Titel: Versuche über die Anwendung des phosphorsauren Bittererde-Ammoniaks als Düngmittel; von Boussingault.
Fundstelle: Band 98, Jahrgang 1845, Nr. CXX., S. 447
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CXX. Versuche uͤber die Anwendung des phosphorsauren Bittererde-Ammoniaks als Duͤngmittel; von Boussingault. Aus den Comptes rendus, Sept. 1845, Nr. 13. Boussingault's Versuche über die Anwendung. Die zahlreichen Analysen, welche ich bei meinen Versuchen über die Bewirthschaftung des Bodens anstellte, ergaben eine merkwürdige Beziehung in der Vereinigung mehrerer in die Constitution der Pflanzen eingehenden Elemente. So ist die Bittererde, welche man für die Vegetation so schädlich hält, immer in den Aschen zu finden und zwar stets in einem gewissen quantitativen Verhältniß zur Phosphorsäure; so muß auch angenommen werden, daß die mineralischen Bestandtheile des Weizens, Türkischkorns, der Hülsenfrüchte sehr oft phosphorsaure Bittererde enthalten. Andererseits findet man, wenn man die Zusammensezung einer als Nahrung dienenden Pflanzensubstanz im Ganzen aufmerksam untersucht, einen offenbaren Zusammenhang zwischen dem Stikstoff und der Phosphorsäure, was darauf hinzudeuten scheint, daß in der Pflanzen-Organisation die phosphorsauren Salze vorzugsweise den nahrhaften stikstoffhaltigen Substanzen angehören und sie bis in den Organismus der Thiere, die sich dieselben assimiliren, begleiten. Gerade diese Beobachtungen, welche ich schon in meiner LandwirthschaftÉconomie rurale t. II p. 460. geltend machte, veranlaßten mich, das phosphorsaure Bittererde-Ammoniak als Düngmittel zu versuchen. Dieses Salz enthält wirklich die Elemente, welche zur Entwiklung der Pflanzen als die nothwendigsten erscheinen; die Phosphorsäure nämlich, welche im Zustand von phosphorsauren Salzen einen Bestandtheil aller Samen ausmacht, die Bittererde, welche beinahe in jeder Asche vorkommt, und das Ammoniak, welches mit dem Stikstoff der Atmosphäre zur Erzeugung der stikstoffhaltigen Substanzen beiträgt. Uebrigens besizt das phosphorsaure Bittererde-Ammoniak eine Eigenschaft, welche auch der Gyps hat und die sehr für seine Anwendbarkeit spricht; das ist dessen sehr geringe Auflöslichkeit. Ein wenig auflösliches Salz, sofern es an und für sich nüzlich ist, kann durch seine Quantität nicht schädlich werden, weil das von den Wurzeln zu absorbirende Wasser immer nur eine sehr kleine Menge davon aufnimmt. Am 1. Mai brachte ich Akererde in mehrere Steingutgefäße, deren jedes 15 Kubikdecimeter faßte. Diese Gefäße wurden in zwei Reihen getheilt; bei der ersten sezte ich der Erde jedes Gefäßes 16 Gramme phosphorsaures Bittererde-Ammoniak und einen schon geleimten Samenkern von Früh-(Sommer-) Türkischkorn (maïs hâtif, m. quarantain) zu. Alle jungen Pflanzen wurden ins freie Feld gesezt, und wenn es das trokene Wetter nothwendig machte, mit dem gleichen Gewicht Wasser begossen. Während der ersten vierzehn Tage hatten die Pflänzchen alle dasselbe Aussehen und waren gleich kräftig. Erst vom 25sten Tag an konnte man einen Unterschied gewahr werden, welcher sich seitdem immer erhielt. Am 25. Julius waren die Pflanzen der ersten Reihe, welche phosphorsaures Salz erhalten hatten, zweimal so hoch und hatten einen Stengel von dreimal so großem Durchmesser als die Türkischkornpflanzen in der gewöhnlichen Erde. Am 25. August waren die Verhältnisse nicht mehr ganz dieselben; das Türkischkorn der ersten Reihe war anderthalbmal so hoch und von zweimal so großem Durchmesser als das der zweiten Reihe. Alle Pflanzen blühten und schossen in Aehren zu gleicher Zeit. Die unter dem Einfluß des Doppelsalzes entwikelten trugen zwei volle und eine nicht zur Reife gelangende Aehre; die andern eine volle und eine nicht zur Reife gelangende; ich muß bemerken, daß in diesem Zustand sich in diesem Jahr das in freiem Feld gebaute Früh-Türkischkorn allgemein befand. Das Samenkorn der erstern Pflanzen wog 2¼, das der andern als 1 angenommen. Ich lege in der Regel im Kleinen angestellten landwirthschaftlichen Versuchen geringen Werth bei; indessen bin ich, wenn es sich um ein neues Düngmittel handelt, gewohnt, ehe ich es in größerm Maaßstab anwende, wie hier, einen Versuch damit anzustellen; ich hätte auch obige Resultate nicht mitgetheilt, wenn sie nicht so auffallend wären. Ich stellte im Kleinen sowohl als im Großen schon mit vielen Düngmitteln Versuche an, noch nie aber beobachtete ich so auffallend verschiedene Wirkungen. Im nächsten Jahr bin ich gesonnen Versuche im Großen anzustellen, deren Ergebnisse allein für die Landwirthschaft einen entscheidenden Werth haben. Ich verstand mich deßwegen mit Hrn. Schattenmann, dem Director der Fabrik chemischer Producte zu Buxmiller, welcher durch die Bereitung des Knochenleims in den Stand gesezt ist, über eine bedeutende Menge schon in Salzsäure aufgelösten phosphorsauren Kalks zu disponiren, von welchem also die Phosphorsäure leicht abzuscheiden ist. Ist diese einmal vorhanden, so bietet die Darstellung des Doppelsalzes in einem Etablissement, wo Ammoniaksalze erzeugt werden und welches sich überdieß in der Nähe sehr bedeutender Dolomitlager befindet, keine besonderen Schwierigkeiten mehr dar. Wenn übrigens, wie es mir sehr wahrscheinlich ist, das phosphorsaure Doppelsalz wirklich als Düngmittel den Vorzug vor andern Ammoniaksalzen verdient, so ist es dann ein Leichtes, den Guano in phosphorsaures Bittererde-Ammoniak zu verwandeln durch Zuziehung der Vittererde—einer der verbreitetsten mineralischen Substanzen.