Titel: Ueber die Fabrication der Talg- oder Stearinlichte in England.
Fundstelle: Band 67, Jahrgang 1838, Nr. CXV., S. 436
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CXV. Ueber die Fabrication der Talg- oder Stearinlichte in England. Ueber die Fabrication der Talg- oder Stearinlichte in England. Bekanntlich besizen alle fettigen Substanzen, sowohl thierische als vegetabilische, analoge chemische Eigenschaften; sie enthalten auch saͤmmtlich einen großen Ueberschuß von Kohlenstoff und sehr viel Wasserstoff, dagegen verhaͤltnißmaͤßig wenig Sauerstoff. Olivenoͤhl, Talg, Cocosnußoͤhl, kurz alle vegetabilischen und thierischen Oehle und Fette lassen sich in zwei besondere Substanzen zerlegen, wovon die eine bei der gewoͤhnlichen Temperatur fest, die andere aber fluͤssig ist. Jene hat man Talgstoff (Stearin), diese aber Oehlstoff (Elain) genannt. Erstere macht den Hauptbestandtheil des Talgs, des Speks, der Butter etc. aus und ist die Ursache ihres festen Zustandes; waͤhrend die Oehle eine groͤßere Menge Oehlstoff enthalten und folglich fluͤssig sind. Will man z.B. aus dem Olivenoͤhl diese beiden Substanzen isoliren, so laͤßt man es bei 0° R. gefrieren, wikelt es dann in Fließpapier und sezt es einem starken Druk aus; der Oehlstoff (welchen besonders die Uhrmacher fuͤr zarte Werke schaͤzen) wird dann in reinem Zustande ablaufen, der Talgstoff aber zuruͤkbleiben. Bei thierischen Fetten und einigen Pflanzenoͤhlen trennt man diese beiden Substanzen durch Erhizen von einander und in den Laboratorien gewoͤhnlich durch Kochen mit Alkohol. Außer diesen beiden Substanzen kommt aber auch im Talg und vielen anderen Fetten noch eine dritte vor, die zwischen ihnen gleichsam in der Mitte steht, und welche man Margarin genannt hat, weil sie perlmutterartige Schuppen bildet; das Margarin ist etwas leichter schmelzbar als der Talgstoff und enthaͤlt auch mehr Sauerstoff. Behandelt man diese drei Substanzen mit aͤzenden Alkalien, so erleiden sie eigenthuͤmliche Veraͤnderungen. Versezt man z.B. Olivenoͤhl mit Aezkali oder Aeznatron, so verbindet es sich damit und bildet eine milchige Emulsion; dieß nennt man Verseifung. Trennt man dann das Alkali wieder durch eine Mineralsaͤure von der entstandenen Seife, so findet man, daß die beiden Bestandtheile des Oehls modificirt worden sind; der Talgstoff hat sich naͤmlich in Talgsaͤure, der Oehlstoff in Oehlsaͤure verwandelt, wovon erstere ebenfalls fest und leztere fluͤssig ist. Die Seifen sind also Gemenge von oͤhlsauren und talgsauren Alkalien oder Metalloxyden. Die Kenntniß dieser Thatsachen ist noͤthig, um die Theorie der Kerzenfabrication zu verstehen. Zu den besseren Talglichten nimmt man (in England) vorzugsweise russischen Talg, bringt ihn mit Wasser in eine Kufe und schmilzt ihn durch Dampf; er wird dann verseift, aber nicht mit aͤzender Soda oder Potasche, sondern mit einem wohlfeileren Alkali, naͤmlich gebranntem Kalk. Ein Theil fein gepulverter Kalk reicht auf acht Theile Fett hin. Die gebildete Kalkseife ist in Wasser unaufloͤslich; man laͤßt sie daher durch Erhizen zergehen und zersezt sie mit Schwefelsaͤure; dadurch entsteht schwefelsaurer Kalk, der sich auf dem Boden absezt, waͤhrend die Talgsaͤure und Oehlsaͤure frei werden; von lezteren nimmt man nun mir einem Schaumloͤffel so viel als moͤglich von der Oberflaͤche weg. Der mittlere Theil der Masse ist ein Gemisch von Talg- und Oehlsaͤure, die sich zum Theil noch in dem urspruͤnglichen Zustande von Talg- und Oehlstoff befinden, schmierig und zum Kerzengießen ungeeignet sind; man sezt sie in groben Saͤken einem starken Druk aus, wobei die Oehlsaͤure ausfließt, die Talgsaͤure aber eine groͤßere Consistenz erlangt. Leztere wird nun wieder geschmolzen, gekocht und gewaschen, um die noch ruͤkstaͤndigen Antheile von Gyps oder Schwefelsaͤure daraus zu beseitigen und endlich noch einmal zwischen eisernen Platten gepreßt, die durch Dampf auf 97° R. erhizt werden. Auf aͤhnliche Art wird natuͤrlich auch das von der Oberflaͤche weggenommene Gemenge von Talg- und Oehlsaͤure behandelt. Auf diese Art erhaͤlt man die Talgsaͤure in harten halbdurchsichtigen Kuchen, die man sortirt und nachdem die Kanten und oͤhligeren Theile abgeschnitten worden sind, nochmals schmilzt und in Formen erkalten laͤßt, worin sie als eine den feineren Sorten von Wallrath aͤhnliche krystallinische Masse zuruͤkbleibt. Ehe man die Talgsaͤure aber in die Formen gießt, worin die Dochte vorgerichtet sind, wird sie in silbernen Kesseln geschmolzen. Bei dieser Operation muß eine große Reinlichkeit befolgt und eine besondere Aufmerksamkeit auf die Temperatur der Masse gerichtet werden, damit sie in den Formen nicht krystallisirt und damit die Kerzen ein wachsartiges Ansehen erhalten. Um der Krystallisation zu begegnen und den Kerzen dadurch das wachsartige Aussehen zu ertheilen, hat man der Talgsaͤure Wachs, Bittererde etc. zugesezt und leider in der neuesten Zeit auch weißen Arsenik hiezu benuzt, der aber in London bereits allenthalben wieder aufgegeben worden ist.Man vergleiche S. 233 in diesem Bande des Polytechnischen Journals. Der Arsenik laͤßt sich uͤbrigens in den Kerzen leicht auf folgende Art entdeken: man schmilzt die Kerze in Wasser, wo sich dann der Arsenik in diesem aufloͤsen wird; die Fluͤssigkeit muß daher mit Schwefelwasserstoffwasser und salpetersaurem Silberoxyd-Ammoniak einen gelben, und mit schwefelsaurem Kupferoxyd-Ammoniak einen apfelgruͤnen Niederschlag geben. A. d. R. Wir glaubten diese Bemerkungen vorausschiken zu muͤssen, um es einigen nicht hinreichend in der Chemie bewanderten Fabrikanten moͤglich zu machen, das nachfolgende wichtige Patent zu verstehen und zu wuͤrdigen. Die Redaction.