Titel: Ueber die sogenannte Schlagmühle (Beating Mill), deren man sich in England zum Appretiren der Leinewand bedient. Von Fr. Marquardt.
Fundstelle: Band 62, Jahrgang 1836, Nr. LXXVII., S. 451
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LXXVII. Ueber die sogenannte Schlagmuͤhle (Beating Mill), deren man sich in England zum Appretiren der Leinewand bedient. Von Fr. Marquardt. Mit Abbildungen auf Tab. VII. Beschreibung der englischen Schlagmuͤhle zum Appretiren der Leinewand. Unter den zum Appretiren der Leinewand in Anwendung gekommenen Maschinen ist es die sogenannte Schlagmuͤhle (Beating Mill), deren Einrichtung bis jezt, so viel wenigstens dem Verfasser dieses Aufsazes daruͤber Kunde geworden ist, so gut als unbekannt blieb. In England bedient man sich dieser Maschine sehr haͤufig, und auch in Deutschland ist dieselbe z.B. in Bielefeld angewendet, aber auch zugleich so geheim wie moͤglich gehalten worden. Durch Verhaͤltnisse, deren Eroͤrterung nicht hieher gehoͤrt, empfing die Sammlung des Gewerbevereins fuͤr das Koͤnigreich und auch diejenige der hoͤheren Gewerbeschule in Hannover jede ein Modell der Beating Mill, welche zwar von zwei verschiedenen Meistern angefertigt sind, aber doch in der Hauptsache uͤbereinstimmen und nur in einigen Nebensachen von einander abweichen, wie ich dieses spaͤterhin bemerklich machen werde. Die Appretur, welche die Leinewand unter der Einwirkung der Beating Mill erhaͤlt, ist von ganz anderer Art wie die durch den Kalander oder eine andere Glaͤttmaschine erzeugte; denn da sie, wie dieß die Folge zeigen wird, durch ein Zusammenstampfen der Leinewand bewirkt wird, so kann diese nicht so glaͤnzend erscheinen, als ob sie durch die polirten Walzen einer Kalander gezogen worden waͤre, sondern sie wird vielmehr nur fest und eben, und erhaͤlt dabei einen ganz eigenthuͤmlichen moireeartigen Schimmer, welcher die Folge der besonderen Wirkungsart der Maschine ist. Bei der Zeichnung und Beschreibung dieser Maschine, welche ich hiemit dem technischen Publicum mittheile, ist das Modell zu Grunde gelegt, welches die hoͤhere Gewerbsschule in Hannover besizt, und welches mit mehr Sorgfalt ausgefuͤhrt wurde als das andere bereits bezeichnete und von dem daher anzunehmen ist, daß es die Verhaͤltnisse des Originals am richtigsten enthaͤlt. –––––––––– Das starke, aus Eichenholz aufgebaute Geruͤst A, Fig. 1 und 2 dient den einzelnen Theilen der Maschine zur Grundlage. Oben auf demselben sind die Zapfenlager a, a befestigt, in welchen die Daumenwelle b ruht. Diese ist mit 60 Daumen besezt, welche in die Welle nach Vorschrift einer doppelten Schraubenlinie so eingelassen sind, daß in jeder der Schraubenlinien der so entstandenen doppelten Schraube 30 Daumen in gleichen Abstaͤnden und um gleiche Winkel von einander verschieden sich befinden. Jede der eben bezeichneten Schraubenlinien enthaͤlt drei Gaͤnge, so daß also in jedem Gange einer jeden der beiden Schraubenlinien 10 Daumen enthalten sind. Diese Daumen dienen dazu, um 30 Stampfen b, zu heben und fallen zu lassen, welche zwischen den Balken 1... 1 und 2... 2 des Gestelles sicher auf und ab bewegt werden koͤnnen. In dem Zustande, worin die Maschine in der Zeichnung befindlich ist, sind die saͤmmtlichen aus Eschenholz verfertigten und auf ihrer unteren Flaͤche sanft gewoͤlbten und sein abgeschliffenen Stampfen durch Pfloͤke, welche in dieselben gerade oberhalb des Balkens 2... 2 eingestekt sind, in eine solche Lage gebracht, daß sie von den Daumen der Welle b nicht beruͤhrt werden koͤnnen. Wenn aber diese Pfloͤke entfernt werden, so fallen die Stampfen nach Maaßgabe der Stellung der Daumenwelle theils auf die Walze c herab, theils werden sie auch von den Daumen der Welle b getragen. Die Walze c, deren Lager auf dem Balken 3... 3 des Gestelles A befindlich sind, ist mit Papier beklebt, damit die Leinewand, welche um diese Walze gewikelt wird, nicht beschmuzt wird. Man erkennt leicht, daß bei einer Drehung der Daumenwelle die saͤmmtlichen Stampfen zwei Mal gehoben und zwei Mal auf die um die Walze c gewikelte Leinewand herabgefallen seyn muͤssen, wodurch diese an den getroffenen Stellen zusammengepreßt wird. Es ist aber auch noͤthig, daß sich die leztgenannte Welle langsam und gleichmaͤßig um ihre Achse drehe, damit alle Theile der Leinewand von den Stampfen getroffen werden koͤnnen, und daß sie zugleich in ihren Lagern in der Richtung ihrer Achse hin und her geschoben wird, damit nicht die zwischen den Beruͤhrungspunkten zweier benachbarter Stampfen an der Leinewand frei gebliebenen Stellen ungetroffen davon kommen. Beide Bewegungen muͤssen in einem bestimmten gleichmaͤßigen Verhaͤltnisse Statt finden, damit nach ein- oder mehrmaliger ganzer Umdrehung der Leinewandwalze c keine Stelle der Leinewand vorhanden ist, welche nicht durch die Einwirkung der Stampfen geebnet worden waͤre. Zu dem Zweke ist die Achse der Daumenwelle b uͤber ihr Lager hinaus verlaͤngert und mit einer Schraube ohne Ende b, versehen. Diese greift in das Rad d, welches auf einer, in den am Gestelle A befestigten Lagern f... f befindlichen stehenden Welle e angebracht ist. Dieselbe Welle ist unten mit einem Kronrade d, versehen, welches mit dem auf der Achse der Walze c befestigten Rade c, in Eingriff gebracht ist. Da das Rad d sowohl wie das Kronrad d, und auch das Rad c, jedes 19 Zahne hat, so begreift man, daß bei jeder Umdrehung der Daumenwelle b die Leinewandwalze c um den neunzehnten Theil ihrer Peripherie herumgedreht werden muß. Es ist aber auch ferner die stehende Welle e mit einer excentrischen Scheibe e, versehen, welche vermittelst eines Zwischengliedes e, mit dem zweiarmigen Hebel g in Verbindung gesezt ist. Dieser Hebel hat seinen Drehungspunkt in der am Gestelle A befestigten Stuͤze g, und außerdem ist er an seinem unteren Ende mit einer Klaue versehen, welche in die Nute eines auf die Achse der Walze c vor das Rad c, gestekten Cylinders eingreift, wie dieß am besten aus Fig. 3 ersichtlich ist. Wenn nun bei den Umdrehungen der Daumenwelle zugleich die stehende Welle e in drehende Bewegung gesezt wird, so muß offenbar nach 9 1/2 Umdrehung der ersteren der eine Arm des Hebels g um die Groͤße der Excentricitaͤt der Scheibe e, von dem Gestelle der Maschine abwaͤrts gebogen worden seyn, wenn er vorhin ihr am naͤchsten stand, und umgekehrt. So wie aber der eine Arm des Hebels g sich von der Maschine entfernt, so naͤhert sich ihm der andere, und schiebt so vermittelst seiner Klaue, durch welche die drehende Bewegung der Walze c nicht verhindert werden kann, diese leztere in der Richtung ihrer Achse in ihren Lagern nach der entsprechenden Richtung hin weiter. Auf diese Weise wird der vorhin bemerkte Zwek vollkommen erreicht, und wenn die Leinewand durch diese Operation ein Ansehen etwa des gewaͤsserten Bandes bekommt, so erklaͤrt sich dieß leicht durch den Umstand, daß eigentlich die Leinewand mit Lagen nahe an einander liegender Punkte bedekt ist, welche unter sehr spizem Winkel uͤber einander hingelegt sind und dadurch regelmaͤßige Figuren bilden, wie dieß z.B. auch mit den Punkten der Fall ist, welche die Kupferstecher vermittelst des Roulets in schraͤg uͤber einander gelegten Lagen hervorbringen, und welche alsdann Figuren zeigen, welche jenen aͤhnlich sind. Die saͤmmtlichen Stampfen sind oberhalb ihrer Heblatten noch mit eingestekten Pfloͤken versehen, so daß also durch die Balken 4... 4, welche die Stampfen umfassen, und welche an ihren Enden mit einander in Verbindung gesezt sind, diese lezteren dann saͤmmtlich in die Hoͤhe gehoben werden koͤnnen, wenn ein an den Balken 4... 4 befestigtes und um die Rolle 5 geschlagenes Tau durch Umdrehen des lezteren aufgewikelt wird. – Da die Maschine gewoͤhnlich durch Elementarkraft in Bewegung gesezt werden wird, so ist auch die Einrichtung getroffen, daß zu jeder beliebigen Zeit, ohne die Wirksamkeit der bewegenden Kraft zu hemmen, doch die leztere außer Verbindung mit der Maschine gebracht werden kann. Die Rolle h naͤmlich ist auf der Achse der Daumenwelle drehbar und wird nur dadurch undrehbar, daß die auf ihrer Flaͤche eingesezten Zaͤhne 6... 6 in die Vertiefungen des Stuͤkes i eingreifen, welches auf einem vierekigen Ansaze der Achse der Welle h vermittelst des Hebels k hin und her bewegt werden, und also mit der Rolle h nach Gefallen in oder außer Verbindung gesezt werden kann. Daß dadurch nach Maaßgabe eines oder des anderen Falles die Maschine mit der Drehung der Rolle ebenfalls in Bewegung gesezt werden muß oder nicht, versteht sich von selbst. – Es ist hier noch zu bemerken, daß das Rad c₁ und der Cylinder C₂ auf einen vierekigen Ansaz der Achse der Welle c gestekt und durch eine Schraube darauf befestigt sind, und daß daher, waͤhrend der Appretirung der Leinewand auf der Walze c eine andere von gleichen Dimensionen mit Leinewand bewikelt werden kann, welche nach Vollendung der ersteren und nach vorgenommener Trennung von Rad und Cylinder mit diesen lezteren in Verbindung gesezt und so in ihre Lager zu fernerem Gebrauche eingelegt werden kann. –––––––––– Schon vorhin bemerkte ich, daß die beiden Modelle, von denen ich Erwaͤhnung that, in einigen Nebendingen von einander abweichen. Diese Bemerkung trifft zuerst die Art, wie die Daumen in der Welle b eingesezt sind. Wie dieß bereits beschrieben ist, so enthaͤlt die Welle des einen Modells 3 Gaͤnge einer doppelten Schraube, bei dem anderen hingegen bilden die Daumen nur einen einzigen Gang. Wenn bei der ersten Art, wobei die Stampfen mit der laufenden Nummer von 1 bis 30 bezeichnet seyn moͤgen, die erste Stampfe herabfaͤllt, so fallen mit ihr die Stampfen 11, 21 der einen Schraubenlinie, und die Stampfen 6, 16, 26 der anderen, und es tritt die Reihefolge ein, wie sie die nachfolgende Tabelle zeigt. Textabbildung Bd. 62, S. 455 Wenn die Daumen wie beim zweiten Modelle nur eine doppelte Schraube von einem Gange bilden, so wird jedes Mal, wenn die 1ste Stampfe der einen Schraubenlinie faͤllt, auch die 16te der anderen fallen, so daß sich daraus folgende Tabelle darstellen laͤßt:   1 ...... 16   2 ...... 17   3 ...... 18   4 ...... 19   5 ...... 20   6 ...... 21   7 ...... 22   8 ...... 23   9 ...... 24 10 ...... 25 11 ...... 26 12 ...... 27 13 ...... 28 14 ...... 29 15 ...... 30   etc. Man uͤberzeugt sich, daß bei der ersteren Einrichtung jedes Mal 6 und bei der lezteren nur jedes Mal 2 Stampfen zugleich herabfallen. Welcher von diesen Einrichtungen der Vorzug zu geben ist, mag die Erfahrung lehren. Eine zweite Verschiedenheit findet sich zuerst in dem Verschiebungsmechanismus der Walze c, und dann auch in der Groͤße ihrer Achsendrehung im Verhaͤltniß zu jener der Welle. Das erstere ist so unbedeutend, daß es sich nicht lohnt daruͤber weiter zu sprechen, das Leztere ist indeß so regulirt, daß bei jeder Umdrehung der Daumenwelle die Leinewandwalze sich langsamer dreht, als es vorhin angegeben wurde. Wenn man dabei in Erwaͤgung zieht, daß die Leinewandwalze 1 Fuß, und mit Leinewand bewikelt wohl 2 Fuß Durchmesser hat, so sieht man leicht, daß die Peripherie der Leinewandwalze bei jeder Umdrehung fast um 4 Zoll gedreht werden muß. Ich bin nicht im Stande zu beurtheilen, ob der uͤberschlagen, wegen der doppelten Schraube auf 2 Zoll zu reducirende Raum zu groß ist oder nicht. Wenn man indeß an der stehenden Welle e statt des Kronrades d, eine Schraube ohne Ende anbringt, wie dieß bei dem anderen Modelle der Fall ist, so wuͤrde bei jeder Umdrehung der Daumenwelle die Peripherie der Welle c nur beilaͤufig um 1/5 Zoll gedreht werden, so daß dann die Punktreihen in Abstanden von 1/10 Zoll die Leinewand trafen. Es scheint indeß fast, als ob diese leztere Drehung zu gering waͤre, was jedoch nur Versuche lehren koͤnnen, welche mit dieser so sehr einfachen und nuͤzlichen Maschine anzustellen gewiß nicht unverdienstlich waͤre. Auf Tab. VII zeigt Fig. 1 den Aufriß, Fig. 2 den Querriß, und Fig. 3 eine Detailansicht dieser Maschine; die ersteren beiden sind im 36sten, die leztere ist im 18ten Theile der wirklichen Groͤße. –

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Tafel Tab.
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Tab. VII