Titel: | Beschreibung des patentirten Treutler'schen Tag- und Nacht-Telegraphen. |
Fundstelle: | Band 98, Jahrgang 1845, Nr. CXI., S. 417 |
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CXI.
Beschreibung des patentirten Treutler'schen Tag-
und Nacht-Telegraphen.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI
Treutler's Tag- und Nacht-Telegraph.
Bekannt ist das englische Telegraphen-System, nach dem der preußische
Staats-Telegraph eingerichtet ist, und von dem die preusiischen und
sächsischen Eisenbahnen ihre Signale für den Taggebrauch entlehnt haben. Es besteht
dieser Telegraph nämlich aus einem Mast, an dem sich übereinander in drei Etagen
sechs Arme dergestalt befinden, daß in jeder Etage zwei Arme angebracht sind, die
sich um eine gemeinschaftliche Achse bewegen können. Vermittelst Ketten, die an das
obere Ende dieser Arme befestigt sind, läßt sich jeder Arm durch beliebige
mechanische Vorrichtung in drei verschiedene Stellungen bringen, wodurch man durch
Combination der einzelnen Armstellungen die verschiedenen beliebigen Zeichen erhält,
deren Zahl bei einem solchen sechsarmigen Telegraphen, beilaͤufig gesagt,
4095 beträgt.
Leicht einzusehen ist, daß man, wo wenigere verschiedene Zeichen erforderlich, nur
weniger Armetagen übereinander anzuwenden nöthig hat, ohne das Wesentliche des
Grundprincips zu stören. Ein solches Beispiel sehen wir an oben erwähnten bisher
gebraͤuchlich gewesenen Eisenbahn-Tag-Telegraphen, die aus einem Mast bestehen, an dem nur eine Armetage,
also nur zwei Arme angebracht sind, mit deren Hülfe sich 15 verschiedene Zeichen
geben lassen.
Schon längst war es fühlbar, daß ein Telegraph, der überhaupt auf Sichtbarkeit
beruht, nicht auch für den Dienst bei Nacht zu verwenden war, und namentlich trat
solches in neuester Zeit bei Eisenbahnen hervor, wo das Bedürfniß darnach sich
unabweisbar herausstellte, indem es nicht nur wünschenswerth und nothwendig
erscheinen mußte, während der Züge im Dunkeln ebenfalls Zeichen geben zu können,
sondern hauptsächlich auch, daß solche dann mindestens eben so scharf und in derselben Form der Tagsignale
wären, um jede Irrung nach Möglichkeit zu vermeiden.
Diese Aufgabe ist nun in dem in Fig. 6 bis 10 abgebildeten
Telegraphen gelöst, und zwar durch zwekmäßige mechanische Einrichtung, Einfachheit
in jeder Beziehung und großen und sichern Effect, auf eine solche Weise, daß hochgestellte Männer
von Fach diese Erfindung in ihren Gutachten darüber als eine der wichtigsten der
neueren Zeit bezeichnen.
Da diesem Telegraphen für die Zeichenbildung ebenfalls vorerwähntes englisches
Princip zu Grunde liegt, und auch die Beleuchtungsart sich in jeder Armetage in ganz
derselben Art wiederholt, so ist in der beigegebenen Zeichnung nur ein zweiarmiger
Telegraph dargestellt, und zwar genau so, wie dieselben seit Eröffnung der
Breslau-Schweidnitz-Freiburger Eisenbahn und Breslau-Liegnitzer
Streke der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn auf diesen im praktischen
Gebrauch sich befinden und nach denen nunmehr die sämmtlichen
Telegraphen-Stationen der ganzen Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn
eingerichtet werden.
Fig. 6 zeigt
einen solchen Telegraphen in der Seitenansicht; seine Arme befinden sich in Ruhe,
während in der Vorderansicht Fig. 7 die beiden Arme
beliebig gezogen sind, und die außerdem punktirten Linien, die übrigen noch
möglichen Stellungen der Arme andeuten. In Fig. 6 ist A der Hauptmast, der oben einen Fächermast B trägt, in welchem um die gemeinschaftliche Achse a sich die beiden Arme C
bewegen können, die vermittelst am obern Ende eingehängter Drahtketten mit den am
Fuß des Mastes befindlichen Hebeln D in Verbindung
stehen und dadurch in die verschiedenen Stellungen gebracht werden, daß man die
Hebel nach Erfordern in die entsprechenden Zähne b
einstellt. Der gemeinschaftliche Achsbolzen a hat an
einem Ende eine Flügelschraube, um die Arme im Fächermast nach Bedürfniß strenger
oder loser gehen lassen zu können. Um nun die Arme für die Nacht erleuchten zu
können, sind in denselben SpiegelAuch bei starkem Schneetreiben versagen die Spiegel nicht den Dienst; Reinigung derselben (trokenes Abwischen, welches
wie sich von selbst versteht jeder Waͤrter selbst macht) ist selten
noͤthig, indem, wenn dieß auch 4–6 Monate unterbleibt, man
eine Lichtabnahme nicht bemerkt. Die naͤchtliche Wirkung dieser
Telegraphen uͤberhaupt ist kraͤftiger und entschieden weiterreichend als jedes Tagsignal von gleicher
Dimension. jalousienartig so eingesezt, daß sie, wie Fig. 8 im Querschnitt
zeigt, das von einer Laterne, die sich in der Verlängerung der gemeinschaftlichen
Armachse befindet, empfangene Licht dieser Achse parallel zurükwerfen. Darnach sind
also, um je zwei Telegraphenarme nach vor- und rükwärts hin zu erleuchten,
nur zwei Laternen erforderlich, die an den Laternenleitungen E, welche zu dem Behuf mit einem Falz versehen sind, vermittelst Schnüren
durch die Winden F emporgewunden werden, bis sie oben an
einen Anschlag gelangen, wo sie dann im richtigen Punkte sich befinden, um in den Armen die Bilder
ihrer Flammen erscheinen zu lassen. Die Laterne G″ befindet sich in diesem Punkt, während G′ die Stellung angibt, in der sie zum Heraufwinden eingesezt wird. Die
Zahl der Spiegel in jedem Arm beläuft sich auf 10, von denen abwechselnd 5
vor- und 5 rükwärts-wirkend sind. Bei Tage dienen sie zugleich dazu,
den Arm sichtbarer zu machen, indem sie ihn füllen, stehen doch aber noch so weit
von einander ab, um dem Winde, Schnee etc. freien Durchgang zu lassen. In C, Fig. 7, deuten die mit
einem Sternchen versehenen Flächen die vorwärts wirkenden Spiegel an, während r die rükwirkenden bezeichnet.
Da auf diese Weise das Licht auf der Rükseite genau in dieselbe Richtung geworfen
wird, wie auf der Vorderseite, so ist ein solcher Telegraph, wie ihn Fig. 6 zeigt, nur in der
geraden Linie anwendbar, und in Curven muß man zu dem Auskunftsmittel schreiten, daß
man an zwei hintereinander stehenden Masten, wie Fig. 9 angibt, die Arme
nur nach den entsprechenden Seiten (also jedes Armpaar nur nach einer Seite) mit Spiegeln besezt, und die Masten so
wendet, daß die Armachse genau auf die nächste correspondirende Station einvisirt
ist. Ein solches Paar bildet also einen Curven-Telegraphen, mithin ein
solcher gewissermaßen aus zwei halben Telegraphen besteht, daher ein geradliniger
Telegraph auch ein ganzer, jeder von den beiden, die eine
Curvenstation bilden, aber ein halber Telegraph genannt
wird. Die Skizze Fig. 9 macht die Stellung der Telegraphen in der geraden Linie und Curve
durch einen Grundriß deutlich; a und e sind Stationen der geraden Linie; b, c und d Curvenstationen. Auf ein richtiges
Entfernungsverhältniß so wie auf sonstige Proportion ist hier natürlich nicht
Rüksicht genommen und sind die resp. Telegraphenstationen auch nur durch die
Stellung der Armpaare angezeigt. Uebrigens, da bei ein und derselben Curvenstation
die beiden Masten gleiche Höhe haben, so deken sich die entsprechenden Arme der Art,
daß dem Auge die gezogenen Zeichen immer genau wie bei
einer geradlinigen Station sichtbar sind.
Um die erleuchteten Arme deutlich von einander zu scheiden, ist in jeder
Laternenleitung, der Armachse gegenüber, eine Fensteröffnung angebracht, wodurch wie
H in Fig. 7 zeigt, man das
Licht der Laterne selbst sieht; es ist durch eine Glasscheibe roth gefärbt, und
bezeichnet somit zwischen den weiß erleuchteten Armen einen festen Mittelpunkt.
Durch Vorschieben bunter Scheiben vor die Laterne kann man zwar auch das Licht der
Arme färben, indeß ist das weiße Licht das intensivste, besiegt also am meisten
atmosphärische Hindernisse. Nur auf den Bahnhöfen selbst werden des Nachts die Arme
bunt beleuchtet, um
das sonst mögliche Ueberspringen der Zeichen, über den Bahnhof hinaus, zu
verhüten.
Auf den Eisenbahnen beträgt die ganze Höhe des Telegraphen 24 Fuß, welches Maaß nur
bei besonderen Terrainverhältnissen entsprechende Abänderung erleidet. Seine Wirkung
bei Nacht ist außerordentlich stark, die Locomotivführer fahren mit größerer
Sicherheit im Finstern auf die Zeichen desselben los, als am hellsten Tage auf
irgend ein Zeichen, was dadurch schon sehr erklärlich, bedenkt man nur, daß ein Arm schon ein Feuerzeichen von 5 Fuß Länge, zwei aber ein solches von 10 Fuß Länge geben.
Auf Eisenbahnen stehen die Telegraphen neben den Wärterbuden, die nach den
Terrainverhältnissen circa 1/10–⅛ Meile
von einander entfernt sind, und werden im Freien von den Bahnwärtern bedient. Bei
Staatstelegraphen, d. h. wirklichen Correspondenztelegraphen, die, um auf größere
Entfernung hin wirken zu können, in der Regel auf Thürmen angebracht sind, ist der
untere Theil derselben, wo die Hebel und Laternenwinden liegen und die Laternen
eingesezt werden, in die Stube des Telegraphisten eingebaut, so daß derselbe nie
nöthig hat diese zu verlassen, selbst nicht um den Telegraphen für die Nacht zu
beleuchten. Die Stationen der Staatstelegraphen liegen durchschnittlich in einer
Entfernung von circa 1½ Meile. Auf Specialbefehl
Sr. Maj. des Königs von Preußen stellte das General-Commando des 6.
Armeecorps zu Breslau im verflossenen Herbst in dieser Beziehung die genauesten
Versuche mit Fernröhren, wie sie bei den Staatstelegraphen gebraucht werden, auf der
Breslau-Freiburger Eisenbahn an, die denn ergaben:
„daß bei Nacht die Zeichen auf eine Entfernung von
1½ bis 2 Meilen, ohne durch Regen, Sturm, Schnee etc. irritirt zu werden,
noch mit größerer Deutlichkeit als diejenigen irgend eines bisherigen
Tag-Telegraphen wahrgenommen wurden.“
Schließlich ist nur noch zu bemerken, daß für militärische Zweke, sobald er
transportabel verlangt wird, ein solcher zweiarmiger Telegraph auch so eingerichtet
werden kann, daß er bei gleicher Länge der Arme von 5 Fuß, nicht über 6 Fuß hoch
wird und somit 3 bis 4 Stük bequem durch ein Pferd zu transportiren sind, oder mit
größter Leichtigkeit ein solcher durch zwei Mann von einer Stelle zur andern
gebracht und im Augenblik aufgestellt werden kann.
Die Unerheblichkeit des Kostenpunkts dieser Tag- und Nacht-Telegraphen
im Allgemeinen, sey es nun in Bezug auf Eisenbahnen oder für Staats- und
sonstige Militärzweke, ist durch die Abbildungen und durch hier Gesagtes gewiß so
genugsam erhellt, daß darauf speciell einzugehen wohl nicht erst nöthig ist, und mag
nur noch angeführt
werden, daß die Erfindung in den preußischen und österreichischen Staaten, Sachsen,
Bayern und Frankreich patentirt ist.