Titel: Ueber die Anwendung der chlorigen Säure zur Beschleunigung des photographischen Processes; von Hrn. Belfield-Lefèvre.
Fundstelle: Band 90, Jahrgang 1843, Nr. C., S. 449
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C. Ueber die Anwendung der chlorigen Saͤure zur Beschleunigung des photographischen Processes; von Hrn. Belfield-Lefèvre. Aus den Comptes rendus, 1843, 2tes Semester, Nr. 17. Belfield, über Daguerreotypie. Sezt man die zur Aufnahme des Bildes in der Camera obscura bestimmte jodirte Platte der Einwirkung reinen chlorigsauren Gases aus, so wird dasselbe absorbirt und die Empfindlichkeit der Jodschicht dadurch beiläufig im Verhältniß von 1 zu 180 erhöht. Um das Maximum der Empfindlichkeit zu erzielen, braucht man nur die jodirte Oberfläche 90 Secunden lang einer 2/1000 ihres Volums chlorigsauren Gases enthaltenden Atmosphäre auszusezen. Eine längere Einwirkung einer mehr chlorigsaures Gas enthaltenden Atmosphäre erhöht die Empfindlichkeit der das Bild aufnehmenden Schicht nicht, hat aber auch keinen der Nachtheile zur Folge, welche ein kleiner Ueberschuß der anderen beschleunigenden Substanzen gewöhnlich mit sich führt. Die Empfindlichkeit der mit chlorigsaurem Gas gesättigten Jodsilberschicht schien uns stets vollkommen constant zu seyn. Wir sind daher zu hoffen berechtigt, daß die Photometrie hiedurch ein neues Mittel gewinnt, um die chemische Wirkung der Lichtstrahlen zu messen. Die Anwendung der chlorigen Säure in der Photographie gewährt überdieß noch den großen Vortheil, daß sie jene vollständige Reduction des Jodsilbers, welche die blaue Färbung hervorbringt, nicht zuläßt. Die erzeugten Bilder machen Uebergänge, aber verbrennen nicht; mit andern Worten, die Reduction hält bei den starken Lichtern inne, sobald sie ihre volle Stärke erreicht haben; wird aber die Einwirkung des Lichtes in der Camera obscura über diese Gränze hinaus verlängert, so fährt die Reduction in den Mitteltinten und Schatten zu wirken fort, bis im ganzen Bilde das Ebenmaaß hergestellt ist. Diese Wirkung der chlorigen Säure scheint uns leicht erklärbar. Von der, wie wir wissen, aus Kohlenwasserstoff und Jodsilber bestehenden bildempfangenden Schicht im Dunkeln absorbirt, kann das chlorigsaure Gas weder auf den einen, noch auf den andern dieser zwei Bestandtheile einwirken. Die Jodschicht kann folglich einem Uebermaaß von chlorigsaurem Gas ausgesezt werden, ohne daß dadurch, wie von einem Uebermaaß freien Chlors oder Broms, Nachtheile zu befürchten wären; leztere Substanzen, rein angewandt, reagiren nämlich auf den Kohlenwasserstoff, wobei sie Wasserstoffsäuren bilden, und auch auf das Jodsilber durch Bildung von Chlor- und Brom-Verbindungen. Substituirt man aber dem Chlor eine Sauerstoffverbindung desselben, so kann man immer das Maximum der Empfindlichkeit der bildempfangenden Schicht erreichen und zwar ein ziemlich constantes Maximum. Bei Einwirkung des Lichts reagiren die chlorige Säure und der Kohlenwasserstoff auf einander durch doppelte Wahlverwandtschaft. Das Chlor der Säure verbrennt allen Wasserstoff des Kohlenwasserstoffs, womit es Chlorwasserstoffsäure bildet, und der Sauerstoff verbrennt einen Theil des Kohlenstoffs, während der übrige Kohlenstoff auf Kosten des reducirten Jodsilbers ein Jodcarburetum bildet. Das Endresultat des Processes ist also die Reduction des Jodsilbers durch den freiwerdenden Kohlenstoff. Die außerordentliche Schnelligkeit, womit sich bei Anwendung von chloriger Säure das Bild erzeugt, scheint uns dadurch genügend erklärt zu seyn. Um des Erfolgs gewiß zu seyn, ist es nothwendig und hinreichend, daß die Quantität des absorbirten Chlors allen Wasserstoff des Kohlenwasserstoffs zu verbrennen vermag. Ein Uebermaaß würde unter dem Einfluß des Lichts auf das Jodsilber reagiren und auf das Bild als ein perlmutterartiger, schillernder und von den Umrissen des Bildes selbst begränzter, weißer Flek übergehen. Wir haben (polytechn. Journal Bd. XC S. 68) gesagt, daß bei der Bildung des Daguerre'schen Bildes zu gleicher Zeit Oxydation oder Verharzung der obern organischen Schicht und Reduction der tiefern Schicht stattfinde. Substituirt man nun dem Chlor oder Brom eine ihrer Sauerstoffverbindungen, so verwandelt man, und so soll es seyn, die Oxydation der organischen Substanz in eine vollkommene Verbrennung und diese Modification in der chemischen Wirkung zieht nothwendig entsprechende Modificationen im erzeugten Bilde nach sich; wirklich bleibt bei den gewöhnlichen Verfahrungsweisen, nachdem das Bild durch die Einwirkung des Lichts in der Camera obscura sich gebildet hat, auf der Oberfläche des theilweise reducirten Jodsilbers ein pulveriges Harz zurük, welches bei länger fortgesezter Einwirkung des Lichts die Reduction vollendet, und bei der Verdichtung des Queksilberdampfs auf der Platte verzögert dieses zwischen demselben und dem Jodsilber gelagerte Harz die Reduction eine Zeit lang. Nimmt man aber chlorige Säure statt des Broms, so daß eine Verbrennung des Kohlenwasserstoffs anstatt der bloßen Oxydation erfolgt, so muß die Reduction des Jodsilbers in der Camera obscura aufhören, sobald kein freier Kohlenstoff mehr vorhanden ist, der sie bewirkt, und das Bild unter dem Queksilberdampf erscheinen, sobald sich lezterer auf der Oberfläche der Platte verdichtet, was auch wirklich stattfindet. Bei Anwendung der chlorigen Säure kann man folgendermaßen verfahren: man läßt krystallisirtes chlorsaures Kali bei gelinder Wärme in einer Porzellanschale schmelzen. Nach dem Erkalten der glasartigen Masse bringt man ein paar größere Stüke derselben, etwa 4 bis 5 Decigramme, in ein Fläschchen von ungefähr 1 Centiliter Rauminhalt, gießt 4 bis 5 Gramme reiner concentrirter Schwefelsäure darauf und hebt die Mischung, sorgfältig vor Licht geschüzt, auf; das Fläschchen ist bald von chlorigsaurem Gas erfüllt, welches man vermittelst einer kleinen gläsernen Saugpumpe aufsaugt, um es in die Brombüchse zu injiciren, nach dem von Hrn. Choiselat (polytechn. Journal Bd. LXXXIX S. 363) für die Anwendung des Bromoform angegebenen sinnreichen Verfahren. Ein Kubikcentimeter Gas wird für einen Quadratdecimeter jodirter Fläche so ziemlich das richtige Verhältniß seyn. Wir glauben auch unser Verfahren bei der Präparirung der organischen Schicht angeben zu müssen, da sie, nach unserm Dafürhalten, auf den Erfolg der darauffolgenden Operationen von dem größten Einfluß ist. Man überstaubt die Silberoberfläche mit Tripel, läßt einige Tropfen frisch destillirtes Lavendelblüthenöhl darauf fallen und polirt die Platte sodann mit einem Baumwollbäuschchen, bis sie mit einer gleichförmigen Schicht einer schwärzlichen Schmiere bedekt ist. Man nimmt nun mit einem frischen Baumwollbäuschchen und unter abermaligem Zusaz von Tripelpulver die gebildete Schmiere weg und beschließt die Operation, sobald die Silberfläche rein schwarz und glänzend erscheint. In diesem Zustand verdichtet die Metallfläche den Hauch zu einem gleichförmigen, weißen, matten und durchscheinenden Schleier. Mit ihrem zehnfachen Volum Wasser verdünnte Salpetersäure würde sie nicht benezen; ein Tropfen Schwefelsäure aber, den man mittelst eines Amianthbäuschchens darauf ausbreitet, würde sich braun färben.