Titel: Ueber die Tonnerre-Weine, besonders die Prüfung derselben auf künstliche Färbung; von Apotheker Jacob.
Fundstelle: Band 90, Jahrgang 1843, Nr. XLVIII., S. 192
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XLVIII. Ueber die Tonnerre-Weine, besonders die Pruͤfung derselben auf kuͤnstliche Faͤrbung; von Apotheker Jacob. Im Auszug aus dem Journal de Chimie médicale. Sept. 1843, S. 519. Jacob, über die Tonnerre-Weine. Die Weine aus der Umgegend von Tonnerre (Departement Yonne in Frankreich) werden wegen ihres angenehmen Bouquets und feinen Geschmaks von den Kennern außerordentlich geschäzt; sie sind ferner so leicht und gesund, daß sie sich dadurch für durch Alter oder Krankheit geschwächte Personen sehr eignen. Wenn diese Weine in neuester Zeit an ihrem Rufe verloren haben, verdanken sie dieß nur der Gewinnsucht der damit Handeltreibenden, welche sich nicht damit begnügen, die geringern Sorten zu kaufen und als Weine vom besten Gewächse zu verkaufen, sondern sie noch mit Weinen aus andern, schlechtern Weingegenden vermischen; auch werden ihnen wohl, um sie spirituös zu machen, statt ihnen ihren unnachahmbaren, natürlichen Geschmak zu lassen, Stärkezuker, Cassonade und dergleichen zugesezt. Der Verfasser stellte daher eine sorgfältige Analyse mehrerer Sorten dieser Weine an; zog aber nur solche Muster in seine Versuche, von deren Reinheit er sich überzeugt halten konnte. Alle Weine vom Kanton Tonnerre enthalten folgende Salze, jede Sorte in andern Verhältnissen: phosphorsauren Kalk, schwefelsaures Kali, doppelt weinsteinsaures Kali, weinsteinsauren Kalk, weinsteinsaure Thonerde und Chlornatrium. Man wird sich hiebei verwundern, daß der (bisher wohl noch in keinem Wein gefundene) phosphorsaure Kalk in diesen Weinen enthalten ist, und überdieß in so großer Menge. Man überzeugt sich davon auf folgende Weise: 1) wenn man den aus diesem Weine erhaltenen Weinstein 6 Minuten lang im Essenfeuer glüht, so erhält man eine kleine, harte, verglaste Masse, auf welche Schwefelsäure, Salpetersäure und Salzsäure nicht einwirken; 2) löst man den ein geäscherten Weinstein in einem Ueberschuß von Salpetersäure auf und behandelt hierauf die Lösung mit salpetersaurem Silber, filtrirt das erzeugte Hornsilber ab und sättigt dann die Flüssigkeit mit Ammoniak, so erhält man einen reichlichen gelben, körnigen Niederschlag von phosphorsaurem Silber; 3) versezt man die von der Weinsteinasche erhaltene, filtrirte und mit Salpetersäure behandelte Flüssigkeit mit Alkohol von 90 Proc., so entsteht eine Trübung; einige Tropfen Schwefelsäure bringen dann einen weißen Niederschlag (schwefelsauren Kalk) hervor, welcher ein krystallinisches Aussehen annimmt. Quantitativ wurde dieser phosphorsaure Kalk bestimmt, indem man eine Portion des Extractes solchen Weines einäscherte und dann noch so lange der Hize aussezte, bis beinahe jede Spur vegetabilischer Bestandtheile zerstört war; der Rükstand wurde hierauf mit verdünnter Salzsäure behandelt, die Auflösung filtrirt, zur Trokene abgedampft, der hiebei erhaltene Rükstand noch einmal ausgeglüht, gepulvert, zu wiederholtenmalen mit kochendem destillirtem Wasser ausgewaschen und der phosphorsaure Kalk auf einem Filter gesammelt. Derselbe wurde sodann wieder in Salzsäure aufgelöst und durch Ammoniak aus dieser Lösung gefällt, ausgewaschen, getroknet, geglüht und gewogen. Wir übergehen den Gang der übrigen analytischen Operationen und begnügen uns die Resultate sämmtlicher Analysen zusammenzustellen. Textabbildung Bd. 090, S. 193 Bestandtheile eines Liter.; Rother Wein 1839. Côtes Pitois.; Rother Wein 1840 Cô4tes Pitois.; Rother Wein 1839. Les Bridaines.; Rother Wein 1842. Bridaines und Vautiercelains.; Rother Wein 1842. Vautiercelains.; Weißer Wein. 1842. Charlouts.; Weißer Wein 1842. Vaumorillon.; Rother Wein 1840 Clos de Tronchoy.; Rother Wein 1840. Olivottes.; Rother Wein 1834. Perrière.; Alkohol; Doppeltweinsteinsaures Kali; Schwefelsaures Kali; Phosphorsaurer Kalk; Weinsteinsaurer Kalk; Weinsteinsaure Thonerde; Chlornatrium; 10 Gram.; 11 Gram.; 9,33 Gram.; 11,66 Gram.; 10,53 Gram.; 11,33 Gram.; 11,66 Gram.; 10,33 Gram.; 11 Gram.; 10,66 Gram. Untersuchung des Farbstoffs. — Unter den vielen Verfälschungen dieses Weins ist die häufigste und am schwersten zu erkennende unstreitig die seines Farbstoffs. Es dienen hiezu hauptsächlich die Attichbeeren (Sambucus Ebulus), Hollunder- und Maulbeeren, die Blumenblätter des Feldmohns, das Campecheholz und Fernambukholz. Viele Versuche sind über diesen Gegenstand schon angestellt worden, allein sie sind noch nicht befriedigend und es erübrigt noch, die sichern Unterscheidungsmerkmale dieser Substanzen zu ermitteln. Vielleicht dürfte man sich nach des Verf. Resultaten in Zukunft über die Farbe eines Weines nicht mehr irren können, ob dieselbe natürlich ist oder gänzlich oder zum Theil durch Feldmohnblätter, Campecheholz oder Fernambukholz künstlich gegeben sey. Das Reagens, dessen er sich bedient, ist nicht neu, gibt aber, mit Umsicht angewandt, sichere und constante Resultate.Der Verfasser ließ von einer andern Person die Mischungen machen, wußte also nicht, was er vor sich habe, und erkannte doch jedesmal die zugesezte Farbe. Er bereitet nämlich einerseits eine Lösung von 10 Theilen schwefelsaurer Thonerde in 100 Theilen destillirten Wassers, mischt gleiche Theile dieser Lösung und des zu prüfenden Weines (2 Gramme von jedem), gießt in diese Mischung eine zweite Lösung von 8 Theilen kohlensaurem Ammoniak in 100 Theilen Wassers und erhält so einen reichlichen Niederschlag von Thonerde, als je nach der Natur des angewandten Farbstoffs, verschieden gefärbten Lak. 12 bis 16 Tropfen genügen in der Regel, um eine recht entschiedene Färbung hervorzubringen. Mit nur 6–8 Tropfen bildet sich der Niederschlag nicht sogleich, die Flüssigkeit nimmt aber eine schöne, dem Niederschlag entsprechende Farbe an. Jedenfalls darf nicht zu viel vom Fällungsmittel hinzugesezt werden, weil sonst die mit dem Campeche- und Fernambukholz hervorgebrachten Nüancen sich nicht mehr so sicher unterscheiden lassen. Erst in 7 bis 8 Minuten wird die Reaction eine recht entschiedene. Der Verf. wird seine Versuche mit andern Farbstoffen fortsezen. Noch eine andere Verfälschung ist hier zu erwähnen, welche, da sie vom Weine selbst hergenommen ist, mittelst Reagentien nicht ermittelt werden kann. Es sind dieß die mit Farbe überladenen Weine, welche mit andern verdünnten gemischt, lezteren das Aussehen eines starken und guten Weines ertheilen; der Gaumen wird hier immer am besten entscheiden. Der natürliche Farbstoff des Weines auf obige Weise behandelt, liefert einen graulichweißen Niederschlag, welcher den zugesezten Farbstoff oft modificirt. Folgendes sind die Färbungen durch schwefelsaure Thonerde und kohlensaures Ammoniak. Natürlicher Wein Grauer, wenig gefärbter Niederschlag. Derselbe mit Campecheholz Schön dunkelvioletter Niederschlag. Fernambukholz Mehr oder weniger dunkler rosenrother Karmin, je nach der Menge des zugesezten Farbstoffs. Feldmohnblättern Mehr oder weniger dunkler schiefergrauer Niederschlag, je nach der Menge des zugesezten Farbstoffs. Wenn man mit 8 Grammen von einer dieser Substanzen und 250 Grammen Wasser einen Aufguß bereitet und davon 2 Grammen Weins nur 2 Tropfen zusezt, erhält man schon eine sehr deutliche Reaction. Schluß. Aus den Versuchen des Verfassers geht hervor: 1) alle Tonnerre-Weine enthalten eine kleine Menge Weinstein; 2) die Mengen der diesen Weinstein ausmachenden Salze sind sogar in jedem Jahrgang eines und desselben Weines verschieden; 3) der Alkoholgehalt dieser Weine ist im Mittel 11 Proc.; 4) der phosphorsaure Kalk, bisher in noch keinem Weine aufgefunden, kann bis auf Weiteres als Erkennungszeichen der Tonnerre-Weine dienen; 5) mittelst schwefelsaurer Thonerde und kohlensauren Ammoniaks kann man die betrügerische Färbung solchen Weins mit Feldmohn, Campeche- und Fernambukholz immer erkennen.