Titel: Bericht über eine neue Flachsspinnmaschine; von W. K. Westly, Flachsmaschinist zu Leeds.
Fundstelle: Band 90, Jahrgang 1843, Nr. LXXVI., S. 351
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LXXVI. Bericht uͤber eine neue Flachsspinnmaschine; von W. K. Westly, Flachsmaschinist zu Leeds. Aus dem London Journal of arts. Okt. 1843, S. 208. Mit einer Abbildung auf Tab. V. Westly's Bericht über eine neue Flachsspinnmaschine. Das Bandgespinnst (sliver roving) ist eine neue Erfindung, auf welche die Flachsspinnerei durch die eigenthümliche Natur des Materials selbst hingewiesen wurde. Es ist bekannt, daß die klebrige Substanz der Pflanze durch Wasser erweicht und durch Hize wieder hart gemacht werden kann. Diese Thatsache ist benüzt worden, um ein Gespinnst ohne alle Drehung, d. h. in Gestalt eines Bandes hervorzubringen, in welchem die Fasern durch den Kleberstoff zusammengehalten werden, der denselben eigenthümlich seyn kann, oder denselben künstlich beigebracht wird. Das Bandgespinnst besizt im trokenen Zustande alle erforderliche Zähigkeit; wird es aber in der Spinnmaschine wieder angefeuchtet, so läßt es sich mit geringem Kraftaufwande zu Garn streken. In der Skizze Fig. 32 stellt a die Strekwalze der Spinnmaschine an der Vorderseite des üblichen Kammes dar; b ist die Preßwalze; c ein kleiner Wassertrog; d ein durch Dampf erwärmter Cylinder; e eine glatte Eisenwalze zum Aufwikeln; f eine auf dieser Walze loker liegende Spule, die sich vermöge ihrer Friction mit der Walze dreht. Das durch die punktirte Linie angedeutete Band nimmt von den Strekwalzen a, b aus seinen Weg durch das in dem Troge c befindliche Wasser, welches das Harz der Fasern erweicht, von da um den Cylinder d, der das Band troknet und dasselbe in einem harten und zähen Zustande der Spule f übergibt, auf welcher es sich aufwikelt. Dieses ist der ganze zur Erzeugung des Bandgespinnstes erforderliche Mechanismus, der alle die complicirten Einrichtungen der gewöhnlichen Spinnmethode überflüssig macht. Die Maschine wird nun ohne Vergleich dauerhafter und ist leichter zu handhaben; sie erfordert nur die halbe Kraft und nimmt ungefähr nur die Hälfte des Raumes ein. Ein Gestell von 48 Spulen ist nur 6 Fuß lang und liefert für 1200 Spinnspindeln hinreichendes Gespinnst. Die Maschine ist sehr allgemein in ihrer Anwendbarkeit, indem sie sich in gleichem Maaße sowohl für schwere als auch für feine Gespinnste eignet. Beim gewöhnlichen Spinnen sezt außer andern Umständen der Faden dem Grade, bis auf welchen ein Material von gegebener Feinheit gesponnen werden kann, eine Gränze; denn die zur Erzeugung eines Gespinnstes von der erforderlichen Cohäsion nöthige Quantität Garnes nimmt in dem Maaße zu, als die Anzahl der dieses Gespinnst bildenden Fasern abnimmt, bis sie sich so sehr anhäuft, daß sich die Fasern nicht mehr regelmäßig streken können, oder beim Streken zerreißen. Beim Bandspinnen dagegen hat es keine Schwierigkeit ein Gespinnst von beinahe beliebiger Feinheit zu liefern. Beim Bandspinnen wird es leicht, auf der Spinnmaschine ein doppeltes oder dreifaches Gespinnst zu liefern. Der große Vortheil dieser Operation ist in der Baumwollspinnerei längst bekannt und praktisch erzielt, was bei der Flachsspinnerei seither noch nicht der Fall war. Das Bandgespinnst, so sein es auch seyn mag, ist vollkommen dicht, zäh und compact; wenn die Fasern einmal gerade gelegt sind, so können sie sich nachher nicht mehr kräuseln, und da sie genau in der Lage, worin sie die Kämme verlassen, in Garn verwandelt werden, ohne alles Kräuseln und ohne Verschlingungen in Folge der Drehung, so wird die unelastische Beschaffenheit des Materials nicht beeinträchtigt, und das Garn erlangt vorzüglichen Glanz und Glätte. Das Bandgespinnst wird mit weniger Kraftaufwand gestrekt, als das gedrehte Gespinnst, und veranlaßt daher nicht so leicht Verschlingungen (snarls) im Garn, es besizt aber in Folge des Umstandes, daß es nicht gedreht ist, noch einen andern Vortheil. Da die Flachs- und Hanffasern von verschiedener Länge sind, so hält eine gleichmäßige Drehung derselben natürlich die längeren Fasern wirksamer zurük als die kürzeren, welche daher das Bestreben haben, dikere Stellen im Garn zu bilden. Von diesem Uebelstande ist das Bandgespinnst vollkommen frei. Bei der Spinnmaschine leitet man einen Vortheil aus der quetschenden Wirkung der zurükhaltenden Walzen: man nimmt nämlich an, der Druk spalte die Fasern, und mache sie dadurch feiner; es ist aber bei einem gedrehten Gespinnste einleuchtend, daß ein Theil jeder Faser dieser Wirkung entgehen muß, indem sie sich um den Körper des Gespinnstes wikelt und folglich die Fasern sich nur theilweise spalten können. Dieser Umstand führt ein neues ernstliches Uebel herbei; eine gespaltene Faser hat immer an dem gespaltenen Theil ein Ende länger als das andere, das längste Ende kommt daher zuerst an der Strekwalze an. Ist nun die Faser nicht ihrer ganzen Länge nach gespalten, so wird, wenn die Strekwalze das längere Ende derselben ergreift, das kürzere Ende in einen Knoten gezogen; denn ihr vorderes Ende wird durch die Adhäsion der benachbarten Fasern zurükgehalten, während ihr hinteres Ende vorwärts gezogen wird, indem es noch an der ursprünglichen Faser festhängt. Beim bandförmigen Gespinnst dagegen sind die vollkommen gerade und parallel liegenden Fasern gleichmäßig der Wirkung der Walzen ausgesezt und spalten daher gleichförmig vom einen Ende bis zum andern. Die Bandspinnmaschine kann bei ihrer weit einfacheren Construction rascher arbeiten als jede Spinnmaschine anderer Art; aber auch wenn sie mit gleicher Geschwindigkeit arbeitet, so producirt sie doch um 20 bis 30 Procent mehr, weil sie beim Abnehmen der vollen Spulen, um dieselben durch leere zu ersezen, nie angehalten zu werden braucht. Jede Spule hat ihre eigene, von den übrigen unabhängige regulirende Bewegung, welche stets genau ist und nicht von neuem adjustirt oder den verschiedenen Diken des Gespinnstes angepaßt zu werden braucht. Dieser Umstand sezt den Arbeiter in den Stand, so viele Gattungen oder Nummern des Garns gleichzeitig zu spinnen, als Spulen in dem Rahmen enthalten sind, wogegen er bei der gewöhnlichen Maschine gleichseitig nur eine Garnnummer spinnen kann; jede andere Garnnummer erfordert eine neue Adjustirung des Mechanismus, und diese Aenderungen sind ohne Verlust an Zeit und Material nicht ausführbar.

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