung; wenn man naͤmlich ein saures und mit Baumwollenzeug verbundenes Fett in Beruͤhrung mit einer Basis gebracht hat, die mit ihm eine unaufloͤsliche Seife bilden kann, so werden dann offenbar die aufloͤslichen Alkalien, da sie mit denselben fetten Saͤuren nur eine aufloͤsliche Verbindung bilden koͤnnen, die unaufloͤsliche, auf dem Zeuge befestigte Seife nicht vollstaͤndig zu zersezen im Stande seyn und die kaustischen Alkalien waͤren natuͤrlich viel wirksamer gewesen, wenn sie auf die ungebundene fette Substanz hatten wirken koͤnnen. Nun bringt aber der Kalk gerade diese Wirkungen hervor; er hat nicht nur eine große Verwandtschaft zu dem Fett, das er zu verseifen vermag, sondern bildet auch unaufloͤsliche Salze mit den fetten Saͤuren. Wegen dieser Eigenschaft des Kalks, sich mit der auf dem Zeuge befestigten fetten Substanz zu verbinden, ist es, wie wir weiter unten sehen, durchaus noͤthig, die Stuͤke durch Schwefelsaͤure zu nehmen, ehe man sie zum zweiten Mal mit kaustischer Soda laugt. Wir wollen nun den einfachsten Fall beim Bleichen annehmen, naͤmlich denjenigen, wo man ausschließlich kaustische Soda anwendet und ihn mit dem Verfahren vergleichen, wobei man vorher mit Kalk und dann mit Soda laugt, indem wir voraussezen, daß die Stuͤke zwischen den Laugen weder durch Saͤure noch durch Chlor kommen, um die Resultate nicht zu compliciren; unter diesen Umstaͤnden habe ich meine Versuche angestellt. Abschnitte von rohem Baumwollenzeug wurden in Streifen mit Talg bedrukt und dann gelaugt: Der eine Nr. 1, zwei Stunden lang mit uͤberschuͤssigem Kalk, und dann noch drei Mal, jedes Mal zwei Stunden, mit kaustischer Soda von 2°. Der andere, Nr. 2, wurde drei Mal mit kaustischer Soda von 2°, jedes Mal zwei Stunden, gelaugt. Der Flek Nr. 1 fuͤhlte sich, als er aus dem Kalk kam, sehr rauh an, und bei durchfallendem Lichte bemerkte man darin deutlich die aufgedrukten Streifen, welche gelblich und undurchsichtig waren. Man trennte nun einen Theil von ihm ab, nahm denselben durch Schwefelsaͤure und naͤhte ihn dann wieder an den uͤbrig gebliebenen Flek, um ihn mit demselben die drei Laugen zu geben. Nach diesem Hindurchnehmen durch Saͤure verloren die Streifen von ihrer Undurchsichtigkeit. Nach den drei erwaͤhnten Laugen theilte man jeden Flek in zwei Theile; die einen wurden so wie sie waren, aufbewahrt, und die anderen durch schwachen Chlorkalk und Schwefelsaͤure genommen. Dann probirte man sie alle mit einander im Krappbade. Alle Streifen zogen in folgender Reihe an, welche mit demjenigen Flek anfaͤngt, der am meisten anzog. 1°. Der Flek, welcher mit Kalk und drei Mal mit Soda gelaugt, aber weder durch Saͤure noch durch Chlor genommen worden war. 2°. Der Flek, welcher bloß mit Soda gelaugt war, aber weder durch Saͤure noch durch Chlor kam. 3°. Der Flek, welcher mit Kalk gelaugt und dann durch ein Saͤurebad, aber nicht durch Chlor genommen worden war. 4°. Der mit Kalk, dann drei Mal mit Soda gelaugte und hierauf durch Chlor und Saͤure genommene. 5°. Der drei Mal mit Soda gelaugte, dann durch Chlor und Saͤure genommene. 6°. Der mit Kalk, Saͤure, dann drei Mal mit Soda und zulezt noch mit Chlor und Saͤure behandelte. Die drei lezten Nummern, welche nach den Laugen durch Chlor und Saͤure genommen waren, zogen bedeutend weniger an, als die drei ersten, bei welchen dieses nicht geschehen war. Es ist zu bemerken, daß bei dem bloß mit Soda gelaugten Flek weder der Boden noch die Streifen so stark im Krapp anzogen, wie bei dem vorher mit Kalk gelaugten. Der Unterschied waͤre gewiß noch viel groͤßer gewesen, wenn man bei den verschiedenen Operationen reines Wasser haͤtte anwenden koͤnnen, aber so mußten sich der Boden des Zeuges und die Fettfleken durch die im Wasser enthaltenen Kalksalze mit Kalk beizen. Als man die mit Kalk oder Soda gelaugten Zeugstuͤkchen vor dem Krappen durch Schwefelsaͤure nahm, faͤrbten sich die Streifen nur noch gelb, weil nun die fette Saͤure kein Beizmittel hatte; sobald aber dieses Fett gebeizt ist, sey es mit Kalk oder Alaunerde, so faͤrbt es sich roth; die mit Alaunerde gebeizten Stellen werden durch Seifenpassagen nicht entfaͤrbt, die mit Kalk gebeizten hingegen vollkommen. Hienach sollte man glauben, daß es immer zwekmaͤßig waͤre, die Operationen des Bleichens mit einem guten sauren Bade zu beendigen; leider beizt sich aber das Fett wieder bei den Operationen, welche dem Krappen vorangehen, naͤmlich bei dem Aussieden und Auswaschen. Indessen ist es nicht uͤberfluͤssig, als lezte Operation ein Saͤurebad anzuwenden, besonders wenn man mit Kalk gelaugt hat. Ich habe mich uͤberzeugt, daß man in diesem Falle die Stuͤke mehrmals und selbst in der Waͤrme durch Saͤure nehmen muß, um dem Fett die Kalkbasis zu entziehen. Man sieht nun leicht ein, daß bei dem Passiren der Stuͤke durch Saͤure und Chlor, welches gewoͤhnlich zwischen den Laugen vorgenommen wird, die Saͤure der spaͤteren Wirkung der Sodalaugen auf das Fett kraͤftig vorarbeitet. Der mit Kalk behandelte und dann durch Saͤure genommene Flek zog bei den vorhergehenden Versuchen weniger an, als der bloß mit Soda gelaugte; als ich aber Versuche im Großen anstellte, erhielt ich mit Stuͤken, die mit Kalk gelaugt und dann durch Saͤure genommen waren, kein besseres Resultat, als mit solchen, die bloß mit Soda gelaugt waren; laugt man dagegen mit Kalk und laͤßt darauf keine Saͤurepassage folgen, so ist das Resultat merklich schlechter, als wenn man die Stuͤke ganz und gar nicht mit Kalk behandelt haͤtte; und da man bis jezt die Saͤurepassage nach dem Laugen mit Kalk nicht angewandt hat, so darf man wohl behaupten, daß bei dem gegenwaͤrtig uͤblichen Bleichverfahren das Laugen mit Kalk eher eine schaͤdliche als gleichguͤltige, in keinem Falle aber eine nuͤzliche Operation war. Wuͤrde man, an Statt einer Kalklauge den Stuͤken eine Sodalauge mehr geben, so waͤren die Kosten nicht viel groͤßer und die Resultate wuͤrden unstreitig diejenigen uͤbertreffen, welche man beim Laugen mit Kalk erhaͤlt, selbst wenn man nachher ein Saͤurebad anwendet; ich seze dabei voraus, daß man durchaus mit einer Kalklauge, wie es bisher geschah, den Anfang machen will; denn wenn man die Ordnung der Operationen umkehrt, so kommt man, wie wir sehen werden, auf Resultate, die dem Kalk guͤnstiger sind. Folgende Versuche habe ich im Großen angestellt, um die im Kleinen erhaltenen Resultate noch mehr zu erproben. Man drukte auf rohen Baumwollenzeug Streifen mit Talg, und nachdem dieselben 6 bis 8 Tage lang aufbewahrt worden waren, nahm man mit ihnen die Operationen vor, wie sie bei einem guten Bleichverfahren befolgt werden. Die bedruͤkten Zeugstuͤkchen wurden immer auf der Oberflaͤche der Kufen ausgebreitet, so daß die Laugen vollstaͤndiger auf sie wirken konnten. Nr. 1 wurde mit Kalk gelaugt, wovon 10 Pfd. auf 200 Stuͤke genommen wurden, dann drei Mal hinter einander, jedes Mal 10 Stunden, mit kaustischer Soda, aus 30 Pfd. Soda bereitet, und nach jeder Sodalauge 6 Stunden lang in ein Gemisch von Chlor und Saͤure von 2° Baumé getaucht. Nr. 2 wurde eben so mit Kalk und Soda gelaugt und durch Chlor und Saͤure genommen, außerdem aber nach der Kalklauge auch noch eine Viertelstunde lang durch lauwarme Saͤure passirt. Nr. 3 erhielt dieselben Laugen und Passagen, aber nicht die Kalklauge. Nr. 4 erhielt alle Laugen außer der Kalklauge, und wurde bloß durch Saͤure, nicht durch Chlor genommen. Die vier Fleke wurden mit einander im Krapp probirt und zogen in folgender Ordnung an, welche mit demjenigen beginnt, dessen Streifen sich am staͤrksten faͤrbten. 1°. Der mit Kalk gelangte, ohne darauf folgende Saͤurepassage. 2°. Der mit Kalk gelaugte und dann durch Saͤure genommene.Der mit Soda ohne Kalk gelaugte. Zwischen diesen beiden Nummern fand nur ein geringer Unterschied Statt, und derselbe war eher zu Gunsten des ohne Kalk gelaugten Flekes. Bei dem Flek Nr. 4, welcher mit Soda gelaugt und zwischen den Laugen durch Saͤure, aber nicht durch Chlor genommen worden war, zogen die Streifen am wenigsten an; der Unterschied zwischen diesem und den anderen war außerordentlich. Gerade bei Nr. 4 faͤrbte der Boden am meisten ein, woraus sich ergibt, daß das Chlor auf Nr. 1, 2 und 3 wie die Luft gewirkt, naͤmlich den Boden gebleicht hatte; dagegen hatte das Chlor schaͤdlich auf die Fettstreifen gewirkt, weil man bei demselben Flek Nr. 4, der ohne Chlor gebleicht war, kaum Spuren von diesen Streifen mehr bemerken konnte. Das Chlor, weit entfernt bei abwechselnder Anwendung von Laugen und Passagen, die fetten Streifen zu zerstoͤren, hat sie noch mehr befestigt. Man sollte glauben, daß durch die erste Sodalauge alles nicht befestigte Fett beseitigt und das Chlor wenigstens auf das schon befestigte nicht wirken wuͤrde; es scheint hingegen, daß eine einzige Lauge nicht hinreichend ist, um dem Zeuge alles Fett zu entziehen, welches die Soda aufloͤsen kann, und daß man immer besser thut, das Chlorbad erst als lezte Operation anzuwenden, aber durchaus Saͤurepassagen zwischen den Laugen beizubehalten; denn der Zeug zieht waͤhrend der Bleichoperationen Kalktheile an, welche sich der Wirkung der Sodalaugen widersezen. Darf man aus dem Vorhergehenden folgern, daß es besser waͤre, das Chlor gaͤnzlich aus den Bleichoperationen zu verbannen und die bleichende Wirkung, die es auf den Boden hat, durch laͤngeres Auslegen auf der Wiese zu ersezen? Um diese Frage beantworten zu koͤnnen, muͤßte man untersuchen, ob das Chlor nach einer gewissen Anzahl von Laugen nicht auf eine andere Art als die Luft auf die fette Substanz wirkt. Ich hatte von den weißen Zeugstuͤkchen, ehe sie, wie ich oben angab, in Krapp probirt wurden, einen Theil abgetrennt, und tauchte sie nun 8 Stunden lang in ein schwaches Gemisch von Saͤure und Chlorkalk, um zu erfahren, welche Wirkung das Chlor zulezt auf die verschiedenen Fleke haben wuͤrde, besonders auf Nr. 4, der noch gar nicht durch Chlor gekommen war. Beim Probiren in Krapp sah ich zu meinem Erstaunen, daß die Fettstreifen noch viel mehr einfaͤrbten als vorher, daß aber auch der Boden des Zeuges merklich mehr einfarbte als fruͤher, woraus sich also ergibt, daß der Zeug noch Kalk in dem Chlorkalk angezogen hat, obgleich ich ihn nach demselben noch in ein Saͤurebad, aber ohne Zweifel nicht lange genug gebracht hatte. In der Seifenpassage verschwanden die Streifen, weil ihr, wie schon oben bemerkt wurde, nur die mit Alaunerde gebeizten widerstehen. Faͤrbt man nach dem Seifen dieselben Zeugstuͤkchen wieder in Krapp, so ziehen die Streifen wieder an und werden in der Seife nochmals weiß. Die Seife hat also bloß die durch Kalk verunreinigten Stellen entfaͤrbt, welche es immer auf dem Zeuge gibt. Wir wollen, um sicherer auf die endliche Wirkung des Chlors schließen zu koͤnnen, noch die Beschreibung der unten folgenden Versuche abwarten. Nachdem wir nun wissen, wie das Chlor wirkt, wenn es zu fruͤhzeitig angewandt wird, und wie nuͤzlich Saͤurepassagen nach jeder Lauge sind, muß es interessant seyn zu erfahren, wie der Kalk wirkt, wenn man ihn zum Laugen bei einer Reihe von Operationen anwendet, woraus das Chlor verbannt ist. Es bleibt nun auch noch zu untersuchen uͤbrig, ob die Kalklauge nicht zu energisch wirkte, weil man mit ihr, wie es gewoͤhnlich beim Bleichen geschieht, den Anfang machte, und ob man keine anderen Resultate erhaͤlt, wenn man die Ordnung der Operationen umkehrt. Dieses ließ sich um so eher vermuthen, da die Fette, auf welche man beim Bleichen wirkt, immer ein Gemenge von neutralem und gesaͤuertem Fett sind, und da der Kalk bekanntlich die Eigenschaft hat die neutralen Fette zu saͤuern, so muß ein Verfahren nicht sehr rationell erscheinen, wobei man damit anfaͤngt eine groͤßere Menge Fett auf dem Zeuge zu befestigen, die in den folgenden Operationen auch noch beseitigt werden muß. Es schien mir also noͤthig, einen Vergleich der Resultate anzustellen, die man erhaͤlt, je nachdem man den Kalk als erste Lauge gibt oder als zweite oder dritte. Ein Zeugstuͤkchen, welches mit den oben angefuͤhrten mit Talg bedrukt worden war, wurde 8 Tage spaͤter als die uͤbrigen im Großen gelaugt, und zwar zuerst mit kaustischer Soda, dann mit Kalk und dann noch zwei Mal mit Soda. Die Resultate entsprachen aber meinen Erwartungen nicht; sie waren weniger gut als die vorhergehenden, was aber daher ruͤhrte, daß der Flek 8 Tage laͤnger vor dem Laugen liegen geblieben war. Diese Thatsache spricht ebenfalls fuͤr den klugen Rath, welchen Hr. Schwartz in seiner Abhandlung gibt, naͤmlich die Zeuge, welche man fuͤr Weißboden mit Krappfarben bestimmt, so kurze Zeit als moͤglich im rohen Zustande liegen zu lassen, weil es um so schwieriger wird, sie beim Bleichen von den Fetten zu reinigen, je weiter deren Vereinigung mit dem Gewebe vorgeschritten ist. Es wurden daher neuerdings 4 Fleken rohen Baumwollenzeugs gleichzeitig mit Talg in Streifen bedrukt, 8 Tage lang liegen gelassen und dann folgenden Operationen unterzogen: Nr. 1 wurde zwei Stunden lang mit Kalk gelaugt, dann durch Saͤure genommen, dann drei Mal mit kaustischer Soda von 1° gelaugt, jedes Mal zwei Stunden, endlich noch ein Mal durch Saͤure genommen. Nr. 2 wurde mit Soda von 1° gelaugt, dann durch Saͤure genommen, hierauf mit Kalk gelaugt, durch Saͤure genommen, endlich noch zwei Mal mit Soda von 1° gelaugt und nach jedesmaligem Laugen durch Saͤure genommen. Nr. 3 wurde zwei Mal mit Soda von 1° gelaugt und jedes Mal durch Saͤure genommen, dann mit Kalk gelaugt, gesaͤuert, noch ein Mal mit Soda von 1° gelaugt und wieder gesaͤuert. Nr. 4 wurde drei Mal mit Soda von 1° gelaugt und jedes Mal gesaͤuert, hingegen gar nicht mit Kalk gelaugt. Die lezte Saͤuerung dauerte immer eine Stunde, und es wurde dabei ein sehr starkes Bad angewandt. Die Fleke wurden nun durch Wasser gezogen: Nr. 1, welches zuerst mit Kalk gelaugt worden war, nahm das Wasser ganz und gar nicht an. Nr. 2 und 3 nahmen es vollkommen an. Nr. 4, welches nicht mit Kalk gelaugt worden war, ließ stellenweise, aber sehr schwach, die Streifen durchsehen. Von jeder dieser vier Nummern wurde ein Theil abgetrennt und in Krapp probirt. Bei Nr. 1 faͤrbten sich die Streifen stark strohgelb. Bei Nr. 2 und 3 kaum merklich. Bei Nr. 4 faͤrbten sie sich etwas mehr als bei Nr. 2, und etwas weniger als bei Nr. 3; der Boden zog aber bei lezterer weniger an, als bei den drei anderen. Man sieht schon, daß die lezte Saͤurepassage den fetten Streifen die Kalkbasis so vollstaͤndig entzog, daß sie sich nicht mehr roth faͤrben konnten: in der Seifenpassage verschwanden die Streifen auf allen Nummern. Die Seife wurde gerade so wie durch einen Saͤurezusaz zersezt. Ich vermuthe, daß dieses von einer geringen Menge Schwefelsaͤure herruͤhrte, welche die fetten Streifen ungeachtet eines sorgfaͤltigen Auswaschens zuruͤkhielten, und daß diese Saͤure beim Krappen dazu beitraͤgt, den fetten Streifen diese strohgelbe Farbe zu ertheilen, welche man jedes Mal erhaͤlt, wenn solchen Streifen durch Schwefelsaͤure alle Kalkbasis entzogen worden ist. Um den Unterschied hinsichtlich des Zustandes der fetten Streifen noch augenscheinlicher zu machen, bereitete ich ein Kuͤhkothbad, das ich mit Kreide und essigsaurer Alaunerde versezte, und nachdem ich die Muster kochend durch dasselbe genommen hatte, faͤrbte ich sie nochmals. Alle Streifen faͤrbten sich roth: Nr. 1 stark und viel mehr als Nr. 2 und 3; Nr. 4 hielt sich am besten, sowohl hinsichtlich der Streifen als des Bodens. Nach der Seifenpassage zeigte sich diese Abstufung noch auffallender: Nr. 1 stand immer oben an, dann kam Nr. 3; Nr. 2 und 4 unterschieden sich in den Streifen nicht, bei lezterer war aber der Boden immer weißer. Wenn man also den Kalk als erste Lauge anwendet, befestigt er noch eine Quantitaͤt Fett auf dem Zeuge, die sich in kaustischer Soda aufgeloͤst haben wuͤrde, wenn man mit dieser beim Laugen den Anfang gemacht haͤtte; denn Nr. 2, welche zuerst mit Soda und erst dann mit Kalk gelaugt wurde, gab viel bessere Resultate als Nr. 1. Andererseits wirkt auch der Kalk nicht mehr schaͤdlich auf das Fett, welches auf dem Zeuge befestigt ist, wenn die Soda demselben bereits die in Alkali aufloͤslichen Theile entzogen hat; es scheint sogar, daß in diesem Falle der Kalk auf die mit dem Zeuge verbundenen fetten Saͤuren eine groͤßere Wirkung hat als die aufloͤslichen Alkalien; er sucht eine Kalkseife zu bilden, welche sich in der darauf folgenden Saͤurepassage zersezt und fuͤr die spaͤtere Sodalauge eine neue Quantitaͤt Fett hinterlaͤßt, die nicht mehr so stark an dem Zeuge zu haͤngen scheint. Man muß aber nach der Kalklauge wenigstens zwei Sodalaugen geben, denn wir haben bei dem Flek Nr. 3, welcher nach der Kalklauge nur eine Sodalauge erhielt, gesehen, daß diese einzige Lauge unzureichend ist. Bei Nr. 3 war naͤmlich das Resultat zwar viel besser als bei Nr. 1, aber doch nicht so gut wie bei Nr. 2 und 4. Der Bleicher kann also bei der Anwendung von Kalk immer gute Resultate erhalten, wenn er den Zeugen vor der Kalklauge eine Sodalauge, und nach der Kalklauge noch wenigstens zwei Laugen mit kaustischer Soda gibt, wobei es aber noͤthig ist, nach jedem Laugen die Stuͤke durch Saͤure, hingegen nicht durch Chlor zu nehmen. Hiemit will ich jedoch keineswegs die Anwendung des Kalks empfehlen; denn wenn man bloß mit Soda laugt und zwischen den Laugen die Saͤurebaͤder ohne Chlor gibt, so kann man ohne die Kalklauge immer Resultate erhalten, welche mit den durch Kalk erzielten hinsichtlich der Fettfleken den Vergleich aushalten und sie in der Weiße des Bodens sogar noch uͤbertreffen. Ich muß nun bloß noch auf die Wirkung der Chlorbaͤder zuruͤkkommen, wenn man dieselben als lezte Operation gibt; denn daß sie zwischen den Laugen angewandt nachtheilig sind, ist erwiesen. Es wurden also Abrisse der auf oben angegebene Weise gebleichten Zeugstuͤkchen in eine mit Saͤure vermischte Chlorkalkaufloͤsung getaucht, worin jene jedoch nicht in Ueberschuß enthalten war. Man zog sie nach einigen Stunden heraus und nahm sie dann noch durch Saͤure, um den Kalk abzuziehen, den sie im Chloruͤr angezogen haben konnten. Sie wurden aber in die Saͤure getaucht, ohne aus dem Chloruͤr gewaschen worden zu seyn, und es entband sich daher hiebei viel Chlor. Die Zeugstuͤkchen waren vollkommen weiß; nachdem man sie gereinigt hatte, wurden sie in Kuͤhkoth, der mit essigsaurer Alaunerde und ein wenig Kreide versezt war, gebeizt und dann in Krapp gefaͤrbt. Der Boden zog viel weniger an, als bei den ohne Chlor gebleichten, und die Streifen faͤrbten sich auch viel schwaͤcher. Als sie nun bei bloß 40° R. durch ein schwaches Seifenbad genommen wurden, zog sich der Krapp vollkommen ab, die Streifen waren kaum mehr sichtbar und es zeigte sich zwischen ihnen noch dieselbe Abstufung, wie bei den ohne Chlor gebleichten Zeugstuͤkchen. Die Resultate waren fuͤr die vier Nummern viel besser als diejenigen, welche man ohne Chlorpassage als lezte Operation erhielt. Das Chlor hat also auf die durch Laugen erschoͤpften Fette keine schaͤdliche Wirkung mehr; es sucht sie im Gegentheil auf aͤhnliche Art wie die Luft zu zerstoͤren, indem es sie entweder ganz entmischt oder in Substanzen umaͤndert, die nicht mehr nach Art der Fette wirken. Wir koͤnnen nach unseren Resultaten dem Bleicher nun folgenden Rath geben: Man vermeide sorgfaͤltig den Kalk als erste Lauge anzuwenden. Dagegen bringt er keinen Nachtheil mehr, wenn man vor ihm eine oder noch besser zwei Laugen mit kaustischer Soda gibt. Zwischen den Laugen soll man kein Chlorbad geben, sondern dasselbe bloß als lezte Operation anwenden, wodurch man dann besser entfettete und viel weniger geschwaͤchte Zeuge erhaͤlt. Man spare die Saͤurebaͤder nicht, sondern gebe sie nach jeder Lauge, es mag eine Kalk- oder eine Sodalauge seyn, weil die Kalkerde, welche die Fettfleken und der Boden der Zeuge beim bloßen Waschen in unreinem Wasser anziehen, spaͤter der Einwirkung der Laugen sich entgegensezt. Man erhaͤlt so einen besser gebleichten Boden, und die Fettfleken lassen sich leichter beseitigen. Alle Folgerungen, die Hr. Schwartz hinsichtlich der Wirkung des Kalks und des Chlors beim Bleichen der Zeuge aus seinen Versuchen abgeleitet hat, werden also durch meine spaͤter angestellten Versuche vollkommen bestaͤtigt, und ich kann sie daher vertrauensvoll den Bleichern zur Beruͤksichtigung empfehlen.