Titel: Ueber die Geschwindigkeit der Fahrten auf den Eisenbahnen.
Fundstelle: Band 70, Jahrgang 1838, Nr. LX., S. 255
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LX. Ueber die Geschwindigkeit der Fahrten auf den Eisenbahnen.Als den Verfasser dieses Aufsazes, der zwar wenig enthaͤlt, was dem Manne von Fach nicht bereits bekannt waͤre, in dem jedoch die Resultate mehrjaͤhriger Erfahrung in populaͤrer und allgemein faßlicher Weise großen Theils zusammengestellt sind, bezeichnet man den durch seine literarischen Werke bekannten Dr. Lardner. Die englischen Blaͤtter, welche diesen Aufsaz mittheilen, bemerken dazu, daß es dem Verf. auf den Eisenbahnen besser von Statten zu gehen scheine, als auf der See, die ihn durch seine verungluͤkten Prophezeyungen hinsichtlich der Moͤglichkeit des Dampfschiff-Verkehres zwischen Europa und Amerika um seinen sauer erworbenen literarischen und technischen Ruf gebracht habe.A. d. R. Aus dem Monthly Chronicle, im Auszuge. Ueber die Geschwindigkeit der Fahrten auf den Eisenbahnen. Die Anwendung der Dampfkraft auf den Eisenbahnen gehoͤrt zu den groͤßten Wohlthaten, die der Menschheit je daraus erwuchsen, daß man wissenschaftliche Forschungen mit den Huͤlfsmitteln der Kunst in Verbindung und Einklang brachte. Der Landtransport machte hiedurch ploͤzliche und ganz unerwartete Fortschritte; denn schon bei den ersten Versuchen erreichte man eine Geschwindigkeit, die selbst unter den Ingenieurs Staunen und Verwunderung erregte. Ein Beispiel wird als Beleg hiefuͤr genuͤgen. Vor der Eroͤffnung der Liverpool-Manchester-Eisenbahn rechneten zwei der nuͤchternsten und ausgezeichnetsten Ingenieurs, Hr. J. Walker und Hr. J. U. Rastrick, nur auf eine Geschwindigkeit der Locomotiven von 10 engl. Meilen in der Zeitstunde. Ebenso nahmen sie auf eine Locomotive nur eine Brutto-Last von 20 Tonnen an. Die HHrn. Stephenson und J. Locke legten in dem hieruͤber erstatteten Belichte eine Geschwindigkeit von 12 engl. Meilen in der Zeitstunde, und auf jede Locomotive eine Last von 30 Tonnen zu Grunde. Allen diesen Berechnungen zum Troze erreichte man aber schon bei den ersten Fahrten eine Geschwindigkeit von 30 engl. Meilen in der Zeitstunde, und bald sah man eine einzige Maschine die ungeheure Last von 240 Tonnen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 12 engl. Meilen ziehen! Diese Leistungen wurden in spaͤterer Zeit in jeder Beziehung noch bedeutend uͤberschritten; und wir selbst waren Zeuge, wie man eine bedeutende Last mit einer Geschwindigkeit von 40, und eine unbelastete Maschine selbst mit einer Geschwindigkeit von beinahe 60 engl. Meilen in der Zeitstunde forttreiben ließ. Dessen ungeachtet hat man es aus mannigfachen Gruͤnden bisher noch immer nicht zur Entwiklung der vollen Geschwindigkeit der Lokomotiven gebracht. So kann z.B. auf kurzen Bahnstreken, besonders wenn an Zwischenstationen angehalten werden muß, keine einigermaßen bedeutende durchschnittliche Geschwindigkeit erreicht werden; denn so oft man sich einer Station naͤhert, muß die Triebkraft gehemmt werden, damit der Wagenzug allmaͤhlich zum Stillstehen kommt. Durch zu ploͤzliches Anhalten wuͤrden naͤmlich die Wagen und Maschinen zu großen Schaden leiden, weßhalb denn auch die gewoͤhnlichen Bremsen nur selten in Anwendung kommen koͤnnen. Wenn auf einer Streke von 30 engl. Meilen die volle Geschwindigkeit 30 engl. Meilen in der Zeitstunde betraͤgt; wenn aber der Verzug an den Stationen, und die Zeit, welche erforderlich ist, um in Ruhestand und in volle Geschwindigkeit zu kommen, 15 Minuten ausmacht, so wird die Durchschnittsgeschwindigkeit nicht hoͤher als 24 engl. Meilen in der Zeitstunde seyn; da der Verlust 6 Meilen in der Stunde betraͤgt. Bei einer vollen Geschwindigkeit von 10 engl. Meilen und bei demselben Verzuge von 15 Minuten wird sich die Durchschnittsgeschwindigkeit fuͤr die Streke von 30 engl. Meilen auf 9 1/4 engl. Meilen in der Zeitstunde berechnen, da hier der Verlust nur 3/4 Meile in der Zeitstunde betraͤgt. Um die volle Entwiklung der Geschwindigkeit der Locomotiven zu sehen, muͤssen wir daher die Beendigung der groͤßeren, von London ausgehenden Bahnlinien abwarten; denn dann wird man ohne Zweifel Anstalt treffen, daß die ganze Streke von einem Endpunkte zum anderen durchfahren werden kann, ohne daß oͤfter angehalten werden muͤßte, als zum Einnehmen von Wasser und Brennmaterial durchaus erforderlich ist. Der Verbrauch an bissen beiden zulezt genannten Elementen steht aber mit der fortzuschaffenden Last in direktem Verhaͤltnisse: so zwar, daß wenn eine Brutto-Last von 50 Tonnen 30 Meilen weit fortgeschafft werden kann, ohne daß man Wasser einzunehmen braucht, eine Last von 25 Tonnen zweimal oder 60 engl. Meilen weit transportirt werden kann, ohne anhalten zu muͤssen. Abgesehen hievon ist es aber ein Leichtes, Munitionswagen herzustellen, die soviel Brennstoff und Wasser fassen, als ein leichter Wagenzug auf den bisher projectirten Bahnen von einem Endpunkte zum anderen bedarf. Bei dem allgemeinen Interesse, welches man an den Eisenbahnen nimmt, wird man uns gestatten, die Huͤlfsmittel, deren man sich bei deren Befahrung bedient, auf populaͤre Weise zu erlaͤutern. Die Kraft des Dampfes wird hienach zuerst verwendet, um einen Kolben in einem Cylinder, welcher in horizontaler Richtung auf der Achse des die Maschine tragenden Raͤderpaares ruht, hin und her zu treiben. Die Stange dieses Kolbens steht durch ein Gelenke mit einem Stabe in Verbindung, der die sogenannte Kurbel (crank), welche sich an der Achse eines anderen Raͤderpaares, naͤmlich der Treibraͤder, befindet, faßt. Hieraus folgt, daß die Kurbel durch die Hin- und Herbewegungen des Kolbens umgetrieben wird; und, daß mithin auch die Achse, die mit der Kurbel gleichsam nur einen Theil ausmacht, ebenfalls umlaufen muß. Da ferner die Treibrader fest an diese Achse geschirrt oder gekuppelt sind, so muͤssen auch sie zugleich mit der Achse umlaufen. Wenn auf diese Weise eines der Raͤderpaare, auf denen die Maschine ruht, umgetrieben wird, so muß sich die Maschine entweder auf der Bahn fortbewegen, indem die Radreifen auf deren Oberflaͤche hinrollen; oder sie muß stehen bleiben, indem sich die Reifen auf deren Oberflaͤche reiben. So lange jedoch der die Maschine zuruͤkhaltende Widerstand geringer ist, als der durch den Druk des Reifens auf die Bahn bewirkte Widerstand gegen die reibende Bewegung, muß die Maschine fortrollen. Die Erfahrung hat ergeben, daß auf einer ebenen Bahn eine Last, die 20 Mal groͤßer ist, als der Druk auf die Raͤder, die fortschreitende Bewegung der Maschine nicht aufzuhalten vermag, wenn die Radachse durch die Dampfkraft umgetrieben wird. Jede Hin- und Herbewegung des Kolbens bedingt einen Umgang der Kurbel und mithin auch der Treibraͤder; und hieraus folgt eine fortschreitende Bewegung des Wagenzuges durch eine dem Umfange der Treibraͤder gleichkommende Streke. Da sich der Cylinder hiebei zweimal mit Dampf fuͤllen muß, so wird, um die Wagen durch eine dem Umfange der Treibraͤder gleichkommende Streke zu treiben, zweimal soviel Dampf erfordert, als der Cylinder faßt. Die Kraft, welche die Kolbenstange auf die Kurbel ausuͤbt, ist nach der Stellung lezterer sehr verschieden. Wenn das Knie einen rechten Winkel bildet, so erzielt die Kraft ihren vollen Nuzeffect; dagegen wird dieser um so geringer ausfallen, je stumpfer oder spizer der Winkel wird. Diese Verminderung waͤhrt so lange, bis die Kurbel in der einen extremen Stellung gerade gegen das Ende der Kolbenstange gespannt, in der anderen dagegen mit ihr gedoppelt ist. In beiden extremen Stellungen verliert der Kolben alle Kraft auf die Kurbel, so daß fuͤr diesen Augenblik seine treibende Kraft aufgehoben ist: ein Umstand, der bei jedem Kurbelumgange zweimal eintritt. Da unter diesen Umstaͤnden die Bewegung der Wagen eine ungleiche seyn wuͤrde; und da, wenn die Wagen allenfalls in Stillstand kommen sollten, waͤhrend sich die Kurbel in einer der beiden angedeuteten Stellungen befaͤnde, die Maschine sie nicht eher in Bewegung bringen koͤnnte, als bis die Stellung der Kurbel durch irgend eine von Außen auf sie wirkende Kraft veraͤndert worden waͤre, so ist fuͤr einen zweiten Cylinder mit Kolben gesorgt, damit dieser eine zweite Kurbel treibe, welche mit der erstern an einer und derselben Achse, aber unter rechten Winkeln mit ihr angebracht ist. Durch diese Anordnung, gemaͤß der die eine Kurbel senkrecht steht, waͤhrend die andere in horizontaler Stellung ist, wird eine beinahe gleichmaͤßige Triebkraft erzielt. Denn in dem Maaße als die Kraft der einen Kurbel abnimmt, waͤchst jene der anderen, so daß der Gesammteffect beider unter allen Umstaͤnden gleich bleiben muß. Verlust an Kraft findet hiebei keiner Statt, weil der Nuzeffect beider Kolben so groß ist, als jener eines Kolbens, der an Groͤße beiden Kolben zusammen gleich kaͤme, und der bei jedem Hube die doppelte Menge Dampfes verbrauchte. Hieraus folgt, daß, um die Wagen durch eine dem Umfange der Treibraͤder entsprechende Streke zu treiben, eine dem vierfachen Rauminhalte der Cylinder gleichkommende Menge Dampf noͤthig ist. Nach diesen Erlaͤuterungen sind die Umstaͤnde, welche die Geschwindigkeit bedingen, leicht aufzufassen. An den vor 7 Jahren auf der Liverpool-Manchester-Eisenbahn allgemein eingefuͤhrten Maschinen hatten die Treibraͤder 5 Fuß im Durchmesser und 15,7 Fuß im Umfange. Jeder Kolbenhub trieb die Wagen also 15,7 Fuß weit, so daß 336 Hube noͤthig waren, um die Wagen eine engl. Meile weit zu treiben. Hienach berechnet sich leicht, daß, um eine Geschwindigkeit von 30 engl. Meilen in der Zeitstunde zu erlangen, der Kolben in jeder Minute 168 Hube vollbringen muß. Angenommen, die Kessel vermoͤchten rasch genug den Bedarf an Dampf zu liefern, wollen wir untersuchen, welche Schranken einer weiteren Erhoͤhung der Geschwindigkeit im Wege stehen. Die rasche Hin- und Herbewegung der Kolben und der damit in Verbindung stehenden Theile der Maschinerie ist wegen der damit verbundenen Erschuͤtterung eine der Hauptursachen der Abnuͤzung der Maschinerie und der aus dieser erwachsenden großen Kosten. Bei der dermalen gebraͤuchlichen mechanischen Verbindung der Kolben mit den Treibraͤdern kann eine groͤßere Geschwindigkeit ohne groͤßere Raschheit der Kolbenschwingungen offenbar nur dadurch erzielt werden, daß man den Treibraͤdern einen groͤßeren Durchmesser gibt. Haͤtten z.B. die Treibraͤder statt 5 ihrer 10 Fuß im Durchmesser, so wuͤrde die bei jedem Umgange durchlaufene Streke doppelt so groß seyn, und die Bewegung waͤre also bei gleicher Anzahl von Huben doppelt so rasch. Man hat demnach die Wahl zwischen erhoͤhter Geschwindigkeit ohne staͤrkerer Schwingung und zwischen gleicher Geschwindigkeit mit bedeutend verminderter Schwingung. Fraͤgt man nun, warum man nicht schon laͤngst zu diesem Auskunftmittel seine Zuflucht nahm, so sind, um eine richtige Antwort hierauf zu geben, noch einige weitere Punkte in Betracht zu ziehen. Die Locomotiven sowohl, als die Wagen werden naͤmlich bekanntlich durch die an den Radreifen befindlichen Randvorspruͤnge oder Scheibenkraͤnze vor dem Abgleiten von den Bahnschienen geschuͤzt. Die Schiene laͤßt sich als ein Hinderniß betrachten, uͤber welches die Scheibenkraͤnze hinwegrollen muͤssen, bevor der Wagen die Bahn verlassen kann. Gleichwie aber ein großes Rad leichter uͤber die auf einer Straße vorkommenden Hindernisse wegrollt, ebenso werden auch große Raͤder an den Maschinen und Wagen leichter den Widerstand der Schienen uͤberwinden und leichter von diesen abgehen. Da nun durch das Abgleiten der Raͤder von den Schienen nicht selten Ungluͤksfaͤlle sehr gefaͤhrlicher Art entstehen, so wird man es den Directoren der genannten Bahn nicht uͤbel deuten, wenn sie auf keine diese Gefahr erhoͤhende Aenderung eingingen und bei Raͤdern von 5 Fuß im Durchmesser stehen blieben. Man war um so mehr hiezu berechtigt, als ein Wagen, den man versuchsweise mit Raͤdern von 5 Fuß 6 Zoll Durchmesser versehen hatte, ungluͤklicher Weise durch das Abgehen von der Bahn einigen Personen das Leben kostete. In neuerer Zeit hat man jedoch an dem Baue der Locomotiven eine Veraͤnderung vorgenommen, die obigen Einwurf gegen die Vergroͤßerung des Rades groͤßten Theils, wo nicht gaͤnzlich umstoͤßt. Fruͤher ruhten die Maschinen naͤmlich auf vier Raͤdern, von denen die Treibraͤder wegen der Einwirkung der Kolben auf deren Achsen eine groͤßere Neigung hatten die Schienen zu verlassen, als dieß an den anderen Raͤdern der Maschine oder der uͤbrigen Wagen der Fall war. Gegenwaͤrtig stellt man die Maschinen hingegen auf drei Raͤderpaare, von denen das eine, naͤmlich die Treibraͤder, einen groͤßeren Durchmesser hat. Die Achse dieser Treibraͤder befindet sich gewoͤhnlich in der Mitte. Es erhellt offenbar, daß bei dieser Einrichtung die Maschine durch die Scheibenkraͤnze des ersten und lezten Raͤderpaares auf den Schienen erhalten wird, und daß die Scheibenkraͤnze des mittleren Raͤderpaares nie in Wirksamkeit zu kommen brauchen, ausgenommen, die Schienen haͤtten eine solche Kruͤmme, daß zwischen dem ersten und lezten Raͤderpaare eine Biegung nach Innen Statt findet. Dieser Umstand duͤrfte sich aber wohl kaum an irgend einer Bahn vorfinden; und wenn man je auf ihn stieße, so waͤre es besser, wenn man dem mittleren Rade gar keinen Scheibenkranz gaͤbe. Hieraus ergibt sich, daß bei den auf solche Art gebauten Maschinen an den Treibraͤdern die Scheibenkranze unnoͤthig oder nur in dem Falle von Nuzen sind, wenn das eine oder das andere der Raͤder oder eine der Achsen bricht, oder wenn die Raͤder eine Neigung haben, von den Schienen abzulaufen.Ein anderer, aus der Anwendung von drei Raͤderpaaren erwachsender Vortheil ist, daß im Falle eine Achse bricht, die Maschine, da sie mit dem Munitionswagen verbunden ist, von den beiden anderen Achsen getragen wird. Die Treibachse ist, da sie durch die Kurbeln geschwaͤcht wird, dem Brechen sehr ausgesezt.A. d. O. Obschon nun unter diesen Umstaͤnden, in welchen die Maschine von den Treibraͤdern ganz unabhaͤngig auf den Schienen erhalten wird, keine Einwendung gegen die Vergroͤßerung der Treibraͤder mehr besteht, so hat man ungeachtet der offenbaren, mittelst einer solchen Vergroͤßerung erzielbaren Vortheile dennoch beinahe an allen Bahnen, selbst an den sechsraͤderigen Maschinen, Treibraͤder von 6 Fuß Durchmesser beibehalten. Nur in ein Paar Faͤllen versuchte man eine Vergroͤßerung des Durchmessers um 6 Zolle, und nur an der Great-Western-Eisenbahn huldigte man dem Principe großer Treibraͤder, indem man Raͤder von 7 bis zu 10 Fuß Durchmesser in Anwendung brachte. Man darf uͤbrigens nicht glauben, daß man mit groͤßern Raͤdern dieselbe Last mit derselben Dampfkraft fortschaffen koͤnne: ein Irrthum, der ziemlich verbreitet zu seyn scheint. Durch Vergroͤßerung des Durchmessers des Treibrades verlaͤngert man den Hebel, gegen den die Kraft beim Ziehen der Last zu wirken hat. Der Hebel, auf den die Kraft wirkt, ist die an der Treibwelle angebrachte Kurbel; der Hebel, gegen den sie wirkt, ist die unterste Speiche des Treibrades. Verlaͤngert man lezteren, waͤhrend die Kraft und die Kurbel unveraͤndert bleiben, so muß nothwendig die Last in demselben Verhaͤltnisse vermindert werden. Bei gleicher Kolbenkraft und gleicher Kurbellaͤnge wird also ein Treibrad von 10 Fuß Durchmesser eine nur halb so große Brutto-Last ziehen, wie eines von 5 Fuß. Fraͤgt man, wie ein bloßer Unterschied in der Groͤße der Raͤder den von einer bestimmten Menge Triebkraft gegebenen Nuzeffect veraͤndern koͤnne, so ist die Antwort einfach, daß keine solche Veraͤnderung Statt finde; denn die wirkliche Dampfmenge, welche man braucht, um eine bestimmte Last eine bestimmte Streke weit zu schaffen, bleibt dieselbe, ob man Raͤder von 5 oder von 10 Fuß Durchmesser anwendet. Hat man Raͤder von 10 Fuß, so wird, wenn die Last dieselbe bleibt, der Widerstand gegen die auf den Kolben wirkende Kraft aus dem bereits angegebenen Grunde verdoppelt, und daher muß auch die zur Ueberwaͤltigung dieses Widerstandes erforderliche Kraft: d.h. die Kraft des auf den Kolben wirkenden Dampfes, verdoppelt werden. Dieß kann geschehen, entweder indem man den Flaͤchenraum des Kolbens verdoppelt, oder indem man den Druk, den der Dampf per Quadratzoll ausuͤbt, auf das Doppelte steigert. In beiden Faͤllen wird die bei jedem Kolbenhube verbrauchte Dampfmenge eine doppelte seyn. In dem einen Falle hat man eine doppelte Dampfmenge von gleicher Dichtheit; in dem anderen dagegen hat man dieselbe Dampfmenge, aber von doppelter Dichtheit.Der Unterschied in der Temperatur bedingt einen geringen Unterschied im Nuzeffecte; dieser Unterschied ist jedoch so unbedeutend, daß er in der Praxis nicht in Anschlag kommt.A. d. O. Jeder Umgang der Raͤder von 10 Fuß kostet demnach zweimal soviel Dampf als ein Umgang der Raͤder von 5 Fuß. Da aber der Umfang der ersteren noch einmal so groß ist, als jener der lezteren, so wird die Last durch einen Umgang der ersteren eben so weit geschafft, als durch zwei Umgaͤnge der lezteren; woraus dann folgt, daß zur Fortschaffung einer bestimmten Last um eine bestimmte Streke eine und dieselbe Dampfkraft erfordert wird, welches auch der Durchmesser der Raͤder seyn mag. Fraͤgt man demnach, was denn durch Vergroͤßerung der Raͤder gewonnen wird, so ist die einfache Antwort hierauf die, daß man hiedurch in Stand gesezt wird, leichte Lasten mit einer weit groͤßeren Geschwindigkeit fortzuschaffen, ohne dabei die Schwingungen der arbeitenden Theile der Maschine zu beschleunigen. Die Erfahrung hat gelehrt, daß eine in gutem Zustande befindliche Locomotive mit Raͤdern von 5 Fuß Durchmesser auf einer ziemlich ebenen Bahn 6 Wagen erster Classe, von denen jeder 20 Personen faßt, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 engl. Meilen in der Zeitstunde fortzuschaffen vermag, wenn an keinen Zwischenstationen angehalten wird. Jeder der Wagen wiegt unbelastet gegen 3 Tonnen; 120 Personen geben eine Last von beilaͤufig 8 Tonnen; und rechnet man auf deren Gepaͤk noch 6 Tonnen, so gibt dieß eine Brutto-Last von 32 Tonnen. Dazu die Maschine sammt Munitionswagen, Wasser und Brennmaterial mit 18 Tonnen, macht in Summa 50 Tonnen, die eine Ortsveraͤnderung zu erleiden haben. Nehmen wir nun an, daß Alles dasselbe bleibe; daß aber die Raͤder von 5 Fuß Durchmesser durch solche von 10 Fuß ersezt wuͤrden, und daß statt der 6 Wagen nur ein einziger fortzuschaffen waͤre, der mit seiner Ladung nur 7 Tonnen waͤge, so wird sich die Summa der fortzuschaffenden Last auf 25 Tonnen reduciren, und diese Last wird durch dieselbe Kraft mit einer doppelt groͤßeren Geschwindigkeit, naͤmlich mit einer Geschwindigkeit von 60 engl. Meilen in der Zeitstunde fortbewegt werden: ausgenommen, der vermehrte Widerstand der Luft absorbirte einen Theil der Triebkraft. In welchem Grade dieß leztere eintritt, ist noch nicht genuͤgend ermittelt; nur soviel ist gewiß, daß es von einigen zu hoch, von anderen dagegen zu gering angeschlagen worden. Einige sehr erfahrene Ingenieurs sind der Ansicht, daß sich durch eine gaͤnzliche Umaͤnderung des Mechanismus, der die Kraft des Kolbens an die Treibraͤder fortpflanzt, eine groͤßere Dauerhaftigkeit der arbeitenden Theile und eine groͤßere Geschwindigkeit erlangen ließe. Sie behaupten, daß die Kurbeln, durch welche die Continuitaͤt der umlaufenden Achse an zwei Stellen aufgehoben wird, allen gesunden Principien der Mechanik zuwider seyen; daß die Achse, auf welche, um den Treibraͤdern die gehoͤrige Adhaͤsion zu geben, die Hauptschwere der Maschine zu treffen hat, hiedurch zum schwaͤchsten Theile der Maschine gemacht wird; daß man diesem Fehler auf eine sehr plumpe und unmechanische Weise zu steuern trachtet, indem man dem Metalle der Achse ein ungeheures Gewicht gibt; daß selbst dieses Huͤlfsmittel nur unvollstaͤndig entspricht, wie dieß schon daraus erhellt, daß selbst die aus den besten Fabriken kommenden Kurbeln haͤufig brechen; daß endlich die rasche Bewegung der Kolben, der Schieber und der uͤbrigen arbeitenden Theile, welche selbst bei den moͤglich groͤßten Treibraͤdern noͤthig ist, wenn große Geschwindigkeiten erzielt werden sollen, fuͤr die Maschinerie hoͤchst nachtheilig wird, den groͤßten Kostenaufwand bedingt, und das fahrende Publicum durch das haͤufige Brechen einzelner Theile bestaͤndigen Gefahren aussezt. Es besteht demnach eine offenbare und eng gezogene Graͤnze gegen die Vergroͤßerung der Treibraͤder. Die unbeholfenen Dimensionen derselben und ihr ungeheures Gewicht wuͤrden in Kuͤrze Nachtheile nach sich ziehen, die jeden Vortheil, den man aus einer groͤßeren Geschwindigkeit oder verminderten Vibrirung erlangen koͤnnte, mehr dann aufwiegen wuͤrden. Es ist selbst noch zweifelhaft, in wiefern sich die Raͤder von 10 Fuß Durchmesser, welche man dermalen an der Great-Western-Eisenbahn probtirt, vortheilhaft bewahren werden; wenigstens hat sich bis jezt eine bedeutende Majoritaͤt erfahrener Ingenieurs gegen sie ausgesprochen. Man behauptet, daß die Bewegung des Kolbens bedeutend langsamer seyn sollte, als an den dermalen gebraͤuchlichen Maschinen, weil hiedurch nicht nur den großen, aus der Wechselbewegung der arbeitenden Theile erwachsenden Nachtheilen gesteuert, sondern auch ein groͤßerer Nuzeffect der Kraft erzielt werden wuͤrde. Watt und andere ausgezeichnete Praktiker sind der Ansicht, daß eine Dampfmaschine am besten arbeitet, wenn die Geschwindigkeit des Kolbens nicht uͤber 240 Fuß in der Minute betraͤgt. Da aber an einem Rade von 5 Fuß Durchmesser, welches von einer Maschine mit 18zoͤlligem Kolbenhub in Bewegung gesezt wird, der Kolben sich mit einer Geschwindigkeit von 500 Fuß in der Minute bewegt, um fuͤr das Rad eine Geschwindigkeit von 30 engl. Meilen in der Zeitstunde zu erreichen, so ergibt sich hier fuͤr den Kolben eine doppelt groͤßere als die vortheilhafteste Geschwindigkeit. Den aus der oben erwaͤhnten Schwaͤchung der Treibachse durch die Kurbeln erwachsenden Nachtheilen suchte man dadurch zu begegnen, daß man die Cylinder außerhalb der Maschinenraͤder anbrachte; und daß man die Kolbenstange mit einem Zapfen in Verbindung sezte, der in einer der Radspeichen befestigt war. Dieses Auskunftsmittel zeigte sich jedoch in der Praxis nicht nur als gaͤnzlich ungeeignet, sondern es half auch nicht dem Hauptvorwurfe, der raschen Bewegung des Kolbens, ab. Eine der Methoden, durch welche man bei einer maͤßigen Geschwindigkeit der Kolben eine sehr bedeutende fortschreitende Bewegung erlangen zu koͤnnen hoffte, beruhte auf der Fortpflanzung der Kolbenkraft an die Treibraͤder mittelst gehoͤriger verzahnter Getriebe. Sollte sich ein derlei Mechanismus einst mit den Eigenthuͤmlichkeiten der Locomotiven in Einklang bringen lassen, so gaͤbe es wirklich fuͤr die auf den Eisenbahnen zu erreichende Geschwindigkeit auch keine Graͤnzen mehr. Selbst bei den dermaligen Mangeln dieses Mechanismus und den Schwierigkeiten, die seiner Anwendung zur Zeit noch im Wege stehen, glauben wir, daß fuͤr eine geringe Last, z.B. fuͤr einen einfachen, das Brieffelleisen und die Waͤchter fuͤhrenden Wagen, eine Geschwindigkeit von 60 engl. Meilen in der Zeitstunde als vollkommen thunlich erwiesen seyn koͤnnte; ja wir halten sogar eine solche von 100 engl. Meilen nicht fuͤr unmoͤglich. Man hat, um diese Methode einzuschlagen, gerathen, an der Treibachse ein Getrieb oder ein kleines Rad anzubringen und so fest damit zu verbinden, daß es nicht umlaufen kann, ohne daß zugleich auch die Achse mit umlaͤuft. In die Zaͤhne dieses Getriebes sollen die Zaͤhne eines groͤßeren Rades, welches an einer zweiten Achse aufgezogen ist, und durch die Kolben der Maschine in Bewegung gesezt wird, eingreifen. Diese zweite Achse koͤnnte, da sie nichts als ihr eigenes Gewicht und das eben erwaͤhnte groͤßere Rad zu tragen hat, ohne allen Anstand mit zwei Kurbeln, durch die sie von den Kolben her in Bewegung gesezt wuͤrde, ausgestattet werden. Wenn nun z.B. das an der Achse der Treibraͤder befestigte Getrieb 18 Zoll, das groͤßere, in dasselbe eingreifende Zahnrad dagegen Fuß 6 Zoll im Durchmesser hat, so wird ein Umgang des lezteren drei Umgaͤnge des ersteren, und mithin auch der Treibraͤder erzeugen. Da das große Zahnrad durch die an seiner Achse befindlichen Kurbeln umgetrieben wird, so wird jeder Kolbenhub einen Umgang dieses Rades und drei Umgaͤnge der Treibraͤder bewirken. Die Bewegung wuͤrde demnach dieselbe seyn, wie sie mit den dermaligen Maschinen erzeugt wuͤrde, wenn sie Raͤder von dreimal groͤßerem Durchmesser haͤtten. Unter diesen Umstaͤnden ließe sich mit Treibraͤdern von 6 Fuß und bei 56 Kolbenhuben in der Minute eine Geschwindigkeit von 36 engl. Meilen in der Zeitstunde erreichen, waͤhrend nach der jezt gebraͤuchlichen Methode zur Erlangung dieser Geschwindigkeit 168 Hube erforderlich sind. Dieselbe Kolbenbewegung, welche dermalen bei Raͤdern von 6 Fuß eine Geschwindigkeit von 36 engl. Meilen bedingt, wuͤrde also nach der neuen Methode eine Geschwindigkeit von 108 engl. Meilen in der Zeitstunde erzeugen! Der hiezu noͤthige Mechanismus ist so klar, seine Principien und die Mittel, die er erheischt, sind so bekannt, daß nur die mit seiner Anwendung verbundenen außerordentlichen Schwierigkeiten die Mechaniker und Ingenieurs von ihm abhalten konnten. Diese Schwierigkeiten beruhen hauptsaͤchlich darauf, daß die Cylinder und die uͤbrige Maschinerie auf Federn ruhen muͤssen, waͤhrend die Achse der Treibraͤder, die von der Maschine ihre Bewegung mitgetheilt erhaͤlt, ohne Dazwischenkunft von Federn auf die Bahn wirken muß. Die Maschine ist daher einer Reihe von Bewegungen und Erschuͤtterungen theilhaftig; die Treibachse dagegen einer anderen. Bei dem gegenwaͤrtigen Baue der Maschinen, an denen sich weder Getriebe noch Zahnraͤder befinden, fallen die aus dem eben angegebenen Umstande erwachsenden Unannehmlichkeiten weg; denn die ungleiche Bewegung der Treibraͤder vertheilt sich auf die Kurbeln, die Kolbenstangen und die Kolben; ihre weitere Wirkung wird durch die Elasticitaͤt des Dampfes verhuͤtet. In neuerer Zeit jedoch ließ Hr. Harrison, Ingenieur der Eisenbahn zwischen Stanhope und Tyne, eine neue Anwendungsweise von Getrieben und Zahnraͤdern an den Locomotiven patentiren. Derselbe verbindet naͤmlich das große Zahnrad und die Achse, mittelst der es umgetrieben wird, durch eiserne Baͤnder mit der Achse der Treibraͤder, so daß beide Achsen fest zusammengehalten und einer gemeinschaftlichen senkrechten Bewegung theilhaftig werden. Hieraus folgt, daß alle aus der Bewegung der Treibraͤder erwachsenden Erschuͤtterungen auch der uͤber ihnen befindlichen Kurbelachse mitgetheilt werden, und daß die Zaͤhne des Getriebes und des Zahnrades stets in gleichem Grade in einander eingreifen. Das die Cylinder und die uͤbrigen Theile der Maschinerie tragende Gestell ruht wie gewoͤhnlich auf Federn. Um die seitlichen Bewegungen beider Achsen zu beschraͤnken, ist fuͤr gehoͤrige Stuͤhle gesorgt. Bei der Hoͤhe dieser Art von Maschinerie ist es nicht thunlich, den Kessel wie an anderen Lokomotiven auf demselben Wagen uͤber der Maschinerie anzubringen; er ist daher mit dem Ofen und sonstigen Zugehoͤr auf einen eigenen, an die Maschine angehaͤngten Wagen gebracht. Die Roͤhren, die den Dampf an die Cylinder, und den verbrauchten Dampf wieder in den Rauchfang zuruͤk fuͤhren, haben eigenthuͤmliche Gefuͤge, welche sowohl nach der Laͤnge als auch nach der Seite soviel Spiel gestatten, als es die Bewegungen der beiden Wagen erheischen koͤnnen. Eines dieser Gefuͤge ist in der That das gewoͤhnliche Teleskopgefuͤge, das andere dagegen das Kugel- und Scheidengefuͤge; ersteres gestattet den beiden Wagen sich einander zu naͤhern und sich von einander zu entfernen; lezteres hingegen erlaubt seitliche Schwingungen, die, wenn sie auch nur in geringerm Maßstabe Statt finden koͤnnen, doch den Umstaͤnden entsprechen. Durch die Uebertragung des Kessels auf einen eigenen Wagen wird das auf die Treibraͤder druͤkende Gewicht in so hohem Grade vermindert, daß, wenn man die Maschine zum Fortschaffen eines schweren Wagenzuges verwenden wollte, die Adhaͤsion der Raͤder kaum hinreichen wuͤrde. Aus diesem Grunde werden die die Maschine tragenden Raͤder verkuppelt; d.h. sie werden durch eine Stange, welche an entsprechenden, in die Speichen eingelassenen Zapfen fest gemacht ist, so miteinander verbunden, daß sich das eine Raͤderpaar nicht bewegen kann, ohne das andere zu zwingen, sich gleichfalls mitzubewegen. Es wirkt also hier die Adhaͤsion beider Raͤderpaare, und das Gewicht der Maschine laͤßt sich leicht so groß machen, daß die Adhaͤsion der Last entspricht.Hr. W. Baddeley druͤkt in einem an das Mechanics' Magazine gerichteten Schreiben seine Verwunderung daruͤber aus, daß Hr. Lardner hier gaͤnzlich davon schweigt, daß die HHrn. Heaton in Birmingham ihren fuͤr Landstraßen bestimmten Dampfwagen mit Getrieben und Zahnraͤdern in Bewegung sezen ließen. Diese Herren wendeten Getriebe und Raͤder von verschiedenen Durchmessern an, um die Zugkraft und die Geschwindigkeit der Maschine je nach Umstaͤnden zu erhoͤhen und zu maͤßigen, und waren auf diese Weise im Stande, mit einer und derselben Maschine sowohl ebene Straßen als die steilsten Huͤgel zu befahren. Hr. Baddeley glaubt, daß wenn dieses System auf den holperigen Landstraßen sich bewaͤhrte, es auf den ebenen Eisenbahnen noch bessere Dienste leisten muͤsse; er sagt aber keine Sylbe daruͤber, warum von den Wagen der HHrn. Heaton keine Spur mehr auf den Straßen zu finden ist. Den Dampfwagen der HHrn. Heaton findet man im polyt. Journal Bd. LI. S. 321; jenen des Hrn. Harrison Bd. LXVII. S. 8 beschrieben und abgebildet.A. d. R. Die außerordentliche Vorsicht und Sorgfalt, welche sowohl die Ingenieurs als die Directoren der Eisenbahnen bisher befolgten, hat in hohem Grade hemmend auf die Fortschritte, die man in dieser Sache machte, eingewirkt. Dieß ist eine unumstoͤßliche Wahrheit, wie sehr sich uͤbrigens auch diese große Vorsicht vertheidigen laͤßt. Nur die Direction der Great-Western-Eisenbahn ging hievon in solchem Grade ab, daß diese Bahn beinahe in allen Dingen anders gebaut ist, als die uͤbrigen Eisenbahnen Englands. Da wir uns jedoch vorbehalten, dieser Bahn einen eigenen Aufsaz zu widmen, so bemerken wir fuͤr jezt nur, daß man auf dieser Bahn demnaͤchst eine Maschine probiren will, die von den HHrn. Hawthorn zu Newcastle-upon-Tysu nach dem oben angedeuteten Principe gebaut worden. Wie diese Versuche auch ausfallen moͤgen, so wird jedenfalls fuͤr die Wissenschaft und die Interessen des Publicums ein Gewinn daraus erwachsen.