Titel: Ueber den Einfluß des Durchmessers und der Reifenbreite der Wagenräder auf die Landstraßen; von Hrn. Morin.
Fundstelle: Band 88, Jahrgang 1843, Nr. XXIX., S. 122
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XXIX. Ueber den Einfluß des Durchmessers und der Reifenbreite der Wagenraͤder auf die Landstraßen; von Hrn. Morin. Aus dem Moniteur industriel, 1843, No. 699 und 701. Morin, über den Einfluß des Durchmessers und der Reifenbreite der Wagenräder auf die Landstraßen. Der Einfluß der Breite der Radschienen und der Größe des Durchmessers der Räder auf die verschiedenen Straßen wurde von Hrn. A. Morin in praktischer Hinsicht einer genauen Untersuchung unterworfen. Seine Resultate bestätigen Coulomb's schöne Versuche über die Widerstände beim Rollen (Fahren), erweitern sie und erhöhen ihre Bedeutung. Die gefundenen theoretischen Geseze controlirte Hr. Morin dann direct mit zwei-, vier- und sechsräderigen Fuhrwerken, im Schritt und im Trab fahrend, mit Hangenden und nicht Hangenden Kästen, mit Rädern von großem und kleinem Durchmesser, und auf Straßen, auf welchen die Einwirkung der Wägen sogleich ermittelt und berechnet wurde. Unstreitig ist dieß die vollständigste, merkwürdigste und schönste über das Ziehen der Wägen bisher erschienene Arbeit. Folgendes sind die Resultate, zu welchen Hr. Morin gelangte. Einfluß der Breite der Radschienen. – 1) Das Gesez der Proportionalität der Ladungen zu den Breiten der Radschienen, welches nach der Hypothese einer gleichmäßigen Vertheilung des Druks auf die ganze, jener der Radreifen entsprechende Breite angenommen und bei den (französischen) Ladungstarifen im Interesse der Erhaltung der Straßen zur Grundlage diente, ist nicht richtig und bei nach diesem Gesez sich richtenden Ladungen werden die Straßen von breitfelgigen Rädern mehr verdorben als von schmalfelgigen. 2) Bei gleicher Ladung bringen Räder mit schmalen Felgen von nur 0,060 Meter, Straßen mit steinernem Grundlager mehr herab, als Räder mit Felgen von 0,115 und 0,175 Meter; zwischen der Benachtheiligung aber, welche Räder von diesen beiden lezteren Dimensionen hervorbringen, ist kein großer Unterschied; es ist folglich für die Erhaltung der Straßen von geringem Vortheil, Felgen von mehr als 0,115 Meter Breite anzuwenden. – Wenn aber sehr breite Felgen keine besonderen Vortheile für Straßen mit steinernem Grundlager gewähren, so muß dieß um so mehr auf dem Pflaster der Fall seyn. Auch veranlaßt die beständige Erschütterung sehr breiter Räder bei ihrem Uebergang von einem Pflastersteine zum anderen für die Straßen nachtheilige Stöße. – Nach diesen Daten läßt sich eine das Maximum und Minimum der Radfelgenbreite betreffende Verordnung entwerfen. 3) Resultate mit großräderigen Wägen. – Auf einen Wagen (chariot) mit vier Rädern von 0,060 Meter Felgenbreite und 1,30 Met. Räderdurchmesser am Vordergestell und 1,50 am Hintergestell können, ohne ein zu bedeutendes Verderben der Straßen mit gutem Steingrundlager befürchten zu müssen, 2400 Kilogr. bei abwechselnder Witterung geladen werden; bei andauerndem Regen aber und beständig nassen Straßen können auf solche Wägen nur 1800 Kilogr. geladen werden. 4) Einfluß der Größe des Räderdurchmessers auf das Verderben der Straßen. – Bei gleicher Ladung und gleicher Radschienenbreite verderben großräderige Wägen die Straßen weniger als kleinräderige. Das Gesez sollte daher die großräderigen Karren (charrettes) möglichst begünstigen und den Durchmesser der Wagenräder zu vergrößern streben. Zu diesem Behufe könnte man zuvörderst die niedrigste Höhe der Vorderräder, bei Wägen, deren Vordergestell beim Umwenden unter den Schwangbäumen durchgehen soll, auf 1 Meter festsezen. Diese Gränze ist von der Nothwendigkeit bedingt, den Schwerpunkt der Ladung nicht zu hoch zu legen. Von der Größe der Vorderräder hängt ferner die Höhe der Schwangbäume, der Hinterachse und folglich auch der Durchmesser der Hinterräder ab, welchen man natürlich so viel wie möglich zu vergrößern strebt. 5) Gränzen der Ladungen per Gestell. – Eine Ladung von 2465 Kilogr. per Gestell auf einem Wagen mit Rädern von 2,029 Met. Durchmesser und 0,115 Felgenbreite verdirbt eine Straße mit steinernem Grundlager nicht merklich, sogar wenn dieselbe beständig naß ist; da andererseits aber eine Ladung von 5000 Kilogr. auf einem Karren mit Rädern von 0,165 Met. Felgenbreite und 1,83 Met. Durchmesser, ferner eine Ladung von 7935 Kilogr. auf einem vierräderigen Wagen mit 0,165 Met. breiten Felgen, dabei Vorderrädern von 1,011, und Hinterrädern von 1,73 Met. Durchmesser, sehr bedeutenden Schaden anrichten, so ist für die Conservirung der Straßen zu wünschen, daß die Ladungen der Wägen 3500 bis 4000 Kilogr. per Gestell nicht überschreiten möchten. 6) Unterste Gränze der Radschienenbreite bei Karren. – Eine Ladung von 1800 Kilogr. per Gestell auf einem Wagen mit Rädern von 0,06 Met. Felgenbreite, auf einer Straße mit gutem steinernen Grundlager, die aber immer naß ist, verdirbt dieselbe bedeutend; daraus folgt, daß man den Karren, um auf ihnen mit einem einzigen Pferd Ladungen von ungefähr 2000 Kilogr. ziehen zu lassen, Räder von wenigstens 0,07 Met. Felgenbreite geben muß. 7) Einfluß der Vertheilung der Ladung (der Last). – Die Vertheilung der Ladung auf zwei oder mehrere Gestelle, welche den Druk auf den Boden ausüben, trägt zur Verminderung seines Schlechterwerdens bei.Hinsichtlich der Vortheile der Vertheilung der Last auf eines oder mehrere Gestelle ist zu bemerken, daß dieselben um so größer seyn werden, je größere Durchmesser die Räder eines und desselben Wagens haben, und je mehr sich diese Durchmesser der Gleichheit nähern. Auch haben die Fuhrleute schon längst eingesehen, wie sehr die großen Räder das Ziehen erleichtern; sie belasten daher das Hintergestell mehr als das Vordergestell. 8) Die größte Ladung eines Wagens darf 8000 Kil. nicht erreichen. – Da eine Ladung von 8000 Kilogr. eine beständig nasse Straße mit steinernem Grundlager sehr verdirbt, so folgt daraus, daß dieses eine zu hohe Gränze ist, welche niederer gesezt werden sollte. 9) Wagen mit hängendem Kasten. Ladung der Diligencen. – Wägen mit hängendem Kasten, welche mit Ladungen von 5000 Kilogr. auf beständig nassen Straßen mit Kiesgrundlager, und zwar mit einer Geschwindigkeit von 21,9 bis 31,25 Kilometer in der Stunde im Trab fahren, verderben die Straße nicht mehr, als dieselben Wagen ohne Federn, wenn sie im Schritt fahren. Im Interesse der Straßen ist also kein Grund vorhanden, die Ladungen der Diligencen auf geringere Gewichte zu beschränken, als die des gewöhnlichen Frachtfuhrwerks. Es wäre ferner von Vortheil, als unterste Gränze der Raddurchmesser 1 bis 1,10 Met. für die Vorderräder und 1,50 bis 1,60 Met. für die Hinterräder der Diligencen zu bestimmen. Nachdem Hr. Morin zu diesen Resultaten gelangt war, redigirte er den Tarif zu dem Geseze für die Fuhrwerke, oder vielmehr das Gesez selbst, welches in dem der franz. Deputirtenkammer vorgelegten Entwurf enthalten ist. 1. Tabelle für die Ladungen, nach Maaßgabe der Radreifenbreite für die kleinsten Durchmesser der Räder. Schienenbreite.  Wagen mit vier Raͤdern, wovon die Vorderraͤder1 Meter, die Hinterraͤder  1,65 Met. Durchmesser              haben.  Zweiraͤderige Karren mit   Raͤdern von 1,65 Met.         Durchmesser.       Met.                 Kil.                Kil.      0,12               6000               3500      0,11               5434               3200      0,10               4868               2900      0,09               4302               2600      0,08               3736               2300      0,07               3170               2000 2. Tabelle für die Ladungen der Wägen mit Rädern von großem Durchmesser, nach Maaßgabe der Radfelgenbreite. Schienenbreite. Waͤgen mit vier Raͤdern, Vorderraͤder von 1,30 Met., Hinterraͤder von   2 Met. Durchmesser.  Zweiraͤderige Karren mit     Raͤdern von 2 Met.         Durchmesser.       Met.              Kil.                 Kil.      0,12            6800               4000      0,11            6234               3700      0,10            5668               3400      0,09            5102               3100      0,08            4536               2800      0,07            3970               2500 3. Tabelle für die Ladungen vierräderiger Wägen, nach Maaßgabe der Durchmesser und der Schienenbreite ihrer Räder. Durchmesser der Raͤder.                                Schienenbreite. der vordern. der hintern. 0,07 M. 0,08 M. 0,09 M. 0,10 M. 0,11 M. 0,12 M.      Met.     Met.     Kil.     Kil.     Kil.     Kil.     Kil.     Kil.     0,90    1,53   2903   3469   4035   4601   5167   5733     0,95    1,59   3037   3603   4169   4735   5301   5867     1,00    1,65   3170   3736   4302   4868   5434   6000     1,05    1,71   3303   3869   4435   5001   5567   6133     1,10    1,77   3437   4003   4569   5135   5701   6367     1,15    1,83   3570   4136   4702   5268   5834   6400     1,20    1,89   3703   4269   4835   5401   5967   6535     1,25    1,95   3837   4103   4969   5535   6101   6667     1,30    2,00   3970   4336   5102   5668   6234   6800 4. Tarif für Ladungen der Karren, nach Maaßgabe der Durchmesser und der Breite der Räder. Durchmesser der     Raͤder.                                  Schienenbreite. 0,07 M. 0,08 M. 0,09 M. 0,10 M. 0,11 M. 0,12 M.         Met.     Kil.     Kil.     Kil.     Kil.     Kil.     Kil.        1,55   1857   2157   2457   2757   3057   3357        1,60   1929   2229   2529   2829   3129   3429        1,65   2000   2300   2600   2900   3200   3500        1,70   2071   2371   2671   2971   3271   3571        1,75   2143   2443   2743   3043   3343   3643        1,80   2214   2514   2814   3114   3414   3714        1,85   2286   2586   2886   3186   3486   3786        1,90   2357   2658   2957   3257   3557   3857        1,95   2428   2729   3029   3329   3629   3929        2,00   2500   2800   3100   3400   3700   4000 Wandelt man nun Morin's theoretische Tabelle in eine praktische, mit Begränzung der Ladungen nach Maaßgabe der Anzahl der Pferde um, so ergibt sich Folgendes. Bekanntlich zieht ein Pferd auf einer gewöhnlichen Straße 800 Kilogr. Mit einspännigen Karren haben wir also hier nichts zu thun. Bei zweispännigen Karren (charrettes) wären für Räder von 1,65 Met. Durchmesser Schienen von 7 Centimeter Breite anzunehmen. Bei drei Pferden, immer einen Durchmesser der Räder von 1,65 Met. vorausgesezt, Schienen von 8 Centimeter; bei vier Pferden von 9 Centim.; bei fünf Pferden von 10 Centim.; bei sechs Pferden von 11 Centim. und bei sieben Pferden und darüber von 12 Centim. – Für Wägen (chariots) mit zwei Pferden braucht man keine Vorschrift; für Wägen mit Rädern von 1 Met. Durchmesser am Vorder- und 1,65 Met. am Hintergestell könnte man 7 Centim. breite Schienen bei drei bis vier Pferden vorschreiben; 9 Centim. breite bei fünf Pferden, 11 Centim. breite bei sechs Pferden, und endlich 12 Cent. breite bei sieben Pferden und darüber; kurz, um Hrn. Morin's wissenschaftliche Resultate in praktische Tarife umzuwandeln, brauchen die Ladungen nur mit 800 dividirt zu werden, um die für die verschiedenen Schienenbreiten zu duldenden Pferde zu ermitteln.