Titel: Ueber die Producte, welche bei der langsamen Einwirkung von Kalk auf Zuker entstehen; von Hrn. Braconnot.
Fundstelle: Band 71, Jahrgang 1839, Nr. XV., S. 58
Download: XML
XV. Ueber die Producte, welche bei der langsamen Einwirkung von Kalk auf Zuker entstehen; von Hrn. Braconnot. Aus den Annales de Chimie et de Physique. Jul. 1837, S. 337. Braconnot, uͤber die Wirkung von Kalk auf Zuker. Cruichshank beobachtete zuerst, daß sich der Kalk direct mit Rohrzuker verbindet; spaͤter fand Daniell, daß wenn man 1000 Theile Zuker, 600 Aezkalk und 1500 Wasser eine halbe Stunde lang mit einander kochen laͤßt, man eine Fluͤssigkeit bekommt, welche 16,5 Proc. Kalk und 33,2 Zuker enthaͤlt, und daß diese Aufloͤsung nach einem Jahre nur mehr kohlensauren Kalk und einen Schleim enthaͤlt. Ich ließ eine geringe Menge einer solchen Aufloͤsung von zukersaurem Kalk in einem mit Kork verschlossenen Glase vier Jahre lang stehen; die anfangs durchsichtige Fluͤssigkeit truͤbte sich nach und nach und sezte endlich um die Seitenwaͤnde des Glases eine weiße Substanz ab, welche jedoch nicht sehr stark anhing, so daß sie durch Andruͤken eines Glasstabes fast in einem Stuͤke losgetrennt werden konnte. Ich will zuerst meine Untersuchung dieser weißen Kruste mittheilen und dann einiges uͤber die Fluͤssigkeit sagen, woraus sie sich absezte. Nachdem die Kruste mit Wasser ausgewaschen und getroknet worden war, hatte sie das Aussehen eines erdigen Pulvers. Hochendes Wasser schien gar nicht darauf zu wirken, Salpetersaͤure loͤste sie aber wegen des darin enthaltenen kohlensauren Kalks unter Brausen auf. Ich ruͤhrte dieselbe behufs der Untersuchung mit Wasser an, welches mit ein wenig kohlensaurem Ammoniak versezt war und erhizte dann das Gemenge. So erhielt ich eine schwach gefaͤrbte Fluͤssigkeit und einen Niederschlag, welcher auf einem Filter gesammelt wurde. Beim Auswaschen mit Essigsaͤure loͤste sich derselbe zum Theil mit Brausen darin auf. Der unaufloͤsliche Theil wurde mit Wasser und kohlensaurem Natron gekocht, wodurch ich eine fast farblose Fluͤssigkeit erhielt. Diese Fluͤssigkeit, mit Essigsaͤure uͤbersaͤttigt, gab mit Bleizuker einen reichlichen weißen Niederschlag, welcher mit Schwefelwasserstoff zersezt eine aus langen farblosen vierseitigen Prismen bestehende Masse lieferte, die alle Eigenschaften der Kleesaͤure besaß. Die vom kohlensauren und kleesauren Kalk abfiltrirte, schwach gefaͤrbte Fluͤssigkeit wurde zur Trokniß verdampft, um das uͤberschuͤssige kohlensaure Ammoniak zu verjagen; der Ruͤkstand wurde sodann wieder in Wasser aufgeloͤst, und gab mit Bleizuker einen weißen Niederschlag, welchen ich von der gelblichen Fluͤssigkeit abfiltrirte. Gut ausgesuͤßt und mit Schwefelwasserstoff zersezt lieferte der Niederschlag eine sehr scharfe klebrige Saͤure, welche nicht krystallisirte. Dieselbe truͤbt kaum das salpetersaure Silber und gibt mit Bleizuker einen kaͤsigen, in verduͤnnten Saͤuren aufloͤslichen Niederschlag. Versezt man die Aufloͤsung dieser Saͤure mit Kalkwasser in Ueberschuß, so entsteht ein weißer Niederschlag, welcher durch einen geringen Zusaz derselben Saͤure ganz verschwindet. Erhizt man sie mit einem Ueberschuß von kohlensaurem Kalk, so loͤst sich derselbe mit Brausen darin auf und es entsteht ein saures Salz, welches beim Abdampfen in Schuppen auskrystallisirt, worauf nur ein firnißartiger, wie Gummi aussehender Ruͤkstand bleibt. Als ich dieses saure Kalksalz wieder in Wasser aufloͤste, wurde es durch Alkohol, kleesaures Ammoniak und Schwefelsaͤure reichlich gefuͤllt. Obgleich ich wegen der geringen Menge die Saͤure desselben nicht vollkommen rein darstellen konnte, so scheint mir doch ihre Identitaͤt mit der Aepfelsaͤure hinreichend nachgewiesen zu seyn. Aus der Fluͤssigkeit, welche von dem aͤpfelsauren Blei abfiltrirt worden war, wurde zuerst das in ihr ruͤkstaͤndige Blei durch Schwefelwasserstoff gefaͤllt, worauf man sie filtrirte und abdampfte; der unbedeutende Ruͤkstand zog Feuchtigkeit aus der Luft an, war in Alkohol ganz aufloͤslich und schmekte suͤß, daher ich diese Substanz als unkrystallisirbaren Zuker oder eine Art Melasse betrachte. Da nach Daniell bei der Zersezung des Zukers durch Kalk Gummi oder Schleim entsteht, so glaubte ich dieses Product in der Fluͤssigkeit aufsuchen zu muͤssen, welche von der weißen Kruste abgegossen worden war; ich verdampfte also diese Fluͤssigkeit, wodurch ich einen farblosen suͤßen Ruͤkstand von der Consistenz des Honigs erhielt. Bei der Behandlung mit Alkohol loͤste er sich zum Theil darin auf, und die geistige Fluͤssigkeit, welche uͤberschuͤssigen Kalk enthielt, lieferte krystallisirten Zuker. Der in Alkohol unaufloͤsliche Antheil wurde in Wasser aufgeloͤst, ein Strom kohlensauren Gases durch die Fluͤssigkeit geleitet, um den Kalk abzusondern, dann die Fluͤssigkeit neuerdings abgedampft und der Ruͤkstand mit Alkohol behandelt, welcher ein wenig Zuker auszog und eine Substanz hinterließ, die wie Gummi aussah, ohne dessen Eigenschaften zu besizen; denn nach dem Verbrennen derselben blieb sehr viel kohlensaurer Kalk zuruͤk. Sie bestand also großentheils aus einem aufloͤslichen Kalksalze, welches durch uͤberschuͤssiges Kalkwasser nicht gefaͤllt worden und daher kein aͤpfelsaurer Kalk war. Eine andere Portion derselben gummiartig aussehenden Substanz, welche ich in Wasser aufgeloͤst hatte, gab auch wirklich mit verduͤnnter Schwefelsaͤure einen reichlichen Niederschlag von schwefelsaurem Kalk, und als man das Gemenge erhizte, stieß es essigsaure Daͤmpfe aus. Aus diesen Versuchen geht hervor, daß bei der langsamen Einwirkung von Kalk auf Zuker, lezterer sich großen Theils in Kohlensaͤure, Kleesaͤure, Aepfelsaͤure und Essigsaͤure zersezt. Ich beabsichtigte nach und nach die Wirkung des Kalks auf mehrere organische Substanzen zu studiren, wurde aber zur Bekanntmachung dieser Notiz durch eine Bemerkung des Hrn. Kuhlmann veranlaßt, welcher in seinem Schreiben uͤber Ruͤbenzukerfabrication (polyt. Journal Bd. LXX. S. 209) sagt, daß er damit beschaͤftigt sey zu ermitteln, ob der kohlensaure Kalk, welchen Daniell erhielt, noch andere Substanzen enthaͤlt, die durch Zersezung des Zukers entstanden seyn koͤnnten.