Titel: Darstellung des Bleich- und Appreturverfahrens in Bielefeld und Warendorf.
Fundstelle: Band 66, Jahrgang 1837, Nr. XXI., S. 116
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XXI. Darstellung des Bleich- und Appreturverfahrens in Bielefeld und Warendorf. Darstellung des Bleich- und Appreturverfahrens in Bielefeld und Warendorf. A. Verfahren in Bielefeld. 1) Das Bleichen. Die Leinen, Damaste und Drelle erhalten an beiden Enden drei Lizen (Haften von starkem Bindfaden), werden sodann auseinander genommen, in ein Faß gestekt, mit bis zu 25° R. erwaͤrmtem Wasser voͤllig eingeweicht, in diesem Zustande drei bis vier Tage erhalten, sodann mit Handstampfen in einem besonderen Fasse mit reinem Wasser durchgestoßen, stark ausgespuͤlt, auf den Plan niedergelegt, und oftmals mit Wasser begossen. Nach Verlauf von drei Tagen werden sie troken aufgenommen und leicht zusammengelegt in das Buͤkefaß gebracht. Das Buͤken (Beuchen) findet zu sechs Malen wiederholt Statt, und zwar in folgender Art: Die Lauge wird anfangs maͤßig erwaͤrmt aus dem hoͤher stehenden Kessel abgelassen, sodann vermittelst einer Pumpe wieder aus dem Buͤkefaß in den Kessel gebracht, und zwar so lange, bis sie zulezt bei dem Abzuge zum ersten Male 45 und ferner 50, 55, 60, 65, 70° Waͤrme hat. Die Buͤkezeit dauert gewoͤhnlich 6 bis 8 Stunden. Nach jeder Buͤke werden die Bleichsachen sorgfaͤltig ausgespuͤlt, und bleiben 2 bis 3 Tage auf dem Plane liegen, worauf sie sorgfaͤltig begossen und am besten troken aufgenommen werden. Die Lauge zur Buͤke wird folgendermaßen angefertigt: Auf 100 Pfd. Wasser kommt 1 Pfd. Potasche; beides wird in einem Kessel so lange gekocht, bis die Potasche voͤllig aufgeloͤst ist, und zur Abklaͤrung der Lauge werden auf obige Quantitaͤt 8 Loth ungeloͤschter Kalk geschuͤttet. Diese Lauge wird wieder in ein besonderes Faß gegeben, und bleibt darin, bis sie gaͤnzlich klar geworden ist. Zu 25 Eimer Wasser werden dann nach und nach 3 Eimer der Lauge geschuͤttet, und wird damit die Buͤke angefangen. Bei allen Buͤken behaͤlt die Lauge die naͤmliche Staͤrke, und nur der Waͤrmegrad wird erhoͤht. Nach diesem Verfahren pflegen nicht allein die Bleichsachen von allen fremden Farbstoffen gereinigt zu seyn, sondern haben auch eine Weiße, wie solche gewoͤhnlich gefordert wird. Diese Bleiche wird die Dreiviertelbleiche genannt. Zur Vollbleiche gehoͤrt ferner: 1) Die Saͤure. – Auf 100 Theile Wasser kommt ein Theil Schwefelsaͤure oder auf 50 Theil Wasser ein Theil Bleichsaͤure (rauchende Salzsaͤure). Erstere Saͤure wird angewendet, um Eisentheile, die andere um Kalk und Gypstheile aufzuloͤsen. In diese Fluͤssigkeit, bei warmer Witterung kalt, bei kalter Witterung warm, werden die Bleichsachen gestekt, verbleiben in diesem Bade sechs Stunden, und werden sofort sorgfaͤltig und schnell ausgespuͤlt, worauf sie naß wieder in die Buͤke kommen, mit der oben angegebenen Lauge nun bis zu 75° Waͤrme gebuͤkt, und sodann drei Tage auf dem Plan sorgfaͤltig begossen werden. Findet sich hienach, daß noch Schmuz oder graues Farbenspiel vorhanden ist, so wird dieses Verfahren nochmals wiederholt. 2) Das Hobeln. – Die Bleichsachen werden mit gruͤner Seife tuͤchtig eingeschmiert, mit reinem Wasser genaͤßt, aufgerollt und dann unter dem sogenannten Hobel (einer Handmaschine von Holz, mit quer laufenden Reifen) so lange bearbeitet, bis alle schwarzen Streifen (Spinnschmiere) getilgt sind. Hiernaͤchst erfolgen abermals zwei Buͤken, zwischen welchen die Bleichsachen jedes Mal zwei Tage wieder auf den Plan kommen. 3) Die Anwendung der Milch. – Die trokenen Linnen werden in saure Milch oder Molken gesielt, bleiben darin 8 bis 10 Tage, und zwar so lange als die Gaͤhrung dauert, werden dann rein gespuͤlt, wieder gebuͤkt und auf dem Plan ausgebreitet. Nach Umstaͤnden wird dieses Verfahren bis zu drei Malen wiederholt, wo sodann die Bleichsachen eine Weiße haben, wie sie bisher gefordert worden ist. – Bei dem Garne findet das Chlor Anwendung. Nachdem das Garn, wie die uͤbrigen Bleichsachen, die sechs Buͤken erhalten hat, wird es in ein Bad von Chlorkalk (1 Pfd. Chlorkalk in 50 Pfd. Wasser aufgeloͤst) gebracht, verbleibt darin sechs Stunden, und kommt dann sofort in das schwefelsaure Bad. Nach Verlauf von sechs Stunden wird es wieder rein gespuͤlt und auf dem Plan getroknet. Nach Umstaͤnden wird auch dieses Verfahren bis zum dritten Mal wiederholt. Die Leinen u.s.w. werden endlich mit Weizenstaͤrke, der man Neublau oder Schmalte zusezt, gestaͤrkt. 2) Das Appretiren. Bisher wurden die Leinen u.s.w. unter einer sehr schweren Blokkalander (Mange) geglaͤttet, nach Unterschied, ob die irlaͤndische, hollaͤndische, schlesische u.s.w. Appretur Statt finden sollte, aufgenommen und unter einer starken Presse zusammengedruͤkt, worauf das verschiedenfarbige Papier dann noch die Art der Appretur bezeichnet. Dieses Verfahren bleibt jedoch gegen das irlaͤndische in hohem Grade zuruͤk. Es sind daher vom preußischen Staate dem Faͤrbermeister Kottmann in Bielefeld auch die in England zur Anwendung kommenden Appreturmaschinen zu dem Kostenbetrage von 13,800 Thlr. geschenkt worden. Dieselben sind: 1) eine Dampfmaschine von 4 Pferdekraft; 2) eine Blokmange von 4 Fuß Breite, 30 Fuß Laͤnge und von einer doppelt so großen Schwere, als alle fruͤheren Mangen; 3) eine Walzkalander von 3 gußeisernen und 2 papiernen Walzen von 1 1/2 und 2 Fuß Dike und 5 Fuß Laͤnge. Die Metallwalzen werden mit Bolzen oder durch Dampf erwaͤrmt; 4) die Stampfkalander (Beating-Mill) aus zwei 24 Fuß langen, 1 1/2 Fuß diken Walzen, worauf vierzoͤllige, 12 Fuß lange Stampfen fallen; 5) die Trokenmaschine, bestehend aus 8 kupfernen hohlen Walzen, welche mit Daͤmpfen erwaͤrmt werden, 2 Fuß im Durchmesser und 5 Fuß lang; 6) eine hydraulische Presse von 30,000 Pfd. Druk. Seit einem Jahre sind diese Maschinen aufgestellt, deren Inhaber hat auch noch bis auf den heutigen Tag mit vielen Vorurtheilen und Hindernissen zu kaͤmpfen, gewinnt aber immer mehr Zutrauen, da durch dessen Leistungen die fruͤheren sehr hintenan gesezt werden. B. Verfahren in Warendorf. a) Das Bleichen. 1) Alle Waaren, sowohl flaͤchsene als gemischte und baumwollene, werden auf irlaͤndische Weise gebleicht. – Die Waare erhaͤlt an ihren Breiten drei Lizen, um sie demnaͤchst auf dem Plan fest an den Boden halten zu koͤnnen, und wird, wie sie vom Weber kommt, in eine große, von starken fichtenen Staͤben zusammengesezte Buͤtte gelegt. Geschieht der Aufguß von kaltem reinem Wasser, so dauert der sogenannte Schlichteproceß 3 bis 4 Tage, erfolgt der Aufguß aber von bereits abgetriebener alter Lauge, welche erwaͤrmt worden ist, so dauert der gedachte Proceß nur 24 Stunden. 2) Die auf solche Weise entschlichtete Waare kommt hierauf in die Walke, um sie gehoͤrig zu reinigen. Die Walke besteht aus schraͤg haͤngenden schweren hoͤlzernen Hammern, die von einer mit Daumen versehenen Welle fast horizontal gegen die zu reinigende Waare fallen, diese auskneten, und in immerwaͤhrender Selbstwendung erhalten, weßhalb die Haͤmmer auch eine solche Lage haben muͤssen, daß sie der Waare hauptsaͤchlich unten am Boden des Troges den schaͤrfsten Druk geben. Die Walke enthaͤlt vier solche Haͤmmer in zwei Abtheilungen, je zwei und zwei zusammen, und die Daumen auf der Walke sind so angebracht, daß der Schlag abwechselnd und nicht zugleich erfolgt. Quer vor dem Troge ist oben eine Rinne angebracht, worin sich große Zapfen befinden, welche waͤhrend des Walkens bestaͤndig aufgezogen sind, damit ununterbrochen reines Wasser der Waare im Troge zufließe. Diese Walkmuͤhle wird vermittelst einer Dampfmaschine von 12 Pferdekraft in Thaͤtigkeit gebracht, und bedarf nicht der steten Aufsicht, obschon sie mehr leistet, als vier Menschen bei ununterbrochener Arbeit. 3) Die moͤglichst rein ausgewalkte Waare kommt an den Fluß in die Spuͤlung, um voͤllig gereinigt zu werden. Die Spuͤlung befindet sich uͤber dem Flusse und besteht aus zwei uͤbereinander liegenden hoͤlzernen Cylindern, die vermittelst zweier Kurbeln am Ende des einen Cylinders von zwei Arbeitern gedreht werden. Die Cylinder haben 12 Zoll im Durchmesser und sind 3 Fuß lang. Die Waare wird immer zu zwei Stuͤken neben einander so lange in dem Flusse auf- und abgedreht, bis das Wasser ganz rein wieder abfließt, und auch nicht der mindeste Schmuz mehr hervorkommt. 4) Hiernaͤchst kommt die sogenannte Digerirungsbuͤtte in Anwendung. Dieselbe besteht unten aus einer gegossenen eisernen Pfanne von sechs Fuß im Durchmesser und einem Fuß Hoͤhe. Auf derselben ist eine hoͤlzerne Buͤtte von 4 Fuß Hoͤhe angebracht. Die aus der Spuͤlung gehende Waare wird in die Buͤtte unten auf einen starken Rost von Fichtenholz gebracht, und nachdem die Buͤtte, jedoch nur etwa bis 1/2 Fuß vom Rande, angefuͤllt ist, werden daruͤber Querhoͤlzer gelegt, damit die Waare nicht aufsteigen kann. Mit einer maͤßig starken Potaschenlauge wird die Waare uͤbergossen, und dann wird unter der Pfanne ein starkes Feuer angemacht und unterhalten, welches die Lauge zum Sieden bringt, und sie zwei Stunden lang darin erhalten muß. Es ist bei dieser Operation genau darauf zu sehen, daß die Waare zu jeder Zeit mit der Lauge bedekt bleibt. Die auf diese Weise gebuͤkte Waare wird mit einem Krahn ausgewunden und kommt dann wieder in die Walke und zur Spuͤlung. Die Operation in der Digerirungsbuͤtte wird zu drei Malen nach einander wiederholt, die bei der Walke nur zwei Mal, und die der Spuͤlung drei Mal. 5) Nach der lezten Spuͤlung kommt die Waare auf den Plan, woselbst sie nicht begossen wird, und bleibt daselbst, je nachdem die Arbeit draͤngt und die Witterung gut ist, einige Tage liegen. Es soll jedoch die Bemerkung gemacht worden seyn, daß, wenn die Waare 6 Tage auf dem Plane ist und fleißig begossen wird, dieselbe an Gewicht gehaltvoller bleibe. 6) Nachdem die Waare vom Plane genommen ist, kommt sie troken in die Buͤkebuͤtte. Dieselbe ist von starken fichtenen Staͤben, mit Ketten umgeben, und befindet sich unmittelbar neben einem eingemauerten Kessel. Die eingefachte Waare wird mit Potaschenlauge stark getraͤnkt, und zwar so stark, daß die Lauge uͤber die Waare fließt. Sodann beginnt die Feuerung unter dem Kessel. Ist die Waare in die Buͤtte geschafft und mit Lauge getraͤnkt, so oͤffnet sich ein Ventil in einer horizontalen Roͤhre, welche mitten vom Boden der Buͤtte, nach dem unteren Theile des oben verschlossenen Kessels geht, und lezterer fuͤllt sich. Das Feuer wird unter dem mit einem Mantel umgebenen eingemauerten Kessel in einem solchen Grade unterhalten, daß die Lauge zum Kochen kommt. Erfolgt dieses, so stroͤmt die im Kessel befindliche, aufwallende Lauge durch ein oben seitwaͤrts heraustretendes Rohr, und uͤbergießt die Waare in der Buͤtte. Die dadurch in dem Kessel entstehende Leere veranlaßt dann, daß das erwaͤhnte Ventil sich wieder oͤffnet und den Kessel neuerdings mit Lauge fuͤllt. So lange die Lauge in der Buͤtte nicht die gehoͤrige Waͤrme bis zum Siedepunkt erhalten hat, folgt die Ueberstroͤmung nur langsam, ist aber erst diese Hize erreicht, so geht die Stroͤmung fast ununterbrochen fort. Dieser Waͤrmegrad wird mehrere Stunden unterhalten, und es dauert der ganze Buͤkeproceß gewoͤhnlich 12 Stunden. Nur dafuͤr hat der Buͤkemeister Sorge zu tragen, daß fortwaͤhrend genugsam Lauge auf der Buͤtte vorhanden sey, um die Ueberstroͤmung nicht zu unterbrechen. Die Waare kommt hierauf wieder zur Spuͤlung und dann eine kurze Zeit auf den Plan. Mit diesen Operationen wird so lange fortgefahren, bis erkannt wird, daß sie ganz durchgebleicht ist. 7) Finden sich in der Waare einzelne, noch nicht ganz durchgebleichte schwarze Stellen und Faͤden (Spinnschmier), so bringt man sie auf die Hobelmaschine. Dieselbe hat 24 Abtheilungen oder Hobel, und es werden daher zu gleicher Zeit 24 Stuͤk Waare, nachdem sie vorher mit schwarzer Seife tuͤchtig eingerieben sind, bearbeitet. Diese Maschine bewirkt das Naͤmliche, was in Bielefeld und Melle Statt findet, jedoch mit dem Unterschied, daß dort bei jedem Hobel eine gewandte und arbeitgeschikte Person erfordert wird, wogegen bei dieser Maschine, durch die Dampfmaschine in Thaͤtigkeit gesezt, Niemand anwesend zu seyn braucht, da sie eine angemessene Zeit ununterbrochen arbeitet. Ist solches erfolgt, so wird die Waare wieder in die Digerirungsbuͤtte gebracht, worin der fruͤher beschriebene Proceß wiederholt wird, hierauf nochmals zur Spuͤlung befoͤrdert, und endlich auf dem Plan getroknet. 8) Die Waare wird dann in die Chlorbuͤtte gebracht und darin 4 Stunden in einem Bade von 2° Staͤrke erhalten; hierauf bleibt sie eine Stunde in der Schwefelsaͤure und wird sofort zur Spuͤlung geschafft, woselbst sie stark gereinigt wird, damit keine Saͤure zuruͤkbleibt. Um sich hievon vollkommen zu versichern, und dann auch der Waare den hoͤchsten Grad von Weiße zu geben, erhaͤlt sie noch ein zweigradiges Bad von weißer Seife, wird alsdann getroknet und endlich mit der besten Staͤrke und Schmalte gestaͤrkt. Findet sich dann, daß der hoͤchste Grad von Weiße noch nicht erreicht ist, so wird das unter Nr. 8 angegebene Verfahren noch in einem erhoͤhten Grade wiederholt, welches dann keine Wuͤnsche mehr uͤbrig laͤßt. Soll die Waare schnell gebleicht werden, so ist nur ein Zeitraum von 6 Tagen nothwendig. Das Verfahren wird dann dahin abgekuͤrzt, daß das Auslegen auf dem Plane nur 12 Stunden waͤhrt; nach der ersten Buͤke beginnt sofort die Behandlung im Chlorbade, und sodann abwechselnd das Verfahren, wie es zuvor beschrieben ist. b) Das Appretiren. Dasselbe erfolgt ganz nach der in Bielefeld gebraͤuchlichen, oben beschriebenen Art, auch mit denselben Maschinen. (Hannover'sche Gewerbemittheilungen, 1837. 13te Lieferung.)