Titel: Erkennung der Verfälschung des Wachses mit dem Talg, – Cerometrie; von V. Legrip.
Fundstelle: Band 95, Jahrgang 1845, Nr. LXXIX., S. 309
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LXXIX. Erkennung der Verfaͤlschung des Wachses mit dem Talg, – Cerometrie; von V. Legrip. Aus dem Journal de Chimie médicale, Jan. 1845, S. 34. Legrip, über Erkennung der Verfälschung des Wachses mit Talg. Ich habe über die Schmelzpunkte des Wachses und des Talgs Versuche angestellt, in der Hoffnung, darin ein Mittel zu finden, um die Verfälschung des Wachses mit mehr oder weniger Talg zu entdeken. Bei den Versuchen wurde ein langhalsiger Kolben in einem mit Wasser gefüllten Gefäß befestigt; in den Hals des Kolbens wurde dann ein Centesimal-Thermometer hinabgelassen, dessen Kugel mit einer ziemlich diken Schicht Talg überzogen war, und diese Vorrichtung auf ein sehr gelindes Feuer gestellt. Das Thermometer zeigte die Temperaturzunahme der im Kolben enthaltenen Luft an. Bei + 44° C. änderte die Talgschicht schon ihr Aussehen, aber erst bei 46° floß der Talg tropfenweise ab. Nachdem die Vorrichtung vom Feuer weggenommen war, wurde anstatt des Talgs reines und talgfreies gelbes Wachs an die Kugel gebracht. Das Thermometer mußte nun auf 64° C. steigen, damit das Wachs ebenso abfloß. Das gelbe Wachs wurde hierauf durch weißes Wachs ersezt, von dessen Reinheit ich vollkommen überzeugt war. Ich vermuthete, daß der Schmelzpunkt etwas abweichen würde von dem des gelben Wachses, allein schon vor 64,5° war die Schmelzung eingetreten. Da die Versuche mit beiderlei Wachsarten stets gleich ausfielen, so sind, wo vom Wachs die Rede ist, beide ohne Unterschied darunter zu verstehen. Diese Verschiedenheit des Schmelzpunkts zwischen Talg und Wachs schien mir die Anfertigung einer Scale möglich zu machen, welche alle Mischungen dieser Substanzen angibt. Ich dachte 50 Theile Wachs und 50 Theile Talg sollen bei 55° (dem Mittel der beiden Schmelzpunkte) schmelzen; aus nachfolgender Tabelle aber wird man ersehen, daß dem nicht so ist. Reiner Talg schmilzt bei + 46° C. 19 Theile Talg und 1 Theil Wachs; diese Mischung schmilzt bei     47   7     –        –        1         –                    –             –            –     49,5   5     –        –        1         –                    –             –            –     52,5   3     –        –        1         –                    –             –            –     55,5   1     –        –        1         –                    –             –            –     59   1     –        –        3         –                    –             –            –     60,5   1     –        –        5         –                    –             –            –     61,5   1     –        –        7         –                    –             –            –     62,5   1     –        –      11         –                    –             –            –     63   1     –        –      19         –                    –             –            –     64 Reines Wachs ohne Talgzusaz schmilzt bei     64 Die Ungleichförmigkeit in diesen Daten läßt die Einführung einer auf die Schmelzbarkeit gegründeten Probirmethode nicht zu, denn die meisten Experten könnten einen Betrug, wenn dem Wachs weniger als ein Zehntheil Talg zugesezt ist, wohl schwierig erkennen. Eine solche Untersuchung konnte also nur andeuten, daß ein Betrug stattfindet, und auch dabei könnte nur einem sehr umsichtigen Beobachter Vertrauen geschenkt werden. Von Seite der Schmelzbarkeit wenig befriedigt, wendete ich mein Augenmerk auf die Dichtigkeit und hier glaube ich zu einem befriedigendem Resultat gelangt zu seyn. Da meines Wissens kein Schriftsteller das specifische Gewicht des Wachses und des Talgs angibt, mußte ich es durch den Versuch ermitteln. Eine mit destillirtem Wasser gefüllte und mit Glasstöpsel versehene Flasche wurde in die Schale einer genauen Waage gestellt und daneben 4,09 Gramme gelben Wachses gelegt. Nachdem man das Gewicht dieser Körper bestimmt hatte, wurde die Flasche geöffnet, das Wachs hineingebracht und die Flasche wieder sorgfältig verstopft; die vollkommen abgetroknete Flasche wurde dann auf die Waagschale zurükgebracht. Der dem Gewicht eines Volums Wasser, welches dem Volum des in die Flasche gebrachten Wachses gleich war, entsprechende Gewichtsunterschied betrug 4,25 Gramme. Hienach beträgt das spec. Gewicht des reinen gelben Wachses 962 (Wasser = 1000). Das weiße talgfreie Wachs gab ein gleiches Resultat. Derselbe Versuch mit eben so viel gereinigtem Talg ergab für das von demselben verdrängte Wasser 4,64 Gramme. Hienach beiträgt das specifische Gewicht des Talgs 881. Diese Verschiedenheit in den specifischen Gewichten des Wachses und Talgs bietet also ein leichtes Mittel dar, um zu finden, in welchem Verhältniß eine Mischung beider gemacht worden ist. Ich will nun zwei Verfahrungsweisen angeben, welche, obgleich sie nicht schneller ausführbar sind als die directe Bestimmung des specifischen Gewichts, doch in subtilen Operationen nicht geübten Personen besser zusagen werden. 1) Bei der Temperatur von 15° C. bereitet man aus Alkohol und Wasser zwei cerometrische Flüssigkeiten, eine von welcher ein Volum eben so viel wiegt als ein gleiches Volum talgfreien Wachses; dieselbe wird am Gay Lussac'schen Alkoholometer 29° zeigen; die andere, von welcher ein Volum so viel wiegt als dasselbe Volum wachsfreien Talgs, wird am Alkoholometer 46° zeigen. Eine Mischung von gleichen Theilen dieser beiden Flüssigkeiten wird einer Mischung von 50 Theilen Wachs und 50 Theilen Talg entsprechen, und jede Mischung dieser beiden Flüssigkeiten in irgend einem Verhältniß auch stets ein entsprechendes Gemisch von Wachs und Talg repräsentiren. 2) Folgendes Verfahren ist noch einfacher. Man taucht ein Muster des zu untersuchenden Wachses in eine cerometrische Flüssigkeit von + 15° C. Temperatur, welche aus Wasser und Alkohol in solchen Verhältnissen bereitet ist, daß das Muster in der Mitte der Flüssigkeit sich schwebend erhält, nicht an die Oberfläche steigen und den Boden nicht erreichen kann. Ist das Wachsmuster herausgenommen, so ersezt man es durch das Alkoholometer und der Grad, den es dann anzeigt, welcher sich immer zwischen 29 und 46 befindet, entspricht genau dem Gehalt des Musters an Wachs. Zeigt z.B. die cerometrische Flüssigkeit am Alkoholometer 29°, so entspricht dieß 100 Wachs,     0 Talg 33,3         –             –   75      –   25    – 37,5         –             –   50      –   50    – 41,7         –             –   25      –   75    – 46         –             –     0      – 100    – Man sieht also, daß mittelst des Alkoholometers, bei der gehörigen Sorgfalt, die in eine Wachsmasse gebrachte Menge Talg, wenn sie auch nur 2–3 Proc. beträgt, bestimmt werden kann. Dieses Verfahren scheint mir zur Untersuchung hinzureichen, da das im Handel vorkommende mit Talg verfälschte Wachs den Talg doch wohl nie in geringerer Menge enthält, als sie noch leicht hienach entdekt werden kann. Vorsichtsmaaßregeln für diese Probirmethode. – Um sich ein Muster des verdächtigen Wachses zu verschaffen, welches seinen Gehalt genau repräsentirt, muß es aus allen Theilen der Masse zusammengesezt seyn, aus der oberen, unteren, mittleren etc. Alle diese das Probemuster bildenden Theile müssen mit einander geschmolzen, zusammengerührt und so lange erwärmt werden, bis man sicher ist, daß keine Feuchtigkeit mehr vorhanden ist; hierauf läßt man langsam erkalten. Um sich dieser Masse, nachdem man sie von dem Gefäß, worin sie erkaltete, durch leichtes Erwärmen losgemacht hat, zu bedienen, bildet man kleine runde oder eiförmige Brode daraus. Das Probemuster, so vorbereitet, ist so compact als es seyn kann, und enthält weder Wasser, noch Zwischenräume die seine wirkliche Dichtigkeit verändern könnten. – Wasser und Alkohol müssen ganz rein seyn. – Man bedient sich eines höchst genauen Alkoholometers, bis dieses Verfahren, wenn es den Bedürfnissen des Handels und der Gewerbe entspricht, die Construction eines Cerometers veranlaßt, welches, wie die Essigwaage, mehr Raum zwischen seinen Gradabtheilungen darbietet; auf der 100theiligen Scale eines solchen entspräche der unterste Punkt, 100 Wachs, 29 Graden und der höchste, 0 Wachs, 46 Graden des Alkoholometers.Es wäre zu wünschen, daß Hr. Legrip seine Versuche auch mit Stearinsäure anstellte, welche bekanntlich auch in den Handel gebracht und dem Wachs zugesezt wird.