Titel: Morse's elektromagnetischer Telegraph.
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XII., S. 48
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XII. Morse's elektromagnetischer Telegraph. Aus dem London Journal of arts, Oct. 1845, S. 212 Mit Abbildungen. Morse's elektromagnetischer Telegraph. Der Elektromagnet ist die Basis, auf welcher diese ganze Erfindung nach ihrer jetzigen Construction beruht. Der Elektromagnet wird erzeugt durch Umwickeln einer in Hufeisenform gebrachten Stange von weichem Eisen (Fig. 1) mit Kupferdraht, welcher, wie der Hutdraht vorher überzogen und gefirnißt wird, damit das Metall sich selbst und das Eisen nicht berührt (Fig. 2). Die beiden Enden des das Eisen spiralförmig umgebenden Drahts läßt man an den beiden Enden der gebogenen Stange herausstehen und setzt das eine mit dem Zinkpol, das andere mit dem Platinpol einer galvanischen Batterie in Verbindung; die auf gewöhnliche Weise mit ihrer angreifenden Säure vorgerichtete Batterie erzeugt galvanische Elektricität, welche von dem einen Textabbildung Bd. 099, S. 49 Textabbildung Bd. 099, S. 49 Pole der Batterie ausgeht, den Draht rings um das weiche Eisen herum durchströmt und durch das andere Drahtende zum andern Pole der Batterie zurückkehrt, auf diese Weise eine geschlossene Kette bildend. Das galvanische Fluidum geht so durch die ganze Länge des Drahts und während dieses Umlaufs wird das gebogene Eisen ein starker Magnet. Verbindet man die beiden Enden des Hufeisens mit einer Stange eben solchen weichen Eisens, so trägt dasselbe ein Gewicht von vielen Pfunden. Wird während dieses Zustands einer der Drähte von der Batterie entfernt, so fällt die Querstange (das Trageisen, der Anker) herab und mit ihr die Gewichte. Das Hufeisen kehrt augenblicklich in seinen ursprünglichen Zustand zurück und ist wieder unmagnetisch. Wird die Kette wieder geschlossen, wie vorher, so wird es augenblicklich wieder zum Magnet, unterbricht man den Strom wieder, so hört es wieder auf ein Magnet zu seyn. Die Batterie mag 100, 1000 oder 10,000 Fuß vom Magnet entfernt seyn, ja es mögen beide nur durch Zwischendrähte mit einander in Verbindung gesetzt seyn, die Wirkung auf den Magnet bleibt immer dieselbe. Auf diese Weise wird in bedeutender Entfernung von dem erzeugenden Agens eine Kraft hervorgebracht und es steht ganz im Belieben des Operators, an der Batterie diese Kraft mit der größten Schnelligkeit herzustellen und wieder aufzuheben. Fig. 3 ist die einfachste Form eines Elektromagnets, mit seiner geeigneten Maschinerie zu telegraphischen Zwecken. A ist die hufeisenförmig gebogene Eisenstange, mit Kupferdraht umwunden, von der Seite abgebildet, und auf einer Unterlage (Plattform) D stehend. V ist ein senkrechter an D befestigter Arm, woran der Hufeisenmagnet mittelst Textabbildung Bd. 099, S. 50 des Bolzens B, B, B, welcher durch die Schenkel desselben, durch das Brett V und die Stellschraube C geht, bleibend befestigt wird. E ist der aus dem Spiraldraht hervorstehende Schenkel des Hufeisens; es ist nur ein einziger Schenkel sichtbar, der andere ist gerade hinter E. G ist das Ende des Trageisens (Ankers), welches sich rückwärts so weit erstreckt, daß es die beiden hervorstehenden Enden des Hufeisenmagnets bedeckt. Dieses Trageisen ist an dem Hebel H, H befestigt, welcher sich leicht um den Stift bei I dreht, um in die Höhe zu gehen oder zu fallen. K stellt eine über dem Hebel H, H befindliche Stahlfeder vor, sie geht durch die von Messingdraht gebildete Oeffnung L; der untere Theil des Messingdrahts ist mittelst der Schraube M an dem Hebel H, H befestigt. O ist eine gehärtete Stahlspitze, ähnlich jener, deren sich viele Briefschreiber bedienen, ebenfalls an dem Hebel H, H befestigt und gerade über dem Mittelpunkt der metallenen Walze T, in welche eine kleine Vertiefung gemacht ist, die mit der Spitze O correspondirt. R ist das Gestell, in welchem die Achse der Walze T sich frei umdreht, es macht einen Theil von D aus. Die Linie s stellt das bandförmige Papier vor, welches von seiner Rolle aus zwischen der Walze und der Spitze O hindurchzieht. N und P sind die beiden Enden des Drahts auf dem Magnete A. Verbindet man nun die beiden Drahtenden N und P mit den Polen der galvanischen Batterie und schließt dadurch die Kette, so nähert sich das Trageisen G augenblicklich den Magnetenden E, bis sie in der Richtung des Pfeils W zusammentreffen. Unterbricht man den Strom, so wird G in der Richtung des Pfeils X mittelst der Feder K in die Höhe gehoben. Wird mit der Walze T ein Uhrwerk in Verbindung gesetzt, um ihr eine gleichförmige Bewegung um ihre Achse zu ertheilen, so wird sich das Papier s ebenso gleichförmig unter der Spitze O hin bewegen; bei geschlossener Kette wird sodann die Spitze O auf das Papier niedergedrückt, greift in dasselbe so ein, daß dieß ganz sichtbar wird, und fährt damit so lange fort, als die Kette geschlossen bleibt; wenn man aber den Strom unterbricht, so hört die Einzeichnung auf und die Spitze O zieht sich von dem immer fortlaufenden Papier zurück. Wird nun die Schließung der Kette mit großer Schnelligkeit abwechselnd hergestellt und wieder aufgehoben, so erscheint auf dem Papier eine Reihenfolge von Punkten und leeren Räumen. Wird die Schließung weniger rasch abwechselnd hergestellt und aufgehoben, so entstehen kurze Linien und dazwischen kurze leere Räume. Wird die Kette auf längere Zeit geschlossen und die Schließung dann aufgehoben u. s. f., so werden die Zeichen länger; es erzeugen sich demnach Punkte, kurze oder lange Linien, kurze oder lange Zwischenräume, je nach der Zeit, welche die Kette geschlossen bleibt und der Geschwindigkeit, mit welcher sich das Papier unter dem Griffel fortbewegt. Eine willkürliche Anordnung dieser Punkte, kurzen und langen Linien, bildet das telegraphische Alphabet, durch welches jede beliebige Nachricht gegeben werden kann. So kann ein Punkt A, zwei Punkte können B, drei Punkte C, ein Punkt und eine Linie D etc. bezeichnen. Das Papier wird an einer sich umdrehenden Walze befestigt und ist Tag und Nacht bereit Nachrichten aufzuzeichnen und zwar ohne Tinte, da die Eindrücke sogar von einem Blinden leicht gelesen werden; die nächtlichen Depeschen setzen die bei Tag angefangenen fort. Ueber die Kosten und Vortheile der elektromagnetischen Telegraphen. Der magnetische Telegraph von Washington nach Baltimore ist nun seit geraumer Zeit in Gebrauch; mehr als acht Monate hielten die 40 Meilen weit auf hohen Pfählen geführten Conductoren desselben aus, ohne durch einen Constructionsfehler eine Störung erlitten zu haben. Einigemal wurde allerdings die Communication durch äußere Zufälle unterbrochen, aber nur auf kurze Zeit; einmal nämlich wurde bei der großen Feuersbrunst in Baltimore ein Pfahl unbrauchbar, aber in 2–3 Stunden war der Schaden wieder gut gemacht, so daß die erste Nachricht von dem Unglück, mit allen Einzelnheiten, durch den Telegraphen selbst nach Washington gemeldet wurde. Ein andermal fiel ein Baum, welcher gefällt wurde, über die Drähte, wodurch die telegraphische Verbindung auf 2 Stunden unterbrochen wurde. Diese und ein paar andere zufällige Unterbrechungen betrugen im Ganzen nur 24 Stunden, außer diesen war der Telegraph in den sieben Monaten seiner Existenz beständig im Gang oder dazu bereit und zwar zu jeder Stunde des Tags und der Nacht, ohne Rücksicht auf die Witterung. Er überbrachte Nachrichten von der größten Wichtigkeit. Während der Unruhen in Philadelphia im letzten Sommer wurden durch einen Expressen auf der Eisenbahn versiegelte Depeschen von dem Bürgermeister in Philadelphia an den Präsidenten der Vereinigten Staaten geschickt; als der Expresse in Baltimore ankam, wurde der Inhalt der Depesche bekannt und während ein besonderer Train nach Washington vorbereitet wurde, gab man durch den Telegraphen die Nachricht dorthin, von einem Befehl des Eisenbahnvorstands begleitet, den Washingtoner Gütertrain nicht abfahren zu lassen, bis der besondere Zug angekommen sey. Und so geschah es auch, letzterer hatte freien Weg und Präsident und Cabinet, im Rathe sitzend, hatten durch den Telegraphen bereits die Anzeige sowohl, daß ein besonderer Wagenzug mit Depeschen für sie komme, als auch von dem Inhalt derselben, so daß, als der Zug ankam, die Antwort für den Boten schon bereit war. Im October vermuthete man von einem Deserteur des in Norfolk liegenden Schiffs „Pennsylvania“, welcher den Schiffszahlmeister um 600–700 Dollars betrogen hatte, daß er sich nach Baltimore begeben habe. Der Zahlmeister wendete sich an das Telegraphen-Bureau in Washington, trug seinen Fall vor und wünschte, daß nach Baltimore Nachricht davon gegeben werde, indem er für die Gefangennehmung des Angeklagten eine Belohnung versprach. Name und Beschreibung wurden nach Baltimore mitgetheilt; in 10 Minuten war der Verhaftbefehl schon in den Händen der Gerichtsbeamten, und in einer halben Stunde, nachdem der Zahlmeister zu Washington sein Gesuch vorgebracht hatte, kam von Baltimore die Nachricht mittelst des Telegraphen: „Der Deserteur ist arretirt; er ist im Gefängniß. Was soll mit ihm geschehen?“ Um die mannichfaltige Anwendbarkeit des Telegraphen zu zeigen, wurde einmal zwischen den Städten Baltimore und Washington eine Partie Dame und mehrere Partien Schach gespielt, und zwar mit solcher Leichtigkeit, als wären die Spieler an demselben Tische gesessen; es geschah dieß in einer ganz finstern Nacht, während es draußen regnete und stürmte. Hinsichtlich der Quantität der in einer gewissen Zeit möglichen Mittheilungen bemerken wir nur, daß durch ein einziges Instrument in der Minute 30 Charaktere angegeben werden können; da diese Charaktere aber conventionelle Zeichen sind, so können sie Zahlen, Buchstaben, Wörter oder Sätze bedeuten. Als Beispiel führen wir an, daß über ⅞ einer Spalte des Baltimore Patriot in 30 Minuten mitgetheilt wurde, schneller also, als der Berichterstatter zu Baltimore niederschreiben konnte. Diese Thatsache zeigt, wie geeignet dieser Telegraph wäre ein Rente abzuwerfen; man brauchte nur einen Tarif festzusetzen, durch welchen dann das Staatsärar wenigstens die Zinsen des für die erste Errichtung und nachherige Erhaltung des Telegraphen ausgegebenen Capitals wieder einnehmen würde. Ehe man noch Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht hatte, schienen die Kosten für solche Telegraphen ein unübersteigliches Hinderniß ihrer Errichtung zu seyn. Der auf einer Strecke von 40 (engl.) Meilen angestellte Versuch beweist aber das Gegentheil, besonders wenn man die außerordentlichen Vorzüge desselben gegen das alte System in Betracht zieht. Dieß geht aus Folgendem hervor: der (nach dem alten System errichtete) Semiphore-Telegraph zwischen London und Portsmouth (72 engl. Meilen) war nach hierüber erstatteten Berichten in 3 Jahren — 323 Tage, also beinahe ein Jahr, des Wetters wegen nicht zu gebrauchen; berücksichtigt man noch, wie viel Stunden er im Tag nur brauchbar ist — beim günstigsten Wetter bloß 6 — so treffen von den 3 Jahren auf den Tag nur 4 Stunden Brauchbarkeit, und dafür zahlt die brittische Regierung jährlich 3405 Pfd. St. Das französische Telegraphensystem ist ausgedehnter und größer als in irgend einem andern Staate; es besteht gegenwärtig aus fünf großen Linien von der Hauptstadt nach den äußersten Städten des Königreichs, nämlich: von Paris nach Calais 152 (engl.) Meilen. von Paris nach Straßburg 255 (engl.) Meilen. von Paris nach Brest 325 (engl.) Meilen. von Paris nach Toulon 317 (engl.) Meilen. von Paris nach Bayonne 425 (engl.) Meilen. zusammen 1474 Meilen mit 519 Stationen; diese kosten der französischen Regierung jährlich über 1,000,000 Frcs. für Unterhaltung, und die Herstellungskosten einer Station betragen durchschnittlich 4400 Frcs. Der elektromagnetische Telegraph zu dem in der Bill der Vereinigten Staaten gemachten Anschlag (nämlich 461 Dollars per Meile, wofür aber nicht bloß eine, sondern sechs Linien hergestellt wurden) würde für dieselbe Strecke nur 619,515 Dollars kosten, also nicht ganz das Drittheil mehr als die Ausführung der französischen Telegraphen kostete. Wäre nun auch jede Linie nur so wirksam wie der französische Telegraph, so wäre dabei schon die sechsfache Bequemlichkeit für ein Drittheil mehr Kosten. Bedenkt man aber, daß der französische Telegraph, wie der englische, den größten Theil der Zeit unbrauchbar ist, so stellen sich die Vorzüge des magnetischen um so mehr heraus. Ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Systemen ist der, daß die gewöhnlichen Telegraphen eine Last für das Staatsärar sind, während der magnetische Telegraph eine Rente in Aussicht stellt. Ein anderer wesentlicher Unterschied der beiden Systeme besteht darin, daß die Stationen der gewöhnlichen Telegraphen einander sichtbar seyn müssen — ein Umstand welcher ihre Kosten sehr erhöht; die 519 Stationen auf den 1474 Meilen der französischen Telegraphenlinien zeigen, daß auf je 3 Meilen ungefähr 1 Telegraph zu rechnen ist. Bei den magnetischen Telegraphen ist die Anzahl der Stationen hingegen eine beliebige; die beiden Stationen zu Baltimore und Washington beweisen, daß sie wenigstens 40 Meilen weit von einander entfernt seyn dürfen, und es ist nach meinen Versuchen nicht zu bezweifeln, daß 100, und auch 500 Meilen dasselbe Resultat geben würden; wenn man aber auch 100 Meilen als die größte Länge für eine Station annimmt, so wären 15 Stationen hinlänglich, wo Frankreich deren 519 bedarf. Die Hauptvorzüge des magnetischen Telegraphen lassen sich in Folgendem resumiren. Er ist zu jeder Zeit, zu jeder Stunde des Tags und der Nacht brauchbar, das Wetter sey wie es wolle; er theilt in derselben Zeit mehr als hundertmal so viel Nachrichten mit, als der gewöhnliche, in die Ferne Zeichen gebende; er ist wohlfeiler herzustellen und mit geringern Kosten zu erhalten und kann, zur Mittheilung von Privatnachrichten gegen Gebühren verwendet, eine Rente abwerfen. Im Herbst 1842 überzeugte ich mich durch Versuche, daß die Elektricität über einen Fluß geleitet werden kann, ohne einen andern Conductor als das Wasser selbst. Fig. 4 macht meinen Versuch anschaulich. Textabbildung Bd. 099, S. 54 A, B und C, D sind die Ufer des Flusses; N, P ist die Batterie, E der Elektromagnet, w, w sind die Drähte längs der Ufer; sie sind mit den im Wasser befindlichen Kupferplatten f, g, h, i verbunden. Ist alles so vorgerichtet, so geht die von der Batterie erzeugte Elektricität vom positiven Pole P an die Platte h, quer über den Fluß durch das Wasser an die Platte i und dann durch die Spiralwindungen des Magnets E an die Platte f, quer über den Fluß an die Platte g und von da an den andern Pol der Batterie N. Die Zahlen 1, 2, 3, 4 zeigen die Entfernung längs des Ufers an, die Entfernung von einem Ufer zum andern als Einheit angenommen. Die Entfernung über den Canal hinüber ist 80 Fuß; folgendes sind die Resultate der am 24. August angestellten Versuche. Nummer des Versuchs. Anzahl der Elemente (Becher) der Batterie. Länge der Conductoren w, w. Grade, um welche sich das Galvanometer bewegte Größe der Kupferplatten f, g, h, i. 1 14 400 Fuß. 32 und 24 5 Fuß Länge 2½F.Br. 2 14 400 13½ und 16 Zoll Länge 13 Z.Br. 3 14 400 1 und 1 6 Zoll Länge 13 Z.Br. 4 7 400 24 und 13 5 Fuß Länge 2½F.Br. 5 7 300 29 und 21 5 Fuß Länge 2½F.Br. 6 7 200 21½ und 15 5 Fuß Länge 2½F.Br. Es geht aus denselben hervor, daß die Elektricität sich quer über den Fluß fortpflanzt und zwar quantitativ im Verhältniß zu der Größe der im Wasser befindlichen Platten. Die Entfernung der Platten von einander auf derselben Seite des Flusses ist ebenfalls von Einfluß auf das Resultat. Fernere Versuche müssen erst darüber entscheiden, ob sich nicht hoch in die Luft reichende Metallstangen, auf welche die Drähte gehängt werden, in den Flüssen aufgestellt, als besonders praktisch bewähren; die angestellten Versuche erstreckten sich nur auf eine geringe Entfernung und das Princip zeigte sich bei denselben als ganz richtig. Meine Gehülfen Vail und Rogers führten dasselbe auch bei Havre-de-Grace über den Susquehannafluß aus, beinahe eine (engl.) Meile weit, und mit dem besten Erfolg.