Titel: Ueber Letestu's verbesserte Feuersprize und Wasserpumpe; von Dr. Mohr in Coblenz.
Autor: Dr. Karl Friedrich Mohr [GND]
Fundstelle: Band 93, Jahrgang 1844, Nr. LXXII., S. 260
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LXXII. Ueber Letestu's verbesserte Feuersprize und Wasserpumpe; von Dr. Mohr in Coblenz. Letestu's verbesserte Feuersprize und Wasserpumpe. Zu den auf der dießjährigen Industrie-Ausstellung zu Paris mehr durch ihre Zwekmäßigkeit und Nuzbarkeit als durch äußern Glanz ausgezeichneten Gegenständen gehört unstreitig die Pumpe von Letestu und Comp. Ich will versuchen, so weit es ohne Zeichnung geschehen kann, und so weit es eine bloße Besichtigung und Abschäzung, da jedes Anlegen von Maaßstab und Notiren streng verboten war, zuläßt, davon eine Beschreibung zu geben, um vorkommenden Falles zu Versuchen und Nachbildungen zu veranlassen. Das von Letestu angenommene Sysbtem ist nicht von dem jezt allgemein üblichen verschieden. Es hat Stiefel, Kolben und Ventile, und unterscheidet sich nur in der Construction und Form dieser Theile. Der Kolben besteht in allen Fällen aus zwei trichterförmigen Körpern, von denen der eine von Metall und mit vielen 2 Pfennig großen Löchern durchbohrt ist; der zweite besteht aus Leder, hat aber die Form eines Trichters oder einer Tüte, und sizt mit seiner Spize in dem metallenen durchlöcherten Trichter fest inne. Der metallene Trichter hat beinahe die Weite eines Stiefels, der lederne Trichter ragt etwas über den metallenen hinaus, so daß er den Zwischenraum zwischen Stiefel und Trichter ausfüllt, ohne aber umschlagen und zwischen Trichter und Stiefel geklemmt werden zu können. Man sieht, daß der Kolben kein Ventil enthält, sondern selbst das Ventil ist und dadurch dem Wasser einen ungemein großen Durchlaß gestattet; ferner ist der Schluß des Leders am Stiefel immer entsprechend der Größe des Druks, mit welchem gearbeitet wird, und jedesmal ein aliquoter Theil der anzuwendenden Kraft, während er bei Kolben, die nicht zugleich Ventil sind, immer eine gleichbleibende Größe ausmacht. Aus diesem Grunde können die Letestu'schen Ventilkolben bei keinem Druke Wasser vorbeilassen, während Kolben mit gleichbleibender Pressung bei hohem Druke viel Wasser vorbeigehen lassen. Die Anordnung des Ventils zur Kolbenstange kann nur zweierlei Art seyn. Ist die Pumpe eine Drukpumpe, so stehen die beiden Kegel mit ihrer Spize nach oben; der obere ist der metallene durchlöcherte, der untere der bewegliche lederne Trichter. Die Kolbenstange geht durch diese beiden Trichter hindurch und ist an ihre gemeinschaftliche Spize auf eine zwekmäßige Weise befestigt. Ist die Pumpe zum Heben oder Saugen bestimmt, wobei die Kolbenstange zugweise wirkt, so stehen die Kegel mit ihrer Spize nach unten; der untere ist der metallene, der obere der lederne Trichter, und die Kolbenstange ist im Innern der beiden Trichter befestigt. Die Ventile, welche nicht zugleich Kolben sind, bestehen aus einer runden durchlöcherten Platte, auf der ein eben so großes, aber nicht durchlöchertes Stük Leder in der Mitte mit einem Stifte befestigt ist. Diese Art von Ventilen ist wohl schon früher vorgekommen. Die Vorzüge dieser Constructionen liegen nun in ihren Eigenschaften; diese sind 1) große Einfachheit und Wohlfeilheit, und diese ergeben sich aus dem bereits Gesagten, wonach der Kolben nur aus dem Ventil selbst besteht, die Ventile nur aus einer Lederscheibe. 2) Die Arbeit fordert keine Genauigkeit. Die Stiefel können aus Blech zusammengelegt seyn, die Ventilkolben werden darum nicht schlechter schließen, als wären sie auf der besten Drehbank ausgedreht. Der Rand des Metalltrichters wird nur auf der Drehbank rund ablaufen gelassen. 3) Die Theile sind sehr leicht aus einander zu nehmen und durch neue zu ersezen, welches selbst ohne Hülfe von Mechanikern geschehen kann. Die einzigen Theile, welche vom Verbrauche und von der Zeit leiden können, sind die ledernen Kegel und Ventile. Man erhält dieselben in mehrfachen Exemplaren und kann sie leicht auswechseln. Auch sind sie einfach von neuem herzustellen. Ihre Vergänglichkeit ist jedoch nicht mit dem Undichtwerden der gewöhnlichen Lederventile zu vergleichen, bei denen an einer kleinen Stelle bei jeder Bewegung ein vollkommener Bug Statt findet, wodurch sie bald abbrechen; hier hingegen erleidet eine große Lederfläche auf ihrer ganzen Ausdehnung eine nach der Mitte abnehmende sanfte Beugung. 4) Mit weniger Kraft und Reibungsverlust gibt diese Pumpe einen bei weitem höhern Nuzeffect als alle bisherigen Pumpen, und zwar, wie einleuchtend, aus dem vollkommenen Schlusse der Kolben und Ventile, aus der mit dem Druke proportionalen Reibung und aus dem Umstande, daß die zu bewegenden trägen Massen, worunter alle bewegten Theile außer dem Wasser zu rechnen sind, möglichst leicht sind. 5) Sie bringt ein vollkommenes Vacuum hervor. 6) Sie versezt sich nie durch Sand, Kies oder Steinchen, wodurch die Ventile nicht mehr schließen und die Pumpe abläuft. Um dieß recht augenfällig zu zeigen, wurde auf den Kolben einer 6zölligen Pumpe, die das Wasser hob, ein Hut voll Steine, Kies und Grund geworfen. Die Pumpe hob nun beim Arbeiten ein schmuziges, trübes Wasser auf, das Arbeiten ging etwas schwerer, allein es trat keine Störung ein. Alle leichten Theile wurden abgeschlämmt, und nach einiger Zeit lagen die schweren Theile ganz rein gewaschen auf dem Kolben. Beim Herausheben des Kolbens zeigte sich ein Gemenge von Steinchen jeder Größe, aber keines war in die Pumpe oder zwischen den Kolben und den Stiefel gelangt. Es mochten noch über 3 Pfund auf dem Kolben liegen. Von diesem System waren drei verschiedene Anwendungen ausgestellt, welche während der Ausstellung den ganzen Tag abwechselnd mit Wasser arbeiteten, um ihre Leistungen anschaulich zu machen. Die erste war die eben erwähnte Hebepumpe, um die Ungefährlichkeit von Steinen und Sand nachzuweisen. Die zweite war eine Feuersprize mit zwei 7zölligen Stiefeln und Windkesseln. Das durch einen langen Schlauch gesprizte Wasser mußte natürlich wieder in den Sprizenkasten zurükfließen. Ein Mann konnte mit schwacher Anstrengung einen 5/4zölligen Strahl Wasser so gewaltsam in das Beken sprizen, daß das Wasser überzufließen drohte. Machte man an den Hebebäumen Bewegungen von einem halben Zoll aufwärts und abwärts, so lief die 5/4zöllige Oeffnung mit einem vollkommenen ununterbrochenen Strahle wie eine starke Quelle. Die Stiefel sind oben offen und mit ihrem oberen Rande in den Boden des Wasserlassens wasserdicht befestigt. Das Wasser fällt also von selbst in die Stiefel, wird von den Kolben in den Windkessel etc. gedrükt. Das dritte Exemplar war eine Pumpe, um Wasser in großer Menge zu heben. Zwei oben offene Stiefel von 16 Zoll Durchmesser hoben auf eine Höhe von 3 Fuß eine Wassermasse, die, in einem flachen Rinnsale ablaufend, mindestens 16 Quadratzoll Querschnitt hatte. Ein Mann bewegte diese Pumpe, und einer der Hebebäume war ganz unbesezt. Schneller durfte nicht gepumpt werden, weil sonst das Wasser über das Bassin schoß, und dieß wegen des Locals nicht zulässig war. Diese Resultate sezten in Erstaunen. Ich verbürge mich dafür, daß eine Täuschung oder ein Irrthum dabei nicht Statt findet, denn bei keinem Besuche dieser imposanten Ausstellung konnte ich mir es versagen, diesen Mechanismen eine Viertelstunde Zeit zu widmen.