Titel: Ueber die Elementar-Zusammensezung des Alizarins (rothen Krapppigments) und Orcins; von Hrn. Robiquet.
Fundstelle: Band 58, Jahrgang 1835, Nr. VI., S. 43
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VI. Ueber die Elementar-Zusammensezung des Alizarins (rothen Krapppigments) und Orcins; von Hrn. Robiquet. Aus dem Journal de Pharmacie. August 1835, S. 387. Ueber die Elementar-Zusammensezung des Alizarins und Orcins. Ich habe in meiner lezten Abhandlung uͤber das Orcin Polytechn. Journal Bd. LVII. S. 215. keine Analyse desselben mitgetheilt, weil ich die Absicht hatte alle Farbstoffe, die man sich in reinem Zustande verschaffen kann, und die noch nicht analysirt worden sind, vergleichsweise zu untersuchen. Ich vermuthete, die vergleichende Untersuchung dieser Substanzen duͤrfte einige allgemeine Daten uͤber ihre Zusammensezung ergeben, und z.B. zeigen, ob die fluͤchtigeren eine groͤßere Menge Wasserstoff enthalten, und ob der Kohlenstoff der Typus der bestaͤndigeren ist. Da diese Arbeit aber noch eine geraume Zeit zu ihrer Beendigung erfordern duͤrfte, so will ich vorlaͤufig die Resultate bekannt machen, zu denen ich hinsichtlich des Orcins und Alizarins gelangte. Wer die großen Schwierigkeiten kennt, die mit Untersuchungen dieser Art verbunden sind, weiß, daß man dabei mit vieler Umsicht verfahren muß, weil es bei gewissen Substanzen sehr schwer ist, dieselben rein und doch in ganz unveraͤndertem Zustande zu erhalten. So erhielt man bei den Elementar-Analysen gewisser Substanzen ziemlich abweichende Resultate, und zwar nicht nur wegen der verschiedenen analytischen Methoden, die dabei angewandt wurden, sondern auch weil nur selten zwei Chemiker genau unter denselben Umstaͤnden arbeiten. Fuͤr diejenigen, welche meine Analysen zu wiederholen wuͤnschen, will ich jedoch die Vorsichtsmaßregeln angeben, die ich fuͤr noͤthig hielt, um die moͤglichste Genauigkeit zu erreichen. Bei dem Alizarin besteht die groͤßte Schwierigkeit darin, es zu reinigen. Da einige Chemiker, obgleich mit Unrecht, es in Zweifel zu ziehen suchten, ob dasselbe urspruͤnglich als solches im Krapp enthalten ist, so gab ich mir schon fruͤher viele Muͤhe, es ohne Sublimation von allen fremdartigen Substanzen zu reinigen; dieß gelang mir jedoch nie. Ich glaubte den wahren Grund hievon in seiner innigen Verbindung mit einer gewissen Menge phosphorsauren Kalks zu finden, der ihm als Beizmittel dient und mit ihm in alle Aufloͤsungsmittel uͤbergeht; man mag als solche Aether, Alkohol, verduͤnnte Alkalien oder concentrirte Saͤuren anwenden, so wird dieses Salz immer mit hineingezogen werden und sich mit dem Alizarin niederschlagen. Es muß nothwendig auch in den Farben enthalten seyn, die man mir Krapp erhaͤlt. Obgleich man aber das Alizarin durch Sublimation vollkommen frei von phosphorsaurem Kalk erhaͤlt, so sind damit doch noch nicht alle Schwierigkeiten beseitigt; mit demselben kommt naͤmlich auch eine fette oder harzartige Substanz vor, die ihm sehr hartnaͤkig anhaͤngt und sich zum Theil auch mit ihm verfluͤchtigt. Auf folgende Art suchte ich mir das Alizarin ganz rein zu verschaffen: Ich nehme das geistige Extract von ausgewaschenem KrappMan vergleiche Polytechn. Journal Bd. XXIV. S. 530. und behandle es mehrmals mit kleinen Quantitaͤten Aether; ich beseitige dadurch, obgleich mit Verlust von viel Farbstoff, einen großen Theil des oͤhligen Productes; ich lasse dann die so gereinigte Substanz an der Luft troknen, worauf ich davon nur 2 oder 3 Gramm in einen Platintiegel bringe, welcher ungefaͤhr 100 Gr. Wasser faßt. Diesen Tiegel stelle ich in einem eisernen Triangel, in welchen er ungefaͤhr bis zu seiner halben Hoͤhe geht, auf einen ganz kleinen, mit zwei Thuͤrchen versehenen Abdampfofen. Ich erhize ihn anfangs durch ein sehr maͤßiges Feuer und nehme von Zeit zu Zeit den Dekel ab, um die ersten Daͤmpfe, die von noch ruͤkstaͤndigem Fette herruͤhren, entweichen zu lassen. Dann erhoͤhe ich die Temperatur etwas mehr und lasse den Tiegel geschlossen. Wenn ich bemerke, daß einige Daͤmpfe austreten, schließe ich das untere Thuͤrchen, um das Feuer zu daͤmpfen und lasse wieder etwas Luft zu, wenn es beinahe am Erloͤschen ist. Nadem ich auf diese Art die Temperatur ungefaͤhr eine halbe Stunde lang so regulirt habe, daß die Daͤmpfe sich nicht zu schnell verdichten und auch keine so große Elasticitaͤt erlangen koͤnnen, daß sie aus dem Tiegel treten, verschließe ich neuerdings das untere Ofenthuͤrchen und lasse den Tiegel unverruͤkt erkalten. Gewoͤhnlich ist er nun mit schoͤnen und langen durchsichtigen rothen Nadeln angefuͤllt, die an einem Ende prismatisch und an dem anderen wie eine Degenspize zugeschaͤrft sind. Wenn die Temperatur nicht hoch genug war, findet man anstatt gut abgesonderter Nadeln nur blaßgelbe schneeartige Floken. In beiden Faͤllen trennt man den Sublimat mit dem Bart einer Feder leicht los und wendet die groͤßte Vorsicht an, um nicht zugleich einige Haͤutchen von aufgeblaͤhter Kohle, auf welcher die Krystalle zum Theil aufliegen, damit wegzunehmen. Hierauf erhizt man den kohligen Ruͤkstand neuerdings und erhoͤht die Temperatur etwas mehr als bei der vorhergehenden Operation. Oft erhaͤlt man hiebei noch schoͤnere Nadeln, gerade weil man eine hoͤhere Temperatur anwenden kann; die Daͤmpfe bilden sich langsam und nicht in so reichlicher Menge. Wenn man dieses Product der Analyse unterziehen will, so breitet man es auf einem Blatte weißen Papiers aus, um mittelst kleiner Kneipzangen einige Kohlentheilchen, die sich allenfalls noch darin befinden, zu beseitigen; zum Ueberfluß waͤscht man diese Krystalle auch noch mit ein wenig Aether ab und preßt sie zwischen weißem Filtrirpapiere stark aus, um ihnen auch die lezten Spuren von fetter Substanz, womit sie verunreinigt seyn koͤnnten, zu entziehen. Ich habe diese Analyse des Alizarins sehr oft, nach verschiedenen Methoden und zu sehr verschiedenen Zeiten vorgenommen; meine Resultate stimmen so gut uͤberein, daß ich sie mit Vertrauen der Oeffentlichkeit uͤbergeben kann. Das Alizarin ist nicht schwieriger zu analysiren, als die uͤbrigen fluͤchtigen Substanzen im Allgemeinen. Man muß die Roͤhre in ihrer ganzen Laͤnge sehr gleichmaͤßig erhizen, damit sich die fluͤchtigen Theile an einigen Stellen nicht leichter verdichten koͤnnen, als an anderen und auch alle vorderen Theile der Roͤhre moͤglichst rothgluͤhend erhalten und nur langsam zur Verbrennung schreiten; denn bisweilen geschieht es, daß sich die Substanz ungeachtet aller Vorsichtsmaßregeln am entgegengesezten Ende der Roͤhre ansammelt, und wenn man diesen Theil zu rasch erhizt, so entstehen dann viele Daͤmpfe auf einmal, wovon ein Theil der Einwirkung des Kupferoxyds entgehen kann. Bei dem Orcin kommen noch neue Schwierigkeiten hinzu; besonders weil diese Substanz Krystallwasser enthaͤlt und durch Erhizen zersezbar, ferner fluͤchtig ist. Es gelang mir nie, sie auf einen constanten Punkt auszutroknen, obgleich ich die Temperatur niemals uͤber 100° C. trieb. Sezt man das Orcin aber lange dieser Temperatur aus, so faͤrbt es sich stark und verbreitet bestaͤndig Daͤmpfe; ich hielt es fuͤr zwekmaͤßiger nur mit destillirtem Orcin zu operiren, weil man sicher ist, es ganz wasserfrei zu erhalten, wenn man die Producte der Destillation mit der gehoͤrigen Vorsicht trennt. Die ersten Antheile, welche in die Vorlage uͤbergehen, reißen naͤmlich alle noch zuruͤkgebliebene Feuchtigkeit mit sich; diese Destillation ist aber in so fern schwierig, weil sie nicht zu lange dauern darf und doch eine Verkohlung vermieden werden muß. Um diesen beiden Klippen so gut als moͤglich zu entgehen, bediene ich mich einer sehr kleinen Glasretorte, in die ich gereinigtes und durch kurzes Austroknen bei 100° C. von seinem Krystallwasser befreites Orcin bringe. Ich lege diese Retorte mittelst eines Triangels auf einen kleinen Ofen und bedeke sie mit einem gewoͤlbten Gitter; auf diese Art kann ich sie oben, und unten erhizen und es folglich verhindern, daß sich die Daͤmpfe in der Woͤlbung der Retorte verdichten und wieder in den unteren Theil derselben zuruͤkfallen, um daselbst neuerdings laͤngere Zeit der Einwirkung der Hize ausgesezt zu werden. Ich erhize anfangs sehr maͤßig, um nur die Feuchtigkeit zu entbinden. Wenn das Kochen recht anhaltend ist, die Daͤmpfe schwer und neblig werden und das verdichtete Product zu einer festen Masse erstarrt, dann wechselt man die Vorlage (als solcher bediene ich mich gewoͤhnlich eines Uhrglases). Man muß hiebei wie bei der Antimonbutter mit einer gluͤhenden Kohle laͤngs des Retortenhalses hinfahren, um die Verdichtung des Productes in demselben zu verhindern und sein Abfließen zu erleichtern. Man wechselt neuerdings die Vorlage, sobald man bemerkt, daß die Fluͤssigkeit sich faͤrbt. Das destillirte Orcin sieht nach dem Erstarren emailartig aus, ist sehr compact und krystallisirt; man zerbricht es in Stuͤke und bewahrt es in einer luftdicht verschlossenen und vollkommen ausgetrokneten Flasche auf. Ich habe in Bezug auf das Orcin noch eine merkwuͤrdige Beobachtung mitzutheilen; es besizt naͤmlich gewisse Eigenschaften der Farbstoffe, ohne noch in den Zustand eines solchen uͤbergegangen zu seyn; so ist es neutral, fluͤchtig, und wird von thierischer Kohle wie die Farbstoffe absorbirt. Bei einem Versuche, wo ich eine hinreichende Menge thierischer Kohle angewandt hatte, wurde das Orcin vollstaͤndig von derselben verschlukt, und ich erhielt bloß ein Wasser, worin einige Kalksalze aufgeloͤst waren. Die uͤbereinstimmendsten Resultate einer sehr großen Anzahl von Analysen des Alizarins ergeben im Mittel fuͤr 0,5 Gramm Substanz: Wasser 0,168 Kohlensaͤure 1,285 was fuͤr 100 Theile gibt: Kohlenstoff 71,062 Wasserstoff   3,744 Sauerstoff 25,194 Hieraus erhaͤlt man durch Division mit den respectiven Atomgewichten: Kohlenstoff 0,92968 Wasserstoff 0,60008 Sauerstoff 0,25194 was zu folgenden Verhaͤltnissen fuͤhrt: KohlenstoffWasserstoffSauerstoff 369023821000 = C³⁷ H²⁴ O¹⁰ Nach dieser Formel muͤßte die wahre Zusammensezung in 100 Theilen seyn: Kohlenstoff 71,096 Wasserstoff   3,764 Sauerstoff 25,140 was sehr wenig von den Resultaten des Versuchs abweicht. Die Analysen des Orcins gaben im Mittel fuͤr 0,5 Gramm: Wasser 0,3072 Kohlensaͤure 1,2400 also fuͤr 100 Theile: Kohlenstoff 68,574 Wasserstoff   6,826 Sauerstoff 24,598 Hieraus ergeben sich folgende Verhaͤltnisse: KohlenstoffWasserstoffSauerstoff   8,971410,9480  2,4598   =     C⁹  H¹¹ O²¹oder  C¹⁸ H²² O⁵ Die Formel C¹⁸ = 1375,84 gibt fuͤr Proc. Kohlenstoff   68,345 H²² =   137,27 Wasserstoff     6,817 O⁵ =   500,00 Sauerstoff   24,838    ––––––– –––––––     2013,11 100,000 Diese Resultate stimmen mit denjenigen der Versuche sehr nahe uͤberein.Wir lernen durch dieselben zwar die Zusammensezung des Alizarins und Orcins in Procenten, keineswegs aber deren wahres Atomgewicht kennen, denn dieses laͤßt sich nur aus der Saͤttigungscapacitaͤt einer Substanz ableiten, welche Hr. Robiquet fuͤr keinen der beiden Farbstoffe auszumitteln versucht hat.A. d. R.