Titel: Ueber die Maaßregeln, welche zur Einführung einer allgemein gültigen Normal-Branntweinwaage in Bayern ergriffen worden sind; von Dr. Steinheil, königlicher Akademiker und Conservator in München.
Fundstelle: Band 91, Jahrgang 1844, Nr. LXXVIII., S. 294
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LXXVIII. Ueber die Maaßregeln, welche zur Einfuͤhrung einer allgemein guͤltigen Normal-Branntweinwaage in Bayern ergriffen worden sind; von Dr. Steinheil, koͤniglicher Akademiker und Conservator in Muͤnchen. Aus dem bayerischen Kunst- und Gewerbeblatt, 1844, Heft 1. Steinheil, über Normal-Branntweinwaagen. In den meisten Ländern des Zollverbandes, namentlich in Preußen, besteht seit längerer Zeit die Tralles'sche Senkspindel als gesezlich gültige Branntweinwaage. Bei uns in Bayern war diese weniger im Publicum verbreitet. Man bediente sich meistens sogenannt Baumé'scher oder Richter'scher Spindeln, die aber nicht selten nach Bestellung und Bedarf mit größern oder kleinern Scalen versehen wurden. So konnte es nicht fehlen, daß daraus eine Masse von Streitigkeiten hervorging, die schwer zu entscheiden blieben, und daß oft der Unkundige übervortheilt wurde. Diesem Uebelstande hat unsere königliche Regierung durch Verordnung vom 16. August 1842 abgeholfen, indem sie auch für Bayern die Tralles'sche Senkspindel in Verbindung mit der durch mich bearbeiteten Reductionstafel als gesezlich gültige Branntweinwaage einführt und den akademischen Approbationsstempel auf jedem Instrumente vorschreibt. Da über die Gründe, aus welchen man von der Form der Tralles'schen Reductionen abgegangen ist, noch nichts veröffentlicht wurde, so dürfte es nicht ungeeignet seyn, dieß jezt nachzuholen und zugleich die Principien zu entwikeln, nach welchen sowohl die Steinheil'sche Reductionstafel, als die Normal-Aräometer construirt wurden. Die Genauigkeit der Tralles'schen Tafeln ist für technische Zweke vollkommen ausreichend. Die Unsicherheit geht selten über 0,1 Proc., was mit der Senkspindel ohnedieß aus andern Gründen nie verbürgt werden kann. Von dieser Seite erscheint seine Arbeit daher ganz befriedigend. Allein sie befriedigt nicht in anderer Beziehung. Seine Tafeln erstreken sich nur bis zu 90 Proc. Alkohol, während gegenwärtig noch stärkerer im Handel vorkömmt. Er hat die Temperaturangaben nach Fahrnheit'schen Graden gewählt, während bei uns die 80theilige Réaumur'sche Scala landesüblich ist. Er hat die Argumente der Tafel in so großen Intervallen fortschreiten lassen, daß die Interpolation für Zwischenwerthe wirklich mühsam ist, da die Tafeln doppelten Eingang haben und selbst in einzelnen Fällen die zweiten Differenzen berüksichtigt werden müssen. Er hat endlich für sehr verschiedene Fälle Tafeln gegeben, je nachdem man bei der Temperatur des Probens oder bei der Normaltemperatur von 12°,44 Réaum. den Weingeist ausmißt, je nachdem man sich der Senkwaage mit Gewichten oder der Senkspindeln bedient und bei leztern wieder unterschieden, je nachdem die Senkspindel von Glas oder von Messing ist. Bedenkt man aber, daß diese Arbeit auch ungebildeten Branntweinverkäufern zugänglich seyn soll, so wird man die Form, welche Tralles wählte, nimmermehr billigen können. Der Ungebildete soll unterscheiden, welche unter den sieben gegebenen Reductionstafeln gerade auf den vorliegenden Fall paßt; er soll mit doppeltem Eingange interpoliren und in manchen Fällen sogar die zweiten Differenzen berüksichtigen! Das ist zu viel verlangt und macht es leicht erklärlich, daß man sich nur an die Angaben der Senkspindel hielt und die Reduction ganz vernachlässigte, wobei aber freilich dem Betruge die Thore geöffnet sind, da ohne Rüksicht auf Temperatur Abweichungen von 12 Proc. und mehr vorkommen können. Es scheint daher nöthig, die Untersuchungen von Tralles in eine einfache, dem gemeinen Manne zugängliche Form zu bringen und ihnen die in Praxi vorkommende Ausdehnung zu geben. Aus diesem Gesichtspunkte wurde es für zwekdienlich erachtet: 1) nur die gläserne Senkspindel in den gewöhnlichen Fällen anzuwenden, weil Glas nicht oxydirt und allein eine unveränderte Gestalt beibehält; 2) das Thermometer der Senkspindel als Gegengewicht in leztere einzuschmelzen und mit Réaumur'scher Scala zu versehen; 3) die Scalen der Senkspindeln für 12°,4 R. nach Volumenprocenten absolut wasserfreien Alkohols bis zu 100 Proc. Alkohol zu entwerfen. Es wäre zwar mit Zuziehung einer Reductionstafel jede willkürliche Scala eben so gut. Allein da gerade solche Spindeln in den benachbarten Vereinsstaaten üblich sind, so ist kein Grund vorhanden, von diesem Gebrauche abzugehen. Volumprocente und nicht Gewichtsprocente wurden beibehalten, weil der Branntwein bei uns durchgängig abgemessen, nicht ausgewogen wird; 4) jede Zweideutigkeit über das Volumen zu entfernen, was bekanntlich sehr von der Temperatur des Weingeistes und seinem Procentgehalte abhängt. Es wurde angenommen, daß der Weingeist immer bei derselben Temperatur geprobt werde, bei welcher er ausgemessen wird. Dabei ist Rüksicht genommen auf die dem Procentgehalte zukommende Contraction des Weingeistes und des Glasgefäßes, in welches er ausgemessen wird. Alle übrigen Fälle, wo man bei andern Temperaturen sowohl probt als mißt, wo man andere Spindeln etc. gebraucht, sind ausgeschlossen, weil immer bei der Temperatur des Ausmessens auch geprobt werden kann, aber kein zweiter und dritter Fall anzunehmen nöthig ist. Die Reductionstafel muß also so eingerichtet werden, daß sie, obschon für Volumenprocente gültig, doch bei jeder Temperatur eigentlich die Gewichtsmenge absoluten Alkohols gibt, der bei der bestimmten Temperatur und bei dem Alkoholgehalt des Weingeistes in das Gefäß zum Ausmessen hineingeht; 5) den Probenden aller Rechnung zu entheben. Dieß scheint nur auf zweierlei Weise möglich. Entweder muß man den Tafeln so große Ausdehnung geben, daß alle Unterschiede, welche 0,1 Proc. ausmachen, direct in der Tafel stehen, oder man muß die Reductionen geometrisch construiren. Im ersten Falle wird die Tafel ein ganzes Buch. Ich erinnere nur an Gay-Lussac's Tafel, die doch noch Rechnung fordert und doch schon so voluminös ist, daß das Aufschlagen und Blättern Zeit fordert. Diese Form scheint daher nicht zwekmäßig. Wir wollen also die geometrische Construction näher betrachten und untersuchen, ob dieselbe nicht leichter zum Ziele führt. Unsere Aufgabe ist, für jeden Procentgehalt des Weingeistes und für jede Temperatur desselben aus der Ablesung der Senkspindelscala zu finden, wie viel absolut wasserfreier Alkohol von der Temperatur 12°,44 R. nach Volumenprocenten in einem Gefäß enthalten sey. Wir sollen also die Tafel, welche Tralles in Gilbert's Annalen Bd. 38, S. 420–421 als sechste Tafel gibt, durch eine geometrische Construction darstellen und ihr die Ausdehnung bis zu 100procentigem absolutem Alkohol geben. Theilen wir zu diesem Zwek den Verticalrand eines Papiers in 110 gleiche Theile. Schreiben wir von oben an den dritten oder vierten Theilstrich 0 und eben so an der Theilung heruntergehend, ihre Anzahl von da mit 10, 20, 30 bis 110. Schneiden wir nun dieses mit der bezeichneten Scala versehene Papier unten gerade und senkrecht auf die Scala ab. Ziehen wir auf eine zweite Papierfläche unten eine Horizontallinie und theilen wir diese in 30 gleiche Theile. Sezen wir auch hier an den dritten oder vierten Theilstrich rechts 0 und nach links fortzählend von da 5, 10, 15, 20, 25. Legen wir nun ein Lineal unter diese Horizontalscala parallel mit ihr, an das Lineal aber das Papier mit der senkrechten Scala, so kann leztere links und rechts an dem Lineale hin geschoben werden, also auch so, daß sie auf jeden Theilstrich der horizontalen Scala einsteht. Nennen wir nun die senkrechte Scala Angaben der Senkspindel, die horizontale Scala Angaben des Thermometers oder Temperaturen, so sind wir durch die beschriebene Vorrichtung in den Stand gesezt, für gewisse Temperaturen aus der genannten Tralles'schen Tafel den wahren Alkoholgehalt zu bezeichnen mit Punkten auf der Papierfläche, die mit der Temperatur-Scala versehen ist. Wir stellen z. B. die Verticalscala auf 8° der Horizontalscala. Nun zeigt die Tafel von Tralles — 0,4 als Angabe der Senkspindel für den wahren Alkoholgehalt = 0. Wir markiren also an der Verticalscala 0,4 Theile über dem 0 einen Punkt auf der Papierfläche. Eben so nach Tralles Tafel bei 9,3 Theilen der Vertical-Scala einen zweiten Punkt, der 10 Proc. wahren Alkohols entspricht. Bei 18,5 Theilen einen dritten Punkt, der 20 Proc. wahren Alkoholgehalts entspricht und so alle Werthe der Tralles'schen Tafel bis herab. Dann rüken wir die Verticalscala auf eine andere Temperatur, für die ebenfalls in Tralles Tafel die Werthe berechnet sind, und tragen diese wieder eben so von oben herab als Punkte auf die Papierfläche. Dieß sezen wir fort, immer zu andern Temperaturen übergehend, bis die Tafel von Tralles erschöpft ist. Wir haben jezt einzelne Punkte, und zwar ganze Reihen von Rechts nach Links. Die oberste Reihe gehört dem wahren Alkoholgehalte = 0 an, die zweite dem wahren Alkoholgehalte 10°, die dritte dem Alkoholgehalte 20 Proc. u. s. f. Verbinden wir nun diese Punkte, die zu demselben wahren Alkoholgehalte gehören, durch eine Linie, die möglichst stätig durch alle Punkte führt, so erhalten wir ein ganzes System solcher Curven, die dem wahren Alkoholgehalt von 0, von 10, von 20 Proc. u. s. f. zukommen. Notiren wir also rechts auf dem Papiere, auf welches wir die Linien aufgetragen haben, den entsprechenden wahren Alkoholgehalt 0, 10, 20, 30 u. s. f. und ziehen wir jezt auch für hinreichend viele Zwischenwerthe solche Linien, etwa von 1 Proc. zu 1 Proc., so sind wir nun auch im Stande, umgekehrt, für jede Angabe der Senkspindel und jede Temperatur den wahren Alkoholgehalt zu finden. Denn wir brauchen bloß die Linie, welche zusammenfällt mit dem Punkte auf der Scala, der Angabe der Senkspindel, also der Verticalscala zu verfolgen, bis sie rechts zu den Zahlen führt, die wir an die wahren Gehalte von Alkohol geschrieben haben und finden folglich den wahren Alkoholgehalt ohne Rechnung bloß durch Verstellen der Verticalscala nach der beobachteten Temperatur. Daß dieses Verschieben der Verticalscala längs eines Lineales nur zum Verständniß des Ganzen vorausgesezt wurde, ist für sich klar. Man hat statt dessen die Verticalscala in der wirklichen Reductionstafel festgestellt und die Fläche mit den Curven, also den wahren Alkoholgehalten, zum Herausziehen gemacht, wo statt des Lineales dieser Tafel oben und unten eine Führung gegeben ist. Man zieht beim Gebrauche der Reductionstafel also nur das Curvenblatt heraus bis zu der Temperatur, welche das Thermometer der Senkspindel in dem zu probenden Weingeiste zeigt, nimmt dann auf der feststehenden Verticalscala überschrieben „Angabe der Aräometer“ die Zahl von Theilen, welche das Aräometer im Weingeiste zeigt, verfolgt von diesem Punkte nach Rechts die nächstgelegene Curve bis zu den Randzahlen, überschrieben „Alkoholgehalt“, so ist dieser damit gefunden, und folglich die Aufgabe ohne alle Rechnung gelöset. Diese Schubtafel hat noch wesentliche Vortheile vor jeder Rechnung. Bei Zahlenrechnen kann man sich leicht irren; hier in der Zeichnung ist es ganz unmöglich, weil man nur einer Linie mit dem Finger zu folgen hat. Diese Borrichtung hat also für den gemeinen Mann auch den Vortheil der Anschaulichkeit. Er sieht selbst, wie viel sich der Gehalt ändert, wenn die Temperatur eine andere wird. Er übersieht die ganze Gesezmäßigkeit der Aenderungen und gewinnt daher Vertrauen. So ist also durch diese Tafel, welcher man die gehörige Ausdehnung in Temperatur und Gehalt gegeben hat, der beabsichtigte Zwek ganz erreicht, und es bleibt nur noch übrig, die Mittel anzugeben, durch welche auch die Senkspindeln unter sich übereinstimmend und richtig angefertigt wurden. Dazu hat man mehrere Weingeistsorten von verschiedenem Alkoholgehalte zusammengesezt. Der wahre Alkoholgehalt wurde durch sorgfältige und wiederholte Abwägungen auf Gewichtswaagen sehr genau ermittelt, so daß der Gehalt auf 1/100 Proc. bekannt war. Diese dem Gehalte nach genau bekannten Weingeistsorten, in großen Flaschen sorgfältig verwahrt, werden uns später dienen, die richtigen Angaben der Senkspindeln zu ermitteln. Bevor wir aber das Nähere hierüber angeben, müssen wir die Methode entwikeln, nach welcher die Scalen verfertigt wurden. Nach der Art, wie die Glasröhren zu den Aräometern verfertigt werden, ist es nur ein Zufall, wenn das Glasrohr wirklich cylindrisch und in allen Theilen gleich schwer wird; ein noch größerer Zufall, wenn 2 Aräometer für dieselbe Scala passen. Da diese praktische Schwierigkeit nicht wohl gehoben werden kann, so muß man sich entschließen, für jedes Aräometer eine eigene entsprechende Scala zu machen. Man könnte zwar auch die Scala des Aräometers willkürlich lassen und die Reductionstafel dieser Scala gemäß anfertigen; allein dadurch ist im Grunde nichts gewonnen, weil es eben so schwierig ist, die richtige Scala der Reductionstafel zu machen, als die richtige Scala des Aräometers. Wir wollen also jezt angeben, wie ein Aräometer mit richtiger Scala versehen werden könne. Wir nehmen an, das Aräometer sey so wie es aus den Händen des Glasbläsers kömmt. Oben offen, mit eingeschmolzenem Thermometer. Dieses ohne Scala. Wir senken das Aräometer vorerst in kaltes Wasser, bemerken, ob es gerade und vertical schwimmt, ob der 0 = Punkt des Thermometers nicht zu hoch oder zu tief liegt. Entspricht es diesen Proben, so wird es mit einer provisorischen Scala versehen, die nach gleichen Theilen getheilt ist. Diese Scala kann gedrukt seyn. Das Papier muß dasselbe seyn, aus welchem die definitive Scala später angefertigt wird, weil beide genau gleich schwer seyn müssen. Um den Papierstreifen gut in das enge Glasrohr hineinzubringen, muß er vorher über einen dünneren cylindrischen Stab gerollt werden. Das Aufrollen kann zugleich für 6–8 Scalen geschehen, indem man sie in ein stark federndes, vorher schon gerolltes Papier legt. Nach dem Rollen wird das Päkchen überwunden, damit es nicht lose wird, und erst nach einem Tage wieder aufgelöst. Dann haben die Scalen eine ganz zierliche cylindrische Gestalt angenommen, und können leicht in die Glasröhre der Aräometer eingeschoben werden. Da der Thermometer noch keine Scala hat, so muß die provisorische Scala auch am Thermometerrohr der ganzen Länge nach anliegen. Von der provisorischen Scala wird oben so viel abgeschnitten, daß das Glas wenigstens 1′″ übersteht, um später zugeschmolzen zu werden. Man notirt noch den Punkt, bis zu welchem das Thermometerrohr an der provisorischen Scala reicht. Denn dieser Punkt muß die Scala gegen das Instrument orientiren. Dieses mit provisorischer Scala versehene Aräometer wird nun in destillirtes Wasser versenkt, dessen Temperatur durch einen Normal-Thermometer genau erkannt ist. Ich bemerke den Punkt, bis zu welchem es einsinkt, an der provisorischen Scala, indem ich mich, zur Vermeidung der Parallelachse, beim Ablesen an den inwendigen Wasserspiegel halte. Diese Zahl der Scala wird aufgeschrieben; eben so die Zahl der Scala, auf welche das Ende der Queksilbersäule des Thermometers trifft. Ich bringe nun das Aräometer, nachdem es sorgfältig mit LeinentuchFließpapier gibt andere Werthe. abgewischt ist, in den stärksten Alkohol unter den genau bekannten Sorten. Auch dessen Temperatur wird durch das Normal-Thermometer angegeben. Ich lese wieder den Punkt an der provisorischen Scala ab, bis zu welchem es einsinkt, und bis zu welchem das Queksilber des Thermometers reicht und notire beide. Wäre nun die Röhre des Thermometers und die Röhre des Aräometers genau cylindrisch, leztere überdieß in allen Punkten gleich schwer, so würden diese beiden Beobachtungen ausreichen, um die richtigen Scalen für Thermometer und Aräometer zu entwerfen. Man kennt nämlich durch Rechnung für cylindrische Senkspindeln das Gesez, nach welchem die Grade zunehmen. Tralles hat die Größe der Grade in der Vten Tafel der Annalen von Gilbert, Bd. 38, S. 415 gegeben. Wir wollen jezt zeigen, wie man mit dieser Tafel sehr leicht die Scala für das besprochene Aräometer unter den gemachten Voraussezungen entwerfen kann. Wir ziehen auf einen halben Bogen Papier, welchen wir der Länge nach vor uns legen, links und rechts, zwei senkrechte parallele Linien. Auf die Linie links tragen wir die Gradscala von Tralles in solchem Maaßstabe auf, daß die Länge von 0 Proc. bis 100 Proc. größer wird, als bei irgend einem Aräometer, dessen Scala wir zu machen haben. Wir bezeichnen den obersten Punkt dieser Scala mit 100, den untersten mit 0. Eben so tragen wir dieselbe Gradscala von Tralles auf die senkrechte Linie rechts, aber in einem kleineren Maaßstabe, und zwar so viel kleiner, daß die kleinste Scala des Aräometers, welche wir zu machen haben, doch noch größer ist, als die Theilung rechts. Wir verbinden nun die entsprechenden Punkte links mit den entsprechenden Punkten rechts durch gerade Linien, also 100 links mit 100 rechts, 99 links mit 99 rechts u. s. f. Dadurch entsteht ein fächerartiges System von Linien, welche sich, wenn man sie noch weiter rechts fortsezen wollte, alle in Einem Punkte schneiden würden. Dieses Nez von Linien enthält aber offenbar alle möglichen Eintheilungen von Scalen zwischen der größten links und der kleinsten rechts. Denn denken wir uns, daß man einen Papierstreif parallel mit den senkrechten Seitengränzen auf das Nez lege, so daß er das Nez der Linien von oben bis unten durchschneide, so könnte man an jedem Durchschnittspunkt auf dem Papierstreifen den Grad anmerken und so die ganze Scala entwerfen. Diese würde aber in allen Verhältnissen um so größer werden, je weiter wir mit dem Papierstreifen links rükten; um so kleiner, je weiter wir rechts rükten. Wären also durch zwei Beobachtungen, wie wir sie anführten, auf einer provisorischen Scala zwei Punkte gegeben, die bekannten Gehalten entsprechen müssen, so hätten wir nur nöthig, mit der provisorischen Scala so lange links oder rechts zu rüken, bis diese zwei Punkte zusammenfielen mit den entsprechenden gleichen Werthen im Neze. Für diese Lage wären dann auch alle andern Zwischenpunkte durch das Nez gegeben, und man könnte jezt die ganze definitive Scala unmittelbar abtragen von den Durchschnitten der provisorischen Scala mit dem Neze. Aber die definitive Scala soll die Werthe geben für die Temperatur von 12°44 Réaumur. Wir haben jedoch die beiden Beobachtungen im Wasser und im starken Alkohol bei andern Temperaturen gemacht. Daher sind uns diese zwei Punkte noch nicht bekannt. Um sie zu finden, dient eine eigene Tafel oder sehr nahe die Reductionstafel mit Verschiebung, wie wir sie oben beschrieben haben. Diese gibt uns nämlich für die beobachtete Temperatur den wahren Gehalt. Wir kennen aber den wahren Gehalt des Alkohols, in den wir das Aräometer versenkten, aus früheren Abwägungen und finden folglich durch die Schubtafel, wenn sie auf die beobachtete Temperatur gestellt ist, umgekehrt aus dem wahren Gehalte das, was das Aräometer bei der beobachteten Temperatur hätte zeigen sollen. Dieß ist der auf der provisorischen Scala bezeichnete Punkt. Wir wissen folglich, bei der Normal-Temperatur liege dieser Punkt um so und so viele Procente des Nezes höher oder tiefer, und können also demgemäß jezt die definitive Scala entwerfen. Diese Scala wäre aber nur richtig, wenn, wie wir voraussezten, das Aräometerrohr wirklich cylindrische Form hätte und in allen Punkten gleich schwer wäre. Das kann aber sehr weit von der Wirklichkeit abweichen. Um nun zu finden, ob dieß der Fall ist und wie groß die Abweichung sey, müssen wir noch mehr Beobachtungen anstellen. Wir wählen also jezt eine zweite Weingeistsorte von bekanntem Gehalte, die etwa in die Mitte trifft zwischen die ersten zwei Beobachtungen. Wir beobachten wieder wie zuerst an der provisorischen Scala, bis zu welchem Punkte derselben das Aräometer in diesem Weingeiste einsinkt, corrigiren durch die Schubtafel und den bekannten wahren Gehalt diesen Punkt wie oben, legen wieder die provisorische Scala auf das Nez, so daß der oberste und unterste Punkt mit gleichem Werthe des Nezes zusammentrifft, wobei die Scala genau parallel mit den verticalen Seitenlinien steht, und sehen nun zu, ob auch der Zwischenpunkt mit seinem Werthe paßt auf den entsprechenden gleichen des Nezes. Dieser weiche nun ab. Das Rohr ist also nicht cylindrisch, sondern, soweit wir aus den drei Beobachtungen schließen können, konisch. Damit nun die drei Punkte der provisorischen Scale zugleich passen auf die drei entsprechenden des Nezes, sind wir genöthigt, die provisorische Scala gegen die verticalen Seitenlinien nach der einen oder nach der andern Seite zu neigen, je nachdem das Aräometerrohr oben oder unten enger ist. So findet sich bald eine Lage und nur eine Einzige Lage, in welcher die drei Punkte der provisorischen Scala genau zusammenpassen mit den entsprechenden Werthen des Nezes. In dieser Lage sind aber jezt wieder alle Zwischenwerthe von Procent zu Procent gegeben, und zwar genau so, wie man sie durch Rechnung für die drei Beobachtungen gefunden haben würde. Die definitive Scala könnte also jezt schon so entworfen werden, wie sie nicht bloß einem cylindrischen, sondern einem konischen Senkrohre entspricht. Aber in der Wirklichkeit kann die Form des Rohres auch noch sehr abweichen von der eines durch die ganze Länge gleichförmigen Konus. Um daher die Abweichungen für abermalige Zwischenpunkte zu finden, müssen wir wieder Beobachtungen anstellen in bekannten Weingeistsorten, die dem Gehalte nach zwischen den bereits benüzten Liegen. So erhalten wir wieder Zwischenpunkte auf der provisorischen Scala, corrigiren sie mit der Schubtafel und bringen nun abermals die provisorische Scala auf das Nez. Hier können wir durch Eine Lage nicht mehr allen Punkten entsprechen, sondern nur stets dreien zugleich. Sind also auf der definitiven Scala die Procente der untersten drei Punkte angetragen, so wird um den obersten dritten Punkt gedreht, bis wieder zwei nächstgelegene entsprechen und so fort bis die ganze Scala entworfen ist. Nur dem leichtern Verständniß wegen haben wir die obige Darstellung gewählt. In Wirklichkeit sind natürlich gleich alle Weingeistsorten und zwar für viele Aräometer zugleich beobachtet, dann reducirt und zulezt dann die definitiven Scalen allen Beobachtungen entsprechend gebildet. Es ist klar, daß man auf diesem Wege eine beliebig große Annäherung der Scala an die durch die Form der Glasröhre verlangten Werthe erreichen kann, wenn nur genug Zwischenbeobachtungen angestellt sind. Die Methode ist daher vollständig und leistet genau dasselbe, was man durch ziemlich mühsame Rechnung finden würde. Sie leistet es aber geometrisch und ungemein leicht. Da mir nun keine ähnliche Methode bekannt ist, so glaube ich durch die Publication derselben allen, welche sich mit Verfertigung von Aräometern beschäftigen, eine nicht unwillkommene Mittheilung zu machen, und werde mich freuen, wenn sie das Verfahren eben so bequem in Praxi finden sollten, als ich es gefunden habe. Daß auch die Thermometer der Aräometer in ähnlicher Weise behandelt werden, wo bedeutende Abweichungen von der cylindrischen Form der Röhre vorkommen, versteht sich von selbst. Ihre definitiven Scalen können gleich auf demselben Papierstreifen angebracht werden, auf welchem die Scala des Aräometers ist. Diese Scalen werden nun gestempelt mit dem akademischen Approbationsstempel, dann gerollt, in die Aräometer geschoben bis zu dem Punkte, wo die Glasröhre des Thermometers endet, in der Röhre befestiget und dann abermals geprüft, ob ihre Angaben richtig und übereinstimmend sind, worauf sie endlich bei ein und demselben Barometerstande zugeschmolzen werden. In dieser Weise hat sich eine Uebereinstimmung in den Angaben der einzelnen Aräometer erreichen lassen, die nur sehr kleine Unsicherheit läßt und nicht über einige Zehntel eines Procentes beträgt. Engere Gränzen der Sicherheit sind mit Glasspindeln unerreichbar, weil schon eine Aenderung des Barometers, nachdem sie zugeschmolzen sind, die einen mehr, die andern weniger zusammendrüken oder ausdehnen kann. Eine größere Genauigkeit ist aber auch in der Praxis nie erforderlich, und so glaube ich den beabsichtigten Zwek vollkommen erreicht zu sehen, indem die Operation der Gehaltsbestimmung der Weingeiste auf eine so einfache Form zurükgeführt ist, daß sie jedermann vornehmen kann. Schließlich mag noch die Bemerkung Raum finden, daß auch unrichtige Alkoholspindeln durch die Reductionstafel corrigirt werden können, indem man statt der nach gleichen Theilen fortschreitenden Scala für die „Angabe des Aräometers“ durch Beobachtungen in bekannten Weingeistsorten diejenigen Verbesserungen nachträglich sucht, welche dem wirklichen Alkoholgehalte entsprechen und demgemäß die definitive Scala für die „Angaben des Aräometers“ theilt. Möge diese Mittheilung einen Beitrag zur Aräometrie liefern und auch im Auslande einige Beachtung finden.