Titel: Ueber das Mästen der Gänse; von J. Persoz.
Fundstelle: Band 92, Jahrgang 1844, Nr. XXI., S. 70
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XXI. Ueber das Maͤsten der Gaͤnse; von J. Persoz. Im Auszug aus den Comptes rendus. Febr. 1844, Nr. 7. Persoz, über das Mästen der Gänse. Die Versuche wurden mit 10 Gänsen von gleichem Alter und ziemlich gleicher Stärke angestellt. Man ließ dieselben zuvörderst 12 Stunden lang ohne alle Nahrung und wog dann jede einzeln. Eine derselben wurde sogleich abgestochen, und es ergab sich 1) das Gewicht des Blutes gleich 0,157 Kilogr. 2) das Gewicht des die Eingeweide umgebenden Fettes 0,100   – 3) das des Fettes im Zellgewebe unter der Haut und in    den andern Theilen des Körpers 0,212   – 4) und endlich das der Leber 0,061   – Aus diesen Ergebnissen wurde das Gewicht eines jeden der besagten Bestandtheile in den neun übrigen Gänsen hypothetisch berechnet, als die Fütterung mit Türtischkorn (Mais) beginnen sollte. Die Quantitäten des gegebenen Futters, die Zeit der Wägungen und ihre jedesmaligen numerischen Resultate, dann die der obengenannten Bestandtheile nach der Mästung wurden in Tabellen übersichtlich zusammengestellt, woraus sich folgende Notizen und Betrachtungen ergeben. Die Gänse hielten die eingeschlagene Fütterungsweise nicht gleich lange Zeit aus; ein Theil derselben mußte schon nach dem neunzehnten Tag getödtet werden, während man andere bis zum vierundzwanzigsten Tag fortmästen konnte. Die Leute, welche sich mit dem Mästen der Gänse abgeben, stimmen alle darin überein, daß eine Gans nicht mit Vortheil gemästet werden kann, wenn man gezwungen ist, sie vor dem achtzehnten oder nach dem vierundzwanzigsten Masttag abzuthun. Die vom Verfasser mit der Besorgung der Gänse beauftragte Frau machte ihn einmal darauf aufmerksam, daß eine derselben sogleich abgethan werden müsse, weil, wenn man sie fortmäste, das Futter nicht nur nicht anschlagen, sondern das Thier an Gewicht noch abnehmen müßte. Um zu sehen, ob sich dieß bestätige, ließ er mit der Mastung fortfahren und überzeugte sich zu seinem Erstaunen, daß die Gans bis zum zweiten Tage wirklich schon um 0,595 Kil. abgenommen hatte. Während dieser Zeit, welche er die Auflösungsperiode nennt, waren die Excremente dieser Gans milchartig und enthielten, wie er später fand, viel mehr Fett als die der andern Gänse. Eben aus diesem flüssigen und milchigen Zustande schloß die erwähnte Frau, daß die Gans abgetödtet werden müsse. Die Gewichtszunahme der Gänse betreffend ergab sich, daß (die zwei bis drei lezten Tage abgerechnet, wo sie größtentheils von schlecht oder nicht verdauter Nahrung herrührte) dieselbe im Verhältniß zum consumirten Futter mit nur wenigen Ausnahmen täglich geringer wurde. Das Gewicht des Blutes hatte sich (mit Ausnahme der Individuen, bei welchen Auflösung eintrat) bei allen beinahe verdoppelt. Dasselbe erleidet bedeutende Veränderungen. Manchmal ist es ganz roth, manchmal röthlichweiß, lezteres ist gewöhnlich der Fall, anderemale aber ist es auch weiß und dem Rahme ähnlich. Im zweiten Fall scheidet es sich in zwei Substanzen ab, wovon eine, die rothe, gerinnt, die andere flüssigere aber milchähnlich ist. Dieser seröse Theil enthält nur mehr Spuren von Eiweißstoff, denn beim Erhizen oder mit Salpetersäure gibt er nur ein unbedeutendes Coagulum. Das von gemästeten Gänsen abgelassene Blut unterscheidet sich auch von dem der magern durch das darin enthaltene Fett, welches sich durch bloßes Eintroknen des Blutes, oder noch besser durch Aether sehr leicht als ohlige Flüssigkeit abscheiden läßt. Die physischen Eigenschaften der im Blut der Mastgänse enthaltenen Fettsubstanz gleichen mehr jenen des Fetts im Türkischkorn als demjenigen auf dem Neze oder im Zellgewebe unter der Haut. Viel Fett verbindet sich mit der Leber einer gemästeten Gans. In den meisten Fällen vermehrt sich das Gewicht der Leber um das 5- bis 6fache. Nur die Lebern der an Auflösung leidenden Gänse sind, statt fest und weiß, bräunlich, mit Blut durchzogen, schlapp und schwammig und haben alle aus Verringerung des Volums entspringenden Fehler, indem der erlittene Verlust auf die Leber nicht ohne Einwirkung bleiben konnte. Der Verfasser glaubte eine gewisse Beziehung zu finden zwischen der Entwiklung der Leber und derjenigen des Fetts. Er beobachtete auch wirklich hinsichtlich der Leber sowohl magerer als fetter Gänse, daß sie ungefähr die Hälfte des aus den Eingeweiden gezogenen Fetts und das Viertel des in den übrigen Körpertheilen vertheilten Fetts beträgt. Doch ist diesen Beobachtungen, weil sie erst mit so wenigen Exemplaren gemacht wurden, kein zu großer Werth beizulegen. Zur Bestätigung der Annahme, daß die gemästeten Gänse nicht so viel Fleisch haben als die magern, berichtet er, daß er beim Wägen der Muskelfaser einer magern Gans 0,881 Kilogr. fand, während sie bei einer fetten Gans nur 0,798 Kilogr. wog. Es ist dieses Resultat allerdings im Widerspruch mit dem von Liebig erhaltenen, was sich aber dadurch sehr wohl erklären läßt, daß die Mästung bei den Versuchen dieses Chemikers unter ganz andern Verhältnissen vor sich ging. Den Werth des Türkischkorns als Nahrungsmittel anbelangend, ist das alte viel besser als das von der jüngsten Ernte. Es ist dieß so allgemein anerkannt, daß das Hektoliter altes Türkischkorn in Frankreich im Durchschnitt um 15–16 Fr. verkauft wird, während 1 Hektoliter neues Türkischkorn nur 10 1/2 Fr. kostet. Nach angestellten Versuchen verliert das frische Türkischkorn durch Eintroknen ungefähr 10 Proc. Rechnet man nun noch 5 Proc. für Interessen des Capitals und 3 Proc. Verlust, so hat man zum Preis des frischen Türkischkorns von 10,50 Fr. im Ganzen 18 Proc   1,89 – beizufügen, ––––– wonach das ältere nur 12,19, aber nicht 15,50 kosten dürfte; es wäre aber möglich daß dieser höhere Preis sich durch den größern Gehalt des ältern Türkischkorns an Oehl oder Fett rechtfertigte, worauf aber zur Zeit erst einige Thatsachen hindeuten. Die Differenz der Zahlen des in der Gans gebildeten Fetts und des im consumirten Türkischkorn enthaltenen ergibt, daß sich viel Fett auf Kosten des in den Körnern enthaltenen Zukers und Stärkmehls, höchst wahrscheinlich auch des in denselben schon vorhandenen Fetts gebildet habe. Ob indessen Nahrungsmittel, welche keine fetten Bestandtheile haben, sich deßwegen zum Mästen der Thiere gar nicht eignen, geht daraus noch nicht hervor. Die ausgemachte Thatsache, daß der Eiweißstoff im Blut der fetten Gänse abnimmt und der Antheil, welchen die Substanz der Gans selbst an der Fettbildung zu nehmen scheint, läßt die Möglichkeit denken, aus reinem Stärkmehl und einer stikstoffhaltigen Substanz (Eiweißstoff oder Käsestoff) ein fettfreies Nahrungsmittel für die Gänse zusammensezen zu können. Sollte sich dieß durch Versuche bestätigen, so läßt sich daraus erklären, warum geübte Mäster zuerst auf Fleischbildung hinarbeiten, ehe sie nach Fettbildung trachten. Würden hingegen diese Versuche negativ ausfallen, so gewänne der oben erwähnte mehr oder weniger große Fettgehalt des Türkischkorns große Wichtigkeit. Nach dem Gesagten kann die Gans wie ein wahrhaftes Laboratorium betrachtet werden, in welchem Fett fabricirt wird; man brauchte nur mittelst geeigneter Vorrichtungen die gasartigen, flüssigen und festen Substanzen, welche sie in sich aufnimmt, so wie diejenigen, welche sie von sich gibt oder aus ihr gewonnen werden, genau zu bestimmen, um eine rationelle Theorie über die Bildung des Fetts aufstellen und entscheiden zu können, ob der Sauerstoff direct oder mittelbar auf das Stärkmehl oder den Zuker wirkt, um dieselben in Fett umzuwandeln. Die Resultate obiger Versuche lassen sich in folgenden Säzen zusammenfassen: 1) die Gans assimilirt, indem sie fett wird, nicht nur das in dem, zu ihrer Mästung dienenden, Türkischkorn enthaltende Fett, sondern es bildet sich in ihr selbst solches auf Kosten des im Türkischkorn enthaltenen Stärkmehls und Zukers, vielleicht auch ihrer eigenen Substanz; denn die Menge des in ihr vorhandenen Fetts beträgt oft mehr als das Doppelte des im Türkischkorn enthaltenen; 2) nach der Mästung enthält die Gans mehr Fett, als sie an Gewicht zugenommen; 3) während der Mästung verändert sich die Zusammensezung des Blutes der Gänse; es wird reichhaltiger an Fett und das Eiweiß verschwindet aus demselben oder erleidet eine Modification; 4) endlich scheint die Entwikelung der Leber zur Quantität des erzeugten Fettes in gewisser Beziehung zu stehen.