Titel: | Ueber galvano-plastische Nachbildung gestochener Kupferplatten. |
Fundstelle: | Band 82, Jahrgang 1841, Nr. LXXI., S. 311 |
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LXXI.
Ueber galvano-plastische Nachbildung
gestochener Kupferplatten.
Ueber galvano-plastische Nachbildung gestochener
Kupferplatten.
Unser an ausgezeichneten Erfindungen schon so reiches Jahrhundert hat durch Jacobi einen neuen Sieg der Wissenschaft errungen, der
gewiß nicht unter die unbedeutenden gerechnet werden darf. Eine große Naturkraft hat
er gezwungen nach den Gesezen der Wissenschaft den Willen des Menschen zu
vollziehen, indem er den Galvanismus als bildende Kraft
zur Herstellung von Kunstwerken der verschiedensten Art anwendete, und als Galvano-Plastik die überraschendsten Resultate
erlangte. Derjenige Zweig aber, woran diese bildende Kraft vielleicht die
reichhaltigsten Blüthen für die Cultur bringen wird, ist die auf die Herstellung und
Vervielfältigung von
Typen für den Abdruk angewendete Galvano-Plastik.
Abgesehen von allen übrigen zum Druk verwendeten Typen, werde ich die
Galvano-Plastik nur in Bezug auf die Chalkographie betrachten.
Wenn in der ersten Zeit der Erfindung der Chalkographie schon eine geringe Zahl von
Abdrüken genügte, um das Bedürfniß der Kunstverständigen zu befriedigen, so ist im
Laufe der Zeit die Liebe für die Kunst so umfassend geworden, daß meistens die in
Kupfer gestochenen Platten nicht mehr die Zahl der Abdrüke geben können, welche
davon verlangt werden. Man griff deßhalb zu dem dauerhafteren Material des Stahls,
welcher sich in der Zahl der möglichen Abdrüke im Verhältniß zum Kupfer etwa wie 10
zu 1 stellt. Damit war aber auch in vielen Beziehungen für die Kunst ein Rükschritt
gethan, indem der Künstler jezt mit ungleich größeren Schwierigkeiten zu kämpfen
hatte, als bei der Arbeit auf Kupfer, und oft erlahmen mußte, bevor er, namentlich
bei größeren Arbeiten, das erwünschte Ziel erreichen konnte. Auch drükt
unwillkürlich das Material dem Kunstwerk seine Eigenthümlichkeit ein, die bei dem
Stahl nicht immer den Werth des Werkes erhöhen konnte. Die Geschichte der
Chalkographie zeigt uns, daß ohne das Material des Kupfers die höchsten Werke dieser
Kunst eben so wenig erschienen seyn, als ohne den weißen Marmor die Plastik je den
Höhepunkt ihrer Ausbildung erreicht haben würde. Hätten auch härtere Materiale der
Zerstörung länger getrozt, so war doch die zarte Bildsamkeit dieser Stoffe allein
günstig, um den Eindruk der künstlerischen Schöpferkraft aufzunehmen und um diesen
Künsten ihre eigenthümlichen. Schönheiten zu verleihen. Die Stechkunst konnte
deßhalb nur da ihre volle Schönheit erlangen, wo sie mit der durch das Kupfer
gebotenen Freiheit arbeitete. Zu bedauern blieb nur, daß öfter die Schönheit der
Abdrüke schon sehr abnehmen mußte, bevor die verlangte Anzahl abgezogen seyn konnte.
Da erfand das 19te Jahrhundert die Galvano-Plastik zur Hülfe der Kunst, wie
das 15te die Buchdrukerkunst zum Heil der Wissenschaft. Das von dem Künstler mit
voller Freiheit auf Kupfer geschaffene Bild wird nun nicht mehr durch den Druk nach
wenigen hundert Abdrüken abgenuzt, sondern auf dem schönsten Punkt seiner Vollendung
(nachdem von der Platte eine kleine Anzahl Abdrüke gemacht worden, um alle
Rauhigkeiten und Härten etwas zu mildern und abzurunden) als Urtypus gebraucht, um
so viele galvano-plastische Nachbildungen davon machen zu lassen, als nur
immer nöthig seyn mögen. Bei diesem Verfahren erhält man zuerst ein
galvano-plastisches Basrelief aller in die Platte eingestochenen Linien,
welche wieder als Patrize für den zweiten Niederschlag dient, der nun mit
mikrometrischer Genauigkeit alle die feinsten Rizchen enthält, welche sich in der
ersten Platte befinden. Es ist unmöglich auf künstlerischem Weg eine auch nur
entfernt ähnliche Gleichheit zweier Gegenstände zu bilden, wie sie die Natur selbst
hier schafft. Von diesen galvano-plastischen Matrizen, deren man eine ganz
beliebige Zahl machen kann, indem man, ohne den Originaltypus im mindesten zu
vernuzen, die Patrizen vermehrt, werden die Abzüge auf Papier gemacht, welche nun,
ohne bemerkbare Abnahme der Güte, ins Unendliche fortgesezt werden können. –
Es wird für die Zukunft nicht mehr der Speculationsgeist seyn, der die schönsten
Meisterwerke der Kupferstechkunst durch die fleißige Hand eines unglüklichen
Stahlarbeiters mechanisch nachstechen läßt, um in sklavischer Nachbildung das
Original zu vervielfältigen, und der dadurch den Vortheil zog, welcher dem
schaffenden Künstler gehörte, sondern es ist die Wissenschaft, welche die Natur
zwingt, mit der ihr allein möglichen Vollkommenheit der Bildung das geistige Product
der Kunst in völlig gleichen Nachbildungen wiederzugeben, die das Eigenthum des
Künstlers selbst bleiben. Ein Verleger, welcher eine Platte in Auftrag stechen läßt
und dieselbe allein besizen will, wird auch dem Kupferstecher das Recht abkaufen
müssen, galvano-plastische Nachbildungen davon zu nehmen, welche mit der
größten Leichtigkeit in einigen Theilen modificirt, als ein neues Product der Kunst
geltend gemacht werden könnten.
Von den mancherlei Versuchen der Galvano-Plastik, welche schon gemacht worden
sind, ist mir noch kein schöneres Resultat bekannt geworden, als die Platte, welche
Hr. Dr. Rud. Böttger in
Frankfurt a. M. von einer von mir gestochenen Kupferplatte hergestellt hat. Dieselbe
entspricht bei der vollkommensten Gleichheit mit der Originalplatte allen
Anforderungen, welche rüksichtlich des Druks an eine Kupferplatte gemacht werden
können. Das galvanisch gewonnene Kupfer derselben hat metallischen Klang, und seine
Eigenschaften sind der Art, daß sie im Druk eine gleiche Anzahl Abdrüke wie die
gewöhnlichen zum Stich gebrauchten Kupferplatten auszuhalten scheint. Sie eignet
sich zugleich zu jeder beliebigen Behandlung des Stiches. Die Abdrüke dieser Platte
sind jenen der ersten völlig gleich, indem verschiedene Abdrüke von einer und
derselben Platte häufig mehr von einander abweichen, als der Unterschied zwischen
den Abdrüken der ersten und der galvanischen Platte beträgt. Es handelt sich jezt
darum, diese für die Kunst so ersprießliche Erfindung der Naturwissenschaften
zunächst im Großen anzuwenden und auszubeuten. Die Kupferstechkunst erhält durch sie
wieder den Vorzug über alle Arten der Vervielfältigung nicht allein in Bezug auf
wahren Kunstwerth, sondern auch bezüglich der größeren Leichtigkeit im Handel.
Kupferstiche von erstem Werth werden in Zukunft nicht mehr einzig im Besiz reicher Sammler,
sondern in den Händen aller Gebildeten seyn. Die Frage, ob ein Kunstwerk nicht etwa
an Werth verliere, indem es in den Händen aller ist, beantwortet sich leicht durch
die Hinweisung auf die stereotypirten Ausgaben unserer ersten Dichter, welche durch
die J. G. Cotta'sche Buchhandlung den Weg in die Hände
aller Deutschen gefunden haben. Eine solche Umwälzung geht jedoch nicht mit einem
Schlage vor sich, sondern erfordert die Zeit, welche dazu nöthig ist, ein größeres
Publicum für die Kunst empfänglich zu machen, denn nur wo sie Freude erregen, werden
Werke der Kunst gekauft, nur nach der Anzahl der geforderten Abdrüke kann sich der
Preis eines Werkes herabsezen, und nur bei einer ungewöhnlich großen Anzahl von
Abdrüken erscheint die Galvano-Plastik von derjenigen Wirksamkeit, welche ihr
für die Cultur wünschenswerth ist, und welche sie im Laufe der Zeit auch gewiß
erhalten wird.
Prof. J.
Felsing, Kupferstecher in Darmstadt.
Nachschrift von Dr. Rud. Böttger
in Frankfurt a. M.
Die mir von Hrn. Professor J.
Felsing zum Copiren auf galvanischem Wege übergebene gravirte
Kupferplatte maß 12 1/2 Zoll (rhein.) in der Länge und 9 1/2 Zoll in der Breite. Sie
wurde in einem, dem früherhin von mir beschriebenen, ganz ähnlichen ApparatSiehe meine „Beiträge zur Physik und Chemie“ 1841. II.
Heft S. 86., als negative Elektrode dienend, unmittelbar mit einer amalgamirten, in
einem mit Thierblase umbundenen Glascylinder sich befindenden Zinkplatte durch
schwache Kupferdrähte in leitende Verbindung gebracht und so das Kupfer aus der
Kupfervitriollösung gezwungen sich direct auf die zuvor
sorgfältig mit Olivenöhl eingeriebene und wiederum abgepuzte Originalplatte abzulagern. Die Entfernung der
Originalplatte von der Thierblase im Apparat betrug 4 Zoll (rhein. Maaß). Alle 24
Stunden wurde die amalgamirte, als positive Elektrode dienende Zinkplatte gereinigt oder nach Bedürfniß durch
eine neue ersezt und gleichzeitig die verdünnte Schwefelsäure (aus zehn
Theilen Wasser und einem Theil englischer Schwefelsäure bestehend) erneuert, die
gesättigte Kupfervitriollösung aber, selbst wenn durch andauernde Zersezung
derselben eine große Menge freier Schwefelsäure darin nachweisbar war, niemals
weggeschüttet, sondern alle zwei Tage darin so viel gepulverter Kupfervitriol
aufgelöst als in der Siedhize davon aufgenommen wurde, die Lösung sodann erkalten
gelassen, durch Leinwand filtrirt und in den Apparat zurükgegossen. Nach Verlauf von
zehn Tagen ward die mit der Originalplatte scheinbar zusammengewachsene Copie aus
dem Apparat hervorgezogen, abgetroknet, in einen Schraubstok gespannt, die Ränder ringsherum bis zu
einer Tiefe abgefeilt, wo die Gränzlinie zwischen dem Original und der Copie
sichtbar wurde. Hierauf klemmte ich mit Vorsicht die Schneide eines Taschenmessers
auf einem einzigen Punkt zwischen beide Platten, stekte dann in die mit Sorg alt
erweiterte Rize einen dünnen Hornspatel und bewirkte mit
diesem dann nach und nach die vollkommene Trennung der Copie von der Originalplatte,
ohne auch nur im mindesten die eine oder die andere zu lädiren. Das auf diese Weise
gewonnene, eine gute halbe Linie dike Hautrelief ward nun mit Aezkalilösung
gereinigt, hierauf mit Olivenöhl gehörig eingerieben, dieses wiederum durch ganz
weiches Fließpapier und Mitanwendung einer Bürste vollständig entfernt und endlich
auf gleiche Weise dem galvanischen Proceß, wie vorhin angedeutet, ausgesezt, um eine
dem Original ganz gleiche vertieft gravirte Platte zu
gewinnen. Nach Verlauf von 14 Tagen erhielt ich eine solche von der Dike einer guten
Linie, die sich ebenfalls, ohne besondere Schwierigkeiten, von ihrer kupfernen
Unterlage abheben ließ, und die, wie aus vorstehendem Aufsaz des Hrn. Professors
Felsing hervorgeht, nach
mehrfach angestellter Prüfung, in jeder Hinsicht der Originalplatte vollkommen
gleicht. (Augsb.
Allgemeine Zeitung, Nro. 323.)