Titel: Bericht des Hrn. Labarraque über die Hüte des Hrn. Gibus in Paris.
Fundstelle: Band 74, Jahrgang 1839, Nr. XCIX., S. 438
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XCIX. Bericht des Hrn. Labarraque uͤber die Huͤte des Hrn. Gibus in Paris. Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement. Septbr. 1839, S. 358. Labarraque's Bericht uͤber Gibus's Huͤte. Die Hutmacherkunst hat in den lezten 20 Jahren nicht nur eine vollkommene Veränderung erlitten, sondern auch ungeheuer an Ausdehnung gewonnen. An die Stelle der gefilzten Hüte aus Hasen- und Biberhaar traten großen Theils die Seidenhüte, welche bei einem größeren Glanze viel wohlfeiler, zugleich aber auch minder dauerhaft sind. Der Verbrauch an Hasenhaaren, deren Ausfuhr in Frankreich gänzlich verboten war, war in unseren Fabriken in Lyon und Paris so bedeutend, daß man seine Zuflucht zu den russischen Hasenbälgen, die eben deßhalb ungeheuer im Preise stiegen, nehmen mußte. Gegenwärtig ist hingegen dieser Verbrauch so sehr gesunken, daß die Hasenbälge kaum mehr den achten Theil von dem gelten, was man noch im Jahre 1836 dafür bezahlte. Die Mißgunst, in welche somit dieser Rohstoff verfallen war, die Vorzüge desselben für die Fabrication von dauerhaften Hüten, und der Widerwillen, den die wohlhabendere Classe und namentlich die Engländer gegen die Seidenhüte hegen, veranlaßten Hrn. Gibus, neuerdings an die Verwendung der Hasenhaare in der Hutmacherei zu denken. Namentlich drängte sich ihm die Idee auf, daß einem wirklichen Bedürfnisse abgeholfen werden und einem sich mit jedem Tage erneuernden Producte wieder ein entsprechender Werth gegeben werden könnte, wenn es möglich wäre, aus Hasenhaaren und Floretseide einen Zeug zu fabriciren. Um diesen Zwek zu erreichen, ließ Hr. Gibus mit gleichen Theilen Floretseide und Hasenhaar, von welchem das Sommerhaar geschieden worden, ein Gespinnst erzeugen, und aus diesem einen Zeug weben, den er allen zu seiner Vollendung nöthigen Manipulationen unterwarf, und den er zum Ueberziehen von Hüten verwendete. Die von der Gesellschaft ernannte Prüfungscommission hat diese Hüte mit größter Sorgfalt untersucht, und hiebei die Ueberzeugung gewonnen, daß das der Untersuchung unterworfene Gewebe keine Hasenhaare enthielt. Auf die dem Hrn. Gibus hierüber gemachten Bemerkungen und aus den von diesem angestellten Nachforschungen bei dem Fabrikanten, dem er die Spinnerei, Weberei und weitere Behandlung des Zeuges übertragen hatte, erfuhr die Gesellschaft, daß das Hasenhaar der Kraze nicht widerstanden habe, sondern unter dieser ausgegangen sey. Hr. Gibus entschloß sich hierauf zu neuen Versuchen in Betreff der Fixirung des Hasenhaares in Zeugen, und übertrug die Arbeiten Hrn. Chevais, einem ausgezeichneten Fabrikanten verschiedener, zu Hüten bestimmter Zeuge. Die Versuche gelangen nunmehr, und es liegen der Gesellschaft mehrfache Muster solcher Zeuge, die beim Färben eine sehr reiche Farbe annahmen, vor. Hr. Gibus dachte, daß den Haaren, wenn man sie in einem Gewebe fixiren will, eine Art von Beize gegeben werden müsse: eine Operation, welche auch bei der Fabrication der Hüte nach dem alten Verfahren unumgänglich nothwendig ist. Der Erfolg bewährte diese Ansicht. Die von ihm zu diesem Zweke eingeschlagene Methode besteht in Folgendem. Er löst in einem Pfunde Salpetersäure von 32° B. 3 Unzen Queksilber auf, und vermengt einen Theil dieser Auflösung mit 30 Theilen Wasser. In diese Flüssigkeit weicht er das aus Hasenhaar und Floretseide erzeugte Gewebe einige Augenblike über ein, worauf er es dann ausdrükt, an der Luft troknet, und nach dem Troknen in eine Flüssigkeit bringt, welche er aus einem Theile Schwefelsäure und 9 Theilen Wasser zusammensezt. Nachdem der Zeug hierauf neuerdings der Einwirkung der Luft ausgesezt gewesen, unterwirft er ihn der Einwirkung der Distelkarden, wodurch das Hasenhaar und die Floretseide aufgestellt werden, ohne daß sich beide von einander trennen. Die Beize des Hrn. Gibus unterscheidet sich in den Mischungsverhältnissen wesentlich von der bei der Fabrication der Filzhüte gebräuchlichen. In lezterer ist nämlich noch einmal so viel Queksilber und zehn Mal mehr Wasser enthalten. Bei der älteren Methode troknete man die mit salpetersaurem Queksilber behandelten Bälge rasch in einer Trokenkammer. Hr. Gibus sezt den gebeizten Zeug nur der Luft aus, bevor er ihn in das saure Bad bringt. Da er sich selbst nicht mit der Fabrication von Zeugen beschäftigt, und in der Ueberzeugung, daß sein Verfahren bei der Fabrication mancher Gewebe, namentlich zur Fixirung von Hasenhaaren im Tuche, von großem Nuzen seyn dürfte, machte er dasselbe im April 1837 mit seltener Uneigennüzigkeit in mehreren Zeitschriften bekannt. Die Commission glaubte bei allem Vertrauen, welches sie in die Angaben des Hrn. Gibus sezte, doch alle bei der Fabrication des neuen Zeuges nöthigen Operationen, so wie auch die Mischungsverhältnisse, in welchen die beiden Rohstoffe genommen wurden, erörtern zu müssen. Sie ließ in ihrer Gegenwart gleiche Theile Floretseide von erster Qualität, welche unter dem Namen Fantaisie geht, und dermalen 15 Fr. per Kilogramme gilt, und Hasenhaar, welches durch einen Luftzug von den leichteren Theilen befreit worden, und wovon der Kilogr. 56 Fr. gilt, vermengen. Dieses Gemisch ward unter den Augen der Commission gekrempelt und gesponnen, dann verwebt, als Gewebe zuerst in die Beize und hierauf in das saure Bad gebracht. Dieses Gewebe ward mit Distelkarden, die gleich jenen, deren sich die Strumpfwirker bedienen, neben einander angebracht waren, behandelt, und dabei wurde, wie sich die Commission durch einen vergleichsweise angestellten Versuch überzeugte, nicht mehr von den Hasenhaaren und der Floretseide ausgezogen, als aus einem bloß aus Floretseide allein verfertigten Zeuge gleichfalls ausgezogen worden wäre. Das Krazen erforderterfodert große Gewandtheit, und wird von einem der Arbeiter des Hrn. Chevais auch wirklich mit solcher vollbracht. Die wenige, an den beiden Karden hängen bleibende Floretseide wird von Kindern mit einem großen eisernen Kamme von den Karden abgenommen. Anfangs werden etwas abgenüzte, dann minder abgenüzte und endlich neue Karden über den Zeug geführt. Die von den Karden abgenommene Seide gehört dem Arbeiter, der sie zu niedrigem Preise an Leute verkauft, die sie unter die zum Ausstopfen schlechterer Matrazen bestimmte Wolle mengen. Das Färben der aus Hasenhaaren und Floretseide fabricirten Gewebe erfordert, wenn es gelingen soll, große Aufmerksamkeit, indem der Färbestoff auf zwei in ihren Eigenschaften verschiedenen Substanzen fixirt werden muß. Auf das Färben folgt das Scheren, welches sehr schnell und mit großer Regelmäßigkeit von Statten geht, und nach dessen Beendigung der Appret aufgetragen wird. Die Scherabfälle dieser Zeuge werden in den Fabriken, in denen man sammtartige Tapetenpapiere erzeugt, nicht angenommen, indem sie sich nicht pülvern lassen sollen. Man verkauft sie jedoch zu 3 Fr. die 50 Kilogr.; wahrscheinlich dürften sie bei ihrem animalischen Ursprunge einen brauchbaren Dünger geben, worüber die Commission Versuche anstellen wird. Seit es Hrn. Gibus gelungen ist, das Hasenhaar mit Hülfe einer eigenen Beize in den aus Floretseide gewebten Zeugen zu fixiren, hat der Verbrauch an solchem Zeuge in solchem Maaße zugenommen, daß sich bereits mehrere Fabrikanten mit dessen Fabrication beschäftigen, und daß man füglich sagen kann, der Erfinder habe einen neuen Industriezweig dadurch gegründet. Die Commission schlägt daher vor, Hrn. Gibus, der sich schon durch seinen mechanischen Hut rühmlich bekannt gemacht hat, neuerdings die Anerkennung seiner Verdienste von Seite der Gesellschaft zu Theil werden zu lassen, und zwar um so mehr, als er sein Verfahren, anstatt es geheim zu halten, mit seltener Uneigennüzigkeit zur allgemeinen Kenntniß brachte.