Titel: Ueber die Vorzüge des Kohlenwasserstoffgases vor dem reinen Wasserstoffgas bei Luftballons; von Charles Green.
Fundstelle: Band 63, Jahrgang 1837, Nr. XLIII., S. 223
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XLIII. Ueber die Vorzuͤge des Kohlenwasserstoffgases vor dem reinen Wasserstoffgas bei Luftballons; von Charles Green. (Aus dem Temps.) Green, uͤber Fuͤllung der Luftballons. Da seit den ersten Versuchen von Luftfahrten die Moͤglichkeit, Gegenstaͤnde von betraͤchtlichem Gewichte in die Luft zu erheben, erwiesen war, so haben sich viele unterrichtete Maͤnner mit den Mitteln beschaͤftigt, die verschiedenen Theile der Apparate zu vervollkommnen; mir scheint aber, daß sich ihre Bemuͤhungen eher auf den hauptsaͤchlichen Bewegungsstoff des Aërostaten, als auf dessen weniger wichtige Theile haͤtten wenden sollen. Diesem Umstaͤnde habe ich immer die Ursache des Nichterfolges einer großen Zahl von Aufsteigungen zugeschrieben, die im Interesse der Kunst unternommen wurden, so wie die Gleichguͤltigkeit, welche man deßwegen bei Personen antraf, die bei ihrem Vermoͤgen sicher zur Aufmunterung der Unternehmung beigetragen haben wuͤrden. Ich habe mich seit 1802 mit Versuchen uͤber die Fabrication des Kohlenwasserstoffgases (das aus Steinkohlen bereitet wird) beschaͤftigt, und mein Haus mit diesem Gas mehrere Monate lang beleuchtet, bevor noch irgend eine Compagnie bestand. Nach Errichtung mehrerer großen Gasometer in London ersah ich die große Leichtigkeit, es in hinreichender Quantitaͤt zu gewinnen, und so kam mir der Gedanke, mich seiner zur Luftfahrt zu bedienen. Von der englischen Regierung zu einer Luftfahrt (meiner ersten) bei der Kroͤnung des Koͤnigs Georg IV. fuͤr den 21. Jul. 1821 aufgefordert, habe ich bei diesem Anlaß die Moͤglichkeit erwiesen, sich mit Erfolg des Kohlenwasserstoffgases, troz der gegentheiligen Meinung der damaligen ausgezeichnetsten Luftfahrer und Chemiker, zu bedienen. Bevor ich noch die Vortheile dieses gekohlten Gases nachweise, muß ich die Nachtheile angeben, die aus dem Gebrauche des Wasserstoffgases, so wie man es bei der Zersezung des Wassers durch Eisen und Saͤuren gewinnt, entspringen. Diese Nachtheile werden auch solchen Personen, die, ohne sich diese Kunst zum besonderen Gegenstand ihres Studiums gemacht zu Haben, Zeugen der Operation der Fuͤllung eines Luftballons durch dieses Verfahren gewesen sind, einleuchten. Die Schwierigkeit und selbst die Unmoͤglichkeit, die Leitungsroͤhren vollkommen aneinander zu fuͤgen, um das Entweichen des Gases in großer Quantitaͤt zu verhuͤten — denn die Mischung der Stoffe, aus denen es hervortritt, erzeugt eine Hize, die haͤufig die zur Verbindung der Roͤhren angewandte Loͤthung erweicht —; die Gefahr, daß die Saͤure die Personen, die in der Naͤhe sind, beruͤhre; die Explosion (die nicht selten sich ereignet) der fuͤr diesen Gebrauch angewandten Gefaͤße sind Hindernisse, die allen denen, welche solchen Operationen beiwohnten, bekannt sind. Dazu kommt noch ein anderer Nachtheil, der von der Dauer der zur Fuͤllung des Luftballons mit Gas noͤthigen Arbeit herruͤhrt, indem der Ballon waͤhrend dieser Operation allem Unwetter ausgesezt ist. Dieses Hinderniß ist schon sehr groß; ein noch groͤßeres Hinderniß ist aber die Ungewißheit der Stunde, in welcher man den Ballon gefuͤllt haben wird, da die dazu noͤthige Zeit je nach dem Zustande der Atmosphaͤre, der Reinheit des Eisens und der Staͤrke der angewandten Saͤure wechselt. Außer diesen angefuͤhrten gibt es noch andere fuͤr einen Luftfahrer wichtige Nachtheile, die dieser leicht begreifen wird. Aus der hohen, durch die Fabrication des Wasserstoffgases erzeugten Temperatur und der Schwierigkeit, es in großer Quantitaͤt zu erkaͤlten, folgt, daß es mit einer hoͤheren Temperatur als der der umgebenden Atmosphaͤre in den Ballon tritt, und bis nun das Gleichgewicht hergestellt wird, bemerkt der Luftfahrer, wenn er die Erde verlassen hat, daß seine Maschine an Kraft verliert, ohne daß er einen Grund davon anzugeben wuͤßte. Diesem Umstande muß man die große Schwierigkeit zuschreiben, die Blanchard bei seiner Ueberfahrt von Dover nach Calais erfahren hat, eine Schwierigkeit, die er der Attraction des Meeres zuschrieb, denn sein Ballon hatte bei seiner Abfahrt eine hinreichende Kraft, um zwei Personen und die noͤthige Quantitaͤt Ballast mitzunehmen. Wenn man nicht die groͤßte Sorgfalt in dem gehoͤrigen Mischungsverhaͤltnisse der Stoffe, welche das Gas erzeugen sollen, beobachtet, so ergibt sich ein allzu starkes Aufbrausen, und es entweicht eine groͤßere Quantitaͤt Dampf, als der Apparat verdichten kann, und dann kommt diese Verdichtung erst im Ballon zu Stande. Die von diesem Dampf erzeugte Feuchtigkeit wird von dem Ballon absorbirt, und vermehrt dessen Gewicht bedeutend; und da der Dampf uͤberdieß aus der Aufloͤsung von Eisenoxyd, Schwefelsaͤure, verschiedenen fluͤchtigen Oehlen und von Unreinigkeiten des Eisens herruͤhrt, so loͤst er den Firniß auf, zerstoͤrt die Farbe und schwaͤcht die Seide. So wie man dabei eine große Quantitaͤt Gas verliert, so tritt auch viele atmosphaͤrische Luft in den Ballon. Um den Ballon von Vauxhall zu fuͤllen, muͤßte das Faß wenigstens 2000 Kubikfuß halten, und da die das Gas erzeugenden Stoffe nur ein Drittel dieses Raumes einnehmen wuͤrden, so folgt daraus, daß 1,400 Kubikfuß, oder ungefaͤhr 112 Pfd. atmosphaͤrischer Luft zugleich mit dem Wasserstoffgas in den Ballon eindringen werden, und diese Luft wird erst daraus hervortreten, wenn die Zersezung mit Schnelligkeit vor sich gegangen ist. Was nun aber hauptsaͤchlich hindert, sich des Wasserstoffgases, selbst bei den vollkommensten Mitteln seiner Bereitung, das heißt ohne Sauͤren, zu bedienen, und was es fuͤr eine lange Luftreise ganz untauglich macht, ist seine große Duͤnnheit, wegen welcher dieses Gas ohne große Schwierigkeiten die Zwischenraͤume der dichtesten Seide durchdringt. Man hat sogar gefunden, daß der undurchdringlichste Firniß, den man kennt, das Wasserstoffgas nicht lange zuruͤkzuhalten vermag. Zu diesen Nachtheilen kommen noch die betraͤchtlichen Kosten der Fabrication des Wasserstoffgases; denn seit der Errichtung von Compagnien zur Beleuchtung mit Kohlenwasserstoffgas in fast allen großen Staͤdten von Europa kann man einen Ballon sechs Mal fuͤr den Preis fuͤllen, den eine einzige Operation derselben Art mit reinem Wasserstoffgas ausmachen wuͤrde. Unter den Vortheilen, die aus dem Gebrauche des Kohlenwasserstoffgases entspringen, muß man unter anderen auch folgende beachten: man kann sehr leicht die Leitungsroͤhre der Roͤhre der Gasmanufactur anfuͤgen; es wird kein Entweichen Statt finden, und sonach weder Verlust noch Geruch bemerkt werden. Da die Gasometer bestaͤndig im Gebrauche sind, so koͤnnen sie keine atmosphaͤrische Luft enthalten; das Gas ist sonach unvermischt, und da es auch, wegen der erfahrenen Reinigung, ohne Unreinigkeiten ist, so wird es der Seide keinen Schaden zufuͤgen. Die noͤthige Zeit zur Fuͤllung eines Ballons, wie groß er auch seyn mag, laͤßt sich genau berechnen, und die Stunde bestimmen, wo die Arbeit zu Ende seyn wird, weil man den Druk kennt, der gegeben wird. Das Kohlenwasserstoffgas, das durch in der Erde angebrachte Roͤhren geht, kommt mit einer weit geringeren Temperatur, als die der umgebenden atmosphaͤrischen Luft in den Ballon, und sein Volum oder seine Kraft nimmt sonach zu. Der große Vorzug dieses Gases besteht in der Leichtigkeit, womit man es lange zuruͤkhalten und sonach eine groͤße Reise vornehmen kann. Dieß wuͤrde mit einem mit reinem Wasserstoffgase gefuͤllten Ballon nicht moͤglich seyn, weil dieses Gas in kurzer Zeit entweichen wuͤrde. Der einzige Vorzug, den das reine Wasserstoffgas vor dem Kohlenwasserstoffgase besizt, ist seine groͤßere Leichtigkeit; dieser wird aber mehr als uͤberwogen durch die Verschiedenheit des Preises; er wird selbst illusorisch, wenn man die Groͤße des Ballons etwas vermehrt.