Titel: | Ueber den Schall im Wasser; ein Schreiben des Hrn. Daniel Calladon an Hrn. Arago. |
Fundstelle: | Band 82, Jahrgang 1841, Nr. LII., S. 226 |
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LII.
Ueber den Schall im Wasser; ein Schreiben des
Hrn. Daniel Calladon
an Hrn. Arago.
Aus den Comptes rendus 1841, 2me semest., No. 8, S.
439.
Calladon, über den Schall im Wasser.
Ich erlaube mir hiemit die Bitte an Sie, der Académie
des Sciences die Resultate einiger so eben von mir im Genfer See
angestellten Versuche über die Erzeugung und Fortpflanzung des Schalles
mitzutheilen.
Bei Gelegenheit meiner ersten Versuche über diesen Gegenstand, im Jahre 1826,
forderten Sie mich auf, zu untersuchen, ob ein vom Grunde des Meeres oder eines Sees
ausgehender Schall vernommen werden könne, um aus der dazwischen verflossenen Zeit
die Tiefe des Wassers berechnen zu können. Dieser Versuch wurde im Jahr 1838 an den
Küsten der Vereinigten Staaten in Amerika auf Verlangen der Admiralität von Hrn. C.
Bonnycastle, Professor an
der Universität von Virginien, angestellt. Einen Auszug seiner Versuche findet man
im Journal l'Institut No. 316, p. 25. Die Abhandlung des Hrn. Bonnycastle enthält eine Behauptung, welche im Widerspruch zu seyn
scheint mit den von mir im Jahr 1826 erhaltenen Resultaten, deren genaue Angabe sich
in den Annales de Physique, Jahrg. 1827 und im V. Thl.
der Mémoires de l'Institut befindet. Der
amerikanische ProfessorProfesser schloß nämlich aus seinen Versuchen, daß der Schall
in der Luft besser gehört werde, als im Wasser und gab die Gränze, bei welcher
er nicht mehr unter dem Wasser den Glokenschlag hören konnte, zu achtbis
zehntausend Fuß Entfernung an.
Das Instrument, dessen sich Hr. B. bediente, war offenbar sehr unvollkommen, denn bei
meinen im November 1826 angestellten Versuchen, konnte ich mich, indem ich mich
einer 65 Kilogramme schweren Gloke bediente, troz des Geräusches der ziemlich
starken Wellen, auf 13500 Meter in Verbindung sezen.
Hört man einen Schlag, welcher mit einem Hammer auf einen zum Theil ins Wasser
tauchenden Körper gemacht wird, in der Nähe, indem man sich eines in obenerwähntem
V. Theil der Mémoires de l'Institut beschriebenen
und abgebildeten hydroakustischen Apparates bedient, so vernimmt man deutlich
zweierlei Geräusche, das erste nämlich, welches durch das Wasser kommt, ist kürzer
und scheint weniger intensiv zu seyn, als das zweite, durch die Luft fortgepflanzte.
In dem Maaße aber als man sich entfernt, wechselt das Verhältniß der Heiden
Intensitäten und in einer hinreichenden Entfernung ist das erste im Wasser
vernommene Geräusch viel intensiver als das zweite in der Luft vernommene.
Bei noch größerer Entfernung hört man noch immer deutlich das Geräusch im Wasser,
sogar dann noch, wenn es nimmer möglich ist, irgend einen durch die Luft
fortgepflanzten Schall beim ruhigsten Wetter und in stiller Nacht zu hören.
Schlägt man mit gleicher Kraft an eine Gloke wechselsweise unter und außer dem
Wasser, so erhält man vollkommen hiemit übeleinstimmende Resultate.
In der Luft ist es schwer, die Intensität der aufgefangenen Töne viel zu vergrößern,
was aber die im Wasser fortgepflanzten Töne betrifft, so habe ich ein Instrument
beschrieben, dessen Vergrößerungsvermögen eine noch nicht bestimmte Gränze hat,
welche nach meinen neuen Versuchen weit über die früher erreichte hinausgeht. Ich
besize eine Vorrichtung, welche mehr als zweimal so stark als meine frühere
vergrößert, und bin gewiß, daß ich ihre Vergrößerungskraft noch um Vieles vermehren
kann.
Ich ließ einen aus einem Uhrwerk mit Gloke bestehenden, etwas weniger als ein
Kilogramm wiegenden Apparat construiren; ein durch die Uhr in Bewegung gesezter
Hammer schlägt die Gloke durch die Wirkung einer Feder von stets gleicher
Spannungskraft. Auch bediente ich mich einer kleinen Musikdose, welche im Wasser
spielt, sowohl wenn man sie untertaucht, als wenn man sie unter eine kleine
Tauchergloke bringt. Mit diesen beiden Vorrichtungen konnte ich die oben
ausgesprochenen Säze constatiren. Unter andern ergab sich mir die Thatsache, daß die
scharfen (grellen, aigus)
Töne in großen Entfernungen unter dem Wasser leichter
zu vernehmen sind.
Aus sehr dünnem Blech verfertigte, unten geschlossene Gefäße sind unbestritten die
besten hydroakustischen Apparate; jedoch können alle festen Körper, welche
theilweise in das Wasser tauchen und an welche man, um zu hören, den Kopf legt,
unter dem Wasser fortgepflanzte Töne bis an das Ohr fortpflanzen.
Wenn ein klingender Körper unter dem Wasser in Schwingung gesezt wird, so können
seine Schwingungen, weit entfernt schnell aufzuhören, sich ziemlich lange erhalten,
sogar wenn die Dichtigkeit des klingenden Körpers und des Wassers wenig verschieden
sind. So kann man, wenn man eine dünne Krystallgloke von 18 Centimeter Oeffnung
unter Wasser durch einen Stoß in Schwingung versezt, sich nach einer Secunde
überzeugen, daß die Schwingungen noch fortdauern; denn wenn man nach dieser Zeit die
Gloke aus dem Wasser zieht, so hört man noch einen sehr deutlichen Ton.
Eine große, vollkommen unter Wasser befindliche Metallgloke gibt angestoßen einen mehrere
Secunden andauernden Ton; taucht man in geringer Entfernung von der Gloke eine
Stange unter, welche man zu gleicher Zeit mit der Hand hält, so empfindet man eine
sehr starke schwingende Bewegung, welche der Stange vom Wasser mitgetheilt wird.
Sprachlaute können sich unter dem Wasser in einiger Entfernung fortpflanzen; wenn die
sprechende Person aber sich unter einer Tauchergloke befindet, so vernimmt man nur
wirre Töne, ohne in einer Entfernung von einigen Metern die Articulationen
unterscheiden zu können.
Der Stoß eines Wasserfalls oder der Schaufeln eines in Gang befindlichen
Dampfschiffes von 100 oder mehr Pferdekräften bringt unter dem Wasser nur ein
schwaches und wirres Geräusch, ein unbedeutendes Summen hervor; auf 50 Meter machen die Räder eines Dampfschiffes unter dem
Wasser ein dem Summen einer Biene ähnliches Geräusch; bei 1000 Metern hört man gar
kein deutliches Geräusch mehr; ich bin daher zu der Meinung berechtigt, daß man mit
Unrecht schon oft die Behauptung aufgestellt hat, daß das Geräusch der Dampfschiffe
die Fische aus den Flüssen treibe.Diese Schuld dürste wohl mehr der heftigen Bewegung des
Wassers durch diese Röder zugeschrieben worden seyn, und mit
größerm Rechte.Anmerk. d. Uebers.
Wenn nun schon die durch das Wasser fortgepflanzten und mittelst meines Apparates
vernommenen Töne viel kürzer sind als die durch die Luft fortgepflanzten, so erkennt
man doch mit der größten Leichtigkeit nicht nur den Grad der Schärfe des Tons,
sondern auch den Ton selbst des angeschlagenen Körpers, und sehr oft kann man die
Beschaffenheit des lezteren errathen und bis zu einem gewissen Punkte sogar seine
Größe und die Art des stattgefundenen Anschlags. Das Geräusch einer unter dem Wasser
bewegten Kette läßt sich so wohl erkennen, daß man das Geräusch vernimmt, wenn eine
4 bis 5000 Meter entfernte Barke den Anker lichtet. Diese Beobachtung könnte für den
Seekrieg von einiger Bedeutung seyn.
Ich sprach in der erwähnten Abhandlung von dem vermindernden Einflusse der Wasserzüge
(tirants) auf die Intensität des fortgepflanzten
Tones; dieser Einfluß ist jedoch kein absoluter; wenn die Schwingungen stark sind,
pflanzt sich der Ton mit einer die ihm begegnenden festen Gegenstände besiegenden
Intensität fort. Bei einem mit einer großen Gloke angestellten Versuche wurde jeder
in einem, am Ufer des Wassers auf mit Schutt aufgefülltem Boden erbauten Hause
gegebene Schlag in einer Entfernung von ungefähr 3000 Meter von der Gloke gezählt, obwohl diese
von dem Hause durch eine Landspize getrennt war.
Es wurde mir bewilligt, einige Tage lang eine 500 Kilogr. schwere Gloke einer Kirche
des Kantons Genf zu meinen Versuchen zu gebrauchen. Ich ließ dieselbe an einer
ungefähr 15 Meter tiefen Stelle an der Spize von Promenthoux, bei Nyon, 3 Meter tief
untertauchen; sie wurde mit einem 10 Kilogr. schweren Hammer mittelst eines sehr
langen eisernen Armes angeschlagen; der Arm war an seinem obern Theil im rechten
Winkel gebogen und durch die Spize des Winkels ging eine Achse. Dieser Hammer wurde
beständig von einer einzigen Person gehandhabt, welche alle zwei Secunden einen
Schlag thun konnte. Ich hatte gehofft, eine neue Reihe Versuche über die
Geschwindigkeit des im Wasser des Sees fortgesezten Schalles anstellen zu können.
Die Temperatur des Sees zwischen den beiden gewählten Stationen war 17° C.
(Bei meinen Versuchen im November 1826 war sie 8° C.) Die Leichtigkeit, womit
wir den durch Anschlagen dieser Gloke erzeugten Ton in der ziemlich bedeutenden
Entfernung von fünf und dreißig Tausend Metern hören
konnten, bestimmte mich, diese Entfernung als Zwischenraum zwischen beiden Stationen
zu wählen. Hr. Müller, Adjunct
des astronomischen Observatoriums in Genf und Professor der Physik zu Nyon,
unterstüzte mich bei diesem Versuche und hörte mit mir mittelst eines zweiten
Apparats; leider verhinderten uns in den zwei einzigen zu diesen Messungen uns
bewilligten Tagen die Reinheit des Himmels und die Mondhelle, die durch die
Verbrennung von Pulver erzeugten Blize wahrzunehmen, was mir in den nebeligen
Nächten des Novembers so wohl gelang. Die Quantität des auf einmal verbrannten
Pulvers wurde bis auf ein Pfund gesteigert, ohne daß der erzeugte Schein mit
hinlänglicher Sicherheit, um Messungen vorzunehmen, hätte beobachtet werden
können.
Doch hat dieser zwischen Promenthoux und Grandvaux bei Cully am 5. Aug. angestellte
Versuch die Richtigkeit der Vermuthungen bestätigt, welche ich in meiner ersten
Abhandlung über den Nuzen äußerte, der aus diesem Communicationsmittel gezogen
werden könnte, um im Wasser der Meere und Seen in großen, und wahrscheinlich in
solchen Distanzen correspondiren zu können, in welchen kein anderes Mittel der
Mittheilung, sey es nun das Licht, oder sey es in der Luft vernommenes Geräusch,
möglich wäre. Es scheint mir gegenwärtig nach gewiesen, daß
man bei günstigen Umständen und kräftigen, wohl gewählten Mitteln unter der
Meeresfläche in einer Entfernung von einigen hunderttausend Metern communiciren
kann. Höchst wahrscheinlich sogar
wird an vielen Stellen
des Meeres die Intensität des Schalles, weit entfernt im Quadrate der Entfernung
abzunehmen, nur proportional der bloßen Entfernung oder beiläufig so abnehmen, weil
der Schall sich in einer Wasserschichte fortpflanzt, deren beide Oberflächen, die
obere und die untere, in der flüssigen Masse beinahe die gesammten Schwingungen
concentriren müssen, welche ihren Flächen unter sehr spizigen Winkeln
entgegenkommen.
Es ist vorauszusehen, daß am Grunde der Meerbusen die zurükgestoßenen und auf gewisse
Punkte concentrirten Schwingungen ein sehr starkes Geräusch hervorzubringen im
Stande seyn werden. Es können übrigens leicht eine Menge Einrichtungen und
künstliche Constructionen erdacht werden, diese telegraphischen Versuche zu erleichtern, welche sich die
Marine-Verwaltungen früher oder später zu Nuzen machen werden.Die Bewegung der Wellen stört die beinahe vollkommene Stille, welche
unterhalb der Meeresfläche herrscht, nur sehr wenig. Diese Stille wird die
unter dem Wasser herzustellenden Communicationen sehr begünstigen.
Bei 35,000 Metern wurde jeder Anschlag durch die beiden Apparate deutlich gehört,
deren einer derselbe ist, dessen ich mich auch im J. 1826 bediente. Mit dem anderen
Apparate war der Schall anhaltender, man erkannte das Nachklingen der Gloke und
unterschied ihren Ton ziemlich gut. Mit dem alten Instrumente war das Geräusch
schwächer und kürzer.Es ist nöthig, bei solchen Versuchen mit großen Entfernungen, die Gloke, wenn
man sie ins Wasser läßt, von der Luft zu entleeren, was sehr gut zu
bewerkstelligen ist, ohne sie umzulegen, indem man sich eines vorher schon
in ihr angebrachten Hebers bedient.
Weder Hr. Müller, noch ich
hörten ein Echo, obwohl die Gestalt des Sees mehrere vermuthen ließ; Hr. Veret aber, ehemaliger Schüler der
École centrale in Paris, welcher während der
Versuche in senkrechter Richtung gegen das Ufer in einer Entfernung von nur einigen
tausend Metern von der Gloke in einem Nachen fuhr, hörte mit einem dem meinigen
ähnlichen Apparat an gewissen Pläzen zwei starke und sehr deutliche Echos.
Gewöhnlich hört man kein anderes Echo als den Widerhall der an den Ufern
zurükgeprallten, klingenden Wellen. Dieser Widerhall ist sehr vernehmbar, wenn man
sich über der Gloke in senkrechter Richtung gegen das Ufer befindet.
Meine Versuche über die Möglichkeit, das von dem Grund reflectirte Echo zu hören,
sind noch nicht so zahlreich, daß ich im Stande wäre, mich über die Brauchbarkeit
dieses Mittels zur Berechnung der Tiefe des Wassers auszusprechen.