Titel: | Berechnungen über Whitelaw's und Stirrat's horizontales Wasserrad; von Eduard Haenel, Ingenieur. |
Fundstelle: | Band 91, Jahrgang 1844, Nr. XXVIII., S. 111 |
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XXVIII.
Berechnungen uͤber Whitelaw's und Stirrat's horizontales Wasserrad;
von Eduard Haenel,
Ingenieur.
Aus der Allgem. Zeitung fuͤr National-Indust. u.
Verk. 1843, Nr. 97 u. 98.
Haenel's Berechnung. üb. Whitelaw's u. Stirrat's horiz.
Wasserrad.
Die günstigen Resultate, welche Whitelaw's und Stirrat's Wasserräder (beschrieben und abgebildet im
polytechnischen Journal Bd. LXXXVIII S. 106) in England gegeben haben, und die einfachere
Herstellung und Instandhaltung in Vergleich zu den Turbinen Fourneyrons, berechtigen mich zu der Ueberzeugung, daß auch in Deutschland
derartige Räder zur Ausführung kommen werden.Was auch, wie ich glaube, schon der Fall in Tetschen (Boͤhmen) ist, wo
die HHrn. Jordan und Barber ein derartiges Rad kuͤrzlich eingesezt und damit
sehr schoͤne Resultate erzielt haben.
Bei meinem Aufenthalte in England hatte ich Gelegenheit solche Räder zu sehen und mir
die Dimensionen mehrerer zu verschaffen. Tabelle I gibt diese Dimensionen, und ich
werde weiter unten daraus einige praktische Folgerungen ziehen, welche als
Anhaltspunkte für diejenigen dienen sollen, welche Gelegenheit haben, derartige
Räder auszuführen. Das Princip der Kraftäußerung dieses Wasserrades ist die Reaction
des Wassers und fällt mit dem Princip des Segner'schen
Wasserrades (in England unter dem Namen Barker's water
mill bekannt) zusammen, nur mit dem Unterschiede, daß anstatt hier das
Wasser in radialen Röhren oder Armen, die an ihren Enden horizontal rechtwinkelig
gebogen sind, nach der Ausflußöffnung geleitet wird, dort diese Röhren oder Canäle
eine solche Curve haben, daß das Wasser, während sich das Rad bewegt, radial nach
den Ausflußöffnungen gelangt, ohne daß ein Verlust an lebendiger Kraft stattfindet,
wie dieß bei radialen Canälen der Fall ist; und hierin ist, meines Dafürhaltens,
auch der Grund zu suchen, weßhalb man mit Whitelaw's und
Stirrat's Wasserrad bei weitem günstigere Resultate
erlangt, als bei Anwendung eines gewöhnlichen Segner'schen Reactionsrades. Die Dimensionen nachstehender Tabelle sind engl.
Maaß, was auch durchgehends beibehalten worden ist.
Tabelle A.
a.
b.
c.
d.
e.
f.
g.
Nummer des Rades.
Hoͤhe des Gefaͤlles in Fußen.
Durchmesser des Rades von Mittel zu Mittel
der Ausflußoͤffnungen in Fußen und Zollen.
Gesammtquerschnitt der Ausflußoͤffnungen in
Quadratzollen.
Anzahl der Umdrehungen r s
Rades pe
Minute.
Wasserzufluß per Minute in
Kubikfuß.
Nuzeffect in Pferdekräften à 33000 Fuß per Minute
Bemerkungen.
1
30′
7′
5″
76,97
90
1300
59
2
Arme
2
10′
12′
6″
127,23
33
1300
18
2
—
3
30′
6′
0″
26,82
120
470
20
3
—
4
40′
6′
7″
7,08
120
150
8
2
—
5
50′
7′
0″
1,73
125
40
1½
1
Arme
6
10′
5″
9″
32,52
70
300
4
2
Arme
7
16′
5′
9″
32,52
85
400
9
2
—
8
37′
11′
6″
—
60
1800
95
2
—
9
30′
7′
—
90
1200
60
2
—
10
10′
14′
6″
141,76
32
1200
18
2
—
11
25′
9′
6″
—
60
725
21
—
12
8′6″
9′
—
54
—
—
4
—
Aus dieser Tabelle lassen sich nun die nöthigen Verhältnisse für die allgemeine
Construction dieser Räder berechnen, welche im Nachstehenden enthalten sind.
Textabbildung Bd. 091, S. 113
Tabelle I..; Verhaͤltniß der
dem Gefaͤlle entsprechenden theoretischen Geschwindigkeit des Wassers zur
Umfangsgeschwindigkeit des Rades oder zur Geschwindigkeit des Mittels der
Ausstroͤmungsoͤffnung.; Nummer des Rades.; Theoretische
Geschwindigkeit des Wassers.; Umfangsgeschwindigkeit des Rades.; Nummer des
Rades.; Theoretische Geschwindigkeit des Wassers.; Umfangsgeschwindigkeit des
Rades.; Nimmt man aus diesen Verhaͤltnissen das Mittel, so erhaͤlt
man: die theoretische Geschwindigkeit des Wassers verhaͤlt sich zur
Umfangsgeschwindigkeit des Rades wie 1 : 0,84. Tabelle II.; Verhaͤltniß
der theoretischen Ausflußoͤffnung zur effectiven Ausflußoͤffnung.;
Nummer des Rades.; Theoretische Ausflußoͤffnung.; Wirklich vorhandene
Ausflußoͤffnung.; Nummer des Rades.; Theoretische
Ausflußoͤffnung.; Wirklich vorhandene Ausflußoͤffnung.; Nimmt man
hier ebenfalls das Mittel, so ergibt sich: die theoretisch berechnete
Ausflußoͤffnung verhaͤlt sich zu der wirklich vorhandenen wie 1 :
1,07.
Tabelle III.
Verhaͤltniß des theoretischen
Kraftmomentes zum wirklichen Nuzeffect.
NummerdesRades.
TheoretischesKraftmoment.
WirklicherNuzeffect.
NummerdesRades.
TheoretischesKraftmoment.
WirklicherNuzeffect.
1
1
0,80
7
1
0,75
2
1
0,74
8
1
0,76
3
1
0,75
9
1
0,88
4
1
0,70
10
1
0,80
5
1
0,67
11
1
0,60
6
1
0,71
12
—
—
Man erhält im Mittel: das theoretische Kraftmoment verhält sich zum wirklichen
Nuzeffect wie 1 : 0,75.
Aus vorstehenden Tabellen lassen sich folgende Folgerungen ziehen, welche bei
Erbauung solcher Räder Berüksichtigung verdienen, indem dieselben aus der Erfahrung
abgeleitet sind.
1) Die Umfangsgeschwindigkeit des Rades beträgt nach Tab.
I 0,84 der theoretischen Geschwindigkeit des Wassers, oder durch Formel
ausgedrükt, findet man die Anzahl der Umgänge eines Rades, wenn dessen Durchmesser
und die Gefällhöhe des Wassers gegeben ist, zu: Anzahl der Umgänge des Rades per Min. = Textabbildung Bd. 091, S. 114Höhe des Gefälles; Durchmesser
des Rades
2) Eben so ergibt sich die dem Rade zu gebende Ausflußöffnung aus Tab. II zu:
Gesammtquerschnitt der Ausflußöffnungen des Rades = Textabbildung Bd. 091, S. 114Wassermenge per Secunde; Höhe
des Gefälles
welches Ergebniß durch die Anzahl der Arme oder Canäle, die
man dem Rade geben will, dividirt werden muß, um den Querschnitt der Ausflußöffnung
jedes einzelnen Armes oder Canales zu erhalten.
3) Bei Berechnung des Nuzeffectes eines solchen Rades ist es rathsam, um sich nicht
zu täuschen, 70 Proc. des theoretischen Kraftmoments anzunehmen, anstatt 75 Proc.,
wie Tab. III ausweist. Demnach Nuzeffect in
Pferdekräften =
Textabbildung Bd. 091, S. 115
Wassermenge per Minute; Höhe des
Gefälles
Den inneren Durchmesser des Rades findet man, wenn die Kreisfläche, welche mit diesem
Durchmesser berechnet wird, zehnmal größer als der Gesammtquerschnitt der
Ausflußöffnung ist; und leitet sich derselbe aus (2.) wie folgt ab:
4) Innerer Durchmesser des Rades =
Textabbildung Bd. 091, S. 115
Wassermenge per Secunde; Höhe des
Gefälles
Dieses Verhältniß habe ich durch Nachrechnung einiger Räder gefunden, und trifft es
auch mit den eigenen Angaben des Hrn. Stirrat überein.
Hat der Erbauer eines solchen Rades freies Spiel in den Dimensionen desselben, so
ist es ein gutes Verhältniß, wenn man den äußeren Durchmesser des Rades dreimal so
groß als den inneren macht.
5) Aeußerer Durchmesser des Rades =
Textabbildung Bd. 091, S. 115
Wassermenge per Secunde; Höhe des
Gefälles
Sind aber die Umgänge des Rades gegeben, wie dieß häufig der Fall seyn kann, wo das
Rad einem schon bestehenden gangbaren Zeuge angepaßt werden muß, und weßhalb sich
auch die verschiedenen Durchmesser der Räder in Tab. A erklären lassen, so findet
man dessen Durchmesser aus (1.) zu (6.).
Aeußerer Durchmesser des Rades =
Textabbildung Bd. 091, S. 115
Höhe des Gefälles; Anzahl der
Umgänge des Rades per Minute
Für den Querschnitt des Wasserzuleitungscanales sollte man wenigstens den des inneren
Rades nehmen, oder wenigstens zehnmal größer als der Gesammtquerschnitt der
Ausflußöffnungen des Rades; besser ist es, wo es die Umstände und Localitäten
gestatten, dasselbe größer anzunehmen, indem so weniger Gefällverlust stattfindet,
welcher auf die Bewegung des Wassers in diesen Zuleitungscanal verwendet werden
muß.
Nochmals wiederhole ich, daß alle hier gegebenen Verhältnisse in engl. Maaß
ausgedrükt sind, und daß auch dieses Maaß, so wie gleiche Maaßeinheiten in
vorstehenden Formeln substituirt werden müssen, um die gewünschten Resultate zu
erhalten.
Als Probe, ob die gegebenen Formeln Stich halten, soll nach denselben das Rad Nr. 7
Tab. A berechnet werden.
Gegeben ist:
Höhe des Gefälles
=
16′.
Wasserzufluß per Min.
=
400
Kubikf.
Anzahl der Umgänge
=
85
per Min.
Zu finden ist:
Aeußerer Durchmesser des Rades nach (6.).
Gesammtquerschnitt der Ausflußöffnungen nach (2.).
(6.) Aeußerer Durchmesser des Rades = Textabbildung Bd. 091, S. 116
(2.) Gesammtquerschnitt der Ausflußöffnungen =
Textabbildung Bd. 091, S. 116
= 0,215 □′ = 31 □″.
Ferner das Rad Nr. 3 Tab. A.
Gegeben:
Gefälle = 30′.
Wassermenge per Min. 470 Kubikf.
Anzahl der Umgänge = 120 per Min.
Zu finden:
Aeußerer Durchmesser nach (6.).
Gesammtquerschnitt der Ausflußöffnungen nach (2.).
(6.) Aeußerer Durchmesser = Textabbildung Bd. 091, S. 116
(2.) Gesammtquerschnitt der Ausflußöffnungen =
Textabbildung Bd. 091, S. 116
= 0,191 □′ = 27,5 □″.
Man ersieht hieraus, daß die gegebenen Formeln möglichst nahe mit der Praxis
zusammenfallen und man keine großen Irrthümer begehen wird, wenn man nach denselben
die Dimensionen solcher Wasserräder bestimmt.
In einem späteren Aufsaze werde ich die specielle Construction dieser Wasserräder
behandeln. Wie hier, so werde ich auch dort denen, welche diese Abhandlung zur
Erbauung von derlei Rädern benuzen wollen, zurufen: Prüfet Alles und das Beste
behaltet.