Titel: Untersuchungen über die Veränderungen, welche die in verschiedenen Verhältnissen aufgelösten Salze in dem Siedepunkte des Wassers hervorbringen; von J. Legrand.
Fundstelle: Band 59, Jahrgang 1836, Nr. VII., S. 56
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VII. Untersuchungen uͤber die Veraͤnderungen, welche die in verschiedenen Verhaͤltnissen aufgeloͤsten Salze in dem Siedepunkte des Wassers hervorbringen; von J. Legrand. Nach den Annales de Chimie et de Physique. August 1835, S. 423 und dem Institut, No. 118. Legrand, uͤber den Einfluß der Salze aus den Siedepunkt etc. 1) Die Chemiker haben sich wenig mit den Untersuchungen beschaͤftigt, welche den Gegenstand dieser Abhandlung ausmachen, woruͤber man sich wundern muß, weil sie zu glauben scheinen, daß die Verzoͤgerung des Kochens einen Maaßstab fuͤr die Verwandtschaft des Salzes zum Wasser abgibt. Was man in ihren Werken uͤber diesen Gegenstand findet, beschraͤnkt sich auf die Bestimmung des Siedepunktes einiger gesaͤttigten Salzaufloͤsungen. Achard von Berlin ist meines Wissens der einzige, welcher einige Versuche auf die Art anstellte, daß er dasselbe Salz in verschiedenen Verhaͤltnissen anwandte; da aber die Substanzen, welche er benuzte, nicht zahlreich und wenig wirksam waren, so bietet seine Arbeit in dieser Hinsicht kein großes Interesse dar. Abgesehen von der wissenschaftlichen Wichtigkeit dieser Untersuchungen, sind sie aber in vielen Faͤllen sehr nuͤzlich, um die Concentration oder Reinheit der Salzaufloͤsungen zu bestimmen. Man bedient sich zu diesem Zweke fast ausschießlich des Araͤometers und ich bin auch weit entfernt, dessen Dienste zu verkennen; es scheint aber oft mit Vortheil durch das Thermometer ersezt werden zu koͤnnen, und lezteres fuͤhrt bei den Salzen, die eine gewisse Verwandtschaft zum Wasser haben, immer sicherer und bequemer zum Zweke. 2) Der Apparat, dessen ich mich fast bestaͤndig bediente, besteht bloß aus einer Glasroͤhre, die eilf Linien dik, sechs Zoll lang ist und durch eine Weingeistlampe erwaͤrmt wird. Das Thermometer wurde in der Achse der Roͤhre und ungefaͤhr sechs Linien von dem unteren Ende derselben mittelst eines Korks befestigt, der in die Oeffnung der Roͤhre hineinpaßte und in dem sich ein Loch befand, um den Dampf herauszulassen; ein bewegliches Vergroͤßerungsglas gestattete die Zehntelgrade auf das genaueste zu bestimmen. Zuweilen bediente ich mich statt der Glasroͤhre eines Platintiegels, in dessen Dekel sich ein Loch befand, durch das die Thermometerroͤhre ging, welches Verfahren mir ebenfalls gut gelang. Der Tiegel, welcher mir zu Gebot stand, machte es noͤthig eine betraͤchtliche Menge von Substanz anzuwenden, was bei Versuchen dieser Art ohnedieß geschehen muß, nenn sie genau werden sollen. 3) Die angewendeten Salze waren fast alle im trokenen Zustande und wurden vorher durch Erwaͤrmen von allem mechanisch eingeschlossenen oder chemisch gebundenen Wasser befreit. Von den nicht zerfließenden Salzen wurden vorher bestimmte Gewichte bereit gemacht und dann nach und nach in Dosen von 1, 2 und 3 Gramm in die Roͤhre gebracht, je nachdem das Salz mehr oder weniger wirksam und mehr oder weniger aufloͤslich war; am Ende der Operation wurden dann diese theilweisen Abwaͤgungen rectificirt, indem man die Gewichtsabnahme der Flasche, welche das Salz enthielt, bestimmte. Bei Salzen, welche Feuchtigkeit aus der Luft anziehen, konnten die Dosen nicht zuvor hergerichtet werden; man nahm daher bei jedem neuen Versuche so schnell als moͤglich Salz aus der Flasche und bestimmte die Gewichtsabnahme der Flasche, um dessen Menge zu erfahren; dieß war aber nicht immer ausreichend und fuͤr mehrere Salze ließ sich der Einfluß der Feuchtigkeit nur dadurch beseitigen, daß man die Flasche sehr heiß erhielt. Auf diese Art kannte ich also jeden Augenblik die Quantitaͤt Salz, welche meine Roͤhre enthielt. Um dann die Menge des Wassers zu erfahren, wurde von dem Gesammtgewichte das Gewicht des Salzes und des Apparates abgezogen. 4) Wenn man Wasser in einem glaͤsernen Gefaͤße kocht, entwikeln sich anfangs regelmaͤßig zahlreiche Blasen ohne Geraͤusch; sobald aber das Wasser den groͤßten Theil der in ihm aufgeloͤsten Luft verloren hat, ist der Hergang gewoͤhnlich ein anderer; das Kochen erfolgt in unterbrochenen Stoͤßen mit Geraͤusch und das Thermometer zeigt sehr bedeutende Schwankungen. Mehrere Salze verhindern dieses Stoßen schon, wenn sie auch nur in geringer Menge dem Wasser zugesezt werden; andere hingegen beguͤnstigen es in hohem Grade, besonders das neutrale weinsteinsaure Kali. Wenn ich nicht Mittel gefunden haͤtte, dieses Stoßen zu verhindern, so wuͤrde ich bei meinen Versuchen nur ungewisse und unregelmaͤßige Resultate erhalten haben. Gewoͤhnlich glaubt man, daß dieser Zwek genugsam erreicht werde, wenn in die Fluͤssigkeit einige Spaͤne von irgend einem Metalle gelegt werden, und in diesem Falle verdiente das Platin wegen seiner Unveraͤnderlichkeit allen anderen vorgezogen zu werden. Dieß ist aber ein Irrthum, und um sich davon zu uͤberzeugen, braucht man nur das Kochen einige Zeit fortzusezen. In dem Augenblike, wo man etwas Platinfeile in das Wasser wirft, erfolgt das Kochen leichter wegen der Luft, die zugleich mit dem Metalle hineinkommt, sobald diese Luft aber ausgetreten ist, beginnt has Stoßen neuerdings. Ich behaupte nicht, daß der Zustand des Metalles ohne Einfluß ist und daß es als Pulver eben so wirkt, wie in Masse; so viel kann ich aber sagen, daß die Natur des Metalles der Hauptpunkt ist. Es waͤre zu weitlaͤuftig alle Versuche anzufuͤhren, die ich uͤber diesen Gegenstand anstellte, und ich bemerke bloß, daß Zink und Eisen, welche das Wasser am leichtesten zersezen, auch das Stoßen am besten verhindern. Ich brachte daher immer in die Glasroͤhre, worin ich die Salzaufloͤsungen kochte, einige Stuͤkchen Zink und erzielte dadurch stets ein ruhiges und regelmaͤßiges Sieden. Selbst mit dieser Vorsichtsmaßregel erfolgt das Sieden noch nicht immer bei derselben Temperatur, wie in einem metallenen Gefaͤße; der Unterschied ist aber nicht betraͤchtlich und kann unberuͤksichtigt bleiben. Das Zink erlitt bisweilen keine Veraͤnderung; manchmal wurde aber seine Oberflaͤche etwas verunreinigt; nie nahm es jedoch merklich an Gewicht ab. 5) Ich waͤhlte zu meinen Versuchen vier Thermometer, die von anerkannt geschikten Kuͤnstlern verfertigt waren; als ich sie aber in schmelzendem Eis und kochendem Wasser probirte, zeigte sich keines genau. Ihre Fehlerhaftigkeit ruͤhrte nicht bloß von der bekannten Veraͤnderlichkeit der fixen Punkte her; sondern der Siedepunkt war dabei nicht mit den von den Physikern vorgeschriebenen Vorsichtsmaaßregeln bestimmt worden. Ich war also genoͤthigt fuͤr jedes dieser Instrumente kleine Tabellen anzufertigen, womit ich die beobachteten Grade in die eines genauen Centesimalthermometers umsezen konnte. Ich machte auch bei den Resultaten eine Correction, die man nur zu oft vernachlaͤssigt; der Theil der Thermometerroͤhre, welcher außerhalb der Glasroͤhre war, wurde auf einer bestimmten und bekannten Temperatur erhalten und die Beobachtungen durch Rechnung auf diejenigen reducirt, welche man erhalten haben wuͤrde, wenn alles Queksilber die Temperatur des Behaͤlters gehabt haͤtte. Die Tiefe der Fluͤssigkeit ist der einzige Umstand, auf den ich bei den unten folgenden Tabellen keine Ruͤksicht nahm; der daraus entspringende Fehler kann aber niemals zwei Zehntel-Grade uͤberschreiten. 6) Wenn die kochende Aufloͤsung den Saͤttigungspunkt erreicht, trifft die Salzmenge, welche sie enthaͤlt, mit der Aufloͤsbarkeit des Salzes fuͤr die wirkliche Temperatur zusammen. Darum schien der Saͤttigungspunkt eine besondere Aufmerksamkeit zu verdienen, und ich habe nichts vernachlaͤssigt, um die Temperatur desselben, so wie die Menge Wasser und Salz, die ihm entspricht, genau zu bestimmen. Anfangs schien es daß, um diese Temperatur zu erhalten, es nur noͤthig sey, diejenige zu beobachten, bei der das Salz sich abzusezen anfaͤngt; auf diese Weise wuͤrde man aber nichts Constantes erhalten und man muß daher diejenige nehmen, welche Statt findet, waͤhrend sich das Salz absezt. Ich machte auch wirklich die Bemerkung, daß die Aufloͤsung ungeachtet der Bewegung beim Kochen sich uͤbersaͤttigen und eine immer hoͤhere Temperatur erreichen kann; sobald sich aber das Salz absezt, geht das Thermometer wieder auf einen Punkt herab, auf dem es fest stehen bleibt. Dieß ist eine aͤhnliche Erscheinung, wie die wohlbekannte Verzoͤgerung beim Gefrieren des Wassers; man hatte sie schon bei der Krystallisation der Salze bei gewoͤhnlichen Temperaturen beobachtet, aber merkwuͤrdig ist es, daß das Sieden sie nicht verhindert. Das kohlensaure Kali bietet unter allen Salzen diese Erscheinung auf das auffallendste dar; ich sah ein Mal seine Aufloͤsung 140º erreichen, ohne daß sie Salz absezte; aber ploͤzlich fand ein lebhaftes Aufbrausen Statt, es fiel sogleich eine große Menge Salz nieder und das Thermometer sank auf 135º herab, wo es eine unbestimmte Zeit fest stehen blieb. – Wenn die Temperatur der Saͤttigung bestimmt ist, so bleibt nur noch die ihr entsprechende Menge Wasser und Salz zu finden; zu diesem Zweke schuͤtte ich ein wenig Wasser in die Roͤhre, um das Salz wieder aufzuloͤsen, bringe die Fluͤssigkeit zum Sieden, und gebe genau auf den Zeitpunkt Acht, wo das Thermometer den Saͤttigungspunkt erreicht, und wiege sogleich. Man koͤnnte jedoch vermuthen, daß die so erhaltene Menge Salz zu groß ist, weil ich so rechnete, als waͤre das ganze Salz in der Roͤhre, welches ich auf mehrere Male in dieselbe brachte und weil ein laͤngeres Sieden etwas Weniges davon entziehen mußte. Um in dieser Hinsicht alle Zweifel zu beseitigen, nahm ich immer eine zweite Operation vor, indem ich die dem Saͤttigungspunkt angemessene Menge Wasser und Salz fast auf ein Mal in die Roͤhre brachte, dieselbe erwaͤrmte, um das Salz aufzuloͤsen, die Aufloͤsung sieden ließ, und das Waͤgen vornahm, sobald der Saͤttigungspunkt erreicht war. Da das Sieden nur kurze Zeit dauerte, so war der Verlust an Salz unmerklich und die Menge Wasser oder Salz konnte mit aller moͤglichen Genauigkeit bestimmt werden. Ich brauche nicht zu bemerken, daß diese Genauigkeit um so großer ist, je schneller die Verzoͤgerung des Kochens fuͤr dieselbe Zunahme in der Menge des Salzes waͤchst. Es ist auch noch in anderer Hinsicht interessant, die Temperatur des Saͤttigungspunktes zu kennen; man lernt naͤmlich dadurch eine Graͤnze kennen, die man nicht zu uͤberschreiten braucht, um einem Salze alles Krystallisationswasser zu entziehen. Ich hatte wirklich Gelegenheit mich zu uͤberzeugen, daß die Salze, welche ich zu meinen Versuchen anwandte, sich bei dieser Temperatur vollkommen austroknen, wenn man sie nur lange genug darauf erhaͤlt und die Erneuerung der Luft erleichtert; so verliert kohlensaures Kali sein Wasser vollstaͤndig bei 135º C., Chlorcalcium bei 180º etc..... Ich behaupte jedoch keineswegs, daß das Salz nicht bei einer niedrigeren Temperatur ausgetroknet werden kann, sondern bloß, daß man jene nicht zu uͤberschreiten braucht; es versteht sich von selbst, daß wenn man sie uͤberschreitet, das Austroknen schneller erfolgt. Um eine genaue Vorstellung von dem Gange der Resultate zu geben, machte ich eine sogenannte Curve der Verzoͤgerungen des Siedens, indem ich die beobachteten Verzoͤgerungen als Ordinaten und nur die entsprechenden Quantitaͤten Salz als Abscissen annahm. Die Menge Wasser wird immer gleich 100 genommen. Dadurch wurde es mir leichter, die den angegebenen Verzoͤgerungen des Kochens entsprechenden Mengen Salz zu bestimmen, und ich habe die Resultate davon in eben so viel Tabellen, als ich Salze anwandte, aufgestellt. Obgleich die folgende Tabelle nur ein Abriß daraus ist, so wird man doch vermittelst derselben die Curven der Verzoͤgerung mit ziemlicher Genauigkeit bestimmen koͤnnen. Man muß sich erinnern, daß die Wassermenge bestaͤndig gleich 100 ist, und daß die Versuche unter dem gewoͤhnlichen Druke der Atmosphaͤre angestellt wurden. Textabbildung Bd. 59, S. 60 Verzoͤgerung des Kochens; Salpetersaures Ammoniak, krystallisirt; Chlorcalcium (salzsaurer Kalk); Salpetersaurer Kalk; Kohlensaures Kali; Salpetersaures Natron; Chlorstrontium (salzsaurer Strontian); Salpetersaures Kali; Neutrales weinsteinsaures Kali; Grade Textabbildung Bd. 59, S. 61 Salmiak; Chlornatrium (salzsaures Natron); Chlorkalium (salzsaures Kali); Chlorbarium (salzsaurer Baryt); Chlorsaures Kali; Verzoͤgerung des Kochens; Salpetersaures Ammoniak, krystallisirt; Chlorcalcium (salzsaurer Kalk); Kohlensaures Kali; Kohlensaures Natron; Grade Zur Ergaͤnzung dieser Tabelle geben wir hier die Temperaturen des Saͤttigungspunktes und die denselben entsprechenden Salzmengen: Salpetersaures Ammoniak 80,0 Unendliche Groͤße. Salzsaurer Kalk 79,5     325,0 Salpetersaurer Kalk 51,0     362,2 Kohlensaues Kali 35,0     205,6 Salpetersaures Natron 21,0     224,8 Salzsaurer Strontian 17,9     117,5 Salpetersaures Kali 15,9     333,1 Neutrales weinsteinsaures Kali 14,67     296,2 Salzsaures Ammoniak 14,2       88,9 Salzsaures Natron   8,4       41,2 Salzsaures Kali   8,3       59,4 Kohlensaures Natron   4,6       48,5 Salzsaurer Baryt   4,4       60,1 Chlorsaures Kali   4,2       61,5