Titel: Ueber die Entwikelung der Münzfabrication bis auf die neueste Zeit; von Klipfel, Münzmeister in Berlin.
Fundstelle: Band 95, Jahrgang 1845, Nr. XCVIII., S. 381
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XCVIII. Ueber die Entwikelung der Muͤnzfabrication bis auf die neueste Zeit; von Klipfel, Muͤnzmeister in Berlin. Aus dem Berliner Gewerbe-, Industrie- und Handelsblatt Bd. XIII Nr. 11. Klipfel, über die Entwikelung der Münzfabrication. Die Erfindung des Stoß- oder Schraubenwerks im 16ten Jahrhundert und die des Ränderirens mittelst Maschinen durch den Franzosen Castaing im 17ten Jahrhundert hatte zwar die frühere mangelhafte Münzfabrication schon um einen großen Schritt vorwärts gebracht; bei der geringen Ausbildung der Mechanik in jener Zeit blieb jedoch das ganze Verfahren zur Herstellung von Münzen noch lange ein sehr unvollkommenes, und konnten deßhalb auch die Geldstüke aus dieser Zeit in künstlerischer Beziehung wenig Anspruch auf Anerkennung machen. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts trat aber der berühmte französische Mechaniker Droz mit seinen geistvollen Erfindungen für das Münzwesen hervor, welche sich fast auf alle Theile desselben erstrekten und wodurch unter Anderm Prägwerke erstanden, bei welchen nicht allein die Schnelligkeit des Prägens vermehrt wurde, sondern das Auflegen des Blanketts oder Platten auf den Stempel durch einen besondern Mechanismus des Werks, „eine mechanische Hand“, erfolgte und endlich das Stük im Ringe geprägt werden konnte. Hiedurch sparte man also nicht allein an Zeit, sondern die Hand des Arbeiters war vor Gefahr geschüzt und die gleichnamigen Geldstüke wurden alle von einerlei Größe, und es möchte demnach wohl Droz als der Erfinder der sogenannten Ringprägung zu betrachten seyn. Wie nun aber jede neue Erfindung sehr bald weiter verfolgt wird und dadurch Veränderungen erleidet, so geschah es auch mit dem Droz'schen Prägwerke, welches vorzugsweise auf Prägung mit erhabener Randverzierung, also mit gebrochenem Ringe, berechnet war. Der französische Mechaniker Gengembre erbaute nämlich bald darauf auch Prägwerke, welche sich damals in vieler Beziehung sehr auszeichneten, anstatt des gebrochenen Ringes (virole brisée) aber einen vollen Prägring (virole pleine) zur Anfertigung von Münzen mit vertiefter Randschrift enthielten. Lange Zeit stritten sich die französischen Gelehrten und Techniker über die Vorzüge des einen Verfahrens gegen das andere, bis dann endlich die Gengembre'schen Prägwerke zur Zeit Napoleon's den Vorrang erhielten und fast allgemein in Frankreich eingeführt wurden. Später kamen dergleichen Maschinen unter Jérome nach Kassel und sind so wieder von dort aus während des Krieges 1813 auch drei solcher Werke nach Berlin gekommen, wo sie noch benuzt werden, jedoch durch den Münzmechaniker Naumann in allen Theilen so vollständig verändert und, man darf wohl sagen, verbessert worden sind, daß eigentlich nur noch der, merkwürdiger Weise von Messing gefertigte ursprüngliche Körper mit dem kaiserlichen Adler vorbanden ist und dadurch an eine große, bewegte Zeit erinnert. Bei der fortgesezten Entwikelung des Maschinenwesens im Allgemeinen, und namentlich der Dampfmaschinen, war man auch besonders in England darauf bedacht gewesen, die Stoßwerke durch Maschinenkraft in Bewegung zu sezen; indessen lange Zeit stieß man hiebei immer auf große Schwierigkeiten, indem nicht allein eine hin- und hergehende Bewegung, so wie in bestimmten Zeiträumen ein Stoß hervorgebracht, sondern auch die Wirkung des Rükstoßes aufgehoben werden mußte. Den ausgezeichneten Mechanikern Boulton und Watt, deren Namen in der Dampfmaschinenkunde hoch glänzen, gelang es zuerst, eine Vorrichtung herzustellen, durch welche mittelst Druks der Luft, welches Fluidum den Rükprall des Stoßes auszuhalten vermag, die Prägwerke in Bewegung gesezt wurden, und wandten sie dieselbe bewegende Kraft auch auf die Durchschnitte an. Die genannten beiden Mechaniker richteten auf diese Weise im Anfange dieses Jahrhunderts die Münze in London ein und benuzten dazu die Droz'schen Prägwerke, jedoch mit geschlossenem Ringe; späterhin erhielten auch die Münzen zu Petersburg und Kopenhagen eine ähnliche Einrichtung, welches Veranlassung gab, daß man näher damit bekannt wurde, und welche Einrichtung der Hauptsache nach darin besteht, daß mittelst einer Dampfmaschine und zweier Luftpumpen die Luft in einem großen Cylinder verdünnt wird, welcher wiederum mit einer Pumpe in Verbindung steht, deren Kolben durch die atmosphärische Luft niedergedrükt werden, und auf diese Weise durch eine sehr complicirte Verbindung den Balancier in drehende Bewegung sezt und so endlich die Prägung bewirkt. Diese ganze Einrichtung ist überaus geistvoll erdacht, aber auch wieder so sehr ausgedehnt und complicirt, daß sie namentlich für Münzstätten, deren Betrieb oft unterbrochen wird und nur unbedeutend ist, nicht empfohlen werden kann. Newedowsky, angestellt bei der Münze zu Petersburg, zu der Zeit, wo die Boulton-Watt'schen Münzmaschinerien dort aufgestellt wurden, hatte Gelegenheit, ihre Wirkungen näher zu beobachten und sich zu überzeugen, daß, so sehr man auch den Scharfsinn dabei bewundern muß, dieselben nicht ohne mancherlei Störungen benuzt werden können; in seiner Liebe zur Mechanik bemühte er sich daher, eine andere Bewegungsart für Prägmaschinen zu erdenken, und kam so endlich dahin, den gebrochenen oder Kniehebel dafür anzuwenden. Es soll auch wirklich ein Prägwerk mit diesem Bewegungsprincipe von Newedowsky hergestellt worden seyn; indessen seine Erfindung muß wenig Unterstüzung gefunden haben, indem sie zu keiner Anwendung oder Verbreitung gelangte. Etwa einige Jahre später verfiel der verstorbene Mechaniker Uhlhorn zu Grevenbroich bei Düsseldorf auch auf die Idee, die Kniehebel in Verbindung mit Kurbel, Krummzapfen und Schwingungsrad zum Betriebe von Prägmaschinen, in denen die Pressung zwischen einem eisernen Rahmen erfolgt, anzuwenden, und war derselbe vermöge seines größern Talentes, theils wegen der lebhaftesten Anregung und des Schuzes, welche er durch den Generalmünzdirector Goedeking erhielt, auch glüklicher als Newedowsky, indem seine Maschinen, und besonders nach seinem Tode die vielfach verbesserten Maschinen seines jüngern Sohnes, eine große Verbreitung in den Münzstätten Europa's erlangt haben. Vollständig ist der Streit unter den Münztechnikern, ob Schraubenwerke oder die Uhlhorn'schen Prägmaschinen mit Kniedruk vorzuziehen seyen, wohl noch nicht entschieden, denn es finden sich für beide Vertheidiger; daß indessen die lezteren (Uhlhorn'schen) Werke eine leichte Verbindung mit der Dampfmaschine zulassen, spricht sehr für sie, und sie sind überhaupt empfehlenswerth für alle Münzstätten, welche keine besonderen mechanischen Werkstätten haben, indem die großartigen Luftpumpen-Apparate zum Betrieb der Stoßwerke zu kostbar sind, die Menschenkräfte bei den Schraubenwerken aber doch sehr angespannt werden, ihr Ersaz durch leichter zu erlangende Triebkraft also nur gewünscht werden kann. Auf einem gut eingerichteten Stoßwerke mochte im Ganzen die Prägung wohl schärfer erscheinen, weßhalb man diese auch besonders für Medaillen- oder Senkwerke wohl stets wird beibehalten müssen. In der Berliner Münze hatte man es seit lange schon für nöthig gehalten, daß der Münzmechaniker Hand in Hand gehe mit den technischen Beamten, indem ersterer nur dann dem Zwek entsprechende Maschinerien liefern kann, wenn er mit allen einzelnen Theilen des praktischen Münzwesens vertraut gemacht wird. Die Berliner Münze darf sich daher auch mehrerer zwekmäßig eingerichteter Schraubenprägwerke (oder Stoßwerke) ihrer Mechaniker Kleinstüber und Naumann erfreuen, und hat deßhalb bis jezt noch nicht das Bedürfniß gefühlt, die ersten Uhlhorn'schen Prägmaschinen mit Kniedruk, welche sie noch benuzt, durch neue von vielfach veränderter Construction zu vermehren. Ueberdieß wird sich hier wohl bald ein ganz neues System von Prägmaschinen entwikeln, bei welchem das Gute der gebrochenen Hebelwerke von Uhlhorn mit dem Zwekmäßigen der Stoßwerke vereinigt werden soll, und welches, wenn die Ausführung gelingt, eine wesentliche Veränderung im praktischen Münzwesen herbeiführen möchte. Eines Umstandes muß ich noch besonders Erwähnung thun, und das ist die Erfindung Kleinstüber's, unseren 3 Friedrichsd'or-Sorten beim Prägen eine erhabene Randverzierung zu geben, wie sie meines Wissens noch nirgend gefunden wird. Man hat anderswo früher schon und jezt wieder in Frankreich mit erhabener Verzierung auf dem Rande zwar geprägt, aber in ganz anderer Weise wie bei unsern Goldmünzen, indem dort nur erhabene Schrift oder sonstige Verzierung auf der Mitte des Randes sich befindet, wogegen hier die erhabene Verzierung die ganze Fläche des hohen Randes erfüllt und auf diese Weise ein Befeilen des Goldes fast unmöglich macht, wenigstens nicht anders, als wenn gleichzeitig die kettenartige feine Verzierung hinweggenommen wird, welches sich alsdann aber gleich bemerkbar machen würde. Zu allen diesen Veränderungen im Fache der Münzfabrication sind nun noch mancherlei Verbesserungen an den Walzwerken, den Durchstoßmaschinen, die viel einfachere Betreibung der lezteren durch Maschinenkräfte, als die von Boulton und Watt, die Einführung verbesserter Schabemaschinen anstatt der Feile zum Adjustiren, so wie endlich die Benuzung der eisernen Hartgußwalzen und der massiv gußstählernen Walzen von Grupp gekommen; und somit wird wohl genügend dargelegt seyn daß, während Künste und Gewerbe in Deutschland einen so hohen Schwung bekommen haben, in der deutschen Münzfabrication doch auch mannichfache Kräfte sich entwikelt haben, mit denen es möglich wurde Münzen herzustellen, wie unter anderen die neuesten deutschen Vereinsmünzen und im Allgemeinen die preußischen Münzen. Alle diese Münzen möchten den Münzen Frankreichs, Englands und Rußlands, wo viel weitläufigere, großartigere Einrichtungen bestehen, als bei den meisten deutschen Münzstätten, wohl nicht nachstehen. Gegenwärtig bestehen in Preußen nur noch zwei Münzstätten, zu Berlin und Düsseldorf, deren Münzen das Zeichen resp. A. und D. haben; in älteren Zeiten existirten aber deren mehrere, und zwar Berlin mit dem Zeichen A., Breslau mit B., Cleve mit C., Aurich mit D., Königsberg in Preußen mit E., Magdeburg mit F. und Stettin so wie die Nothmünze Glatz mit dem Münzzeichen G., welche allmählich bis auf jene zwei eingegangen sind. Bei dieser Gelegenheit ist auch noch zu erwähnen, daß es preußische Thaler mit dem Münzzeichen A und der Jahreszahl 1786 gibt, welche zu beiden Seiten des A einen Punkt haben und irrthümlich für Sterbethaler des Königs Friedrich II. gehalten werden, indem man sogar die Bezeichnung 17. A. 86 für 17. August 1786 liest; diese wenigen Thaler sind aber schon vor dem Tode des großen Königs ausnahmsweise in der damals noch bestandenen Zweigmünzstätte in der Münzstraße zu Berlin geprägt worden und haben nur zum Unterschiede von den in der Hauptmünze an der Schleuße daselbst geprägten Thalern die Punkte neben dem A erhalten. In dem Bereiche des Zollvereins bestehen 11 Münzstätten: zu Berlin, Düsseldorf, München, Dresden, Stuttgart, Karlsruhe, Darmstadt, Kassel, Wiesbaden, Braunschweig und Frankfurt a. M., und es sind bis jezt von 27 Staaten Vereinsmünzen geprägt worden, von denen allein, außer den preußischen, noch 11 verschiedene für fremde Staaten, als Sachsen-Weimar, Anhalt-Dessau, Cöthen und Bernburg, Waldeck, Reuß-Lobenstein-Ebersdorf, Reuß-Schleitz und Reuß-Greitz, Schwarzburg-Rudolstadt und Sondershausen und Lippe-Detmold, in Berlin angefertigt sind, und deren Zahl sich, wenn man die in neuester Zeit in einigen Staaten vorgenommenen Prägveränderungen berüksichtigt, bis auf 34 vermehrt hat. Die königlich bayerischen sogenannten Geschichtsmünzen möchten gewissermaßen als Mittelglied zwischen einer currenten Münze und einer Medaille zu betrachten seyn, indem sie neben der Bezeichnung ihres Werthes ein den Medaillen sich näherndes Gepräge haben. Sie dienen zur Erinnerung an bemerkenswerthe Landesereignisse, sind aber als Medaillen betrachtet nicht relief und nicht vollkommen genug geprägt und für eine curshabende Münze zu kostbar, daher mögen sie denn auch wohl nur in sehr geringer Menge von Exemplaren ausgeprägt seyn und bis jezt noch wenig Nachahmung in andern Ländern gefunden haben.