Titel: Ueber Hrn. Stolle's neues Verfahren den Runkelrübensyrup zu entfärben.
Fundstelle: Band 69, Jahrgang 1838, Nr. XXIX., S. 148
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XXIX. Ueber Hrn. Stolle's neues Verfahren den Runkelruͤbensyrup zu entfaͤrben.L'Industrie sucrière et ses progrès en 1838; par Edouard Stollé, membre de plusieures sociétes savantes etc. Paris 1838. Ueber Stolle's Verfahren den Runkelruͤbensyrup zu entfaͤrben. 1. Bericht des Hrn. Prof. Dumas, der Société d'encouragement am 28. April 1838 erstattet. Das Interesse, welches die Société d'encouragement an Allem nimmt, was den Runkelruͤbenzuker betrifft, macht es mir zur Pflicht, ihr die Resultate eines in der Fabrik in Pontoise in Gegenwart der HHrn. Decazes, Payen und Peligot angestellten Versuches mitzutheilen. Es handelte sich dabei um ein neues, von Hrn. Eduard Stolle entdektes Verfahren, wobei die thierische Kohle entbehrlich wird und man dennoch eben so gut oder noch besser entfaͤrbte Syrupe erhaͤlt, ohne daß man noͤthig haͤtte, ein dreimaliges Filtriren vorzunehmen, was die Zukergewinnung bei dem gegenwaͤrtigen Verfahren so langwierig und umstaͤndlich macht. Hr. Eduard Stolle hat sein Verfahren vor uns ausgefuͤhrt und uns alle Erlaͤuterungen gegeben, welche uns noͤthig schienen. Sein Verfahren beruht auf der Anwendung eines chemischen Agens, welches im ersten Augenblike nur eine geringe Wirkung hervorzubringen vorzubringen scheint, aber bald einen reichlichen, braunen und flokigen Niederschlag hervorbringt und die Fluͤssigkeit nach und nach entfaͤrbt. Nachdem der Syrup auf 20–25° Baumé abgedampft ist, seiht man ihn durch Flanell, um diesen Niederschlag davon abzusondern, und sezt dann das Abdampfen und Verkochen ohne eine weitere Vorsichtsmaßregel fort. Das Verkochen ging bei dem vor uns angestellten Versuche sehr gut von Statten, obgleich der Saft von Runkelruͤben herruͤhrte, die sich in sehr schlechtem Zustande befanden. Man zeigte uns Formen, welche die Producte von dreißig, nach diesem Verfahren ausgefuͤhrten Laͤuterungen enthielten. Der Zuker schien uns in einem hinreichend guten Zustande zu seyn; er war schoͤn koͤrnig. Indessen wagen wir nicht zu behaupten, daß solcher Zuker beim Raffiniren in jeder Hinsicht genuͤgende Resultate geben wird, daruͤber muß die Erfahrung entscheiden. So viel koͤnnen wir der Wahrheit gemaͤß behaupten, daß, so weit unsere Versuche reichen, das Verfahren des Hrn. Stolle mit demjenigen, wobei thierische Kohle angewandt wird, in jeder Hinsicht den Vergleich aushaͤlt. Wir koͤnnen nicht bestimmt sagen, wie groß die Ersparniß bei diesem Verfahren ist, sie muß aber jedenfalls sehr betraͤchtlich seyn. Hr. Stolle behauptet, daß dabei uͤberdies die Ausbeute an Zuker groͤßer ist; daruͤber koͤnnen jedoch nur in groͤßerem Maßstaͤbe angestellte Versuche entscheiden. Jedenfalls verdient also die Entdekung des Hrn. Stolle die Aufmerksamkeit der Runkelruͤbenzuker-Fabrikanten. 2. Bericht des Hrn. Malepeyre sen., der Académie de l'Industrie am 26. April 1838 erstattet. Unter den Manipulationen, welche bei der Fabrication des Runkelruͤbenzukers vorkommen, ist gewiß eine der langwierigsten, umstaͤndlichsten und kostspieligsten das Klaren des Saftes und der Syrupe, welches darin besteht, sie mehrmals durch thierische Kohle zu filtriren. Diese Operation hat bekanntlich zum Zwek, den concentrirten Syrupen einen großen Theil des Farbstoffs so wie den uͤberschuͤssigen Kalk, welcher von der Laͤuterung herruͤhrt, und alle unaufloͤslichen Substanzen, die sie noch truͤben, zu entziehen. Aus folgenden Umstaͤnden kann man sich eine genaue Vorstellung von den Schwierigkeiten machen, womit man bei Anwendung der Kohlenfilter zu kaͤmpfen hat. Gewoͤhnlich befeuchtet man die thierische Kohle, ehe man sie in die Filter bringt, mit einer gewissen Menge Wasser, damit die aufgegossenen Syrupe leichter durchsikern koͤnnen. Dieses Wasser lauft, sobald das Filter mir Syrup beschikt ist, ab, und bewirkt durch capillares Ansaugen, daß auch der Syrup durch das Filter passirt, der dann staͤtig ablauft. Die ersten Portionen Fluͤssigkeit, welche aus den Filtern ablaufen, bestehen also aus Wasser; dieses Wasser ist aber nicht rein, sondern reißt eine gewisse Menge Zuker mit sich, die immer bedeutender wird. Um die Dichtigkeit der Syrupe, welche man mit großen Kosten abgedampft hat, nicht zu vermindern, pflegt man daher die ersten Portionen der durchfiltrirten Fluͤssigkeit zu beseitigen und sammelt das Durchgelaufene erst dann, wenn es mehrere Grade am Araͤometer zeigt oder sehr suͤß schmekt. Da die Abdampfungskosten fuͤr die zuerst durchgelaufene Fluͤssigkeit den Werth des Products jedenfalls uͤbersteigen wuͤrden, so muß man sie wegschuͤtten, wodurch man an Zukerstoff verliert. Dieser Verlust wiederholt sich, wenn die Entfaͤrbungskraft der Kohle erschoͤpft ist: denn dann muß man dieselbe entweder mit vielem Wasser auswaschen, um den zwischen den Kohlenkoͤrnern eingeschlossenen Syrup zu beseitigen, in welchem Falle man also einen sehr verduͤnnten Syrup erhaͤlt, den man neuerdings abzudampfen hat und wobei uͤberdieß die lezten Portionen Fluͤssigkeit, welche zu wenig Zuker aufgeloͤst enthalten, um die Abdampfungskosten zu lohnen, weggegossen werden muͤssen, so daß also dieser Zuker verloren geht; oder man muß sich begnuͤgen, diese Kohle nur oberflaͤchlich und mit wenig Wasser auszuwaschen und folglich eine betraͤchtliche Menge Zuker darin zuruͤkzulassen (deßhalb geht sie dann auch einige Zeit, nachdem sie aus den Filtern genommen wurde, in geistige Gaͤhrung uͤber). Ein anderer eben so großer Uebelstand ist der, daß die Filter gewoͤhnlich kalt sind, so daß der Saft bedeutend abgekuͤhlt wird und daher mit neuem Aufwand von Brennmaterial wieder auf die Temperatur gebracht werden muß, wobei die Laͤuterung vorgenommen wird, was sich spaͤter behufs des zweiten Abdampfens oder Verkochens des Syrupes wiederholt. Der Saft und Syrup laͤuft bekanntlich in einem duͤnnen Strome aus den Filtern ab, kommt also mit der Luft in große Beruͤhrung und muß folglich selbst nach dem Passiren der Filter noch bedeutend abgekuͤhlt werden. Bisweilen ist auch die Kohle unvollkommen ausgewaschen und ihre Koͤrner sind noch mit ganz feinem Kohlenpulver uͤberzogen; dieses reißt der Syrup mit sich und es ist dann fast nicht mehr moͤglich, dasselbe daraus wegzuschaffen, wodurch der Zuker ein grauliches Ansehen bekommt. Nicht selten kommt jezt auch im Handel verfaͤlschte thierische Kohle vor, welche den Syrup wenig oder gar nicht entfaͤrbt und also dem Fabrikanten, der sie anwendet, Verlust verursacht. Um die Unkosten fuͤr die thierische Kohle nicht zu sehr zu vergroͤßern, ist man genoͤthigt, dieselbe wieder zu beleben. Diese Operation erheischt, um sie im Großen in den Zukerfabriken auszufuͤllen, viel Capital und ein sehr bedeutendes Material; uͤberdieß wird dadurch auch die Leitung des Geschaͤfts viel complicirter. Das Filtriren durch thierische Kohle (wenn man dieselbe auch so oft wiederbelebt, als es moͤglich ist) verursacht doch eine Auslage, welche man nach den Berechnungen der geschiktesten Fabrikanten auf beilaͤufig 5 Centimes per Pfund producirten Zukers anschlagen kann. Endlich erfordert die Behandlung und Beaufsichtigung der Filter mehrere geuͤbte Arbeiter, denn von der Sorgfalt, welche man auf diese Operation wendet, haͤngt großen Theils die Schoͤnheit der Syrupe und die Guͤte des Zukers ab.Durch das im polyt. Journal Bd. LXVIII. S. 213 beschriebene Verfahren Peyron's, die Syrupe durch Kohle Zu filtriren und die Kohle in den Filtern selbst dann wiederzubeleben, ist ein großer Theil der hier geruͤgten Mangel des gegenwaͤrtigen Filtrirverfahrens beseitigt. A. d. R. Man begreift nun wohl, daß bei der Fabrication des Runkelruͤbenzukers eine bedeutende Oekonomie und Vereinfachung der Manipulationen erzielt wuͤrde, wenn man die Anwendung der thierischen Kohle und die Dumont'schen Filter umgehen koͤnnte; dieses hoͤchst wichtige Problem scheint aber jezt durch die Entdekung eines geschikten deutschen Chemikers, des Hrn. Eduard Stolle, vollstaͤndig und unzweifelhaft geloͤst zu seyn. Sie ist die Frucht zahlreicher und muͤhseliger Versuche, und Hr. Stolle wuͤnscht sie geheim zu halten, um sich durch ein maͤßiges Honorar von denjenigen, welche sein Verfahren anwenden wollen, fuͤr seine großen Opfer zu entschaͤdigen; derselbe hatte aber die Gefaͤlligkeit, uns alle gewuͤnschten Erlaͤuterungen zu geben, so daß wir im Stande sind, unsere Ansicht uͤber diese ganz neue Fabricationsmethode der Gesellschaft mitzutheilen. Der Zuker ist in dem Runkelruͤbensafte mir Eiweiß, Gallertsaͤure, einem Farbstoff, einer fetten Substanz, verschiedenen Salzen etc. gemengt. Es kommt also bei der Zukerfabrication darauf an, alle Substanzen, welche in dem Runkelruͤbensafte mit dem Zuker vereinigt sind, niederzuschlagen, zum Gerinnen zu bringen etc. und so eine mehr oder weniger concentrirte Aufloͤsung von Zuker in reinem Wasser zu erhalten. Dieß geschah nun bisher durch die sogenannte Laͤuterung und das Filtriren durch thierische Kohle. Wenn man also ein Reagens entdeken wuͤrde, welches aus dem Runkelruͤbensaft alle Substanzen, die den Zuker nach der Laͤuterung noch verunreinigen, niederschlagen und ihn zugleich entfaͤrben wuͤrde, so daß man die Fluͤssigkeit nur noch durch ein einfaches Filter zu seihen haͤtte, um den Niederschlag abzusondern, so ließen sich daraus, wie man leicht begreift, große Vortheile fuͤr die Zukerfabrication ziehen; die Entdekung eines solchen Reagens und einer Methode dasselbe zu einem sehr niedrigen Preise im Großen darzustellen, ist nun aber gerade das Verdienst des Hrn. Stolle. Bei Stolle's Verfahren wird der Saft nach der Laͤuterung noch heiß mit einer gewissen Menge des neuen Reagens versezt, wovon man eine immer gleich starke Aufloͤsung vorraͤthig hat. Im ersten Augenblike scheint es wenig Wirkung auf den Saft zu haben; nach kurzer Zeit schlaͤgt es aber doch die verschiedenen fremdartigen Substanzen nieder, und bald faͤngt es auch an die Fluͤssigkeit zu entfaͤrben. Alsdann seiht man leztere durch Flanell und schreitet sogleich zum Abdampfen oder Verkochen des Syrups, ehe sich die Fluͤssigkeit bedeutend abgekuͤhlt hat. Die drei so langwierigen Operationen des Filtrirens durch Kohle, welche bei dem alten Verfahren noͤthig sind, ehe man den Syrup zum Verkochen in den Kessel bringen kann, sind hier also durch eine einfache Digestion mit einem Reagens und das Passiren durch Flanell, welches sehr schnell und leicht zu bewerkstelligen ist, ersezt. Bei der neuen Entfaͤrbungsmethode verliert man durchaus nichts von dem im Saft enthaltenen Zukerstoffe, und erhaͤlt also aus einem gegebenen Gewichte Runkelruͤben auch betraͤchtlich mehr krystallisirten Zuker als nach den aͤlteren Verfahrungsarten. Man erspart die Filtrirapparate, so wie die Kohle, womit sie beschikt wurden, und die Arbeiter, welche sie bedienten. Ueberdieß wird Brennmaterial erspart, weil der Syrup nicht bedeutend erkaltet und niemals mit Wasser verduͤnnt wird. Die Syrupe laufen reiner ab und geben einen weißeren Zuker als nach dem gewoͤhnlichen Verfahren. Das von Hrn. Stolle angewandte Reagens hat sogar noch das Eigenthuͤmliche, daß seine Wirkung bis zu den lezten Augenbliken des Verkochens fortdauert, daß naͤmlich der Saft beim Eindampfen bis zum Ende durchsichtig bleibt und sogar nach und nach heller wird, also gerade das Gegentheil von dem erfolgt, was bei der gewoͤhnlichen Behandlungswelse der Fall ist. Das Verkochen erfolgt mit Leichtigkeit und der Zuker koͤrnt sich sehr gut. Nach Stolle's Verfahren erhaͤlt man aber nicht nur schoͤne Producte sondern auch eine groͤßere Ausbeute mit weniger Unkosten. Es laͤßt sich mit gleichem Vortheil anwenden, das Runkelruͤbenmark mag kalt oder mit Dampf ausgepreßt, oder nach dem Macerationsverfahren kalt oder warm ausgelaugt worden seyn. Stolle's Verfahren wird auch bereits in der schoͤnen Runkelruͤbenzuker-Fabrik der HHrn. Dejean und Comp. in Pontoise im Großen angewandt; Folgendes ist ein Auszug aus dem Journal dieser Fabrik: „An dem Tage, wo diese Zukerfabrik die Anwendung der Knochenkohle aufgab, summirte man die Laͤuterungen, welche an den fuͤnf lezten Tagen gemacht und die Produkte, welche dadurch erhalten wurden; es ergab sich, daß 82 Laͤuterungen, jede von 10 Hectoliter, 182 Basterformen geliefert hatten, waͤhrend Stolle's Verfahren gab: Laͤuterung. Basterformen. 1838, 21. Maͤrz   1   2 1/2 22.   3 1/4   8 23. 24. 17 1/2 43 26. 10 25 ––––– ––––– 31 3/4 78 1/2. 82 Laͤuterungen haͤtten also 202 1/3 Basterformen anstatt 182 geliefert, somit 11 1/4 Proc. wehr als bei den aͤlteren Verfahrungsarten. Ueberdieß war der zu diesen Versuchen verwendete Saft nicht so stark wie gewoͤhnlich.“ Aus folgenden, uns von Hrn. Stolle uͤbergebenen Bemerkungen gehen die Vortheile seiner Entfaͤrbungsmethode noch deutlicher hervor: „So gering man auch die Kosten fuͤr neue oder wiederbelebte Knochenkohle bei dem alten Verfahren anschlagen mag, so darf man doch nicht weniger als 4 Fr. per 100 Pfd. Zuker rechnen: wir wollen sie aber nur zu 3 Fr. 50 Cent. rechnen; wenn man sie also durch eine andere Substanz ersezt, die nicht uͤber 1 Fr. 50 Cent. kostet, welche ich aber zu 2 Fr. annehmen will, so macht dieß auf den Centner Zuker eine Ersparniß von wenigstens 1 Fr. 50 Cent. „Die Ersparniß bei den Kohlenfiltern, weil die Arbeiter fuͤr solche entbehrlich werden, und am Brennmaterial muß auf mindestens 15 Proc. der Fabricationskosten angeschlagen werden, also 1  – 50   – „10 Proc., oder 10 Pfd. Zuker Mehrertrag, zum niedrigsten Curs, geben 5  –  –    – –––––––––– „Die Ersparniß bei Anwendung meines Verfahrens betraͤgt also 8 Fr.  – Cent. Die Forderungen des Hrn. Stolle, um den Fabrikanten, welche sein Verfahren anwenden wollen, dasselbe auf zehn Jahre (die Dauer seines Erfindungspatents) zu uͤberlassen, sind aͤußerst maͤßig.Wer mit ihm wegen seiner Erfindung unterhandeln will, kann ihm seine Anerbietungen in frankirten Briefen durch die HHrn. Ludwig v. Eichthal und Sohn, Banquiers in Paris, rue Lepelletier No. 14, zukommen lassen.