Titel: | Curtis' selbstthätiger Signalapparat für Eisenbahnen. |
Fundstelle: | Band 82, Jahrgang 1841, Nr. LXXXVIII., S. 401 |
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LXXXVIII.
Curtis'
selbstthaͤtiger Signalapparat fuͤr Eisenbahnen.
Aus dem Mechanics' Magazine. Sept. 1841, S.
193.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Curtis' selbstthätiger Signalapparat für Eisenbahnen.
Nachstehende, einer kürzlich von Curtis veröffentlichten
Schrift entnommenen Details mögen in Verbindung mit den beigefügten Abbildungen die
in Rede stehende Erfindung erläutern.
Die in dem Patente begriffenen Methoden beziehen sich auf selbstthätige Apparate von
der Beschaffenheit, daß, so oft ein Wagenzug an demjenigen Theile der Eisenbahn
vorüberfährt, wo der fragliche Apparat angebracht ist, der Train ein Signal gibt,
welches unverändert so lange fortdauert, als er noch nicht weit genug von dem
Apparate sich entfernt hat, um dem nächsten Train zu gestatten, nachzufolgen. Das
auf diese Weise in Thätigkeit befindliche Signal sezt den Führer irgend eines
nachfolgenden Trains, wenn dieser den Apparat zu Gesicht bekommt, in Kenntniß, daß
er anzuhalten habe. Nachdem der Apparat das Signal gegeben hat, beginnt er in einer
angemessenen Zeit dasselbe durch die Bewegung eines passenden Räderwerks allmählich
dem vollen Anblik zu entziehen. Indem dieß geschieht, ändert sich das Signal auf
irgend eine in die Augen fallende Weise, um den Führer eines Zugs, welcher, während
das Signal in seiner Veränderung begriffen ist, in den Bereich des Apparates kommen
sollte, zu benachrichtigen, daß der Train nicht mit voller Geschwindigkeit, sondern
langsam fortschreiten solle. Nachdem nun der Apparat das Signal in der veränderten
Gestalt entfaltet hat, so entzieht er dasselbe den Augen gänzlich oder bringt es in
den Zustand der Ruhe. In dieser ruhenden oder unwirksamen Lage verharrt die
Signalvorrichtung so lange, bis ein anderer Zug vorüberfährt, dessen Locomotivführer
aus dem Stillstande des Apparates abnehmen kann, daß er mit voller Geschwindigkeit
vorüberfahren kann, ohne eine Collision mit dem nächst vorhergehenden Zuge zu
riskiren. Fig.
28 zeigt einen Apparat, welcher an einer die Bahnlinie durchkreuzenden
Brüke oder an dem Eingang eines Tunnels aufgestellt ist.
C, C ist die Eisenbahnlinie; D die Locomotive, um die Art und Weise zu erläutern, wie der Apparat in
Thätigkeit gesezt wird. a ein zu beiden Seiten der
Maschine befestigtes Holzstük.
b ein Krummhebel oder Drüker, welcher um eine
horizontale Achse d drehbar ist. Leztere erstrekt sich
seitwärts bis zu einem Brükenpfeiler, und ruht auf Lagern, die auf einer hölzernen
Unterlagsschwelle oder auf einer Steinunterlage befestigt sind.
e ein kurzer Hebel, welcher sich in horizontaler
Richtung von der Achse d aus nach der Vorderfläche des
Pfeilers hin erstrekt.
f eine mit dem Ende des Hebels e verbundene, an dem Pfeiler hinauf steigende senkrechte Stange.
g, g Führungen, um der Stange f eine sichere Lage zu geben.
h ein schräges Gelenk, welches das obere Ende der Stange
f mit dem unteren Ende des Hebels i verbindet. Lezterer ist schwanenhalsartig gebogen und
seine Drehungsachse ruht in einem an der Mauer befestigten Lager k.
j sind drei von der Centralachse eines Räderwerks sich
erstrekende Arme, welche jedoch auf dieser Achse vor- und rükwärts sich
verschieben lassen, und mit Hülfe einer Spiralfeder in der arbeitenden Stellung
erhalten werden. Diese Arme sind an ihren äußersten Enden und an der äußeren Seite
mit kurzen Stiften versehen.
H, I, K ist eine an der Brüke über dem Bogen oder nahe
am höchsten Punkte desselben befestigte Büchse oder ein Schirm, welcher mit der
Achse jener drei Arme in einer Horizontallinie liegt, und von der Mauer nicht viel
absteht. Er ist in drei Abtheilungen gefärbt, oben schwarz, in der Mitte grün und unten roth. Der rothe und schwarze Theil beträgt jeder ungefähr
1/4 der Fläche; den übrigen zwischenliegenden Raum nimmt der grüne Theil ein.
F ist ein Signal, welches an dem Ende eines Hebels n, p, G angebracht ist, dessen Drehungsachse in p liegt. Das Signal besteht aus einem eisernen, zwei
gefärbte Gläser umschließenden Ringe. Das obere Glas ist roth und bildet ungefähr 1/3 der ganzen Fläche, das untere grüne Glas bildet die übrige Fläche. Oben an dem Ringe
ist eine runde, weiß gemalte Zeigerplatte mit Hülfe eines starken Drahtes befestigt.
Dieser Draht ist dergestalt gebogen, daß er frei durch einen in der Vorderfläche der
Büchse H, I, K eingeschnittenen Schliz spielt und so mit
seiner Zeigerplatte quer über die Fläche der Büchse hinwegstreift.
G ist das Hebelende, woran das Signal F befestigt ist. J ein
Gegengewicht, um das Signal F zu balanciren. L die runde Zeigerplatte. N
die Stellung der Lampe für Nachtsignale. Das Signal F
bewegt sich vor dieser Lampe hinweg.
p die Achse, um welche der Hebel n, p, G spielt. n ist derjenige Punkt dieses
Hebels, auf welchen jener an den drei Armen j sizende
Stift wirkt. r eine Leitung, welche dem Hebelende eine
sichere Bewegung gibt.
s ein Aufhälter für dieses Hebelende. Die
Wirkungsweise des Apparates ist nun folgende:
Wenn eine Maschine an der Stelle, wo ein solcher Apparat befestigt ist, vorüberfährt,
so schlägt das Holzstük a in schräger Richtung gegen den
Drüker b, und drükt ihn ungefähr um 1 1/4 Zoll nieder.
Dadurch dreht sich der Arm d und hebt den kurzen Hebel
e; dieser drükt die Stange f in die Höhe und treibt mittelst des schiefen Zwischenstüks h das untere Ende der krummen Stange i auswärts, so daß das andere Ende der lezteren auf den
Mittelpunkt der drei Arme j stößt und dieselben auf der
Achse des Räderwerks zurükdrängt. Einer von den am äußersten Ende der drei Arme j befindlichen Stiften hält das Ende des Hebels n, p, G hinter dem Schirm in ruhender Lage. Sobald nun
der Arm einwärts gedrükt wird, löst sich der erwähnte Stift aus, der Hebel n, p, G wird frei und fällt vermöge seines eigenen
Gewichts herab. Im Fallen entfaltet er das Signal unterhalb des Schirmes, bei Nacht
vor der Lampe, und zieht zugleich die weiß gemalte Zeigerplatte von der schwarzen
nach der rothen Abtheilung des Schirms mit sich herab.
Jezt kommt auch das Räderwerk in Bewegung. Die Arme j
drehen sich langsam um, ohne jedoch gleich mit dem Hebel n,
p, G zusammenzustoßen; endlich gelangt einer derselben mit dem Hebel in
Berührung und fängt an, das kürzere Ende desselben niederzudrüken, worauf das Signal
F allmählich hinter dem Schirme in die Höhe steigt,
und das vor der Lampe befindliche rothe Feld hinwegzieht. Die weiße Zeigerplatte
kommt nun über das rothe, dann über das grüne Feld des Schirms, indem sie die
Aenderung des Signals bei Tag durch Grade, bei Nacht durch grünes Licht anzeigt. Das
Signal vermindert sich am oberen Rande, indem es bei Nacht so lange ein grünes Licht
zeigt, bis es, in Stillstand kommend, die weiße Zeigerscheibe auf das schwarze Feld
bringt und dann, dem Anblike gänzlich entzogen, die Lampe in ihrer regelmäßigen
weißen Farbe enthüllt. Jezt hört die Bewegung des Räderwerks auf und es steht bis
zum Vorüberfahren des nächsten Wagenzuges still.
Die Art, wie der Apparat den Locomotivführern Kunde gibt, ist folgende. Nachdem das
Signal durch einen vorhergehenden Zug ausgelöst worden ist, bleibt es noch ungefähr
3 1/2 Minuten bewegungslos, und das Räderwerk braucht, wenn es in Thätigkeit kommt,
ungefähr noch eine halbe Minute, um den Hebel so weit zu heben, daß der rothe Theil
des Signals oder 1/3 seiner Fläche hinter dem Schirm verschwindet, und die weiße
Zeigerscheibe von dem rothen auf das grüne Feld übergeht. Wenn daher ein Wagenzug
heranfährt und der Locomotivführer sieht das Signal in seiner ganzen Fläche, den Zeiger auf dem
rothen Felde, oder bei Nacht auf dem rothen Lichte, so schließt er daraus, daß der
vorhergehende Train vor weniger als 4 Minuten an derselben Stelle vorübergefahren
und daß es gefährlich sey, die Fahrt fortzusezen. Bemerkt er bei seiner Ankunft, daß
1/3 des Signals hinter den Schirm gerükt ist und daß der Zeiger bei Tag auf dem
grünen Feld oder bei Nacht auf dem grünen Lichte steht, so dient ihm dieß zur
Nachricht, daß der vorhergehende Zug einen Vorsprung von mehr als 4 Minuten, aber
weniger als 10 Minuten vor ihm habe, daß er mithin seine Geschwindigkeit zu mäßigen
und vorsichtig zu fahren habe. Findet er aber bei seiner Ankunft an der erwähnten
Stelle das Signal gar nicht mehr sichtbar, so daß also der Zeiger auf dem schwarzen
Felde sich befindet, so kann er ohne Gefahr mit unverminderter Geschwindigkeit
weiterfahren.Obige Zeitperioden sind nur beispielsweise angegeben, sie lassen sich je nach
Umstaͤnden abändern.
Fig. 29 zeigt
den Signalapparat in anderer Gestalt, wobei jedoch das Räderwerk und seine
Thätigkeit mit der oben erläuterten Vorrichtung ganz übereinstimmt. Anstatt daß das
Signal an dem Ende eines langen Hebelarms befestigt ist, besizt es die Gestalt eines
Sectors oder eines Fächers, welcher sammt dem Räderwerk von einer Säule getragen
wird. Der Signalapparat ist über dem Räderwerk angebracht. Der Fächer ist in zwei
Farben abgetheilt, 1/3 roth und 2/3 grün, und besteht aus Tuch oder einem ähnlichen Stoffe; sein oberer Rand
besteht aus entsprechend gefärbtem Glas; er ist in einem Schirm oder Futteral
eingeschlossen, welches eine dreiekige Oeffnung besizt, durch die der Fächer zum
Behuf des Signalisirens sichtbar werden kann. Die drei in gleicher Absicht wie in
Fig. 28
angebrachten Arme drüken in ähnlichem Sinne, wie in Fig. 28, abwechselnd auf
einen kurzen, von dem Mittelpunkt der Bewegung abwärts sich erstrekenden Hebel, und
bringen folgende Wirkung hervor. So lange der Fächer in Ruhe und der
Rädermechanismus bewegungslos ist, ist der erstere im oberen Theile des Schirms oder
Futterals verborgen; wenn aber ein Train vorüberfährt, so stößt das an der
Locomotive befestigte Holzstük gegen den Krummhebel, jene drei Arme werden einwärts
getrieben, und der Stift verläßt den kurzen Hebelarm. In diesem Augenblike fällt der
Fächer durch sein eigenes Gewicht herab und zeigt das rothe Feld durch die dreiekige
Oeffnung; bei Nacht fängt das rothe Glas das Licht einer hinter dem Schirm
befestigten Lampe auf. Wenn sich der Fächer nach Verfluß der geeigneten Zeit wieder
erhoben hat, zeigt er durch die Oeffnung die grüne Farbe oder bei Nacht das grüne Licht, und nach
Verfluß der ganzen Zeit verschwindet er gänzlich und die glänzend weiß gemalte
Rükseite des Schirms wird durch die Oeffnung sichtbar.
Dem Vernehmen nach wird dieser Apparat wahrscheinlich auf einer unserer ersten
Eisenbahnlinien, deren Directoren bereits mit Hrn. Curtis in Unterhandlung getreten sind, in
Ausführung gebracht werden.
Bemerkungen über diesen Signalapparat.
Die beschriebene Signalvorrichtung, so sinnreich sie auch ist, gewährt doch
keineswegs vollkommene Sicherheit gegen Kollisionen der Wagenzüge. So lange der
Erfinder die vom Zeitpunkte des Vorüberfahrens an einer gewissen Stelle verflossene
Zeit zum Maaßstab der Sicherheit macht, ist der Apparat unvollkommen. Nur unter der
Voraussezung könnte man die zurükgelegte Bahnstreke der vom Zeitpunkte des
Vorüberfahrens am Signalapparate verflossenen und von demselben gemessenen Zeit
proportional sezen, daß die Wagenzüge immer gleichförmig und unaufgehalten sich
bewegten, dann würde die Vorrichtung ihrem Zwek vollkommen entsprechen können. Diese
Voraussezung ist jedoch, wie die Erfahrung vielfältig lehrt, unzulässig. Angenommen
nun, ein Wagentrain sey an der Signalstelle vorüber, und kurz darauf müsse er aus
irgend einer Veranlassung, wie sie im Eisenbahnbetrieb öfters vorkommt, seine
Geschwindigkeit moderiren, oder er gerathe in Folge eines Unfalls gänzlich ins
Stoken, so läuft das von dem Wagenzug ausgelöste Signal hinter demselben ab; der
Locomotivführer des nächsten Zuges aber, aus der abgelaufenen Zeit auf die
Entfernung des vorangegangenen Zuges schließend und dadurch sicher gemacht, fährt
mit voller Geschwindigkeit weiter und stößt nun um so gewisser mit dem stokenden
Train zusammen.
Soll eine selbstthätige Signalvorrichtung die von einem Train zurükgelegte Streke
richtig registriren, so kann dieß nur durch eine Einrichtung geschehen, welche den
Wagenzug auf eine gegebene Streke hin mit dem Signalapparate in Rapport erhält, und
die Zurüklegung jener Streke vermöge dieses Rapports am Apparate bemerklich
macht.
A. P.