Titel: Ueber eine einschienige Eisenbahn von der Erfindung des Hrn. H. de Villethiry, Secretärs der naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Lüttich.
Fundstelle: Band 71, Jahrgang 1839, Nr. LXXX., S. 419
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LXXX. Ueber eine einschienige Eisenbahn von der Erfindung des Hrn. H. de Villethiry, Secretaͤrs der naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Luͤttich. Aus dem Journal de l' Académie de l'Industrie. Novbr. 1838, S. 180. Ueber de Villethiry's einschienige Eisenbahn. Hr. de Villethiry hat der Académie de l'Industrie in Paris dis Copie eines Berichtes eingesandt, den eine angeblich aus Sachverstaͤndigen zusammengesezte Commission in Luͤttich uͤber ein von ihm erfundenes Eisenbahnsystem, bei welchem nur eine einzige Schiene in Anwendung kommen soll, erstattete. Dieser Bericht lautet wie folgt: 1. Das neue System bedingt an den Baukosten, dem Bedarfe an Holz, Eisen, Grund und Boden etc. eine Ersparniß von wenigstens 25 Procent. 2. Es gestattet Curven mit sehr kleinen Radien, ohne daß eine Gefahr mit solchen verbunden waͤre. 3. Das Umwerfen der Locomotiven und Transportwagen ist ganz unmoͤglich. 4. Die Locomotive kann nur in Folge gaͤnzlicher Sorglosigkeit oder bei boͤswilliger Absicht von Seite der an der Bahn Verwendeten von der Schiene abweichen, und selbst in diesem Falle werden die Transportwagen nicht umwerfen und auch keine Erschuͤtterung erleiden, in Folge deren ein Ungluͤksfall entstehen koͤnnte. 5. Die Locomotive und die Wagen eines Zuges koͤnnen gleichzeitig oder einzeln die Bahn verlassen, ohne daß die Reisenden deßhalb irgend eine Gefahr laufen. 6. Die Schraͤgflaͤchen oder Rampen bieten keine groͤßeren Gefahren als die horizontalen Streiken; denn das Umwerfen an ihnen ist gleichfalls unmoͤglich; und da das Tau oder die Kette, im Falle der Zug die Schiene verließe, nicht ploͤzlich reißen kann, so kann auch hieraus keine Gefahr erwachsen. 7. Die auf den Eisenbahnen mit zwei Schienen gebraͤuchlichen Transportwagen lassen sich fuͤr geringe Kosten fuͤr das neue System einrichten. 8. Die durch die Erschuͤtterungen, Stoͤße etc. bedingte Abnuzung sinkt bei Annahme des neuen Systemes beinahe auf Null herab. 9. Die Geschwindigkeit laͤßt sich auf eine bedeutende Hoͤhe treiben, ohne daß deßhalb die Gefahr des Umwerfens, des Brechens der Wagen oder des Explodirens der Dampfkessel wuͤchse. 10. Die bisherigen Locomotiven lassen sich zwar nicht fuͤr das neue System benuzen; doch kommen die neuen Locomotiven nicht theurer als die alten, wobei gar nicht in Anschlag gebracht ist, daß, was den Verbrauch an Brennstoff und die Zugkraft anbelangt, der Vortheil entschieden auf ihrer Seite ist. 11. Die Reisenden werden bei dem neuen Systeme in den Eisenbahnwagen eben so sanft gewiegt werden, wie in den best gehaͤngten Berlinen. 12. An der neuen Bahn faͤllt das Hin- und Herschwanken der Wagen, welches man an den aͤlteren Bahnen bemerkt, und welches unter dem Namen Lacet (Nestel) bekannt ist, hinweg. 13. Die Unterhaltung der neuen Bahnen kostet um ein Bedeutendes weniger, als die Unterhaltung der aͤlteren Bahnen. 14. Das neue System gewahrt allseitig Sicherheit und bringt nirgendwo Gefahren mit sich. –––––––––– Die Akademie hat nun auf diesen Bericht, dem Hr. de Villethiry den Wunsch beifuͤgte, daß ihn die Akademie in Stand sezen moͤchte, ihr sein System persoͤnlich zu demonstriren, und es wo moͤglich in Frankreich einzufuͤhrenHr. de Villethiry bemerkt bei dieser Gelegenheit, daß, wie man ihm sagte, man sich zu Paris gleichfalls mit dem Probleme der einschienigen Eisenbahnen beschaͤftige; und daß man es zur Loͤsung desselben gebracht haben will. Er glaubt, daß sein System jenes der Pariser nicht durchkreuzen, wohl aber zu dessen Vervollkommnung beitragen duͤrfte. Die Akademie erklaͤrt in dieser Hinsicht, daß ihr nicht bekannt sey, daß dieser Zwek zu Paris wirklich erreicht worden; wenigstens waren noch keine Anstalten zur praktischen Ausfuͤhrung einer einschienigen Bahn getroffen. A. d. R., durch Hrn. F. Malepeyre im Wesentlichen folgende Antwort ertheilen lassen. Schon seit langer Zeit beschaͤftigt man sich in der Absicht, eine wesentliche Ersparniß bei dem Baue und der Unterhaltung der Eisenbahnen zu erzielen in England sowohl als in Frankreich mit der Erfindung einschieniger Eisenbahnen. Von allen in dieser Hinsicht gemachten Vorschlaͤgen schien aber bisher noch keiner solche Vortheile und solche Sicherheit zu gewaͤhren, daß man eine Anwendung im Großen davon zu machen gewagt haͤtte. Es blieb deßhalb stets bei Projecten, die weder die Zustimmung der Sachverstaͤndigen, noch die Gunst des Publicums zu erlangen im Stande waren. Wir bedauern, daß uns Hr. de Villethiry weder die Details seines Systemes, noch auch Zeichnungen mitgetheilt hat, durch die wir in Stand gesezt gewesen waren, ein gruͤndlicheres Urtheil uͤber dasselbe zu faͤllen. Jedenfalls glauben wir aber dem Erfinder bemerken zu muͤssen, daß bei dem Baue der einschienigen Eisenbahnen wehr Bedingungen zu beruͤksichtigen sind, als bei den zweischienigen, und daß gegen erstere triftige Einwendungen gemacht werden koͤnnen: Einwendungen, welche durchaus beseitigt seyn muͤssen, bevor die Aufgabe als geloͤst betrachtet werden kann. Wir wollen, um uns besser zu verstaͤndigen, die einzelnen Punkte des obigen Berichtes einer Pruͤfung und Eroͤrterung unterwerfen. 1. Der auf 20 Procent angeschlagenen Ersparniß an den Baukosten koͤnnen wir bei aller Achtung vor dem Erfinder keinen vollen Glauben beimessen. Man braucht bei dem neuen Systeme allerdings nur eine einzige Schiene; da aber diese allein das ganze Gewicht zu tragen hat, so muß sie weit staͤrker und zugleich auch um Vieles breiter seyn, als die gewoͤhnlichen Schienen. Da sie sich uͤberdieß auf einer gewissen Hoͤhe uͤber dem Erdboden befinden muß, so werden starke Stuͤzen nothwendig, um sie unbeweglich und unwandelbar zu erhalten. Da einzelne Stuͤzen schwer senkrecht zu erhalten sind, und da, wenn die Stuͤzen durch irgend einen Zufall ihre senkrechte Stellung verlieren wuͤrden, die Schiene schon unter einer geringen Last umschlagen koͤnnte, so werden zwei sich gegen einander stemmende Stuͤzen noͤthig, und diese erfordern also zwei Bloͤke, zwei Stuͤhle oder Chairs, zwei Unterleghoͤlzer etc. Die Ersparniß kann also in dieser Beziehung nicht bedeutend seyn; wenigstens war sie an allen bisher bekannt gewordenen Erfindungen dieser Art nur illusorisch. Bedient man sich keiner Steinbloͤke, sondern anstatt dieser der hoͤlzernen Querschwellen, so muͤssen diese eben so lang und eben so zahlreich seyn, wie an den gewoͤhnlichen Bahnen. Was den Bedarf an Grundflaͤche betrifft, so kann hier nichts erspart werden, im Gegentheile werden die Kosten vielmehr noch hoͤher ausfallen. Die auf eine einzige Schiene zu bringende Last muß naͤmlich in zwei gleiche Theile, die einander zu beiden Seiten der Schiene das Gleichgewicht halten, getheilt seyn; und daraus folgt, daß man bei dem neuen Systeme nothwendig bei gleicher fortzuschaffender Last eine groͤßere Grundflaͤche zur Verfuͤgung haben muß, als bei dem aͤlteren Systeme. Eben so wenig wird sich bei dem Baue der Waggons etwas ersparen lassen; denn, wenn dieselben auch nur auf zwei Raͤdern ruhen, oder gar nur auf einem, so erheischen sie einerseits bei gleichem Fassungsvermoͤgen ansgedehntere Waͤnde, und andererseits Achsen oder Hebel von groͤßerer Laͤnge und staͤrkerem Widerstande als die dermalen gebraͤuchlichen. Dasselbe gilt auch von den Federn, deren man sich zum Balanciren der Last und zum Ausgleichen der Erschuͤtterungen bedienen kann. Endlich muͤssen auch die Raͤder der Waggons sowohl als der Locomotive eine groͤßere Breite haben, wenn denselben eine gewisse Stabilitaͤt gesichert, und deren Gleichgewicht nicht zu beweglich seyn soll. 2. Eine einschienige Bahn gestattet allerdings Curven von kleineren Radien, da hier die aus der Differenz zwischen den Radien zweier Schienen folgende Schwierigkeit wegfaͤllt. Wenn aber unsere Ingenieurs auf Curven mit Radien von 500 Meter und daruͤber bestehen, so beruht dieß auf einer uͤbertriebenen Aengstlichkeit, auf einer zu weit getriebenen Vorsicht oder zum Theile auch auf dem Schlendrian; denn sowohl in Frankreich als in Amerika ward durch Versuche erwiesen, daß sich die Radien der Curven mit aller Sicherheit und mittelst einiger sehr wenig kostspieliger Vorrichtungen bedeutend verkuͤrzen lassen. Wir verweisen Hrn. de Villethiry in dieser Beziehung auf die Anwendung, welche man selbst an den belgischen Eisenbahnen von den Laignel'schen Curven mit kleinen Radien (von 30 Meter z.B.) machte. Dieses Laignel'sche System verspricht nach den gluͤklichen Resultaten, welche die in den lezten 3–4 Jahren damit angestellten Versuche an einigen Steinkohlengruben Frankreichs und Belgiens ergaben, alle die Vortheile zu vernichten, welche man in dieser Beziehung von den einschienigen Bahnen erwarten koͤnnte. 3. Es ist allerdings gewiß, daß, da nach dem neuen Systeme die Locomotiven sowohl als die Waggons ihren Schwerpunkt mehr in der Naͤhe des Bodens haben, sie schon aus diesem Grunde allein weniger Neigung zum Umwerfen haben. Dafuͤr bringt das neue System aber auch seine Gefahren, die an dem aͤlteren Systeme nicht bestehen. So kann z.B. einer der Waggons an der einen Seite der Bahn durch allerlei Veranlassungen, wie z.B. durch eine Ortsveraͤnderung der Personen oder des Gepaͤkes, außer Gleichgewicht mit dem ihm gegenuͤberliegenden Waggon kommen, auf dem Boden aufstreifen, und dadurch mancherlei Ungluͤksfaͤlle veranlassen. Die Reisenden koͤnnen allerdings nicht umwerfen; allein, wenn dem einen Wagen auf irgend eine Weise ein Unfall zustoͤßt, so werden die darin befindlichen Personen durch die nachfolgenden Wagen unfehlbar zermalmt werden. Die Waggons werden uͤberdieß eine Schaukelbewegung, aͤhnlich jener der Schalen einer Waage, bekommen, und eine solche Bewegung kann den Reisenden unmoͤglich angenehm seyn. 4. Die Locomotive kann angeblich nur dann die einschienige Bahn verlassen, wenn dieß durch besondere Nachlaͤssigkeit oder durch Bosheit des an ihr aufgestellten Personales veranlaßt wird. Wir haben in dieser Beziehung Folgendes zu bemerken. Wenn eine Eisenbahn auch noch so gut unterhalten ist, und das Personal auch noch so gut seine Schuldigkeit thut, so ereignen sich auf ihr bekanntlich dennoch Erschuͤtterungen von solcher Heftigkeit, daß Unfaͤlle daraus entstehen koͤnnen. Diese Erschuͤtterungen kommen hauptsaͤchlich vor, wenn sich die Enden zweier an einander stoßender Schienen nicht auf gleichem Niveau befinden. Der Lauf der Wagen auf den Eisenbahnen erzeugt mehrere mechanische Wirkungen, unter denen wir hier nur eine als auf den fraglichen Punkt bezuͤglich naͤher erlaͤutern wollen. Wenn ein mit einer gewissen Geschwindigkeit rollender Wagen auf eine Schiene gelangt, so wird das vordere Rad, nachdem es uͤber die Stelle, an der zwei Schienen an einander stoßen, gegangen, bis in die Witte des zwischen zwei Unterlagen befindlichen Raumes laufen. Da hie Last, wenn auch noch so kurze Zeit uͤber, auf diesen Punkt auszuruhen kommen wird, so wird sich die Schiene der natuͤrlichen Elasticitaͤt des Eisens wegen unter ihr biegen, und in Folge dieser Biegung wird sich das Schienenende uͤber das Niveau der zunaͤchst vorhergehenden Schiene erheben, bevor noch das folgende Rad auf die Schiene gelangt ist. Das zweite Rad wird also dem emporgestiegenen Schienenende begegnen, und mit einer Gewalt, die mit dem Quadrate der Geschwindigkeit und der Masse des Wagens im Verhaͤltnisse steht, gegen dasselbe stoßen. Diese schnell auf einander folgenden Stoͤße, welche man sehr gut hoͤren kann, sind die Hauptursache der raschen Abnuzung der Eisenbahnen; sie erzeugten an der Liverpool-Manchester-Bahn Umstuͤrze der Steinbloͤke und Unterlagen, Stoͤrungen in der Continuitaͤt und andere Maͤngel, denen nur mit großem Kostenaufwande abgeholfen werden konnte. Die doppelschienigen Bahnen haben uͤbrigens das voraus, daß die Schienengefuͤge an den beiden Schienen wechseln, daß die Last auf vier Raͤdern ruht, und daß folglich jedes einzelne Rad nur den vierten Theil derselben traͤgt. Nach allem diesem ist kaum zu zweifeln, daß an der einschienigen Bahn eine gleiche Wirkung stattfinden wird; ja es ist sogar wahrscheinlich, daß eine derlei Bahn einer noch weit rascheren Abnuzung unterliegen wird, waͤhrend die Wagen selbst noch viel heftigere Stoͤße erleiden und mithin noch weit schlimmeren Folgen ausgesezt seyn werden. Wir sind der Ueberzeugung, daß eine einschienige Bahn weit groͤßere Garantien erheischt, als eine zweischienige, und daß die fuͤr das Gleichgewicht und die Bewegung auf ihr bestehenden Bedingungen von den an den gewoͤhnlichen Bahnen stattfindenden abweichen. Wenn endlich Hr. de Villethiry sagt, daß an der einschienigen Bahn das Abweichen der Locomotive von ihr weder ein Umstuͤrzen der Transportwagen, noch uͤberhaupt eine Erschuͤtterung von solcher Heftigkeit erzeugt, daß ein Unfall daraus entstehen koͤnnte, so gestehen wir aufrichtig, daß wir nicht einsehen, wie Massen von mehreren Tonnen Schwere, die sich mit einer Geschwindigkeit von 10 bis 12 Stunden in der Zeitstunde bewegen, die Bahn verlassen und auf den Erdboden kommen oder gegen einander stoßen koͤnnen, ohne daß das zum Baue der Locomotiven und Wagen verwendete Material in Truͤmmer geht. 5. Eben diese Bemerkungen treffen auch die Behauptung, daß die Locomotive und die Wagen gleichzeitig oder einzeln die Schiene verlassen koͤnnen, ohne daß auch nur die geringste Gefahr fuͤr die Reisenden daraus erwuͤchse. Bis die Erfahrung dieß bewaͤhrt hat, koͤnnen wir ihm keinen Glauben beimessen. Wir bemerken daher nur noch, daß ein oder zwei Punkte bei dem raschen Laufe eines Wagenzuges wohl kaum eine vollkommene Sicherheit gewaͤhren duͤrften; daß einem anerkannten Grundsaze in der Mechanik gemaͤß die Koͤrper sich in um so stabilerem Gleichgewichte befinden, je mehr man deren Stuͤzpunkte vermehrt; und daß die Englaͤnder aus diesem Grunde nicht nur allgemein die von Stephenson vorgeschlagenen sechs Raͤder fuͤr die Locomotiven angenommen, sondern auch in der Absicht, dadurch eine groͤßere Stabilitaͤt zu erzielen, versucht haben, den Eisenbahnen eine bedeutend groͤßere Spurweite zu geben. Wenn die Erfahrung zur Anwendung solcher Mittel fuͤhrte, so scheint es, daß sie den Bahnen mit einfacher Schiene eben nicht sehr guͤnstig seyn duͤrfte. 6. Was die Beseitigung der Gefahren an den schiefen Flaͤchen oder Rampen betrifft, so ist uns wohl begreiflich, daß man diese Gefahren durch mechanische Mittel bedeutend vermindern kann. Wenn aber die Geschwindigkeit nicht gleichzeitig wesentlich vermindert wird, so kann die Sicherheit bei dem neuen Systeme hier nicht wohl groͤßer seyn, als bei dem aͤlteren. Wir wollen jedoch, ehe wir uns mit Bestimmtheit hieruͤber aussprechen, die Bekanntmachung der Mittel, mit denen der Erfinder seinen Zwek erreichen will, abwarten. 7. Ohne Zeichnungen koͤnnen wir nicht absehen, wie die bisher gebraͤuchlichen Wagen ohne großen Kostenaufwand fuͤr die einschienigen Bahnen tauglich gemacht werden koͤnnen. Jedenfalls kommt aber nicht viel hierauf an, da kaum eine zweischienige Bahn in eine einschienige umgewandelt werden duͤrfte, und da im besten Falle nur neue Bahnen nach dem neuen Systeme erbaut werden. 8. Der Erfinder behauptet, daß bei der Befolgung seines Systemes die Abnuzung, welche an den zweischienigen Bahnen durch die heftigen Erschuͤtterungen erzeugt wird, beinahe ganz wegfaͤllt. Wir haben schon oben unter 4 einiges hierauf Bezuͤgliche angefuͤhrt und wollen hier nur noch bemerken, daß man uns bei einer kuͤrzlich vorgenommenen Bereifung der belgischen Eisenbahnen 6 bis 8 Zoll lange und 3 bis 4 Linien dike Eisenspaͤne zeigte, welche sich in Folge des Daruͤberrollens der Wagenzuͤge von den Schienen abgeloͤst hatten. Ist nicht zu vermuthen, daß, wenn gleiche Lasten mit einer geringeren Anzahl von Raͤdern auf einer einzigen Schiene ruhen, sie bei der großen Geschwindigkeit, mit der sie sich bewegen sollen, noch groͤßere und tiefer eindringende Beschaͤdigungen der Schienen hervorbringen werden? 9. Auch darin koͤnnen wir nicht mit den Berichterstattern uͤbereinstimmen, daß bei dem neuen Systeme die Geschwindigkeit bedeutend groͤßer seyn kann, ohne daß deßhalb die Gefahr groͤßer wird. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß, je mehr die Geschwindigkeit an irgend einem Bahnsysteme gesteigert wird, um so mehr auch die Gefahr groͤßerer Ungluͤksfaͤlle, wenn auch nicht gerade des Umwerfens, des Brechens oder der Explosionen waͤchst. Die Erfahrung hat dieß bereits erwiesen, und wahrscheinlich duͤrfte man sich an den frequentesten Straßen noch laͤngere Zeit uͤber auf die maͤßige Geschwindigkeit von 8 bis 12 Stunden in der Zeitstunde beschraͤnken. 10. Wenn das Neue an der Locomotive, die fuͤr das neue Bahnsystem bestimmt ist, nur in Modificationen am Baue der aͤlteren Maschinen besteht; und wenn es nicht zugleich auf der Anwendung bisher noch unbenuͤzter physikalischer Principien beruht, wodurch eine bessere Verwerthung des Brennmateriales und eine besser verstandene Verwendung des Dampfes erzielt werden kann, so glauben wir nicht, daß man auf der neuen Bahn mit gleichem Kraftaufwande einen groͤßeren Nuzeffect erreichen kann, als auf der alten, und daß die Arbeit in ersterem Falle wohlfeiler kommen wird. 11. Was den Punkt anbelangt, daß die Reisenden bei dem neuen Systeme so sanft gewiegt werden sollen, wie in den am besten aufgehaͤngten Berlinen, so ist eine solche Aufhaͤngung hier allerdings leicht moͤglich; dagegen wird aber bei diesem Systeme, wie schon oben angedeutet wurde, auch eine senkrechte Schaukelbewegung eintreten, welche aͤußerst laͤstig und manchen Reisenden selbst unausstehlich werden duͤrfte. Wir waͤren begierig zu erfahren, wie der Erfinder dieser Bewegung vorzubeugen im Stande ist. 12. Jene Schwankungen, welche man unter der Benennung des Nestels (lacet) versteht, muͤssen, wie uns scheint, an den einschienigen Bahnen in hohem Grade vorkommen. Da sich naͤmlich die fortzuschaffenden Lasten oder deren Schwerpunkte nothwendig von dem Mittelpunkte des Zuges entfernt und tiefer als dieser befinden, wenn das Gleichgewicht stabil seyn soll, so werden diese Massen bei einem einzigen und selbst bei zweien Stuͤzpunkten vermoͤge ihrer Traͤgheit der Kraft, welche sie fortzuschaffen trachtet, ungleich folgen; sie werden also ungleiche Impulse mitgetheilt erhalten und mithin in Schwingungen versezt werden. Ohne auf weitere Eroͤrterungen hieruͤber, welche die Anwendung von Formeln erheischen wuͤrden, eingehen zu wollen, halten wir uns fuͤr berechtigt zu behaupten, daß bei einer einzigen Schiene eine bedeutende Nestelbewegung, bei welcher die Last in ziemlich ausgedehnten Schwingungen horizontal geschaukelt wird, stattfinden muß; daß sich diese Bewegungen mit den erwaͤhnten senkrechten Schwingungen verbinden werden, um die Reisenden noch mehr zu belaͤstigen, und daß so ausgedehnte und maͤchtige Schwingungen nothwendig zu einer sehr raschen Abnuzung der Raͤder sowohl als der Schienen fuͤhren muͤssen. 13. Was die behauptete Ersparniß bei der Unterhaltung der Bahn anbelangt, so laͤßt sich diese nur durch Thatsachen und laͤnger fortgesezte Erfahrung außer Zweifel sezen. Wir haben oben dargethan, daß die Ersparniß bei dem Baue der einschienigen Bahnen nur eine scheinbare ist, und leicht koͤnnte in Hinsicht auf die Ersparniß an den Unterhaltungskosten dasselbe der Fall seyn. 14. Was endlich die gaͤnzliche Sicherheit und Gefahrlosigkeit, die das neue System mit sich bringen soll, betrifft, so fragen wir, ob die Berichterstatter in einer so schwierigen und complicirten Sache berechtigt waren, ohne positive Erfahrungen einen solchen Schluß zu ziehen. Wir sind weit entfernt mit ihnen diesen Schluß zu theilen, sondern muͤssen uns vielmehr, ohne mit den Details des Bahnsystemes des Hrn. de Villethiry vertraut zu seyn, im Allgemeinen dahin aussprechen, daß die Errichtung von einschienigen Eisenbahnen viele Schwierigkeiten darbietet; daß sich viele in ihnen selbst begruͤndete Einwendungen dagegen machen lassen; daß deren Kosten eben so groß seyn werden, wie an den gewoͤhnlichen Bahnen; daß die Abnuzung an ihnen eben so groß ist, und also eben so große Reparaturen bedingt; daß sie eine geringere Stabilitaͤt bieten; daß sie den Reisenden keine groͤßere Sicherheit, wahrscheinlich aber weniger Bequemlichkeit gewaͤhren; und alles dieß abgesehen von den Maͤngeln, welche dem neuen Systeme anhaͤngen duͤrften, und die man erst durch die Erfahrung kennen lernen wuͤrde.