Titel: Ueber den Dampfkessel des Hrn. Cochot, Mechanikers in Paris. Auszug aus dem Berichte des Hrn. Malepeyre des älteren.
Fundstelle: Band 67, Jahrgang 1838, Nr. LXXXVII., S. 322
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LXXXVII. Ueber den Dampfkessel des Hrn. Cochot, Mechanikers in Paris. Auszug aus dem Berichte des Hrn. Malepeyre des aͤlteren. Aus dem Journal de l'Académie de l'Industrie. Dec. 1837, S. 187. Ueber Cochot's Dampfkessel. Hr. Cochot, aus einer Bauernhuͤtte in der Nahe von Auxerre abstammend, brachte es durch seinen Scharfsinn und seine Ausdauer dahin, daß man ihn gegenwaͤrtig unter die ersten Mechaniker Frankreichs zaͤhlt, und wegen der zahlteichen Erfindungen, die ihm die Industrie verdankt, allgemein verehrt. Im Jahre 1799 erfand er als Lehrling von 20 Jahren eine Fournirsaͤge, welche aus einem Zoll 24 Blaͤtter schnitt, was fuͤr die damalige Zeit wegen der Continentalsperre von hoͤchster Wichtigkeit war. Nach 15 jaͤhrigem Militaͤrdienste, waͤhrend welchem diese Erfindung wieder in Vergessenheit gerieth, nahm Hr. Cochot im Jahre 1814, nachdem er noch einige Verbesserungen ausgedacht hatte, ein Patent auf dieselbe. Alle die vielen, spaͤter in Frankreich und England erfundenen Fournirsaͤgen blieben hinter dieser zuruͤk, und noch jezt ist sie in den ersten Fabriken in Paris beinahe ausschließlich im Gebrauche. Vom Jahre 1813 bis 1817 erfand Hr. Cochot eine Maschine zum Tafeln von Saͤulen und runden Gegenstaͤnden; eine Maschine zur Fabrikation der cylindrischen Sommerladen; eine Rundsaͤge, an welcher die von der Ausdehnung der Metalle herruͤhrenden Unannehmlichkeiten beseitigt sind; eine Maschine zum Saͤgen von Bauholz in den Waͤldern, und noch mehrere audere hoͤchst nuͤzliche Apparate. Seit 1826 beschaͤftigt sich Hr. Cochot mit dem Baue von Dampfbooten fuͤr Fluͤsse. Sein erstes Werk dieser Art war die zierliche Ville de Sens, welche nur 11 Zoll tief im Wasser ging, selbst bei niederem Wasserstande, bei welchem die Wassertiefe oft nur 18 bis 20 Zoll betrug, noch mit Leichtigkeit dahin glitt, und 10 Jahre lang auf der Seine Dienste leistete, ohne auch nur etwas bedeutende Reparaturen zu erheischen. Im Jahre 1827 machte er seine interessante, zur Fabrication der Zuͤndhoͤlzchen bestimmte Maschine, die mit unglaublicher Geschwindigkeit arbeitet, bekannt. Um dieselbe Zeit gab er eine Maschine zur Verfertigung der Mosaik-Parketboden an, so wie auch eine Maschine zum Drehen der Kanonenkugeln, mit der diese Operation nur auf 15 Centimen per Stuͤk zu stehen kam, abgesehen davon, daß die damit erzeugten Kugeln die Kanonen weniger beschaͤdigten, und bei geringerer Ladung sicherer und weiter schossen. Das Jahr darauf, naͤmlich 1828, errichtete er seine Maschine zum Schneiden der Kammzahne, welche mit solcher Genauigkeit arbeitet, daß sich mit ihr bis an 112 Zahne in einem Stuͤke von einem Zoll Laͤnge schneiden lassen. Das zweite Dampfboot, welches er auf die Seine brachte, ist der „Parisien“, der seit dem Jahre 1834 gute Dienste leistet, und der noch jezt vor allen Dampfschiffen, welche bis Rouen hinab auf der Seine erschienen, den Vorrang behauptet. Er zeichnet sich durch einen zierlichen Bau eben so sehr, wie durch seine geringe Wassers tracht, so wie auch durch eine neue Art von Kessel aus. Seine Maschine von 30 Pferdekraͤften schafft ihn noch jezt in 10 Stunden von Paris nach Montereau: eine Streke von mehr als 30 Lieues. Durch diese Resultate ermuthigt ließ Hr. Cochot im Jahre 1837 die „Parisienne“ vom Stapel, die bei 98 Fuß Laͤnge, 11 Fuß Breite, mit einer Maschine von 45 Pferdekraͤften, welche mit gefuͤlltem Kessel 22,000 Pfd. wiegt, nur 14 Zoll tief im Wasser geht. Auf diesem Boote befindet sich auch der neue Dampfkessel, der hauptsaͤchlich den Gegenstand gegenwaͤrtigen Berichtes bildet. Man hat sich zur Aufgabe gemacht, die Dampfmaschinen fuͤr die Locomotiven so leicht als moͤglich, fuͤr die Dampfboote hingegen, bei denen es sich besonders um Raumersparnis handelt, so wenig umfangreich als moͤglich zu machen. Diese Reduction des Volumens oder des Gewichtes mußte, nachdem die Theile der Maschine ein Mal auf die fuͤr den Dienst und die Dauer der Maschine streng nothwendige Kraft und Groͤße gebracht waren, nothwendig auf den Dampfkessel fuͤhren. Um die Aufgabe in beiden Faͤllen zur genuͤgenden Loͤsung zu bringen, mußte man mit Beibehaltung der Widerstandskraft der Kesselwaͤnde gegen den Druk des Dampfes das Gewicht und den Umfang des Kessels zu vermindern trachten, ohne dabei die Heizoberflache zu beeintraͤchtigen; denn diese leztere bestimmt die Quantitaͤt des Dampfes, welche ein Kessel in einer bestimmten Zeit zu erzeugen vermag. Dieser Dampf muß mit einer constant bleibenden Kraft und in solcher Menge erzeugt werden, daß der Gang des Kolbens ungeachtet der kleinen Ungleichheiten, welche in der Dampferzeugung Statt finden koͤnnen, oder ungeachtet der Abweichungen, die zuweilen in der Speisung des Feuerherdes und der Lebhaftigkeit des Zuges vorkommen, ein ununterbrochener und regelmaͤßiger ist. Seit laͤngerer Zeit scheinen die Erbauer von Locomotiven im Einklange uͤbrigens mit der Theorie jenen Kesseln den Vorzug zu geben, welche aus einer großen Anzahl mit Wasser gefuͤllter und außen von dem Feuer umspielter Roͤhren zusammengesezt sind. Hiebet ist eine große Heizoberflaͤche, eine haͤufige und rasche Dampfentwikelung, eine große Leichtigkeit, eine groͤßere Sicherheit, und endlich auch noch eine merkliche Verminderung des Umfanges des Apparates bei der Faͤhigkeit, eines und dasselbe Volumen Dampf von gleicher Spannung zu erzeugen, erzielt. Dieser fuͤr die Eisenbahnen, bei denen es sich weniger um den Verbrauch an Brennstoff, als um die Leichtigkeit handelt, ganz passende Bau eignet sich jedoch nicht fuͤr die Dampfboote, bei denen der Vorrath an Brennmaterial so sehr in Anschlag kommt, und die zum Behufe der Ueberwindung der Widerstaͤnde, die das Wasser zufaͤllig in hoͤherem Grade darbieten kann, bei dem groͤßeren Wechsel der Ladung und bei verschiedenen anderen wandelbaren Umstaͤnden immer einen Dampfbehaͤlter zur Verfuͤgung haben muͤssen. Man hat deßhalb auf den Dampfbooten die großen Kessel beibehalten, und deren Umfang nur durch die vortheilhafteste Benuzung der von dem Herde entwikelten Hize zu vermindern gesucht. Bald brachte man die Feuerstelle im Kessel selbst in einer eigenen Roͤhre an, bald ließ man die Flamme an dessen Waͤnden in Feuerzuͤgen circuliren; in neuester Zeit endlich trieb man die Flammen oder die brennenden Gase durch eine Anzahl an beiden Enden offener, in den Kessel eingesezter Roͤhren. Die Kessel des Hrn. Cochot sind von dieser lezteren Art, haben aber einige Eigenthuͤmlichkeiten, die sich aus Folgendem ergeben. Jeder Kessel ist cylindrisch und an jedem seiner Enden mit einem concaven Boden versehen. Er enthaͤlt bis auf eine bestimmte Hoͤhe empor das zu verdampfende Wasser, welches in dem Maaße, als es von der Speisungspumpe auf seinem Niveau erhalten wird, in zwei kurze, leicht von Vor- nach Ruͤkwaͤrts geneigte Roͤhren fließt, von denen sich je eine auf einer der Seiten befindet. Nachdem das Wasser in diesen Roͤhren emporgestiegen ist, geht es in eine quere Siedroͤhre uͤber, die aus einer großen, horizontalen, vor dem vorderen Kesselboden beilaͤufig in der Hoͤhe des Wasserstandes angebrachten Roͤhre besteht. Auf diese Siedroͤhre und in einer und derselben horizontalen Flaͤche mit ihr sind mit dem einen Ende mittelst einer Zwinge 6 Siederoͤhren angeschraubt, die mit dem anderen Ende an ein Autoclave mit 6 den Siederoͤhren entsprechenden geschlossenen Oeffnungen uͤbergehen. Ueber jeder dieser Oeffnungen befindet sich eine senkrechte Tubulirung von geringer Hoͤhe, und alle diese Tubulirungen gehen gemeinschaftlich in eine horizontale Sammlungsroͤhre uͤber, von deren Mitte aus eine Dampf-Ausfuͤhrungsroͤhre in den Kessel fuͤhrt. Dieser Apparat arbeitet nun folgender Maßen. Das Speisungswasser fließt, wenn es sein Niveau erreicht hat, durch die geneigten Roͤhren in die quere Siedroͤhre, aus der es sich in die sechs Siedroͤhren vertheilt, in denen es durch die Hize des unterhalb angebrachten Feuerherdes in Dampf verwandelt wird, um als solcher durch die senkrechten Tubulirungen in die Sammlungsroͤhre und dann in den Kessel, als den natuͤrlichen Behaͤlter fuͤr den Dampf und die Triebkraft uͤberzugehen. Bei dieser Einrichtung wird die in den Dampf zu verwandelnde Fluͤssigkeit den Siederoͤhren nur in einer duͤnnen Schichte dargeboten, welche nicht wie in den gewoͤhnlichen Kesseln dem bedeutenden Druke der daruͤber stehenden Fluͤssigkeit ausgesezt ist; und die Wassermasse unterliegt in der ganzen Ausdehnung der Siederoͤhren sowohl, als der queren Roͤhren dem directen Einflusse des Feuerherdes: lauter Bedingungen, die der Verwandlung der Fluͤssigkeit in Dampf sehr guͤnstig sind. Wenn sich durch die Verduͤnstung des Wassers in einer der Siederoͤhren ein bedeutender Bodensaz angesammelt hat, so ist es sehr leicht, sie schnell zu reinigen oder auch gegen eine andere auszutauschen. Wenn endlich das Niveau des Wassers im Kessel faͤllt, so erhaͤlt man sogleich Kenntniß davon, denn das Wasser kann in Folge dieses Falles nicht mehr in die Siederoͤhren gelangen, so daß diese Dampf von hinreichender Spannung zu geben aufhoͤren, und daß die Maschine also sogleich langsamer zu arbeiten beginnt, sobald sie den in dem Kessel angesammelt gewesenen Dampf verbraucht hat. Der Feuerherd befindet sich, wie gesagt, unter den Siederoͤhren. Die Flamme gelangt, nachdem sie diese umspielt hat, gegen die vordere concave Wand des Kessels, wo sie keinen anderen Ausweg findet, als die 22 Heizroͤhren, welche sich an dieser Wand oͤffnen, und welche, nachdem sie den Kessel in seiner ganzen Laͤnge durchlaufen, an der Hinteren gleichfalls concaven Wand ausmuͤnden. Von hier aus gelangen die Ueberreste der Verbrennung endlich in den Rauchfang. Diese bereits auf mehreren Dampfbooten und Locomotiven eingefuͤhrte Bauart traf ungeachtet aller ihrer wirklichen Vorzuͤge, dennoch ein sehr ernstlicher Vorwurf. Die Heizroͤhren machten sich naͤmlich nach einiger Zeit von den Kesselwaͤnden, an denen sie befestigt waren, los, oder sie schadeten den Waͤnden, oder endlich sie brachen, wenn die Waͤnde, die man deßhalb concav machte, den ungleichen Ausdehnungen und Zusammenziehungen, welche die Roͤhren unter dem wechselnden Einflusse der Hize erleiden, den Roͤhren nicht nachgaben. Diese Wirkungen zeigten sich besonders, wenn der Koͤrper des Kessels ungleich geheizt wurde; wenn die Speisung des Feuers unregelmaͤßig geschah, und wenn man das Feuer am Ende der Arbeit loͤschte. Diesem Nachtheile war dadurch zu begegnen, daß man die Heizroͤhren nur mit dem einen Ende in den Kesselwaͤnden befestigte, waͤhrend man sie an dem anderen Ende frei ließ. Allein dieses scheinbar so einfache Huͤlfsmittel hatte seine großen Schwierigkeiten; denn einerseits war es sehr schwer, an den freien Enden unter dem starken Druke, der im Kessel Statt findet, das Entweichen der Fluͤssigkeit zu verhuͤten; und andererseits handelte es sich darum, ohne Beeintraͤchtigung der freien Beweglichkeit der Roͤhrenenden eine Erhizung derselben, bei welcher deren Theile eine solche Ausdehnung erleiden, daß die innige gegenseitige Beruͤhrung aufhoͤrt, oder bei der die angewendeten vegetabilischen Liederungsmittel eine Veraͤnderung erleiden, zu verhuͤten. Diese Aufgabe hat Hr. Cochot vollkommen durch ein Mittel geloͤst, dessen Eigenthum er sich durch ein Patent gesichert hat. An den Kesseln des Hrn. Cochot endigt sich jede der Heizroͤhren, welche aus Eisenblech von drei Millimeter Dike bestehen, an der Hinteren Kesselwand in einen Hals mit Verschulterung, woran sich vorne ein Schraubengewinde befindet. An diesen Hals schraubt man einen cylindrischen, von Außen vollkommen abgedrehten Manchon, welcher vollkommen frei in einer Stopfbuͤchse, die mit fuͤnf Schraubengaͤngen in der Kesselwand festgemacht ist, gleitet. Es erhellt schon hieraus, daß, welcher Hizgrad auch auf die Heizroͤhre wirken mag, das in der Stopfbuͤchse befindliche Werg, welches den Verschluß sichert, ohne die durch die Ausdehnung und Zusammenziehung noͤthig werdenden Bewegungen zu hemmen, weder veraͤndert werden, noch uͤberhaupt Schaden leiden kann, indem es gegen die Beruͤhrung der erhizten Oberflaͤche geschuͤzt ist, und indem es sich in der Mitte der Fluͤssigkeit, welche die Stopfbuͤchse beinahe rings umspuͤlt, gleichsam isolirt befindet. Um das Werg je nach Bedarf fester draͤngen, den Manchon abschrauben und ihn so wie die von dem Wasser umspuͤlte Stopfbuͤchse von allenfallsigen Ablagerungen reinigen zu koͤnnen, sind einige Einrichtungen getroffen, die wir hier umgehen. An dem anderen Ende oder an der vorderen Kesselwand umfassen die Heizroͤhren eine gekniete und mit einem Schraubengange versehene Zwinge, welche von Innen mit einer achtseitigen Gegenschraube, von Außen hingegen mit einer versenkten Mutterschraube mit Ohren festgehalten wird. Diese Mutterschraube ist der Schluͤssel, den man abnimmt, um die Roͤhren einzusezen und auszunehmen. Man fuͤhrt zu diesem Zweke, wenn der Manchon auf den Hals geschraubt ist, die Roͤhre durch das Loch der vorderen Wand ein, bis der Hals an die Stopfbuͤchse stoͤßt; schraubt dann die durch das Einsteigloch eingefuͤhrte, achtseitige Gegenschraube bis zum Grunde an die Schraube, sezt die Schraube auf die Oeffnung der Kesselwand, und versteht diese mit der geoͤhrten Schraubenmutter. Dieß sind im Wesentlichen die Erfindungen, durch welche Hr. Cochot die Explosionen zu verhuͤten, die Bildung und Ansammlung des Dampfes zu beguͤnstigen, und endlich auch den Formveraͤnderungen und Zerreißungen abzuhelfen suchte, welche durch die ungleichen Ausdehnungen und durch den bedeutenden Temperaturwechsel, dem die Dampfkessel ausgesezt sind, bedingt sind. Bei den Versuchen, denen die Commission beiwohnte, hat die „Parisienne“, obschon sie sich nur mit dem dritten Theile oder hoͤchstens mit der Haͤlfte ihrer Kraft bewegte, und obschon sie mehr als 150 Passagiere an Bord hatte, die Seine aufwaͤrts 3 3/4 bis 4 Lieues in einer Zeitstunde zuruͤkgelegt. Die 30 Lieues bis Montereau hinauf legte sie mit Einschluß des Aufenthaltes an verschiedenen Orten, wo Passagiere einzunehmen und ans Land zu sezen waren, und mit Einschluß des durch verschiedene Hindernisse und durch das Brechen einer Schaufel veranlaßten Zeitverlustes in 10 Stunden zuruͤk. Zur Ruͤckehr brauchte sie um 6 Stunden weniger. Was die Maschine betrifft, so koͤnnen wir versichern, daß waͤhrend einer ganzen Campagne der Kessel keine Formveraͤnderung erlitt; daß keine der Roͤhren geborsten ist, und daß auch keine derselben ausgewechselt werden mußte; daß der Verschluß der Manchons entsprach, und daß das Werg erst am Ende der Campagne, nach mehrmonatlichem Dienste, wo man ein leichtes Auslassen bemerkte, erneuert werden mußte. Hr. Cochot hat sich demnach durch seine neue Erfindung um die Flußdampfschifffahrt im Allgemeinen, und namentlich um jene auf der oberen Seine außerordentliche Verdienste erworben, so daß wir uns veranlaßt finden, die Ehrenmedaille der Gesellschaft fuͤr ihn in Antrag zu bringen.