Titel: Ueber die verschiedenen Eigenschaften, welche die Cementsteine und hydraulischen Kalksteine durch ein unvollkommenes Brennen erhalten können, mit vorausgehenden Bemerkungen über die anomalen Kalksteine, welche den Uebergang von den höchst hydraulischen Kalksteinen zum Cement machen; von L. J. Vicat, dirigirendem Oberingenieur des königlichen Brüken- und Straßenbau-Corps.
Fundstelle: Band 82, Jahrgang 1841, Nr. LXVII., S. 277
Download: XML
LXVII. Ueber die verschiedenen Eigenschaften, welche die Cementsteine und hydraulischen Kalksteine durch ein unvollkommenes Brennen erhalten koͤnnen, mit vorausgehenden Bemerkungen uͤber die anomalen Kalksteine, welche den Uebergang von den hoͤchst hydraulischen Kalksteinen zum Cement machen; von L. J. Vicat, dirigirendem Oberingenieur des koͤniglichen Bruͤken- und Straßenbau-Corps. Aus den Annales de Chimie et de Physique. August 1841, S. 426. Vicat, über hydraulische Kalksteine. Classification der hydraulischen Kalkarten und der Cemente; der Gränzkalke und -Cemente. Wir vermögen den Schwierigkeiten, welche den Gegenstand dieser Untersuchung ausmachen, kaum entgegen zu treten, ohne einige Punkte der Kette näher zu betrachten, welche die hydraulischen Kalkarten mit den Cementen und diese wieder mit der Puzzolanerde verbindet. Nachfolgende Tabelle gibt eine Uebersicht der neuen Untersuchung, welche wir uns zu machen gezwungen sahen, um diese Uebergangspunkte, deren Kenntniß so wichtig ist, sehr approximativ bestimmen zu können. Tabelle I.Hr. Pétot gab eine ähnliche Tabelle in seinen interessanten Recherches sur la chaufournerie (Untersuchungen über die Kalkbrennerei); allein die Gränzkalke findet man daselbst nicht erwähnt und die Puzzolanerde fängt dort mit einem Kalkgehalt von 100 auf 233 Thon an, was nicht richtig ist. Textabbildung Bd. 82, S. 278 Bezeichnung der Bestandtheile; Typus d. mittelmäßig hydraulische Kalks; Typus des gewöhnlich hydraulische Kalks; Typus des höchst hydraulische Kalks; Typus des Gränzkalks; Typus des schlechtern Gränzecements; Typus des gewöhnlich Cements; Typus des besten Gränzcements; Typus des anfangend Puzzolanerde; Im natürlichen Zustande; Kohlensaurer Kalk; Thon; Nach dem Brennen; Aezkalk; Verbundener Thon Die Verhältnisse, welche immer einen Typus begründen, sind Mittelzahlen, um welche herum sich in sehr engen Gränzen alle Verbindungen derselben Classe gruppiren; diese Eintheilung würde für die thon-talkerdigen und jene Kalksteine wahrscheinlich nicht passen, deren Thon entweder wegen zu großen Eisengehalts oder aus einem andern Grunde zu sehr von den gewöhnlichen Thonen abweicht. Folgendes sind übrigens die Analysen der zu den Versuchen benüzten Gränzkalke; sie werden genügen, um eine Vorstellung von der Beschaffenheit der in die (Kalk-) Carbonate zerstreuten Thone zu geben. Tabelle II.        Benennung                    der     Verbindungen.   Kalk. Kieselerde.   Thonerde mit   wenig Eisen. Eisenoxyd. Talkerde. M. Typus eines Gränzkalkes  65,40    20,10     9,05       –    6,15 N.      deßgl.  67,29    18,67     9,03       –    5,01 O. Typus eines schlechtern       Gränzcements  60,40    21,06   11,83       –    6,71 R.      deßgl.  50,00    19,50   11,00 ohne Eis.     7,00    3,50 Q. Thon von bessern Cementen kohlens.       und von Puzzolanerden    8,43    57,60   30,32       –  kohlens. Die Thone in den Typen der ersten Tabelle sind mithin, wie man sieht, beinahe ganz aus Kiesel- und Thonerde in dem Verhältnisse des Thonerde-Bisilicats zusammengesezt; sie geben alle ihre Thonerde gänzlich an kochende Schwefelsäure ab; alle endlich werden, wenn sie von Natur aus oder künstlich in einem Verhältniß von 22 bis 273 Theilen mit 100 Theilen Aezkalks gemengt sind, auf trokenem Wege gänzlich angegriffen. Doch muß bemerkt werden, daß die so erhaltenen Verbindungen sich nur bis 100 Thon auf 100 Kalk, oder nur wenig darüber, in Salzsäure auflösen. Die Flüssigkeit bildet in diesem Fall, wenn man sie durch Kochen etwas concentrirt, beim Erkalten eine durchsichtige Gallerte; wird das Verhältniß des Thons bis auf 273 Theile auf 100 Theile Kalks gesteigert, so bleibt in der erstarrten Flüssigkeit Kieselerde in Gestalt halb gallertartiger, nicht durchsichtiger Floken suspendirt. Bei einem Gehalte von 900 Theilen calcinirten Thons auf 100 Theile Kalks hinterläßt in Ueberschuß angewandte Salzsäure einen schlammigen, dem Thone selbst ähnlichen Rükstand und die überstehende Flüssigkeit enthält Kieselerde in Auflösung. Wirklich erhält man, wenn man sie Dritt, zur Trokne abdampft und den Rükstand in angesäuertem Wasser wieder auflöst, eine Gallerte, welche, durch das Filter getrennt und heftig rothgeglüht, 48,26 Theile Kieselerde auf 100 Thle. Kalk gibt, die in den 1000 Theilen der Verbindung enthalten sind. Diese Verhältnisse sind, wie man sieht, beinahe ganz die des neutralen kieselsauren Kalks. Dieß ist der chemische Zustand der Stoffe, welche die in der Tabelle I aufgezählten Typen constituiren. Es sind nun noch die (wenn der Ausdruk erlaubt ist) praktischen Erscheinungen zu beschreiben, welche man bei der Anwendung dieser Verbindungen zu ihrer Bestimmung zu beobachten Gelegenheit hat. Wir haben dem, was man jezt über das Löschen, Aufbewahren und Anwenden des hydraulischen Kalks der bekannten Kategorien allgemein weiß, nichts beizufügen; wenn aber diese Kalke in Folge des größern Thongehalts sich der Gränze nähern, wo die Cemente anfangen, so bietet ihre Anwendung bedeutende Uebelstände dar, über welche unseres Wissens noch Niemand etwas schrieb. Selbst wenn er erst aus dem Ofen kommt, löscht sich solcher Kalk sehr schwer durch die gewöhnlichen Mittel; kaum läßt sich dieß dadurch bezweken, daß man die ihm eigene Wärme entweder durch Anwendung heißen Wassers oder auf sonst eine Weise künstlich vermehrt; und es wird immer schwieriger, je länger der Gränzkalk der Einwirkung der Atmosphäre ausgesezt war. Da man ihn also nicht gehörig löschen kann, so scheint das einzige Mittel, um ihn zu Nuze zu machen, darin zu bestehen, ihn wie die Cemente zu behandeln. Wenn man ihn daher pulvert und wie den Gyps anmacht, so zieht er sogleich an und erhizt sich etwas dabei. Dieser feste Zustand hält an der Luft oder im Wasser mehrere Stunden, ja sogar einen ganzen Tag an; bald aber sind Zerklüftungen, das Zerfallen zu Pulver und Aufquellen zu einem weichen Brei, je nach den Umständen, die Folgen des während der Ruhezeit gleichsam verborgenen innern Arbeitens. Man muß sodann, um die Substanz benüzen zu können, sie durch eine neue Manipulation in den Zustand eines Teiges oder gleichförmigen Breies zurükführen; nun geht aber, und hierin besteht die Anomalie, der frisch angemachte Teig oder Brei in seiner Kraft bezüglich der Zeit, deren er zum Anziehen bedarf und überhaupt in Allem, was den Anfang seiner Erhärtung betrifft, zurük auf eine der lezten Stufen des hydraulischen Kalks. Aus diesem Grunde denn und wegen der Gefahr, welche aus einem unvollkommenen Löschen und der hinterdrein im Mörtel eintretenden Arbeit hervorgeht, können die vollkommen gebrannten Gränzkalke nie gute Dienste thun. Wir werden weiter unten sehen, daß ein unvollkommenes Brennen sie in Cement verwandelt.Diesem Umstande ist der Irrthum zuzuschreiben, in welchen mehrere Baumeister verfielen, indem sie behaupten, daß ein vollkommenes Brennen die Kraft der Cemente tödtet. (Recherches sur la chaufournerie, par M. Pétot, S. 123 bis 126.) Die ächten Cemente besizen, wenn sie genau gebrannt sind, im Gegentheil eine große Kraft. Der Irrthum kommt offenbar von der Verwechselung der Gränzkalksteine mit den Cementkalksteinen. Die als hydraulische Kalksteine ausgebeuteten Thonkalksteinlager können manchmal heterogene Theile einschließen, welche mehr Thongehalt haben, als die Masse im Allgemeinen. Wenn diese Theile gemäß ihrer Zusammensezung in die Gränzclasse gehören, so nehmen sie an der Löschung keinen Antheil und die Stüke derselben bleiben als feste Theile in dem erhaltenen Teig. Diese Stüke können mit den gewöhnlichen Ungebrannten, pigeons genannt, leicht verwechselt werden. Diese Verwechselung hat gar keine Folgen, wenn man Sorge trägt, die Ungebrannten zu verwerfen, gibt aber zu großen Unannehmlichkeiten Anlaß, wenn man diese mit zu verwenden sucht, indem man sie pulvert, um sie dem Mörtel einzuverleiben; denn man bringt auf diese Art zwei Substanzen hinein, deren eine immer, die andere sehr häufig, durch eine langsame Löschung aufzuquellen strebt, was Verschlechterungen im Mauerwerk herbeiführen muß, namentlich wenn Regen oder sonst Feuchtigkeit die Neigung hiezu noch begünstigen; unmöglich kann der Anwurf oder Verstrich mit solchem Mörtel den Witterungs-Einflüssen Widerstand leisten. Der Einfluß der Gränzkalke kann sich auch bei der Anwendung der Cemente fühlbar machen, und zwar auf eine um so trügerische Weise, als hier ihr Vorhandenseyn von nichts angezeigt wird. Die Kalksteine, von welchen diese Gränzkalke kommen, stoßen gewöhnlich an die Cementkalksteine in den schichtenweisen Formationen, wo diese lezteren gewonnen werden; ihre Vermengung kann daher sehr leicht geschehen, und höchst wahrscheinlich sind derselben die stattgehabten Unfälle und der schlechte Erfolg bei Anwendung der Cemente in vielen Fällen zuzuschreiben. Nach den Gränzkalken finden wir, wenn wir die Stufenleiter wieder hinaufsteigen, die Gränzcemente, deren Zusammensezungs-Typus 100 Aezkalk auf 65 Theile chemisch verbundenen Thons ist. Alle Cemente dieser Classe gruppiren sich innerhalb enger Gränzen um diesen Typus. Wie gewöhnlich, sogleich nach dem Brennen angewandt, oder doch ehe noch die atmosphärische Luft einen schädlichen Einfluß ausüben konnte, erhärten diese Cemente augenbliklich wie die gewöhnlichen Cemente und erhizen sich dabei sehr merklich; ihre Farbe wird in Folge einer sehr schwachen Löschung Heller, kurz, sie verhalten sich bei diesem Anfange wie die Gränzkalke, weichen aber wesentlich ab durch eine unwandelbare Beständigkeit sowohl beim unmittelbaren Untertauchen, als wenn man sie der Luft ausgesezt läßt; man kann sie sogar ohne Hülle, in den dünnsten Stüken, untertauchen, ohne daß sie auf irgend eine Weise nachgeben. Der Mehrgehalt an Kalk, welcher sie von den auf der Stufenleiter höher stehenden Cementen unterscheidet, gestattet, daß sie eine gewisse Menge Sand aufnehmen, womit sie sich, eben in Folge dieses Mehrgehalts, viel besser verbinden, als die magereren Cemente; wir glauben daraus schließen zu dürfen, daß die Gränzcemente die vollkommensten Cemente sind. Je mehr man die Stufenleiter der Thonkalksubstanzen hinaufsteigt, desto mehr entfernt man sich von dieser Vollkommenheit, jedoch nur in unmerklichen Graden, und es muß das Verhältniß von 100 Kalk auf 100 gebundenen Thons überschritten werden, wenn der Unterschied recht auffallend seyn soll; auch bezieht sich derselbe nur auf die später erworbene Härte, denn die Schnelligkeit des ersten Anziehens nimmt im Gegentheil in diesen höhern Graden so sehr zu, daß man mit der Masse nicht mehr manipuliren kann, indem sie unter der Kelle oder der Spatel in weniger als einer halben Minute fest wird. Das Verhältniß von 100 Aezkalk auf 273 Thon entspricht jenem der Mergelkalksteine von 39 kohlensaurem Kalk auf 61 Rükstand in den Säuren. Diese Mergelarten würden ganz sicherlich Cement geben, wenn der unlösliche Rükstand immer ein ächter Thon wäre; allein die Kieselerbe im Zustand eines unfühlbaren Quarzes, das Eisenoxyd u.s.w. herrschen manchmal so sehr darin vor, daß das Verhältniß, worauf sich die Classification der Tabelle I gründet, dadurch gestört ist. Die Schnelligkeit, womit die magern Cemente fest werden, wenn man sie unmittelbar nach dem Brennen verarbeitet, würde ein unbesiegbares Hinderniß für ihre Anwendung seyn, wenn nicht einerseits die zum Pulvern und Sieben im Großen erforderliche Zeit und andererseits der Zutritt, welchen unvollkommene Hüllen der atmosphärischen Einwirkung gestatten, diese Kraft etwas milderten. Die Folge davon ist, daß das Anziehen um einige Minuten oder mehr verzögert wird, ohne daß die spätere Härte darunter leidet. Bekanntlich geht ein zerstoßener und zum zweitenmal angemachter Cement auf die Stufe des mittelmäßig hydraulischen Kalks zurük, wenn auch nicht was seine künftige Härte, doch was sein langsames Fortschreiten zur neuen Erhärtung betrifft, und dieser Verlust an Kraft rührt hier, wie beim Gränzkalk, offenbar davon her, daß sich das feste Thonerde- und Kalk-Hydrosilicat fast augenbliklich bildete und daher seine zerstoßenen und einander wieder genäherten Theile nur mehr schwach aufeinander zu wirken haben. Wir legen besondern Werth auf diese Betrachtung, weil sie uns sehr bald zur Erklärung des Unvermögens gewisser Gemenge, den höchst hydraulischen Kalk genau nachzuahmen, dienen wird. Ueber die durch Gemenge von Cementen und fettem Kalk versuchte Nachahmung des natürlichen oder künstlichen hydraulischen Kalks. Es wird Niemand, welcher weiß, wie man die Thonerde und Kieselerde in gallertartigem Zustande in den Laboratorien erhält, ernstlich einfallen, diese Stoffe mit fettem Kalk zusammenzubringen, um diesen in hydraulischen Kalk umzuwandeln. Aber ein anderes Verfahren verdient, weil es ausführbar ist, näher untersucht zu werden, nämlich diese Umwandlung mittelst natürlicher oder künstlicher Cemente zu bewerkstelligen, worin, wie wir zeigten, die Kiesel- und die Thonerde in demselben chemischen Zustande wie in dem gewöhnlichen hydraulischen Kalk enthalten sind. Versuchen wir daher diese Art von Synthese und vermengen den Cement, dessen Analyse unter O (Tabelle II) gegeben wurde, mit solchen Quantitäten fetten Kalks, daß die Verbindungen die vier ersten Kalkarten der Typentabelle repräsentiren. Um diesen Zwei zu erreichen, machen wir zuvörderst den Kalk zu einem Brei, indem wir ihn gleich auf einmal mit einer hinreichenden Menge Wassers löschen, mischen ihn hierauf mit dem Cement, und zwar einmal 1) sehr rasch, um die Zeit nicht verstreichen zu lassen, in welcher der Cement selbst anzuziehen anfängt, dann 2) langsamer, um diese Zeit zu versäumen, ohne jedoch bei weitem so viele Zeit dazu zu verwenden, als man zu einer Arbeit im Großen bedürfte. Wir gelangen hiedurch zu den in folgender Tabelle angegebenen Resultaten: Tabelle III.     Bezeichnung         dernachgeahmten Typen. Kalk. Thon.               Zeit bis zum Erhärten. bei schneller Arbeit. b. gewöhnl. Arbeit. Mittelmäßig hydraulischer Kalk 100   22        3 Tage      10 Tage Hydraulischer Kalk 100   36      30 Minut.      11 Tage Höchst hydraulischer Kalk 100   44        6 Minut.      14 Tage Gränzkalk 100   53        3 Minut.      14 Tage Der große, von dem schnellern oder langsamem Anmachen herbeigeführte Unterschied in der Zeit bis zum Festwerden ist durch die im vorausgehenden Capitel ausgesprochene Beobachtung in Betreff des nach dem Festwerden von Neuem verarbeiteten Cements erklärlich. Diesem Grunde ist noch das Schwächerwerden durch die Dazwischenkunft des fetten Kalks hinzuzurechnen. Da es nun aber in der Praxis stets unmöglich seyn wird, solche Gemenge genau zuwege zu bringen und sie innerhalb einiger Minuten zu verarbeiten, so wird man auch die Cemente nicht zu Hülfe nehmen und folglich auch keinen künstlichen hydraulischen Kalk (nach diesem Verfahren) zusammensezen können, welcher in weniger als 14 bis 20 Tagen fest würde. Man darf wirtlich auch nicht vergessen, daß die in der lezten Spalte obiger Tabelle angegebenen Zeiträume die Resultate eines nur um ein paar Minuten verlängerten Anmachens sind über die für den angewandten Cement erforderliche Zeit. Wie wäre es erst, wenn die Mischung im Großen angemacht, beim Hinzusezen des Sandes wieder in Arbeit genommen und endlich mit der Kelle noch einmal gerührt werden müßte, wie es die Maurer im Augenblik der Verarbeitung immer machen? Wir haben uns hier nicht mit der Härte abzugeben, zu welcher die in Rede stehenden Proben nach mehreren Monaten gelangen könnten, denn die Hauptaufgabe dieser Versuche war immer nur das Festwerden und die ersten Fortschritte der Erhärtung zu beschleunigen. Ist einmal dieser Zwek verfehlt, dann ist keine Ursache mehr vorhanden, die gewöhnlichen Mittel und Wege zu verlassen, welche viel einfacher und directer zu bessern Resultaten führen, ohne in den bisher üblichen Gang der Bauarbeit eine Aenderung zu bringen. Im Allgemeinen ist zu ersehen, daß man mit den besprochenen Gemengen entweder über den beabsichtigten Zwek hinausrükt oder denselben unerreicht läßt; und das Verhalten zum zweitenmal verarbeiteter Cemente gibt eine genügende Erklärung davon. Ueber die UngebranntenUngebrannt (incuit) bedeutet nicht gebrannt, was aber nicht damit gesagt seyn soll; sondern dieses Wort soll als gleichbedeutend mit unvollkommen gebrannt verstanden werden.Anm. d. Verf.oder die Thonkalksteine, aus welchen durch das Brennen nicht alle Kohlensäure ausgetrieben wurde. Vor mehr als 16 Jahren schon machten wir (Ann. de Chimie et de Physique, T. XXV. p. 60) auf die Eigenschaft der unvollkommen calcinirten Kreide aufmerksam, durch eine Art Erhärten, welches unter Wasser in einigen Stunden eintritt, dem Cement ähnlich zu werden, was aber von keiner Dauer ist. Zur selben Zeit ungefähr beobachtete der damalige Brüken- und Straßenbau-Oberingenieur, Hr. Minard, dieselben Erscheinungen und glaubte Schlüsse daraus ziehen zu können, welche Hr. Berthier bestritt und die unsere eigenen Erfahrungen entkräfteten. Der Ingenieur Lacordaire, welcher mit Thonkalksteinen von Auxois die mit reinen Kalksteinen angestellten Versuche wiederholte, fand, daß bei einem gewissen, von ihm nicht näher bezeichneten Grad des Brennens jene sich wie Cement verhalten. Seitdem hat unseres Wissens sich niemand damit beschäftigt, die Ursache dieser Modification und den Calcinationspunkt, bei welchem sie eintritt, zu erforschen. Der Mangel an Verknüpfung der Thatsachen und das Stillschweigen der Chemiker über diese neuen hydraulischen Verbindungen lassen offenbar eine Luke in der Kenntniß des Mörtels und Cements. Wir wollen diese keineswegs vollkommen ausfüllen, sondern nur einige Schritte auf dieser kaum noch gebahnten Straße weiter gehen. Gleich anfangs, wenn wir uns recht erinnern, hat man ohne weitere Prüfung die Ungebrannten als Salze mit Ueberschuß von Basis betrachtet, d.h. als Verbindungen von Kohlensäure mit Kalk, welche durch das Verhältniß der Säure unter dem natürlichen kohlensauren Salz stehen. John in Berlin sagt in seiner Abhandlung über den Kalk aus den Austerschalen: „daß der Unterschied zwischen schlecht calcinirtem Kalk und einem innigen Gemenge von kohlensaurem Kalk und Aezkalk darin bestehe, daß ersterer als kohlensaurer Kalk mit Ueberschuß von Basis zu betrachten sey, worin jedes Atom einen gleichen Antheil Kohlensäure enthält, welcher vermöge seiner Verwandtschaft zu dem Kalk, die durch die chemische Masse noch vergrößert wird, nur bei einer Temperatur entweichen kann, welche höher als jene ist, die den ersten Antheil der Säure austrieb.“ John hat diese Behauptung durch keinerlei besondern Versuch bekräftigt und es dürfte auch sehr schwierig seyn, dieß zu thun. Gewiß ist es, daß die Ungebrannten alle mehr oder weniger Kalk im Wasser verlieren; eins von beiden muß daher der Fall seyn, entweder war dieser Kalk frei im wasserfreien Ungebrannten, oder er wird es durch die Beihülfe des Wassers. Im erstern Fall ist John's Hypothese nicht mehr zulässig; im leztern müssen die vermeintlichen basischkohlensauren Salze so wenig feste Verbindungen seyn, daß das Wasser sie in gewöhnliche kohlensaure Salze, vermengt mit freiem Kalk, verwandelt. Die Hypothese, an welche wir uns vorläufig halten, wurde von Berthier aufgestellt; dieser Chemiker betrachtet die thonhaltigen Ungebrannten als Gemenge von kieselsaurem Kalk mit kohlensaurem Kalk in dem gewöhnlichen Verhältnisse, nämlich 43,60 Säure auf 56,40 Kalk oder 1 Atom Säure auf 1 Atom Basis. In diesen Ungebrannten hätten wir denn nach dieser Hypothese einerseits das gewöhnliche kohlensaure Salz, andererseits ein Silicat von Kalk und Thonerde in wandelbaren Proportionen zu betrachten; und wenn diese Hypothese zur Erklärung der vorhandenen Thatsachen genügt, so kann man sie, bis ihre Unrichtigkeit bewiesen wird, als wahr annehmen. Nach diesen Prämissen wollen wir uns vorstellen, man entziehe einem thonhaltigen basisch kohlensauren Kalk auf trokenem Wege eine gewisse Menge Kohlensäure, so wird unter den drei Bestandtheilen, dem Aezkalk, dem Thon und dem kohlensauren Kalk, sich ein solches Verhältniß gestalten, daß, wenn man z.B. den Aezkalk als constantes Glied annimmt, dasselbe durch mehrere Abstufungen des Brennens mit sehr verschiedenen Quantitäten Thons und kohlensauren Kalks vergesellschaftet werden kann, welche zwischen ziemlich weiten Gränzen und nach einem leicht zu ermittelnden Geseze variiren. Folgende Tabelle wird dieß sehr anschaulich machen. Tabelle IV. Textabbildung Bd. 82, S. 287 Zusammensezung der als Beispiele genommenen Kalksteine; Ordnungszahl; Menge der in dem Umgebrannten auf 100 Th. gebliebenen Kohlensäure; Freigemachter Aezkalk, als Anhaltspunkt genommen; Relative Menge des Thons in runden Zahlen; Kohlensaurer Kalk, der in dem Ungebrannten blieb, in runden Zahlen; Verhältniß der Mengen des freien Kalks sammt dem Thone zum kohlensaur. Kalk; Typus eines mittelmäßigen hydraulischen Kalks; Kohlensaurer Kalk; Thon; oder Kohlensäure; Kalk; Typus eines gewöhnlichen hydraulischen Kalks Textabbildung Bd. 82, S. 288-289 Zusammensezung der als Beispiele genommenen Kalksteine; Ordnungszahl; Menge der in dem Ungebrannten auf 100 Th. gebliebenen Kohlensäure; Freigemachter Aezkalk, als Anhaltspunkt genommen; Relative Menge des Thons in runden Zahlen; Kohlensaurer Kalk, der in dem Ungebrannten blieb, in runden Zahlen; Verhältniß der Mengen des freien Kalks sammt dem Thone zum kohlensaur. Kalk; Typus eines höchst hydraulischen Kalks; Kohlensaurer Kalk; Thon oder Kohlensäure; Kalk; Thon; Typus eines Gränzkalks; Typus eines Gränzcements; Kohlensaurer Kalk; Thon oder Kohlensäure; Kalk; Thon; Typus eines gewöhnlichen Cements Wenn wir einen Blik auf diese Tabelle werfen und uns an das Gesagte erinnern, daß nämlich 100 Theile Aezkalk hinreichen, um wenigstens 273 Theile Thon auf trokenem Wege in Cement zu verwandeln, so finden wir, wenn wir einen Augenblik von den Ziffern der vorlezten Columne abstrahiren, daß mit Ausnahme der mit Sternchen bezeichneten Nummern 22, 29 und 36, alle anderen Ungebrannten Cement oder hydraulischen Kalk geben müssen, welche an Güte die vollkommen gebrannten Kalksteine, von welchen wir ausgingen, übertreffen. Um uns nun von dem negativen Einfluß Rechenschaft zu geben, welchen die in einem Ungebrannten enthaltene Menge kohlensauren Kalks ausüben kann, mußten wir zu einigen annähernden Versuchen schreiten: „600 Theile reiner Kalkstein wurden bis zum anfangenden Rothglühen erhizt, dann gepulvert, gesiebt und auf dem Präparirstein mit 100 Theilen des unter O bezeichneten Cements fein gerieben, hierauf schnell miteinander angerührt und unter Wasser gebracht; sie erhärteten erst nach 6 Tagen; die Gegenwart von 600 Theilen Kalk verzögerte die Erhärtung um 6 Tage.“ 300 Theile Kalkpulvers verzögerten sie bei gleichem Versuche nur um zwei bis drei Minuten; 100 Th. bewirkten gar keine bemerkbare Verzögerung. Ist diesen Versuchen einiger Werth beizulegen, um den wahrscheinlichen Einfluß der dazwischengelagerten kohlensäurehaltigen Theile zu beurtheilen, so müssen wir uns an die obenerwähnte Ausnahme halten. Läßt man also die mit Sternchen bezeichneten Mischungen bei Seite, so bezeichnet die vorläufig angenommene Theorie als an Kraft jeden hydraulischen Kalk übertreffend alle Ungebrannten, welche von dem kohlensauren Kalk herrühren, der denselben Kalk liefern kann. Dieß sind die rationellen Folgerungen, welche man aus den vorausgehenden Betrachtungen zu ziehen berechtigt ist, wenn keine Thatsache das Gegentheil derselben darthut, und das ist's, was jezt in Untersuchung gezogen werden soll. Ein Ungebrannter A, welcher auf Gerathewohl von den hydraulischen Kalksteinen genommen wurde, als sie eben aus dem Ofen kamen, war zusammengesezt wie folgt: *Kohlensäure  Aezkalk  Gebund. Kieselerde  Sand und Thon  Thonerde und Eisen  Talkerde   30,00  54,00    8,00    1,00    4,50    2,50––––––100,00 Der Hypothese zufolge, nach     welcher die Tabelle IVangelegt ist, ist diese Analyse*    wie hier gegenüber** zu            übersezen. **Kohlensaurer Kalk    Aezkalk    Gebund. Kieselerde    Sand und Thon    Thonerde u. Eisen    Talkerde   68,50  15,50    8,00    1,00    4,50    2,50––––––100,00 Diese Analyse führt zu folgenden Verhältnissen: Vom Ungebrannten in 100 Th.zurükgehaltene Kohlensäure. Aezkalk. Gebund. Thon.       Kohlensaurer Kalkund unwirksame Substanzen.                30   100    97                 448 Nun erhärtete der gepulverte und wie Cement behandelte Ungebrannte A unter dem Wasser in 15 Minuten; er rechtfertigt daher die Hypothese und nimmt bei den Nummern 9, 16, 17, 24, 32 und 41 der Tabelle IV seine Stelle ein. Ein zweiter Ungebrannter, B, ward wie folgt zusammengesezt befunden: *Kohlensäure  Aezkalk  Gebund. Kieselerde  Sand und Thon  Thonerde und Eisen  Talkerde   19,00  62,00    9,00    5,00    4,00    1,00––––––100,00 Nach der angenommenenHypothese ist die Analyse*in die gegenüberstehende**        zu übersezen. **Kohlensaurer Kalk    Aezkalk    Gebund. Kieselerde    Sand und Thon    Thonerde u. Eisen    Talkerde   43,20  37,80    9,00    5,00    4,00    1,00––––––100,00 Diese Analyse führt zu folgenden Verhältnissen: Kohlensäure auf 100 Theile      des Ungebrannten. Aezkalk. Gebund. Thon.       Kohlensaurer Kalkund unwirksame Substanzen.                 19   100    37                 127 Nun war aber der Ungebrannte B, wie Cement behandelt, nach drei Monaten noch nicht erhärtet und bestätigt daher die angenommene Hypothese nicht. Da diese Untersuchung in der Folge sehr wichtige Schlüsse für die Technik zu geben hat, glaubten wir uns nicht auf unsere Analysen allein beschränken zu dürfen. Hr. Berthier war auf unsere Bitte hin so gütig, jene der Ungebrannten A und B zu wiederholen und seine Resultate wichen nur wenig von den unsrigen ab. Wir haben uns, versteht sich, an die Ziffern dieses geschikten Chemikers gehalten. Ein dritter Ungebrannter, E, zeigte folgende Zusammensezung: *Kohlensäure  Aezkalk  Gebund. Kieselerde  Thonerde und Eisen  Talkerde 28,06663,333  4,666  3,000  0,933––––––99,998 Nach der angenommenenHypothese ist die Analyse*   wie hier gegenüber**        auszudrüken. **Kohlensaurer Kalk    Aezkalk    Gebund. Kieselerde    Thonerde u. Eisen    Talkerde 64,27027,169  4,666  3,000  0,933––––––99,998 Dieser dritte Ungebrannte verhielt sich genau so wie die vorhergehenden. Die Verhältnisse, welche er gibt, sind: Kohlensäure auf 100 Theile      des Ungebrannten Aezkalk. Gebund. Thon. Kohlensaurer Kalk.            28,066   100    32          240 Er macht daher eine Ausnahme von der Theorie. Es muß hier bemerkt werden, daß die Ungebrannten B und E, wie Cemente behandelt, anfangs eine Art Erhärtung zu zeigen schienen, sich dann nach dem Untertauchen unter langsamem Aufquellen merklich erhizten, was die Bearbeitung des Teigs aufs Neue mehrmals nothwendig machte. Die aufbewahrten Portionen der vorigen Ungebrannten führten, nachdem man sie durch ergänzendes Brennen in ächten Kalk umgewandelt, dann gelöscht und untergetaucht hatte, zu folgenden Vergleichungen: Textabbildung Bd. 82, S. 292 Aezkalk; Geb. Thon; Zeit des Erhärtens; Kalk des Ungebrannten A. v. 5ten bis zum 6ten Tag Am Punkte des vollkommenen Brennens kam also Alles auf die gewöhnliche Ordnung zurük. Der Ungebrannte A, welcher, 30 Proc. Kohlensäure enthaltend, sich wie Cement verhielt, konnte durch ein zweites Brennen in fünf neue, durch folgende Verhältnisse charakterisirte Zustände gebracht werden. Tabelle V. Ordnungszahl. Zurükgehaltene  Kohlensäure. Aezkalk. Gebund Thon.    Unwirksamerkohlensaurer Kalk. Zeit bis zum  Erhärten.        1      27 Proc.   100    75          306   12 Minut.        2      26   –   100    67          258     7   –        3      23   –   100    56          183     9 Tage        4      20   –   100    48          133   30   –        5      10   –   100    34            44     9   – Auch hier erhizten sich Nro. 3, 4 und 5 und quellten einige Zeit nach der ersten Behandlung auf, so daß sie wieder frisch in Arbeit genommen werden mußten. Dieß sind demnach wieder drei zu den andern zu stellende Ausnahmsfälle. Um diese Nachforschungen noch weiter zu treiben, verschafften wir uns einen vollkommen gebrannten hydraulischen Kalk, welcher wie folgt zusammengesezt war: AezkalkKieselerdeThonerde und EisenTalkerde   72,67  16,00    9,33    2,00––––––100,00 C Es sey ein für allemal bemerkt, daß so oft in einer Analyse das Eisenoxyd gemeinschaftlich mit der Thonerde bestimmt ist, es nur in sehr kleiner Quantität vorhanden ist. Dieser Kalk, C, wurde, nachdem er vorher durch Untertauchen gelöscht war, in gleiche Portionen getheilt, deren jede mittelst einer gesättigten Lösung von basischkohlensaurem Ammoniak mit einer andern Quantität Kohlensäure verbunden wurde; die Breie wurden hierauf getroknet und bis zum anfangenden Rothglühen erhizt, um das Wasser und das Ammoniak auszutreiben. Auf diese Weise gelang es, die hier unten verzeichneten Fälle von Ungebrannten nachzuahmen: Tabelle VI. Ordnungszahl. Zurükgehaltene  Kohlensäure. Aezkalk. Gebund Thon.    Unwirksamerkohlensaurer Kalk. Zeit bis zum  Erhärten.   Kalk       00,00   100    37         00,00     8 Tage   1 Ungebr.       12 1/2   100    52         68,00   22   –   2    –       14   100    53         72,00   11   –   3    –       17   100    59       101,00     1 Tag   4    –       19   100    64       126,00   19 Minut. Die Ungebrannten 1 und 2 quellten unter Erhizung nach der ersten Behandlung auf, wie die ihnen entsprechenden in den vorigen Versuchen, und mußten frisch bearbeitet werden. Das Constantbleiben der Erscheinungen ist daher wahrhaft merkwürdig und man kann dieselben durchaus nicht zufälligen Ursachen zuschreiben. Es wird uns daher der Schluß schon erlaubt seyn, daß es für jeden hydraulischen Kalkstein Fälle der unvollkommenen Brennung gibt, die von weit geringerm Erfolge sind als die vollkommene Brennung, so wie es wieder andere gibt, für welche sich die Ungebrannten wie ächte Cemente verhalten. Jedem dieser lezteren Fälle entspricht ein mit der chemischen Zusammensezung des kohlensauren Kalks variirender Grad des Brennens. Ein einziger Punkt scheint in den verschiedenen angeführten Beispielen constant zu bleiben; das ist ein gewisses Verhältniß des Thons zu dem als frei angenommenen Kalk, welches Verhältniß erreicht werden muß, um den Cement-Ungebrannten zu erzeugen. So fängt in der Tabelle VI der Cement bei 64 Thon auf 100 Kalk an; in der Tabelle V ist dasselbe Verhältniß bei 67 auf 100; und ist zu bemerken, daß eines wie das andere in der den Verhältnissen der Gränzcemente angewiesenen Abtheilung (Tabelle I) begriffen ist. Die so eben erwähnten Anomalien oder Ausnahmen würden offenbar die ganze Theorie des hydraulischen Kalks umstoßen, wenn sie aus gewissen eigenthümlichen Verhältnissen zwischen den Substanzen Kalk, Kieselerde und Thonerde hervorgehen könnten. Es war daher nöthig, das Gegentheil nachzuweisen, was wir uns angelegen seyn ließen, indem wir die Ausnahmen machenden Ungebrannten durch directe Synthese nachahmten und zwar wie folgt: wir stellten gallertartige Kieselerde dar, welche, bei gelinder Wärme getroknet, in Pulverzustand überging, indem sie 19,50 Proc. Wasser zurükhielt. Die aus einer Alaunlösung mittelst Ammoniak gefällte Thonerde enthielt, ebenfalls in den Pulverzustand gebracht, 30 Proc. Wasser. Die durch Ausglühen der kohlensauren Talkerde erhaltene Talkerde endlich war wasserfrei. Wir erhizten kleine Stangen reiner (kiesel- und thonerdefreier) Kreide bis zum anfangenden Rothglühen und nahmen die Theile, welche sich hätten zersezen können, hinweg, indem wir die Oberfläche, vorzüglich aber die Kanten, abschabten. Diese vier Substanzen, Kieselerde, Talkerde, Thonerde und kohlensaurer Kalk, wurden gehörig abgewogen und auf dem Präparirstein gemeinschaftlich mit Wasser gerieben, bis sie einen weichen Teig bildeten, dann in diesem Zustand mit reinem Kalk gemengt, welcher vorher auf gewöhnliche Weise gelöscht worden war. Nichts, wie man sieht, wurde versäumt, um ein recht inniges Gemenge darzustellen. Das Eisenoxyd wurde, da es nur zu einigen Tausendtheilen in die Mischung der nachzuahmenden Ungebrannten eingeht, hinweggelassen. Die gemachten Gemenge gaben folgendes Resultat: Die Nachahmung des Ungebrannten B, welche 100 Aezkalk, 37 gebundenen Thon, 127 kohlensauren Kalk und unwirksame Substanzen enthielt, gab eine Verbindung, welche von der eilften bis zur zwölften Stunde nach dem Untertauchen zu erhärten anfing. Die Nachahmung des Ungebrannten A, welche durch ein Brennen in den Fall Nro. 4 der Tabelle V versezt wurde und 100 Aezkalk, 48 gebundenen Thon und 133 kohlensauren Kalk und unwirksame Substanz enthielt, erhärtete von der zehnten bis zur eilften Stunde nach dem Untertauchen. Aus diesen beiden Versuchen erhellt deutlich, daß die bei den wirklichen Ungebrannten beobachteten Ausnahmen, wie die angenommene Hypothese sie versteht, einer Wirkung eigenthümlicher Proportionen unter den Substanzen unmöglich zugeschrieben werden kann, da die Synthesen, welche sie, was diese Proportionen betrifft, genau nachahmen, sich nach den bekannten Gesezen verhalten. Würde man daher die Fiction der Tabelle I durch ähnliche Synthesen realisiren, so würden sich alle so zusammengesezten Glieder ohne Ausnahme nach der theoretischen Voraussage verhalten. Da dem aber nun nicht also ist, so scheint man berechtigt zu seyn, die genaue Aehnlichkeit der wirklichen Ungebrannten mit den hypothetisch nach der erwähnten Tabelle zusammengesezten zu verneinen, wenn man nicht etwa weitere Modificationen der Verbindungen annehmen will, welche durch die Gegenwart des Wassers beim Einrühren der Substanzen hervorgerufen werden. Nach dem System, welches wir erörtern, müssen die Ungebrannten nachgeahmt werden können, indem man einem Cement bestimmte Quantitäten reinen Kalks und wie zu den obenerwähnten Synthesen präparirten, kohlensauren Kalks zusezt. Vom mit O bezeichneten Cement ausgehend (welchen man aus 55 Kalk, 40,80 Thon und 4,20 Kohlensäure bestehend fand) und die Quantitäten Aezkalks und kohlensauren Kalks berechnend, welche zur sehr approximativer Nachahmung der Ungebrannten Nro. 9, 10, 11, 12 und 13 der Tabelle IV nöthig sind, erhielten wir die hier unten verzeichneten Resultate. Tabelle VII. Textabbildung Bd. 82, S. 295 Ordnungszahl; Zurükgehaltene Kohlensäure in 100 Th.; Aezkalk; Gebund. Thon; Unwirksamer kohlensaurer Kalk; Zeit bis zum Erhärten; nach schnel. Behandl.; nach langs. Behandl. Der Cement und der kohlensaure Kalk wurden troken gemengt und auf dem Präparirstein miteinander gerieben. Der fette Kalk wurde vorher durch gewöhnliches Löschen in einen Brei verwandelt und dann mit den pulverigen Ingredienzien gemischt. Diese Synthese war folglich, was wohl zu merken, von keinem Aufbrausen, keiner Reaction der Löschung begleitet. Hier, sieht man, verschwinden die Anomalien; alles geht ungefähr auf die (Tabelle III) schon bemerkte Weise, bezüglich der versuchten Umbildung der Cemente in hydraulische Kalke vor, nämlich schnelles Erstarren, wenn man die Substanzen nicht über die zum Erhärten des Cementes selbst erforderliche Zeit hinaus anrührt; auf den Charakter der mittelmäßig hydraulischen Kalke hinausgeschobenes Erhärten, wenn man diese Zeit überschreitet. Zu bemerken ist noch, daß bei dem Verhältniß von 100 Kalk auf 64 Thon die Zeit des Erstarrens einen Cement anzuzeigen anfängt. Um diese Untersuchung so vollständig als möglich zu machen, blieb uns noch die Wirkung eines unvollkommenen Brennens auf die Cementsteine zu ermitteln übrig, deren Ungebrannte hypothetischerweise in den Nummern 29 bis 41 inclus. Tab. IV aufgeführt sind. Zu diesem lezten Versuch wurde der mit O bezeichnete Cementstein ausgewählt; er wurde zu nußgroßen Stüken zerschlagen und in mehreren irdenen Kapseln an verschiedenen Stellen eines Steingutbrennofens vertheilt; nach 24stündiger Feuerung wurden die Kapseln nach den Portionen der in der unvollkommen gebrannten Substanz zurükgebliebenen Kohlensäure classificirt, wobei die in den Versuch gezogenen Ungebrannten folgende Beobachtungen lieferten: Tabelle VIII. Ordnungszahl.    Menge der im100 eingetretenen      Kohlens. Aezkalk. Gebund. Thon.    Unwirksamerkohlensaurer Kalk.  Zeit bis zum   Erstarren.        1        00,00   100     62         00,00     2 Minut.        2        12 1/2   100     96         99,00   10    –        3        20,00   100   130       196,00   14    –        4        24,00   100   184       346,00   20    –        5        30,00   100   601*     1535,00   11 Stunden Der Ungebrannte Nro. 5 hinterließ, von Salzsäure angegriffen, einen schlammigen, schwärzlichen Rükstand, der von jenem, welchen der Cementstein im natürlichen Zustand gibt, nicht verschieden zu seyn scheint. Die 601 Theile Thon in obiger Tabelle können nun also nicht mehr als gebunden betrachtet werden, und es muß sonderbar erscheinen, daß dieser Ungebrannte, wie Cement behandelt, in 11 Stunden erstarrte. Wir glauben aber, daß auf dieses Erstarren kein großer Werth zu legen ist, und machen ferner darauf aufmerksam, daß es nur eines sehr schwachen Brennens (Kirschrothgluth) bedarf, um dem Thon die Eigenschaften einer Puzzolanerde zu ertheilen, wodurch diese Thatsache hinreichende Erklärung findet. Doch haben wir, um Alles außer Zweifel zu sezen, aus einer gewissen Quantität Ungebrannten Nro. 5 den Thon getrennt, und aus diesem Thon, fettem Kalk und wie zu den schon beschriebenen Synthesen präparirtem kohlensaurem Kalk sezten wir einen künstlichen Ungebrannten in den Verhältnissen von Nro. 5 zusammen, welcher Ungebrannte beim Versuch in weniger als 12 Stunden erhärtete. Ein ähnlicher Versuch mit Thon, welcher vom Cementstein im natürlichen Zustand abgetrennt worden war, gab kein gutes Resultat Es ist demnach alles, was den Ungebrannten Nro. 5 betrifft, erklärt. Die Nummern 1, 2, 3 u. 4 stimmen übrigens vollkommen mit allen oben §. 1 angeführten Beobachtungen überein. Ein ungebrannter Cement, welcher uns von der Fabrik zu Vassy-les-Avalons zugeschikt wurde, erstarrte, als man den Versuch damit anstellte, in drei Minuten. Die Analyse zeigte ihn zusammengesezt aus 100 Kalk, 69 gebundenem Thon, 53 unwirksamem kohlensaurem Kalk (nach der angenommenen Hypothese). Die Hypothese, auf welcher die Fiction der Tabelle IV beruht, stimmt also sehr wohl überein mit den Fällen der bei Cementsteinen beobachteten Ungebrannten; wir bemerken noch, daß bei den Ungebrannten dieser Art, welche am wenigsten Kohlensäure enthalten, das Verhältniß der Menge des Thons zur Menge des als frei angenommenen Kalks, jenes von 65 zu 100, welches die Zusammensezung der Gränzcemente charakterisirt, weit übersteigt. Wir wollen nun die auffallendsten Charaktere der Ungebrannten in Vergleich mit den entsprechenden vollkommen gebrannten Kalksteinen zusammenfassen, indem wir uns dabei stets an die angenommene Hypothese halten.     Erklärungen. Kalk. Thon. UnwirksameSubstanzen.    Zeit bis zum      Erhärten. Kalkstein A, vollkommen gebranntDerselbe, 20 Proc. Kohlensäure enthaltendDerselbe, 30 Proc. Kohlensäure enthaltend 100100100   30  48  97     00,00  133,00  448,00       6 Tage      1 Monat    15 Minuten Kalkstein C, vollkommen gebranntDerselbe, 12 1/2 Proc. Kohlensäure enthaltendDerselbe, 19 Proc. Kohlensäure enthaltend 100100100   37  52  64     00,00    68,00  126,00       8 Tage    22 Tage    10 Minuten Kalkstein E, vollkommen gebranntDerselbe, 28 Proc. Kohlensäure enthaltend 100100   13  32     00,00  240,00     12 TageWar nach 3 Monaten   nicht erhärtet. Kalkstein B, vollkommen gebranntDerselbe, 19 Proc. Kohlensäure enthaltend 100100 22,6037,00     00,00  127,00       6 TageWar nach 3 Monaten   nicht erhärtet. Man muß gestehen, daß wenn man absichtlich die Resultate und Ziffern, welche die Zusammensezung der Kalke und der entsprechenden Ungebrannten repräsentiren, so gestellt hätte, nichts Unzusammenhängenderes und nichts mit irgend einem rationellen System weniger in Einklang zu Bringendes hätte erdacht werden können. Eine einzige Thatsache könnte vielleicht zu einer denkbar richtigen Erklärung führen, nämlich die Löschung, welcher chemischen Erscheinung ein gewisser Einfluß auf die Verbindungen der Stoffe, die mit dem Kalk zusammen kommen, nicht abgesprochen werden kann. Wirklich sahen wir bei künstlichen Ungebrannten, welche durch Synthese erzeugt worden waren und bei denen diese Erscheinung nicht stattfinden konnte, die Anomalien verschwinden. Andererseits haben wir gesehen, daß eine Löschung, welche ihre WirkungWirkuug in sehr kurzer Zeit vollbringt, die Kraft der vollkommen gebrannten hydraulischen Kalke nicht neutralisirt, indem diese hydratischen Kalke, wenn sie nach 24 oder 48 Stunden aus der Grube genommen werden, wenige Tage nach ihrer Untertauchung nichtsdestoweniger erhärten. Bei den anomalen Ungebrannten hingegen geht Alles auf eine andere Weise vor sich. Die gepulverte und mit Wasser angerührte Substanz geht keine so gute, schnelle und vollständige Löschung ein wie die gut gebrannten Kalke; es findet, wenn der Ausdruk erlaubt ist, ein bloßes Streben nach Löschung statt, welche sich zum Theil durch eine langwierige Arbeit befriedigt und zwar mit einem unbedeutenden Aufquellen, das aber zum Rissigwerden und Aufschwellen des Teiges hinreicht, der folglich frisch gerührt werden muß, um die nöthige Gleichartigkeit wieder zu erhalten, wenn er verarbeitet werden soll. In Folge dieser innern Arbeit, welche mehrere Tage dauern kannIch bekam durch Zufall einen Ungebrannten unter die Hände, dessen Löschung 8 Tage dauerte., verliert der Ungebrannte großentheils manchmal sogar gänzlich die hydraulischen Eigenschaften, welche er doch vermöge der relativen Menge seiner Bestandtheile hätte haben sollen. Es findet demnach eine gewisse Analogie zwischen dem Verhalten der anomalen Ungebrannten und der Gränzkalke statt; vielleicht hätte man beide Verbindungen in gleiche Classe bringen und ihre Eigenthümlichkeiten denselben Ursachen zuschreiben können, wenn alle anomalen Ungebrannten sich im Betreff der relativen Menge des Thons und des Kalks, dem dem Gränzkalk eigenen Verhältniß von 53 zu 100 nähern würden, was aber nicht der Fall ist, weil die schlechtesten Ungebrannten 32 Thon auf 100 Kalk enthalten. Die gegebenen Thatsachen, in ihrer Gesammtheit und unabhängig von jeder chemischen Erklärung oder Theorie betrachtet, bieten uns nüzliche Belehrungen dar, welche wir, um den positiven Theil unserer Arbeit damit zu schließen, so klar als möglich auszudrüken versuchen wollen. Weitere Reflexionen und muthmaßliche Folgerungen verweisen wir auf das Schlußcapitel. (Der Beschluß nebst einem Zusaz folgt im nächsten Hefte.)