Titel: Ueber das von Hrn. Krüger, ehemaligem Kaufmanne und hannöver'schem Consul in Cette, vorgeschlagene Verfahren Getränke haltbar zu machen.
Fundstelle: Band 70, Jahrgang 1838, Nr. XXXIII., S. 143
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XXXIII. Ueber das von Hrn. Kruͤger, ehemaligem Kaufmanne und hannoͤver'schem Consul in Cette, vorgeschlagene Verfahren Getraͤnke haltbar zu machen. Aus dem Echo du monde savant 1838, No. 20. Ueber Kruͤger's Verfahren Getraͤnke haltbar zu machen. Die Aufbewahrung der zu Getraͤnken bestimmten Fluͤssigkeiten gehoͤrt zu den wichtigsten Fragen im Gebiete der Hauswirthschaft und der allgemeinen Gesundheitspflege. Der Erfinder eines Verfahrens, wonach die geistigen Fluͤssigkeiten gegen die saure und das Wasser gegen die faule Gaͤhrung geschuͤzt werden koͤnnte, wuͤrde sich um die Menschheit in hohem Grade verdient gemacht haben. Hr. Kruͤger hat sich diese Aufgabe geseztWir haben uͤber seine Verfahrungsarten schon im polytechnischen Journal Bd. LXIX. S. 238 eine Notiz mitgetheilt.A. d. R.; wir wollen sehen, in wie weit er ihr entsprochen. Zu den unumgaͤnglich nothwendigen Bedingungen der sauren Gaͤhrung, bei welcher der Alkohol in Essigsaͤure umgewandelt wird, gehoͤrt die Gegenwart atmosphaͤrischer Luft, die hauptsaͤchlich nur durch den in ihr enthaltenen Sauerstoff zu wirken scheint. Hr. Kruͤger kam auf die Idee, die alkoholische Fluͤssigkeit diesem Einflusse zu entziehen, und zwar durch Beseitigung des Sauerstoffes der mit ihr in Beruͤhrung stehenden oder in ihr aufgeloͤst enthaltenen Luft. Zu dieser Austreibung sollen zwei Mittel zusammenwirken. Die geistige Fluͤssigkeit soll naͤmlich in einem geschlossenen Gefaͤße, welches so eingerichtet ist, daß die verdichteten Daͤmpfe bestaͤndig in die Fluͤssigkeit, aus der sie erzeugt wurden, zuruͤkkehren, einer continuirlichen Destillation, welche Hr. Kruͤger eine Destillation im Kreise nennt, unterworfen werden. Eine der Wirkungen dieser Destillation soll seyn, der Fluͤssigkeit alle die atmosphaͤrische Luft, welche sie enthalten mochte, zu entziehen. Hiebei sollen uͤber der Fluͤssigkeit und in einer Entfernung von einigen Zollen von ihrer Oberflaͤche Eisenplatten angebracht seyn, die sich unter dem Einfluͤsse der hoͤheren Temperatur mit Begierde des Sauerstoffes der im Apparate enthaltenen Luft zu bemaͤchtigen haͤtten. Damit von dem in Menge sich bildenden Eisenoxyde nichts in die der Behandlung unterliegende Fluͤssigkeit fallen koͤnne, soll unter den Eisenplatten eine eiserne Kapsel angebracht werden. Hr. Kruͤger nennt den zweiten Theil dieser Behandlung eine Desoxydirung im luftleeren Raume. Ohne untersuchen zu wollen, wie sich diese Benennung rechtfertigt, scheint uns aus der ganzen Behandlung soviel hervorzugehen: 1) daß die Fluͤssigkeit, weit entfernt etwas von ihrer geistigen Kraft zu verlieren, nach der Operation vielmehr eine groͤßere Menge davon enthaͤlt: ein Resultat, welches Hr. Kruͤger der Beendigung der bisher gehemmten oder unmerklichen Gaͤhrung zuschreibt; 2) aber, daß die der Behandlung unterlegene Fluͤssigkeit dem Sauerwerden laͤngere Zeit widersteht. Diese Resultate wurden durch die HHrn. Robiquet, Guéneau de Mussy und Pelletier, welche das Verfahren in Auftrag der Académie de Médecine zu untersuchen hatten, bestaͤtigt. Bei einem vor der genannten Commission vorgenommenen Versuche wurden 4 Liter Wein von Beaune 6 Tage hindurch der Destillation im Kreise und der Desoxydirung ausgesezt. Nach dieser Behandlung, bei welcher die Temperatur der Fluͤssigkeit am Tage auf 50° des 100 gradigen Thermometers erhalten wurde, waͤhrend sie die Nacht uͤber nie unter 25° fiel, hatte sich der Wein etwas getruͤbt. Diese Truͤbung, welche nach den Versicherungen des Hrn. Kruͤger nur an den kuͤnstlich gefaͤrbten Weinen vorkommt, verschwand nach der Schoͤnung der Fluͤssigkeit mit dem Jullien'schen Pulver. Die Fluͤssigkeit wurde naͤmlich nach dieser vollkommen klar, hatte etwas an Farbe verloren, und aͤhnelte dem Geschmake nach alten Rhoneweinen. Derselbe Wein, der vor der Behandlung den dritten Theil seines Volumens Weingeist von 34° des Gay-Lussac'schen Araͤometers gab, gab nach derselben ebenso viel Weingeist von 39°, wobei die Temperatur in beiden Faͤllen 10° Celsius hatte. Was den commerciellen Werth der Fluͤssigkeit betrifft, so hielt sich die Commission nicht fuͤr competent zur Aburtheilung der Frage: ob sich dieser gesteigert oder vermindert habe. Ein Glas dieses Weines, welches in einem Zimmer, dessen Temperatur zwischen 12 und 15° erhalten wurde, der Luft ausgesezt ward, hielt sich volle 8 Tage ohne sauer zu werden und ohne sich merklich zu truͤben. Derselbe Wein, welcher der Behandlung nicht unterlegen, truͤbte sich dagegen unter gleichen Umstaͤnden in weniger dann drei Tagen, worauf er sich mit Schimmel uͤberzog und in weniger dann acht Tagen vollkommen in Essig verwandelt war. Wein von gleicher Qualitaͤt sechs Tage lang, aber ohne Anwendung von Eisenplatten, der Destillation im Kreise unterworfen, hielt sich nicht, und wurde sogar schon waͤhrend dieser Behandlung selbst sauer. Andererseits wurde Wein, der zwar unter Mitwirkung des Eisens desoxydirt worden, der aber hierauf durch laͤnger fortgeseztes Schuͤtteln desselben in Beruͤhrung mit der Luft wieder Luft aufgenommen hatte, an freier Luft in kurzer Zeit sauer. Diese Versuche schienen der Commission die conservative Kraft der von Hrn. Kruͤger angegebenen Methoden zu bewaͤhren. Die darnach behandelten Weine schienen ihr sogar eine Veraͤnderung zu erleiden, die der beim Altwerden derselben vorgehenden nicht unaͤhnlich ist. Obschon sich der Theorie nach annehmen ließe, daß die beschriebene Destillation in Verbindung mit der desoxydirenden Wirkung des Eisens auf die gegohrnen Fluͤssigkeiten im Allgemeinen und namentlich auf das Bier einen analogen Einfluß ausuͤben duͤrfte, so unterließ man es doch, sich uͤber diesen zarten Punkt auszusprechen, bevor die Versuche des Hrn. Kruͤger nicht auch hierin wiederholt worden. Dagegen schien aus den Versuchen, welche der Erfinder in Gegenwart der Commission mit Wasser vornahm, hervorzugehen, daß das nach seinem Verfahren behandelte Wasser selbst noch weniger Spuren von Luft enthaͤlt, als das destillirte Wasser. Es truͤbt sich naͤmlich durch Zusaz einiger Krystalle von schwefelsaurem Eisenoxydul nicht im geringsten, waͤhrend das destillirte Wasser fuͤr dieses Reagens noch empfindlich ist. Hr. Kruͤger zieht hieraus den Schluß, daß solches Wasser auf langen Seereisen aufbewahrt werden koͤnnte, ohne eine Veraͤnderung zu erleiden. Er stellte der Commission wirklich Wasser vor, welches er lange Zeit an freier Luft, jedoch unter sorgfaͤltiger Verhuͤtung alles Schuͤttelns aufbewahrt hatte, und welches sich noch in vollkommen gutem Zustande zu befinden schien. Es waͤre demnach sehr zu wuͤnschen, daß man wenigstens diesen fuͤr die Schifffahrt so hoͤchst wichtigen Theil der Frage in Kuͤrze durch directe, im Großen angestellte Versuche ins Reine braͤchte. Unter den Proben, welche die Commission vornahm, um sich von dem wirklichen Werthe der ihr vorgelegten Methode zu uͤberzeugen, verdient noch jene eine ganz besondere Beruͤksichtigung, die man anstellte, um zu sehen, ob sich die Pariser Weine, die als ungenießbar beruͤhmt sind, nicht in ein trinkbares Getraͤnk verwandeln ließen. Der dem Versuche unterworfene Wein, der eher grau als roth war, verlor nach und nach diese Farbe und nahm dafuͤr eine den Weinen von Grave aͤhnliche an; und wenn er sich auch bei den nach der Behandlung vorgenommenen chemischen Pruͤfungen noch als sauer zeigte, so hatte er doch einen bedeutend besseren Geschmak gewonnen. Die Commission glaubt daher, daß die Pariser Weine durch diese Behandlung wirklich trinkbar gemacht werden koͤnnten, besonders wenn man ihnen bei derselben einige alkoholische oder zukerige Stoffe zusezen wollte. Hr. Kruͤger, der sein Verfahren seit einigen Jahren in Cette im Großen treibt, schreibt seinen, der Luft beraubten Getraͤnken heilkraͤftige Wirkungen zu, auf die jedoch die Commission nicht einging, da ihr keine aͤrztlichen Beobachtungen hieruͤber vorlagen.