Titel: Ueber die chemische Constitution der Flachs- und Hanfpflanze, mit Bezug auf die Bedingungen ihres Wachsthums und ihrer Bearbeitung oder Anwendung; von Dr. Robert Kane.
Fundstelle: Band 92, Jahrgang 1844, Nr. XVII., S. 55
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XVII. Ueber die chemische Constitution der Flachs- und Hanfpflanze, mit Bezug auf die Bedingungen ihres Wachsthums und ihrer Bearbeitung oder Anwendung; von Dr. Robert Kane. Im Auszug aus dem Philosophical Magazine, Febr. 1844, S. 98. Kane, über die chemische Constitution und den Anbau der Flachs- und Hanfpflanze. Bei den Pflanzen, welche man behufs ihrer Benuzung als Nahrungsmittel anbaut, findet man, daß mehrere ihrer Bestandtheile theils von organischem, theils von anorganischem Charakter, dem Boden entzogen werden und der Pflanze, oder gewissen Theilen derselben, die Constitution ertheilen, welche sie eben zur Unterhaltung des thierischen Organismus geeignet machen. So finden wir Stikstoff, Alkalien, phosphorsaure Salze etc. als Pflanzenbestandtheile und der Werth der von einer gewissen Bodenfläche gelieferten Ernte ist im Allgemeinen proportional den Stoffen, welche die Ernte in sich aufgenommen hat. Wenn daher Weizen oder Hafer oder Kartoffeln einen Boden erschöpfen, so leidet der Landwirth darunter keinen Schaden, denn er wird für die seinem Boden entzogenen Stoffe bezahlt, und wenn er den Verlust an solchen durch frischen Dünger ersezt, so legt er nur ein gewisses Capital an, welches er im nächsten Jahre mit Nuzen wieder vergütet erhält. Mit vielen nicht zur Nahrung, sondern zu Luxuszweken oder technisch benüzten Pflanzen verhält es sich eben so. Wo z.B. Indigo oder Tabak gebaut wird, ist der Zwek, die möglich größte Entwikelung des Farbstoffs oder narkotischen Bestandtheils zu bewirken. Zu diesem Behufe sind Elemente erforderlich, welche dem Boden entzogen werden müssen; aber die Beraubung des Bodens wird wieder vergütet, weil seine Stoffe die der Pflanze ihren Werth verleihenden Bestandtheile liefern. In solchen Fällen ist daher, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu unterhalten, eine beständige Nachschaffung der von den Pflanzen aufzunehmenden Stoffe aus äußeren Quellen nöthig. Der Landwirth muß im Dünger die Elemente herbeischaffen, welche er in den gewachsenen Pflanzen zu Markte bringt. Durch die Untersuchungen der Pflanzenphysiologen und Chemiker ist es jezt aber erwiesen, daß gewisse Pflanzensubstanzen, und zwar der Menschheit höchst wichtige, nicht durch die dem Boden entzogenen Stoffe, sondern durch die vitale Einwirkung der Pflanze auf die Bestandtheile der Atmosphäre gebildet werden, so daß obiges Princip bei gewissen Pflanzengattungen eine Beschränkung findet. Die vegetabilischen Substanzen, welche auf leztere Weise gebildet werden, sind in der Regel solche, welche aus Kohlenstoff in Verbindung mit Wasserstoff und Sauerstoff (im Verhältniß der Wasserbildung) bestehen. Die Kohlensäure der Atmosphäre mit dem in derselben enthaltenen Wasserdampf liefert die Elemente für Zuker, Gummi, Stärkmehl und Holzfaser und der durch die Lebensthätigkeit der Pflanzen aus der Kohlensäure entwikelte Sauerstoff verbessert die Luft wieder, welche wir einathmen. Zuker und Holzfaser sind also Substanzen, welche hinsichtlich ihrer Elemente unabhängig vom Boden sich bilden. Zu ihrer Bildung ist nur eine in gesundem Wachsthum begriffene Pflanze nöthig; damit leztere gesund vegetiren kann, muß sie aber dem Boden oft verschiedene Stoffe entziehen, welcher folglich durch die Ernte sehr erschöpft werden kann. Doch gehen diese Stoffe nicht in den Zuker oder die Holzfaser über; sie sind in andern Bestandtheilen der Pflanze vorhanden, und wenn der Zuker oder die Faser den werthvollen Theil der Ernte ausmachen, wie dieß wirklich in der Regel der Fall ist, so werden die Elemente, welche dessen Erzeugung kostspielig machen, weggeworfen und gehen verloren; sie dienen auch später zu keinem nüzlichen Zwek, obwohl nichts leichter wäre, als sie zu solchem zu verwenden. Dieß ist auch nach Kane's Ansicht der Fall bei zwei für die Landwirthschaft höchst wichtigen Pflanzen – dem Flachs und Hanf. Der werthvolle Bestandtheil bei der Pflanze ist die Holzfaser; je reiner diese Faser, desto größer ist ihr Werth; und doch enthält die reine Faser kein aus dem Boden geschöpftes Element. Sie wird bekanntlich ausschließlich von Bestandtheilen der Atmosphäre erzeugt. Die starke Erschöpfung des Bodens durch den Flachs und Hanf, weßwegen die Landwirthe deren Anbau scheuen, troz des großen Geldwerths der Ernten, entspringt daher nach Kane aus Ursachen, deren Wirkungen man durch Beachtung der wahren Bedingungen des Wachsthums und der Zusammensezung dieser Pflanzen begegnen kann, so daß Holzfaser-Ernten, wie die des Flachses und Hanfs, von den erschöpfendsten und kostbarsten zu den dem Boden wenigst nachtheiligen und vielleicht für den Oekonomen wohlfeilsten gemacht werden können. Da die chemische Zusammensezung dieser Pflanzen noch niemals untersucht wurde, ermittelte Kane sowohl ihre organischen als anorganischen Bestandtheile. Eine große Reihe von Analysen lieferte ihm folgende Resultate. Es bestehen die bei 80° R. getrokneten     Hanfstengel Hanfblaͤtter aus Kohlenstoff   39,94      40,50 Wasserstoff     5,06        5,98 Sauerstoff   48,72      29,70 Stikstoff     1,74        1,82 Asche     4,54      22,00 ––––––     –––––– 100,00    100,00. Die Asche der Hanfpflanze enthielt: Kali     7,48 Natron     0,72 Kalk   42,05 Talkerde     4,88 Thonerde     0,37 Kieselerde     6,75 Phosphorsaͤure     3,22 Schwefelsaͤure     1,10 Chlor     1,53 Kohlensaͤure   31,90 –––––– 100,00. Die reine Hanffaser, bei 80° R. getroknet, lieferte nur 1,4 Proc. Asche; sie ist gerade so zusammengesezt, wie die gewöhnliche Holzfaser, und enthält also keinen Stikstoff. Die charakteristischen Bestandtheile der Hanfpflanze hingegen sind Stikstoff und Kalk; davon enthält sie besonders viel und mit denselben muß sie der Landwirth also reichlich versehen. Wird Hanf geröstet, um die faserige Rinde von dem innern Stengel zu trennen, so löst bekanntlich das Wasser gewisse Stoffe aus den Pflanzen auf und erhält dadurch narkotische Eigenschaften. Solche Flüssigkeit wurde zur Trokne abgedampft, das erhaltene Extract dann bei 80° R. getroknet und analysirt, um zu erfahren, welche Wirkung das Rösten auf die Pflanze ausübt. Das Hanf-Extract bestand aus: Kohlenstoff   28,28 Wasserstoff     4,16 Stikstoff     3,28 Sauerstoff   15,08 Asche   49,20 –––––– 100,00. Schließt man die Asche aus, so besteht der organische Theil aus: Kohlenstoff   55,66 Wasserstoff     8,21 Stikstoff     6,45 Sauerstoff   29,68 –––––– 100,00. Diese Zusammensezung nähert sich derjenigen der stikstoffhaltigen animalischen Substanzen und übertrifft die gewöhnlichen thierischen Dünger. Das Wasser, in welchem der Hanf geröstet wurde, enthält sonach den größten Theil des Stikstoffs der Pflanze und müßte, über den Boden gegossen, viel zu dessen Fruchtbarkeit beitragen. Auch die Asche des Hanf-Extracts ist zu beachten, denn die Pflanze gibt beim Rösten vorzüglich ihre auflöslichen Bestandtheile an das Wasser ab. Die Asche der Hanfblätter enthält in 22 Theilen nur 1,77 in Wasser auflösliche, oder 8,05 Proc., während die Asche des Hanf-Extracts in 49,2 Theilen 29,70 Theile, oder 60,4 Proc. in Wasser auflösliche Stoffe enthält. Es lösen sich also wenigstens alle alkalischen Bestandtheile der Asche im Wasser auf, während die erdigen mit den zurükbleibenden Stengeltheilen verbunden bleiben. Kane untersuchte nun den Stengel, welcher nach Absonderung der Faser durch Rösten und Brechen zurükbleibt. Bei 80° R. getroknet, besteht der vom Bast abgesonderte Hanfstengel aus: Kohlenstoff   56,80 Wasserstoff     6,48 Stikstoff     0,43 Sauerstoff   34,52 Asche     1,77 –––––– 100,00. Die Asche enthielt nur eine Spur Kali und der Stikstoff ist beinahe ganz verschwunden. Aus diesen Versuchen geht klar hervor, daß der Hanf wegen der Menge Stikstoff, Phosphorsäure, Kali, Magnesia und Kalk, welche er dem Boden entzieht, wie die Erfahrung auch zeigt, ein den Boden sehr erschöpfendes Gewächs seyn muß; da aber die dem Boden entzogenen Stoffe in der Faser sich nicht vorfinden, sondern nur in dem Hol der Stengel und in der Röstflüssigkeit, so sind diese alle dazu brauchbar, dem Boden wieder zu geben, was ihm entzogen wurde und wirklich könnten, wenn es möglich wäre, die Gewinnung der reinen Faser ohne Verlust zu bewerkstelligen, derselbe Stikstoff und dieselben unorganischen Bestandtheile zum nachfolgenden Anbau von Hanf ins Unendliche fort Dienste thun, weil die auf Kosten der Atmosphäre erzeugte Faser allein verkauft wird, also durch das eigentliche Product von den Bestandtheilen des Bodens nichts verloren geht. Bei der Untersuchung der Flachspflanze wurde derselbe Weg eingeschlagen und er führte auch zu analogen Resultaten. Die Flachsstengel wurden bei 80° R. getroknet; die Pflanze hatte ihre gewöhnliche Anzahl Blätter, aber die Samengefäße waren noch nicht zur Reife gekommen. Die Stengel bestehen aus: Kohlenstoff   38,72 Wasserstoff     7,33 Stikstoff     0,56 Sauerstoff   48,39 Asche     5,00 –––––– 100,00. Es findet also ein großer Unterschied in der Zusammensezung zwischen der Hanf- und Flachspflanze statt, obwohl sie sich in ihrer Anwendung einander so ähnlich sind. Der Hanf enthält sehr viel Stikstoff, der Flachs sehr wenig. Der Hanf enthält mehr Sauerstoff, als zur Wasserbildung mit dem Wasserstoff erforderlich wäre. Der Flachs hingegen enthält Ueberschuß an Wasserstoff. Auch in der Zusammensezung der Asche findet ein bemerkenswerther Unterschied statt. Die Asche der Flachspflanze besteht aus: Kali     9,78 Natron     9,82 Kalk   12,33 Magnesia     7,79 Thonerde     6,08 Kieselerde   21,35 Phosphorsäure   10,84 Schwefelsäure     2,65 Chlor     2,41 Kohlensäure   16,95 –––––– 100,00. Der den Hanf auszeichnende große Kalkgehalt verschwindet hier und das Eigenthümliche dieser Asche ist ihr Gehalt von Natron und Kali in gleichen Quantitäten, von viel Magnesia und besonders viel Phosphorsäure. Dem Verf. ist keine Pflanzenasche bekannt, welche so viel Phosphorsäure enthält, was die außerordentliche Erschöpfung des Bodens durch den Flachs leicht erklärt. Kane bemerkt ferner von dieser Asche, daß das Kali, Natron, die Schwefelsäure und das Chlor in einem sehr einfachen Verhältniß zu einander stehen, da die oben angegebenen Zahlen genau übereinstimmen mit je 2 Atomen Schwefelsäure und Chlor, 6 Atomen Kali und 9 Atom. Natron, so daß wenn man alles Natron als an Kohlensäure gebunden annimmt, das Kali sich gleichheitlich vertheilt zwischen Schwefelsäure, Salzsäure und Kohlensäure. Er hält dieses einfache Verhältniß zwar für zufällig, empfiehlt es aber der Aufmerksamkeit bei zukünftigen Analysen der Flachsaschen. Beim Rösten des Flachses, um seinen faserigen Bast abzusondern, lösen sich wie beim Hanf gewisse Bestandtheile der Pflanze auf. Das Extract des Röstwassers, bei 80° R. getroknet, lieferte: Kohlenstoff   50,69 Wasserstoff     4,24 Stikstoff     2,24 Sauerstoff   20,82 Asche   42,01 –––––– 100,00. Der organische Theil dieses Extracts bestand sonach aus: Kohlenstoff   52,93 Wasserstoff     7,31 Stikstoff     3,86 Sauerstoff   35,90 –––––– 100,00. Wie beim Hanf ist auch hierin der Stikstoff der Pflanze concentrirt, aber der Gesammtgehalt an Stikstoff ist nicht halb so groß wie beim Hanf. In der Extract-Asche sind, ebenfalls wie beim Hanf, die auflöslichen alkalischen Stoffe vorwiegend. Die Asche der Flachspflanze lieferte 33,90 Proc. in Wasser auflöslicher Substanzen, die Extract-Asche vom Röstwasser hingegen 60 Proc. Das Röstwasser des Flachses ist also reich an allen zur Erzeugung einer neuen Pflanzen-Generation erforderlichen Stoffen, und wie der Verf. zur Bestätigung seiner in dieser Abhandlung ausgesprochenen Ansichten bemerkt, haben Landwirthe in vielen Fällen, wo sie die Erde mit dem Wasser begossen, in welchem der Flachs geröstet wurde, ein sehr wirksames Düngmittel in demselben gefunden. Das durch das Brechen von dem Bast getrennte Holz der Flachsstengel bestand aus: Kohlenstoff   50,34 Wasserstoff     7,33 Stikstoff     0,24 Sauerstoff   40,52 Asche     1,57 –––––– 100,00. Es ist also beinahe ganz so zusammengesezt, wie der holzige Theil der Hanfstengel und kann daher eben so benuzt werden. Der Erde mit dem Röstwasser wieder gegeben, muß es alle Nahrung, welche der Flachs dem Boden entzog, ihm wieder darbieten, und da die werthgebende Faser von der Atmosphäre erzeugt wird, so sind wir im Stande, die Quelle der großen Kosten beim Anbau des Flachses zu versiegen. Es ist offenbar für die Landwirthschaft sehr wünschenswerth, daß des Verf. Ansichten über die Benüzung der Rükstände von der Flachs- und Hanfzubereitung von Praktikern bestätigt würden; denn wenn sie richtig befunden werden und diese Rükstände sich mit gutem Erfolg verwenden lassen, um den Boden für eine nachfolgende Ernte vorzubereiten und tauglich zu machen, so können wir diesen Faserpflanzen ihre den Boden erschöpfende Eigenschaft mittelbar entziehen und das Haupthinderniß einer größeren Verbreitung ihres Anbaues dadurch beseitigen.