Titel: Ueber Eisenbahncurven; von Dr. Adolph Poppe jun.
Autor: Dr. Adolph Poppe [GND]
Fundstelle: Band 90, Jahrgang 1843, Nr. LXXI., S. 321
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LXXI. Ueber Eisenbahncurven; von Dr. Adolph Poppe jun. Mit Abbildungen auf Tab. V. Poppe, über Eisenbahncurven. Wenn ein Wagenzug in einer Eisenbahnkrümmung rollt, so äußert er bekanntlich das Bestreben, in tangentialer Richtung die Schienenleitung zu verlassen. Dieses Bestreben, welches der Centrifugalkraft eines im Kreise um einen festen Punkt geschwungenen Körpers vom Gewichte des Wagenzugs gleichkommt, wirkt sowohl auf die Bahnschienen selbst, als auch auf die Räder und Achsen um so nachtheiliger, je kleiner der Krümmungshalbmesser der Bahn und je größer die Geschwindigkeit des Trains ist. Denn da der Train durch die Spurkränze der Räder verhindert wird, jenem Bestreben, in der Tangente zu entweichen, nachzugeben, so üben die Spurkränze einen Druk gegen die äußere Bahncurve aus. Dieser Druk hat eine bedeutende Reibung an den Schienen, zugleich aber auch eine erhöhte Achsenreibung zur Folge. Da ferner die Räder der Bahnwagen gewöhnlich paarweise auf einer gemeinschaftlichen Achse festgekeilt sind, so ist in Bahncurven, da die Peripherien der Räder bei gleicher Rotationsgeschwindigkeit ungleiche Wege zurükzulegen haben, die Bewegung gewissermaßen eine schleifende, woraus unter Umständen eine bedeutende Erhöhung der Reibung hervorgeht. Außer diesen technischen Nachtheilen erscheint auch die Sicherheit des Transportes in Eisenbahnkrümmungen mehr oder weniger gefährdet, indem man anzunehmen berechtigt ist, daß in Curven von kleinem Halbmesser die Wagen bei großer Geschwindigkeit leicht in Folge der Schwungkraft von den Schienen abspringen können. Häufig wird indessen dem Einflusse der Fliehkraft in Eisenbahnkrümmungen auf die Sicherheit des Transportes ein allzugroßes Gewicht beigelegt und ein großer Theil des Publicums findet den Bestimmungsgrund großer Bahnhalbmesser weit weniger in der Schonung des Materials, als in der Gefahr des Ablaufens der Wagen in Folge der Centrifugalkraft. Um den Einfluß der Fliehkraft in Eisenbahncurven in seinen wesentlichsten Punkten darzulegen und die Elemente zu erforschen, welche auf die Erhöhung, Verminderung oder Vernichtung der bezeichneten Nachtheile Einfluß haben, soll sich vorliegende Untersuchung mit der Behandlung folgender Fragen beschäftigen. I. Wie groß ist der Verlust an mechanischer Arbeit, welcher sich in Bahncurven aus dem Umstande ergibt, daß je zwei an einer Achse befestigte Räder in gleicher Zeit ungleiche Wegstreken zurükzulegen haben? II. Welchen Druk ertheilt die Centrifugalkraft in Eisenbahnkrümmungen den Spurkränzen der Wagenräder gegen die äußere ahnschiene? III. Wie groß ist der durch diesen Seitendruk erzeugte Reibungswiderstand und Verlust an mechanischer Arbeit? IV. Kann eine möglichst gesteigerte Geschwindigkeit das Umstürzen der Wagen in einer Bahncurve in Folge der Centrifugalwirkung herbeiführen, und welche Bedingungen müßten hinsichtlich der Geschwindigkeit, des Krümmungshalbmessers und der Lage des Schwerpunktes stattfinden, wenn die Gefahr des Umstürzens zu besorgen wäre? V. Welches ist die Geschwindigkeit, unter der ein Aufsteigen der Locomotivräder an einer Bahncurve unter der Voraussezung stattfinden könnte, daß die Räder außer dem gewöhnlichen Reibungswiderstande kein directes Hinderniß an der Krümmung finden? VI. Wie läßt sich für eine gegebene Geschwindigkeit und einen gegebenen Krümmungshalbmesser sowohl der Einfluß der Fliehkraft, als auch der unter (I) angeführte Nachtheil beseitigen? I. Wie groß ist der Verlust an mechanischer Arbeit, welcher sich in Bahncurven aus dem Umstande ergibt, daß je zwei an Einer Achse befestigte Räder in gleicher Zeit ungleiche Wegstreken zurükzulegen haben? Es stelle b e, c d, Fig. 1, ein Stük der von dem Mittelpunkte a aus construirten Bahncurve vor, a f den mittleren Halbmesser der Curve und b c die Breite der Bahn. Das äußere Rad hat in derselben Zeit den Bogen c d zurükzulegen, in welcher das innere Rad auf dem Bogen b e rollt. Die Differenz c db e gibt also die Streke an, durch welche wegen der starren Verbindung beider Räder das äußere Rad in derselben Zeit als schleifend anzusehen ist, in welcher das innere Rad auf dem Bogen b e rollt. Es bezeichne v die Geschwingkeit des inneren, v′ die des äußeren Rades, R den mittleren Halbmesser der Bahncurve und b die Spurweite der Bahn. Beide Geschwindigkeiten verhalten sich offenbar, wie die in gleichen Zeiten beschriebenen Bögen, mithin auch wie die den lezteren zugehörigen Krümmungshalbmesser; daher: v′ : v = R + b/2 : R - b/2 oder v′—v : v = R + b/2 - (R - b/2):R - b/2 mithin Textabbildung Bd. 090, S. 323 Dieß ist der Geschwindigkeitsunterschied beider Räder. Der Erfolg ist nun so zu betrachten, als ob das äußere Rad mit der Geschwindigkeit v′—v, ohne sich zu drehen, auf der äußeren Schiene schleife. Bezeichnet man das Gewicht der bewegten Masse mit Q und den Reibungscoefficienten mit f, so ist der absolute Reibungswiderstand an der äußeren Bahnschiene unter Voraussezung schleifender Bewegung f. Q/2. Dieser Widerstand bewegt sich mit der Geschwindigkeit v′—v daher ist das Reibungsmoment f . Q/2 (v′—v) oder wenn man für v′—v den oben gefundenen Werth substituirt: Textabbildung Bd. 090, S. 323 und der Verlust an mechanischer Arbeit, in Pferdekräften ausgedrükt = Textabbildung Bd. 090, S. 323 Dieser Ausdruk zeigt, daß der Verlust an mechanischer Arbeit um so bedeutender wird, je größer die Last, die Geschwindigkeit und die Spurweite der Bahn ist, und um so geringer, je größer der Bahnhalbmesser. Würde sich z. B. ein 232300 Pfd. schwerer Wagenzug mit 25′ Geschwindigkeit durch eine Bahncurve von 3000′ Halbmesser bewegen, so wäre bei der gewöhnlichen Spurweite von 4,7′ der durch das erwähnte Schleifen herbeigeführte Arbeitsverlust, den Reibungscoefficienten = 0,13 gesezt, Textabbildung Bd. 090, S. 323 Pferdekraft; bei 500′ Bahnhalbmesser würde sich dieser Arbeitsverlust auf 6 Pferdekräfte herausstellen. II. Welchen Druk ertheilt die Centrifugalkraft in Eisenbahnkrümmungen den Spurkränzen der Wagenräder gegen die äußere Bahnschiene? Zur Beantwortung dieser Frage ist es vorerst nöthig, den Werth der Fliehkraft eines in einer Bahncurve sich bewegenden Wagens oder Trains im Allgemeinen zu ermitteln und denselben dann auf die Berührungsstellen der Spurkränze mit der Bahn zu reduciren. Es sey g h, Fig. 2, ein Theil des äußeren, gh′ ein Theil des inneren Schienenstranges; c der Schwerpunkt des Wagens, dessen Projection in die Mitte der Wagenbreite und sehr nahe auch in die Mitte der Bahnbreite fällt; m a der Halbmesser des von der Projection des Schwerpunktes, oder wie man ohne merkbaren Fehler annehmen darf, von dem Schwerpunkte c selbst beschriebenen Kreises. Dieser Halbmesser ist um den mittleren Abstand b k der Sehne f d von der äußeren Bahncurve kleiner als der mittlere Halbmesser der Bahn, und darf wegen dieses äußerst geringen Unterschiedes dem lezteren gleichgesezt werden. Schwerpunkt und Mittelpunkt des Schwunges sind unter den in Rede stehenden Umständen als coincidirend anzusehen. f und d seyen die Berührungsstellen der Spurkränze beider Wagenräder mit der äußeren Bahncurve; die Sehne f d bezeichne ihre Entfernung. Für die in Rechnung kommenden Größen wähle ich folgende Bezeichnung. P die Fliehkraft oder Centrifugalkraft; Q das Gewicht des Wagens oder der bewegten Masse; R = m a der Halbmesser der Krümmung oder auch des von der Projection des Schwerpunktes c beschriebenen Kreises; s = c a die Höhe des Schwerpunktes über der Bahn; b die Spurweite der Bahn; v die Geschwindigkeit der bewegten Masse; g = 15,6 rheinl. Fuß der bekannte Fallraum eines frei fallenden Körpers in der ersten Secunde.Dieser, so wie allen folgenden Berechnungen ist preußisches Maaß zu Grunde gelegt. Der Werth für die im Schwerpunkte c angreifende und in der Richtung c p wirkende Fliehkraft ist bekannten mechanischen Gesezen zufolge: Textabbildung Bd. 090, S. 324 Denkt man sich von dem Schwerpunkte aus nach den Berührungspunkten d und f die Linien c d und c f gezogen, so entsteht dadurch ein gleichschenkliges Dreiek f c d. Lezteres gilt bei den gewöhnlichen Transportwagen und bei den vierräderigen Locomotiven, bei denen wegen der gleichmäßigen Vertheilung der Last auf beide Achsen die Richtungslinie des Schwerpunktes durch die Mitte des durch die vier Berührungspunkte der Räder gelegt gedachten Rechteks geht. Um nun den aus der Fliehkraft P in den Punkten d und f resultirenden Horizontaldruk der Räder gegen die Bahnschienen aufzufinden, zerlege man die Fliehkraft zunächst in zwei Seitenkräfte, von denen die eine P′ nach der aus c auf die Mitte der Sehne f d gezogenen Linie c b abwärts gerichtet ist, die andere in der Richtung c t liegend, auf der Ebene f c d senkrecht steht und den Wagen um die Berührungpunkte d und f zu drehen strebt. Die nach c b abwärts strebende Seitenkraft ist, wenn man den Winkel p c b = c b a mit x bezeichnet: II.) P′ = P . cos x. Diese Kraft denke man sich nun in b angreifend und abermals in zwei Seitenkräfte zerlegt, nämlich in eine horizontale nach der Richtung m k des Bahnhalbmessers und in eine verticale nach der Richtung b q. Die leztere hat auf den Seitendruk gegen die Schienen keinen Einfluß, der Werth der ersteren dagegen ist P″=P′ . cos x = P cos2x. Dieß ist die horizontale Wirkung der Centrifugalkraft auf den Punkt b reducirt. Substituirt man für P den Werth aus (I), so ergibt sich Textabbildung Bd. 090, S. 325 und wegen Textabbildung Bd. 090, S. 325 Textabbildung Bd. 090, S. 325 Diese Wirkung vertheilt sich unter der Voraussezung, daß die ganze Last auf die Vorder- und Hinterräder gleich vertheilt ist, gleichmäßig auf die Punkte d und f und zwar in Richtungen d n und f w parallel zu m r. Somit ist der Centrifugaldruk eines Wagenrades, so wie derjenige des Rades einer vierräderigen Locomotive, deren Gewicht auf beide Achsen gleich vertheilt ist, an der Berührungsstelle d Textabbildung Bd. 090, S. 325 Dieser zu m r parallele Druk gegen die äußere Bahnschiene ist von dem in der Richtung des Krümmungshalbmessers m d wirkenden Normaldruke äußerst wenig verschieden, indem die Abweichung o d n selbst bei Bahnen von scharfer Krümmung noch sehr gering ausfällt. Bei einem Bahnhalbmesser von 500′ und einer Entfernung beider Berührungsstellen f, d von 10′ würde z. B. diese Abweichung nur 34⅓ Minuten, bei einem Bahnhalbmesser von 1000′ nur 17 1/6 Minuten und bei einem Halbmesser von 3000′ nur 5⅔ Minuten betragen; die Centrifugalwirkung P′″, auf den Normaldruk gegen die Bahnschiene reducirt, würde bei einem Bahnhalbmesser von 1000′ den Werth 19999/20000 P′″ annehmen, welcher von dem Resultate (IV) nur um 1/20000 verschieden wäre, und selbst für einen Krümmungshalbmesser von 100′, wenn ein solcher zulässig wäre, würde die normale Wirkung nur um 1/666 von der Wirkung (IV) abweichen. Man darf daher das Resultat (IV) ohne merkbaren Fehler als Normaldruk betrachten. Dieser Druk nimmt, wie sich aus der Betrachtung der Formel (IV) unmittelbar ergibt, im quadratischen Verhältnisse mit der Erhöhung der Geschwindigkeit und im einfachen Verhältnisse mit der Verminderung des Bahnhalbmessers zu. Auch die Lage des Schwerpunktes hat Einfluß auf denselben; je tiefer nämlich der Schwerpunkt liegt, d. h. je kleiner s, desto größer ist der Seitendruk gegen die Schiene. Bei sechsräderigen Locomotiven gewöhnlicher Construction gestaltet sich dieser Druk anders als bei vierräderigen, indem bei ersteren der größere Theil der Last auf den Vorderrädern ruht, so zwar, daß das Uebergewicht der Vorderachse gegen die Hinterachse nach Pambour ungefähr 2 Tonnen = 4480 Pfd. beträgt. Demzufolge fällt bei sechsräderigen Locomotiven der Schwerpunkt der Masse näher gegen die Vorderräder, als gegen die Hinterräder. In dem umgekehrten Verhältnisse dieser Abstände vertheilt sich der Centrifugaldruk (III) auf die Berührungsstellen beider Räder. Bezeichnet man den Achsenabstand beider Räder sowohl vier- als sechsräderiger Locomotive im Allgemeinen mit l, die Entfernung der Richtungslinie des Schwerpunktes von der Hinterachse mit e, den Centrifugaldruk des Vorderrades gegen die Schiene mit D, denjenigen des Hinterrades mit D′ und den Gesammtdruk, wie oben, mit P″, so ist Textabbildung Bd. 090, S. 326 Nach Mamby liegt der Schwerpunkt einer sechsräderigen Locomotive 60 Centimeter bis 1 Meter oder im Mittel 2,2 preuß. Fuß vor der Kurbelachse. Da nun die leztere in der Mitte zwischen den 10′ von einander abstehenden Achsen der Vorder- und Hinterräder liegt, so beträgt der Abstand der hinteren Radachse von der Richtungslinie des Schwerpunktes 7,2′, der Abstand der vorderen Radachse dagegen nur 2,8′, wonach e/l = 0,72 und le/l = 0,28 wird, so daß von dem Gesammtdruke (III) 0,72 auf die Vorderräder und 0,28 auf die Hinterräder kommen. Diesem nach wäre der Seitendruk des Spurkranzes an der Vorderachse einer sechsräderigen Locomotive mehr alsmal so groß, wie der an der Hinterachse. Substituirt man den numerischen Werth für e/l in (V), so kommt nach gehöriger Reduction: Textabbildung Bd. 090, S. 327 Vergleicht man diesen Centrifugaldruk des Vorderrades einer sechsräderigen mit dem Centrifugaldruke P′″ (III) des Vorderrades einer vierräderigen Locomotive, und nimmt das Gewicht einer sechsräderigen nach Pambour zu 14327, dasjenige einer vierräderigen zu 9000 Kilogrammen an, so verhält sich D : P′″ = 14000/43,3 : 9000/62,4 = 69,3 : 30,9 Daher ist unter gleichen übrigen Umständen in Eisenbahnkrümmungen der Centrifugaldruk des Vorderrades einer sechsräderigen Locomotive gewöhnlicher Construction mehr als doppelt so groß, wie der Centrifugaldruk des Vorderrades einer vierräderigen Locomotive. Um nun den effectiven Druk, welchen eine vierräderige und eine sechsräderige Locomotive von gewöhnlichen Dimensionen und mittlerem Gewichte bei gegebener Geschwindigkeit an einer ihrer Berührungsstellen mit der äußeren Bahncurve ausüben, bestimmen zu können, muß auch die Höhe des Schwerpunktes der bewegten Massen über der Ebene der Bahn bekannt seyn. Diese ist bis jezt noch durch keinen directen Versuch ermittelt worden, obgleich ein solcher wohl mit so großen Schwierigkeiten nicht verknüpft wäre, wie manche annehmen. Die Lage des Schwerpunktes einer Locomotive kann man sich am einfachsten durch den Abstand von drei senkrecht zu einander stehenden Ebenen, nämlich einer Horizontal- und zweier Verticalebenen bestimmt denken, wovon die erstere die Ebene der Bahn selbst ist, die zweite senkrecht zur Richtung der Bahn durch die Achse der Vorder- oder Hinterräder, die dritte durch die Mitte der einen Schienenleitung parallel zur Bahn gelegt ist. Der Abstand des Schwerpunktes von der lezteren Ebene ist wegen der symmetrischen Anordnung der Maschinentheile unbedingt der halben Bahnbreite gleich zu sezen und der Abstand der andern Verticalebene kommt bei Untersuchung der Höhe des Schwerpunktes über der Bahn nicht in Betracht. Um nun diese Höhe praktisch zu ermitteln, stelle man die Locomotive auf eine horizontale, um eine Horizontalachse drehbare Plattform, deren Gewicht vorher durch ein Gegengewicht äquilibrirt worden ist, befestige sie daran und drehe die Plattform vorsichtig um ihre Achse, bis das Uebergewicht der Locomotive verschwindet. Wenn man einen Körper um eine seiner Kanten so weit dreht, bis er die Gleichgewichtslage erreicht hat, so geht bekanntlich die Richtungslinie des Schwerpunktes durch diese Kante. Dieser Fall findet hier statt. Aus dem Drehungswinkel und dem vorher gemessenen Abstande des Schwerpunktes von der Drehungsachse der Plattform ließe sich alsdann leicht die Höhe des Schwerpunktes über der Bahnfläche trigonometrisch berechnen. Es bezeichne r den Abstand des Schwerpunktes von der Drehungsachse, x den Drehungswinkel, so findet man die Höhe des Schwerpunktes über der Bahn: s = r . tg . x. Gienge die Drehungsachse durch die Berührungsstellen zweier hinter einander liegender Locomotivräder mit der Bahn oder der Plattform, so würde man s = ½b . tg . x erhalten, wenn b die Bahnbreite bezeichnet. Da indessen ein solcher Versuch bis jezt noch nicht angestellt worden zu seyn scheint, so kann die Höhe des Schwerpunktes der Locomotive vorläufig nur annäherungsweise durch Schäzung bestimmt werden. Nach aller Wahrscheinlichkeit liegt derselbe 4 bis 5 Fuß über der Bahn. Als mittlere, für den Personenverkehr sich eignende Geschwindigkeit wird in Deutschland gewöhnlich diejenige angenommen, wobei der Wagenzug in einer Stunde 4 Meilen zurüklegt, was einer Geschwindigkeit von 26 Fuß in 1 Secunde entspricht. In England soll die mittlere Geschwindigkeit 24 engl. Meilen in der Stunde oder 34 rheinl. Fuß in einer Secunde betragen. Der Halbmesser der Bahnkrümmung oder des Schwerpunktes der bewegten Masse sey 1000 Fuß und die bei den meisten Eisenbahnen eingeführte Spurweite von 4 Fuß 8½ Zoll = 4,7 Fuß sey dem zu berechnenden Beispiele, so wie überhaupt allen in dieser Abhandlung vorkommenden Berechnungen zu Grunde gelegt. Wenn man nun Q = 9000 Kilogr. für die vierräderige Locomotive, Q = 14000 Kilogr. für die sechsräderige Locomotive, R = 1000 Fuß, b = 4,7 Fuß, s = 5 Fuß, v = 25 Fuß in der Secunde, g = 15,6 Fuß sezt, so wird durch Substituirung dieser Werthe in die Formel (IV) der Druk, welchen die äußere Bahnschiene von dem Vorderrade der vierräderigen Locomotive an einer Berührungsstelle erfährt, Textabbildung Bd. 090, S. 329 mithin an beiden Berührungsstellen zusammen 69,4 Pfd. Und aus dem oben aufgefundenen Verhältnisse D:P′″=69,3:30,9 findet man den Druk des Vorderrades einer sechsräderigen Locomotive D = 36,5 Kilogr. = 77,7 Pfd. Würbe die Höhe des Schwerpunktes über der Bahn anstatt 5 Fuß nur 4 Fuß betragen, so würde dadurch der Centrifugaldruk des Vorderrades gegen die Bahnschienen erhöht werden bei vierräderigen Locomotiven auf: Textabbildung Bd. 090, S. 329 und bei sechsräderigen Locomotiven auf: D = 51,8 Kilogr.= 110,3 Pfd. III. Wie groß ist der durch den Centrifugaldruk in Eisenbahnkrümmungen erzeugte Reibungswiderstand und Verlust an mechanischer Arbeit? Um die Größe des durch den Druk der Spurkränze gegen die äußere Bahncurve erzeugten Reibungswiderstandes zu ermitteln, muß dieser Druk mit dem Reibungscoefficienten, den wir für Schmiedeisen auf Schmiedeisen nach Morin zu 0,13 annehmen, multiplicirt werden. In Erwägung, daß der Reibungswiderstand dem ihn erzeugenden Druke proportional ist, dieser aber mit dem Quadrate der Geschwindigkeit zunimmt, gelangen wir zu dem Schlusse: der durch die Reibung der Spurkränze an den Bahnschienen erzeugte Widerstand wächst in Eisenbahncurven mit dem Quadrate der Geschwindigkeit. Der Reibungswiderstand mit der Geschwindigkeit multiplicirt und durch 510 dividirt, gibt die Größe der verlorenen Arbeit, d. h. der Arbeit, welche zur Ueberwältigung der Reibung verwendet wird, in Pferdekräften an. Demnach ist in Pferdekräften ausgedrükt: Textabbildung Bd. 090, S. 329 Hieraus entspringt die wichtige Folgerung: der durch die Reibung der Spurkränze an den äußeren Schienen erzeugte Verlust an mechanischer Arbeit wächst in Eisenbahncurven mit dem Würfel der Geschwindigkeit; seine Zunahme steht ferner mit der Verminderung des Bahnhalbmessers im einfachen umgekehrten Verhältnisse. Die doppelte Geschwindigkeit würde somit den achtfachen Kraftverlust nach sich ziehen. Sezen wir das Gewicht Q eines Wagenzugs mit Locomotive und Tender = 2000 Cntr., so gestaltet sich unter den oben angenommenen Verhältnissen der Gesammt-Centrifugaldruk gegen die Schienen Textabbildung Bd. 090, S. 330 und der Verlust an Arbeit Textabbildung Bd. 090, S. 330 Pferdekräfte. Nimmt man die Höhe des Schwerpunktes über der Bahn zu 4′ anstatt zu 5′ an, so wird dadurch der Gesammtdruk gegen die äußere Bahncurve auf 1028 Pfd. und der Arbeitsverlust auf 6,5 Pferdekräfte erhöht. Aus diesem praktischen Beispiele läßt sich der Einfluß, welchen die Lage des Schwerpunktes auf den Effect in Eisenbahnkrümmungen hat, deutlich erkennen, indem unter vorliegenden Verhältnissen die durch die Reibung aufgezehrte Arbeit bei Tieferlegung des Schwerpunktes von 5′ auf 4′ von 4,6 auf 6,5 Pferdekräfte gesteigert wird. Folgende Tabelle enthält die Berechnung des Centrifugaldrukes eines 2000 Cntr. wiegenden Wagenzuges gegen die äußeren Bahnschienen, der aus diesem Druke resultirenden Reibung und der Größe des Arbeitsverlustes bei Eisenbahnkrümmungen von 250 bis 4000 Fuß Halbmesser. Dabei ist eine mittlere Geschwindigkeit von 25′ oder 4 Meilen in der Stunde angenommen. s bezeichnet die mittlere Höhe des Schwerpunktes der bewegten Massen über der Ebene der Bahn. In der Tabelle sind zwei verschiedene Lagen des Schwerpunktes, nämlich s = 4′ und s = 5′ berüksichtigt. Textabbildung Bd. 090, S. 331 Gewicht des Wagenzugs = 2000 Cntr.; Geschwindigkeit = 25′ in 1 Sec.; Bahnhalbmesser.; Gesammtdruk der Spurkraͤnze gegen die Bahnschienen in Pfunden; Reibungswiderstand in Pfunden.; Arbeitsverlust in Pferdekraͤften.; s=5′; s=4′; s=5′; s=4′; s=5′; s=4′; Fuß Dieser Arbeitsverlust wird in der Wirklichkeit noch groͤßer ausfallen, indem die an den Stoßfugen je zweier Schienen bemerkbaren Stoͤße, die in obiger Tabelle nicht beruͤksichtigt wurden, sich zu einem Widerstande summiren, welcher den Arbeitsverlust ohne Zweifel merkbar erhoͤht. IV. Kann eine möglichst gesteigerte Geschwindigkeit das Umstürzen der Wagen in einer Bahncurve in Folge der Centrifugalwirkung herbeiführen, und welchen Halbmesser müßte die Krümmung haben, wenn die Gefahr des Umstürzens bei einer gegebenen Geschwindigkeit zu besorgen wäre? Betrachten wir wie bisher die in Eisenbahnkrümmungen thätige Fliehkraft als eine im Schwerpunkte des Wagens angreifende Kraft, so lassen sich die Verhältnisse, unter welchen ein Umstürzen desselben erfolgen kann, aus einfachen Gesezen der Hebelwirkung herleiten. Der Schwerpunkt c, Fig. 2, in welchem die Centrifugalkraft nach der Richtung c p angreift, bildet nämlich das Ende eines Hebels, dessen Stüzpunkt an den Berührungsstellen d und f der Spurkränze mit der äußeren Bahnschiene liegt. Um diese Punkte d und f strebt die Fliehkraft den Wagen zu drehen. Die Last widersteht diesem Zuge den Gesezen der Schwere gemäß in der Richtung c a. Die Gränze der Stabilität der Masse ist erreicht, wenn die auf die Stüzpunkte d und f bezogenen statischen Momente der Fliehkraft und des Wagengewichtes einander gleich geworden sind, d. h. wenn unter Beibehaltung der früheren Bezeichnungen P . ac = Q . ab oder Textabbildung Bd. 090, S. 332 oder Textabbildung Bd. 090, S. 332 Hieraus ergibt sich, wenn der Bahnhalbmesser gegeben ist, die zum Umwerfen eines Wagens in Folge der Fliehkraftäußerung nöthige Geschwindigkeit: Textabbildung Bd. 090, S. 332 Den Halbmesser, welchen die Bahncurve voraussezt, wenn bei gegebener Geschwindigkeit ein Umstürzen des Wagens erfolgen soll, findet man aus der Gleichung (I): Textabbildung Bd. 090, S. 332 und die Höhe, in welcher der Schwerpunkt eines Wagens über der Bahn liegen müßte, wenn bei gegebener Geschwindigkeit und gegebenem Bahnhalbmesser dieses Umstürzen stattfinden sollte, aus derselben Gleichung (I): Textabbildung Bd. 090, S. 332 Mit welcher Geschwindigkeit müßte demnach unter Beibehaltung des Werthes der constanten Größe b (Bahnbreite) und s (Höhe des Schwerpunktes = 5′) eine mit 500′ Halbmesser construirte Bahncurve befahren werden, wenn ein Umstürzen der Wagen in Folge der Schwungkraftäußerung zu besorgen wäre? Antwort: Textabbildung Bd. 090, S. 332 in 1 Stunde; eine selbst auf gerader horizontaler Bahn unerreichbare Geschwindigkeit. Bei Eisenbahnkrümmungen von dem gewöhnlichen Halbmesser von 3332 Fuß wäre die zum Umwerfen erforderliche Geschwindigkeit 209′ in der Secunde. Fragt man, welchen Halbmesser die Bahnkrümmung haben müßte, wenn ein mit der mittleren Geschwindigkeit von 25′ in der Secunde auf derselben fahrender Wagen umwerfen sollte, so ergibt sich aus (III) Textabbildung Bd. 090, S. 332 Wie hoch müßte bei einer Geschwindigkeit von 30′ (4½ Meilen in der Stunde) und einem Bahnhalbmesser von 500′ der Schwerpunkt des Wagens liegen, wenn er in Folge der Schwungkraft umstürzen sollte? Antwort: Textabbildung Bd. 090, S. 333 Aus diesen einfachen Beispielen geht deutlich hervor, daß ein Umwerfen selbst in scharfen Eisenbahnkrümmungen in Folge überhandnehmender Schwungkraft im Bereiche der Unmöglichkeit liegt. V. Welches ist die Geschwindigkeit, bei der ein Aufsteigen der Locomotivräder an einer Bahncurve unter der Voraussezung stattfinden kann, daß die Räder kein directes Hinderniß an der Krümmung finden? Würden die Eisenbahnschienen eine vollkommen gleichförmige, durch keine hervorragenden Unebenheiten oder Hindernisse und durch keine Zwischenräume unterbrochene Reibungsfläche darbieten, so wäre auf gerader Bahn ein Austreiben der Locomotive aus den Schienen höchstens in Folge des Bruches eines Maschinentheiles möglich, und selbst die schärfsten Krümmungen könnten mit der größten Geschwindigkeit ohne alle Gefahr durchlaufen werden, indem diejenige Geschwindigkeit, in deren Folge der Einfluß der Fliehkraft die Wagen aus dem Geleise treiben würde, wie unten gezeigt werden soll, praktisch unerreichbar wäre. Solche günstigen Verhältnisse finden nun aber bekanntermaßen nicht statt. Schon der zwischen zwei zusammenstoßenden Schienen wegen der Ausdehnung des Metalles durch die Wärme notheendige Zwischenraum veranlaßt, so klein er auch ist, einen merkbaren Stoß, welcher in Bahncurven die Tendenz des Trains, die Schienenleitung zu verlassen, erhöht. Hiezu kommt noch die unvollkommene Coincidenz der Schienenkanten an manchen Fugen, welche das Austreten der Wagen selbst auf gerader Bahn veranlassen kann. Daher läßt sich unter solchen Umständen der Moment oder die Bedingung des Austretens aus einer Bahncurve keineswegs theoretisch ermitteln. Gehen wir nun von der Annahme aus, die äußere Bahncurve bilde eine ununterbrochen fortlaufende Eisenschiene, mit welcher die Spurkränze der Räder in reibender Berührung stehen, und denken wir uns alle zufälligen Hervorragungen und Hindernisse hinweg, so hängt das Ablaufen des Wagens aus der Bahn offenbar nur noch von der Geschwindigkeit und dem mit dieser Geschwindigkeit veränderlichen Reibungswiderstande ab, und die Ermittelung der zur Erhebung der Locomotive über die Bahnschiene erforderlichen Geschwindigkeit ist unter dieser Voraussezung möglich. Wenn nun auch das auf solche imaginären Verhältnisse gegründete theoretische Resultat mit der Wirklichkeit und Erfahrung nicht übereinstimmen kann, so hat es doch insofern einen relativen Werth, als es die von jenen Unterbrechungen und zufälligen Unebenheiten der Schienenleitung unabhängigen Bedingungen erkennen läßt, welche auf die Erhöhung oder Verminderung der Gefahr Einfluß haben. Gehen wir also von der so eben bezeichneten Annahme aus, so kann eine Ersteigung der Schiene nur in dem Momente stattfinden, wo der durch den Centrifugaldruk der Spurkränze gegen die Schiene erzeugte Reibungswiderstand dem Bestreben der Last, an der Ersteigungsstelle zurükzusinken, das Gleichgewicht hält. Da die Reibung dem Druke proportional ist, dieser aber mit dem Quadrate der Geschwindigkeit zunimmt, so kann man sich die Geschwindigkeit so gesteigert denken, daß der Reibungswiderstand einen Werth erreicht, wobei jener Moment eintreten muß. Wir wollen nun zuerst den Widerstand ermitteln, welchen die Last der Erhebung des Spurkranzes über die Schiene entgegensezt. Es bezeichne x y, Fig. 3, die Oberfläche der äußeren Bahnschiene, der dieselbe tangirende Kreis das Rad, etwa das Vorderrad einer Locomotive und der mit diesem Kreise concentrische Kreis den Berührungskreis des Spurkranzes mit der Bahnschiene; man bezeichne ferner die Höhe f g dieses Berührungskreises mit h und den Halbmesser f d des Rades mit r. Die Ersteigung der Schiene findet im Punkte a statt. Legt man an diesem Punkte eine Tangente an die Radperipherie, so bildet a b c eine schiefe Ebene. Die Kraft K, welche das Rad über die schiefe Ebene zu erheben strebt, wirkt parallel zur Basis derselben in der Richtung d m. Die zu hebende Last ist dem halben Gewichte des Wagens gleich, weil derselbe im Momente des Aufsteigens mit seinen andern Rädern auf der inneren Schiene bleibt. Wir finden demnach die zur Erhebung des Spurkranzes auf die Bahnschiene erforderliche Kraft, oder den Widerstand, den die Last dieser Ersteigung entgegensezt, durch die Proportion K : Q/2 = h : bc = fa : fd oder Textabbildung Bd. 090, S. 334 woraus Textabbildung Bd. 090, S. 334 Der Centrifugaldruk des Vorderrades einer Locomotive ist nach (V) des ersten Abschnittes durch Textabbildung Bd. 090, S. 335 ausgedrükt, wobei l den Abstand der vorderen von der hinteren Achse und e die Entfernung der Richtungslinie des Schwerpunktes von der Hinterachse bezeichnet; mithin der Reibungswiderstand an der Berührungsstelle des Spurkranzes mit der Schiene Textabbildung Bd. 090, S. 335 Soll nun eine Erhebung über die Bahnschiene erfolgen, so muß F = K seyn, d. h. Textabbildung Bd. 090, S. 335 Die Auflösung dieser Gleichung nach v gibt die Geschwindigkeit, bei welcher unter den obigen Voraussezungen ein Aufsteigen der Locomotive an der Schiene erfolgen würde Textabbildung Bd. 090, S. 335 Ein Blik auf diese Formel gibt zu erkennen, daß die das Austreten des Dampfwagens unter vorliegenden Verhältnissen bedingende Geschwindigkeit um so größer, die Gefahr also um so geringer wird, je größer der Bahnhalbmesser R, je größer h oder die Höhe des Spurkranzes ist, und je höher man den Schwerpunkt, ohne den Durchmesser der Räder zu verändern, legt; daß dagegen die bedingende Geschwindigkeit um so kleiner, die Gefahr also um so größer wird, je größer der Halbmesser r und je größer e ist, d. h. je näher der Schwerpunkt nach der Vorderachse hin fällt. In lezterer Hinsicht sind die Chancen der Gefahr bei vierräderigen Locomotiven etwas geringer als bei sechsräderigen, und zwar im Verhältniß von √50 : √72, denn die zum Austreten aus der Bahn unter obigen Bedingungen erforderlichen Geschwindigkeiten verhalten sich caeteris paribus beziehungsweise wie Textabbildung Bd. 090, S. 335 oder mit Bezug auf beide Locomotivgattungen wie Textabbildung Bd. 090, S. 335 Da sich diese Geschwindigkeiten nach der obigen Formel wie die Quadratwurzeln aus den Krümmungshalbmessern verhalten, so läßt sich schließen, daß z. B. eine Krümmung von 3600′ Halbmesser mit einerlei Geschwindigkeit doppelt so sicher, als eine Krümmung von 900′ Halbmesser befahren werden kann, daß überhaupt die Sicherheit des Transportes in Eisenbahncurven rüksichtlich des Austreibens aus der Bahn in dem Verhältniß der Quadratwurzel aus dem Bahnhalbmesser zunimmt. Sezt man den Halbmesser der Vorderräder einer Locomotive = 2′, die Höhe h des Spurkranzes = 2 Zoll oder 1/6 Fuß, den Bahnhalbmesser = 500′ und nimmt die Höhe s des Schwerpunktes über der Bahn zu 5′ an, so findet man durch Substituirung dieser Werthe in die lezte Formel für eine sechsräderige Locomotive v = 462 4/5 Fuß und für eine vierräderige v = 553¾ Fuß zum Zeichen, daß unter Voraussezung einer gleichförmigen ununterbrochenen Reibungsfläche ein Austreiben der Wagen aus den Schienengeleisen auch in Krümmungen von kleinen Halbmessern nie stattfinden konnte. VI. Wie läßt sich für eine gegebene Geschwindigkeit und einen gegebenen Krümmungshalbmesser sowohl der Einfluß der Fliehkraft, als auch der unter (I) angeführte Nachtheil beseitigen? Ein einfaches Mittel, um der Centrifugalkraft in Eisenbahncurven entgegenzuwirken, besteht bekanntlich darin, daß man die äußere Bahnschiene höher legt als die innere, und zwar um so viel, daß die nunmehr in Thätigkeit kommende Schwerkraft, welche der Last ein Bestreben gegen den Mittelpunkt der Krümmung hin gibt, die Centrifugalkraft gerade aufwiegt, oder was dasselbe ist, daß die Resultante aus der Centrifugalwirkung und der Schwerkraft auf der durch die Schienenoberflächen gelegt gedachten schiefen Ebene senkrecht steht. Um die Größe der Erhöhung der äußeren Bahnschiene, welche offenbar von der Geschwindigkeit und dem Halbmesser der Krümmung abhängt, zu ermitteln, nehme man Fig. 4 zu Hülfe, die den Querschnitt der Eisenbahn in einer Curve vorstellen möge; c sey die äußere, a die innere Bahnschiene. Denkt man sich von c aus quer über die Bahn nach a eine gerade Linie a c, dann eine Senkrechte b c gezogen und auf diese von a aus das Perpendikel a b gefällt, so ist b c die Erhöhung der äußeren Bahnschiene über die innere. Man kann nun den auf den Schienen a und c ruhenden Wagen als eine Last betrachten, die auf der schiefen Ebene a b c liegt, und ein gewisses Bestreben, gegen den Mittelpunkt der Curve hin herabzusinken äußert, dessen Werth nach den bekannten Gesezen der schiefen Ebene zu berechnen ist. Dieses Bestreben soll der in der Richtung des Halbmessers parallel zu a b thätigen Centrifugalkraft entgegenwirken und dieselbe gleichsam neutralisiren. Demnach muß die Centrifugalkraft derjenigen parallel zur Basis wirkenden Kraft gleich seyn, welche die Last auf der schiefen Ebene im Gleichgewichte hält. Bezeichnen wir diese Kraft mit P, das Gewicht der bewegten Masse mit Q, die Spurweite der Bahn wie bisher mit b, die gesuchte Erhöhung b c der äußeren Bahnschiene mit x und den Neigungswinkel c a b der schiefen Ebene mit α, so ist zunächst I. P = Q tg. α und wenn man für tg. α den Werth Textabbildung Bd. 090, S. 337 einführt: Textabbildung Bd. 090, S. 337 Nun vertritt aber die Centrifugalkraft die Stelle der Kraft P, daher Textabbildung Bd. 090, S. 337 Diese Gleichung nach x aufgelöst, liefert: Textabbildung Bd. 090, S. 337 als Werth der äußeren Bahnerhöhung. Nach dieser Formel findet man, daß z. B. für einen Krümmungshalbmesser von 500′ und eine Geschwindigkeit von 26′ (4 Meilen in der Stunde) die Erhöhung der äußeren Bahnschiene 3,8 Zoll betragen müßte, um den Einfluß der Fliehkraft aufzuheben. Geht man, wie de Pambour und andere Techniker, von der Annahme aus, die Centrifugalkraft wirke in der Richtung der Länge, anstatt parallel zur Basis der geneigten Ebene — ein Fehler von kaum bemerbarem Einfluß — so erhält man statt der Formel (IV) einen einfacheren Ausdruk. Es ergibt sich nämlich, da die Gleichung (I) nun in P = Q. sin α übergeht, anstatt der Gleichung (III) die einfachere Textabbildung Bd. 090, S. 337 woraus Textabbildung Bd. 090, S. 337 Soll indessen der Gleichgewichtszustand zwischen Schwungkraft und Schwerkraft, um daraus den in Rede stehenden Höhenunterschied beider Bahnschienen herzuleiten, mit größerer mathematischer Schärfe bestimmt werden, so muß man in horizontalen Curven die Richtung der Schwungkraft als horizontal oder als parallel zur Basis der geneigten Ebene annehmen, und selbst die Reibung der Räder an der Schienenoberfläche dürfte in diesem Falle nicht unberüksichtigt gelassen werden. Durch die (IV und V) angegebene Höherlegung der äußeren Bahnschiene in Bahncurven ist zwar die Fliehkraft unschädlich gemacht, dagegen jener im ersten Abschnitt beleuchtete, aus der starren Verbindung je zweier Räder in Bahncurven entspringende Nachtheil des Schleifens noch unbeseitigt. Unter welchen Bedingungen nun die Erhöhung der äußeren Bahnschiene benüzt werden kann, um auch diesen Nachtheil zu beseitigen, soll nun entwikelt werden. In den bisherigen Berechnungen hatten wir die Radfelgen als vollkommen cylindrisch angenommen. In Berüksichtigung der Bahncurven und um das Anstreifen der Spurkränze an den Bahnschienen überhaupt möglichst zu vermindern, gibt man jedoch den Rädern in neuerer Zeit in der Regel einen von innen nach außen konisch sich verjüngenden Felgenkranz. Wenn nun in einer Curve die Centrifugalkraft den Wagen nach der äußeren Seite hinzieht, so kommt das Rad an dieser Seite auf eine Kranzperipherie von größerem Durchmesser zu liegen und adjustirt sich von selbst nach der Verschiedenheit der Peripherien der äußeren und inneren Bahnschienen, so daß es ohne zu schleifen fortrollt. Außerdem erhält dadurch der Wagen eine etwas geneigte, der Centrifugalkraft entgegenwirkende Lage. Wie groß der Unterschied beider Raddurchmesser seyn muß, damit der erwähnte Erfolg erzielt werde, läßt sich leicht ermitteln. Sollen beide an einer Achse festgekeilte Räder ohne Zwang und Schleifen auf einer Curve rollen, so müssen sich ihre Durchmesser verhalten, wie die zu ihrem Schienenbogen gehörigen Halbmesser. Bezeichnet nun R den mittleren Krümmungshalbmesser der Bahncurve, b die Spurweite der Bahn, d′ den Durchmesser des inneren Rades, d den des äußeren Rades, so ist der Halbmesser des äußeren Schienenkreises R + b/2, derjenige des inneren R - b/2 und d-d′ drükt die Differenz beider Raddurchmesser aus. Man erhält zunächst die Proportion: d : d′ = R + b/2 : R - b/2 oder d-d′ : d = R + b/2 - (R - b/2) : R + b/2, woraus Textabbildung Bd. 090, S. 338 als die in Rede stehende Differenz der Durchmesser beider Radperipherien. Zur Herstellung dieser Differenz muß der Wagen um eine gewisse Streke zur Seite gerükt werden, deren Größe offenbar von dem Grade der konischen Verjüngung abhängt. Diese sey allgemein durch 1/a ausgedrükt (gewöhnlich beträgt sie 1/7). B, Fig. 5, stelle ein auf der äußeren Curve laufendes Rad vor, dessen Seitenverschiebung ermittelt werden soll. Anfangs laufen beide Räder auf gleichen Peripherien, deren Durchmesser b d ist. Erfolgt nun die seitliche Verrükung des Räderpaares, so steigt das äußere Rad B an der Schiene in die Höhe, während das innere Rad um die gleiche Größe herabsinkt. a b = k sey die Streke, um welche das Rad verschoben werden muß, um die verlangte Differenz zu erzielen, so hat sich offenbar das Rad um die Größe a c gehoben, der Durchmesser desselben daher sich um 2 a c vergrößert und der des inneren Rades um eben so viel sich vermindert. Demnach beträgt der Unterschied beider Räderdurchmesser d - d′ = 4 a c oder Textabbildung Bd. 090, S. 339 Nun drükt offenbar a c/a b oder a c/k den Grab der konischen Verjüngung des Felgenkranzes aus; daher ist zu sezen ac/k=1/a ac = k/a. Substituirt man diesen Werth in (VII), so ergibt sich als Werth der seitlichen Verschiebung Textabbildung Bd. 090, S. 339 In Folge dieser Verrükung erhält der Wagen zu der Neigung, welche er wegen der Differenz der Schienenhöhen bereits hat, offenbar noch eine weitere Neigung; denn er hat sich auf der äußeren Schiene um das Stük a c gehoben und auf der inneren Schiene um dieselbe Größe gesenkt. Der Wagen ist daher als auf einer schiefen Ebene ruhend anzusehen, deren Höhe den gesuchten Höhenunterschied x der äußeren und inneren Schiene nebst der eben erwähnten doppelten Größe a c bildet, und deren Länge durch die um k verkürzte Bahnbreite ausgedrükt ist. Die Neigung der schiefen Ebene ist diesem gemäß auszudrüken durch Textabbildung Bd. 090, S. 340 Um nun Schwerkraft und Centrifugalkraft ins Gleichgewicht zu sezen, ist die Gleichung herzustellen: Textabbildung Bd. 090, S. 340 woraus Textabbildung Bd. 090, S. 340 und wenn der Werth für k aus (VIII) substituirt wird: Textabbildung Bd. 090, S. 340 Obigen Ausdruk findet man in etwas anderer Form in Pambours Werk uͤber Locomotive. Diese Formel dient zur Bestimmung der Größe, um welche bei Einführung konischer Radfelgen die äußere Bahnschiene in Curven höher als die innere gelegt werden muß, unter Vernachlässigung der Reibung und unter der Annahme, daß die Fliehkraft in der Richtung der schiefen Ebene wirksam sey. Die Berüksichtigung der Reibung an den Schienen und des Umstandes, daß die Schwungkraft in der Richtung der Basis der geneigten Ebene wirksam ist, würde auf einen sehr complicirten Ausdruk führen. Nach obiger Formel hat de Pambour eine Tabelle berechnet, welche die Erhöhung der äußeren über die innere Bahnschiene in englischen Zollen für verschiedene Krümmungshalbmesser und verschiedene Geschwindigkeiten in englischen Meilen per Stunde angibt. Dieser Tabelle gemäß beträgt die Höherlegung z. B. für einen Krümmungshalbmesser von 500′ bei einer Geschwindigkeit von 10 englischen Meilen per Stunde (2,17 geographische Meilen in der Stunde oder 14 rheinländische Fuß in der Secunde) 0,57 Zoll, bei einer Geschwindigkeit von 20 englischen Meilen (4,34 geogr. Meilen oder 28′) 2,83 Zoll und bei 30 englischen Meilen Geschwindigkeit (6,51 geogr. Meilen oder 42′) 6,56 Zoll; für einen Krümmungshalbmesser von 3000′ beträgt die Höherlegung bei 10 englischen Meilen Geschwindigkeit 0,1 Zoll, bei 20 Meilen Geschwindigkeit, 0,47 Zoll, bei 30 Meilen Geschwindigkeit 1,1 Zoll u. s. w. Da die Erhöhung der äußeren Bahnschiene von der Geschwindigkeit des Betriebes abhängt, so muß natürlich vor Legung derselben eine mittlere Geschwindigkeit, unter welcher die Bahncurve befahren werden soll, festgesezt werden. Diese Erhöhung behält natürlich nur so lange ihren Werth, als die Geschwindigkeit, wonach sie berechnet ist, beobachtet wird. Nimmt ein Train eine geringere Geschwindigkeit an, so überwiegt der Einfluß der Schwerkraft den der Centrifugalkraft und die Spurkränze der Räder drüken alsdann gegen die inneren Schienen; übersteigt dagegen die Geschwindigkeit des Trains das vorgeschriebene Maaß, so üben die Spurkränze gegen die äußeren Schienen einen Druk aus. Da nun im allgemeinen die langsameren Trains die am schwersten beladenen sind, so wäre die Reibung derselben an der inneren Curve in Folge einer im Verhältniß zu der vorhandenen Schienenerhöhung zu geringen Geschwindigkeit von hemmenderem Einfluß, als die Reibung leichterer Trains an der äußeren Curve in Folge zu großer Geschwindigkeit. Aus diesem Grunde ist es rathsam, die äußere Schiene nicht höher zu legen, als zur Ausgleichung der Centrifugalwirkung bei den geringeren Geschwindigkeiten der schwereren Trains nothwendig ist. Der besseren Uebersicht wegen möge hier zum Schlüsse eine Zusammenstellung der Hauptresultate der vorangegangenen Untersuchungen folgen. 1) Derjenige Verlust an mechanischer Arbeit während des Durchgangs eines Trains durch eine Curve, welcher aus dem Umstande entspringt, daß die Peripherien je zweier an einer gemeinschaftlichen Achse festgekeilten Räder bei gleicher Rotationsgeschwindigkeit ungleiche Wege zurükzulegen haben, ist um so bedeutender, je größer die Last, die Geschwindigkeit und die Spurweite der Bahn ist, und um so geringer, je größer der Halbmesser der Curve. 2) Der Centrifugaldruk der Spurkränze gegen die äußere Schiene nimmt mit dem Quadrate der Geschwindigkeit zu und im einfachen Verhältnisse mit der Verminderung des Bahnhalbmessers ab. 3) Der Centrifugaldruk des Spurkranzes an der Vorderachse einer sechsräderigen Locomotive gewöhnlicher Stephenson'scher Construction ist mehr als 2½mal so groß, wie der an ihrer Hinterachse. 4) Der Centrifugaldruk des Vorderrades einer sechsräderigen Locomotive gewöhnlicher Construction ist mehr als doppelt so groß, wie der Centrifugaldruk des Vorderrades einer vierräderigen Locomotive. 5) Der durch die Reibung der Spurkränze an den Bahnschienen erzeugte Widerstand wächst in Eisenbahncurven mit dem Quadrate der Geschwindigkeit. 6) Der durch die Reibung der Spurkränze an den äußeren Bahnschienen erzeugte Verlust an mechanischer Arbeit wächst in Eisenbahncurven mit dem Würfel der Geschwindigkeit; und im einfachen Verhältniß mit der Verminderung des Krümmungshalbmessers. 7) Die Lage des Schwerpunktes der bewegten Massen äußert auf die Neibung, den Arbeitsverlust und die Abnüzung der Schienen in Curven einen nicht unbedeutenden Einfluß. Durch Höherlegung des Schwerpunktes können diese Nachtheile bedeutend vermindert werden. 8) Die Verminderung der Stabilität bildet keinen bestimmenden Einwurf gegen die Höherlegung des Schwerpunktes der Massen oder gegen die Construction höherer Wagen; denn selbst bei der größten erreichbaren Geschwindigkeit liegt ein Umstürzen in Folge der Schwungkraftäußerung selbst in scharfen Curven im Bereiche der Unmöglichkeit. 9) Würden die Eisenbahnschienen eine vollkommen gleichförmige und ununterbrochene Reibungsfläche darbieten, so wäre ein Austreiben der Locomotive aus der Bahn selbst in den schärfsten Krümmungen und bei der höchsten erreichbaren Geschwindigkeit unmöglich. Ohne auf ein directes Hinderniß zu stoßen, kann ein Train nicht aus dem Geleise treten, und es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß das Abspringen der Locomotive von den Schienen in der Regel an einer Stoßfuge stattfindet. Die correcte Beschaffenheit der Stoßfugen ist ein für die Sicherheit des Transportes äußerst wichtiger Punkt. 10) Die Gefahr des Austreibens in Curven vermindert sich mit der Vergrößerung des Krümmungshalbmessers und zwar im Verhältniß der Quadratwurzel aus demselben; sie vermindert sich ferner je höher die Spurkränze der Räder sind; dagegen nimmt die Gefahr zu, je größer der Halbmesser der Räder ist, und je näher der Schwerpunkt der Locomotive nach der Vorderachse hinfällt. 11) Vierräderige Locomotive gewähren in Bahncurven rüksichtlich des Austretens aus den Schienen etwas größere Sicherheit, als sechsräderige. 12) Der Einfluß der Centrifugalkraft in Bahncurven läßt sich für eine festgesezte Geschwindigkeit durch Höherlegung der äußeren Schiene vernichten und der unter (1) angeführte Nachtheil läßt sich durch die konische Gestalt der Radfelgen beseitigen. Frankfurt a. M., den 24. Sept. 1843.

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