Titel: Ueber die Wirkung der Thierkohle auf Bier und andere Flüssigkeiten worin organische Substanzen aufgelöst sind; von Robert Warington.
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XIV., S. 59
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XIV. Ueber die Wirkung der Thierkohle auf Bier und andere Flüssigkeiten worin organische Substanzen aufgelöst sind; von Robert Warington. Im Auszug aus dem Philosophical Magazine, Oct. 1845, S. 269. Warington, über die Wirkung der Thierkohle auf Bier und andere Flüssigkeiten. Einer meiner Freunde kam auf den Gedanken, daß die große Nachfrage nach blassem Ale als Getränk zum Hausgebrauch, wie es nach Indien ausgeführt wird, es wünschenswerth mache, das gewöhnliche Bier durch künstliche Mittel entfärben zu können, um sich auf diese Weise den gesuchten Artikel zu verschaffen. Es sey dieß, wie er sagte, um so wichtiger, als er von Sachverständigen gehört hätte, wie schwierig es sey ein zum Verkauf hinlänglich blasses Getränk zu erhalten, indem das Malz für diese Bierart besonders bereitet werden müsse. Um diesen Zweck zu erreichen, ließ er die Flüssigkeit durch Thierkohle laufen, wodurch die gewöhnliche bernsteingelbe Farbe dem Ale theilweise benommen werde. Ich wiederholte diesen Versuch auf die Art, daß ich das kalte Ale durch eine Schicht auf einem Papierfilter befindlicher Thierkohle so oft hindurchlaufen ließ, bis der Zweck erreicht wurde; das Ale, mit welchem dieß geschah, war stark gefärbt, hatte einen bittern Geschmack und das feine Arom des Hopfens. Die Farbe war bald entfernt, aber das Ale wurde auch sehr matt und fade von Geschmack und der ganze bittere Wohlgeschmack war ihm so entzogen. Von diesem schnellen Erfolg überrascht, setzte ich die Versuche sogleich mit andern und mehr bittern Substanzen, wie dem Hopfen fort. Zu diesem Behuf wurde eine Quantität Ale, dessen Hopfengeschmack durch Thierkohle entfernt worden war, mit gestoßener Enzianwurzel, eine andere Portion mit geraspeltem Quassienholz gekocht; wenn man diese Abkochungen nach dem Abkühlen wie oben durch das Kohlenfilter laufen ließ, verschwand der ganze bittere Geschmack, welchen sie angenommen hatten, schnell. Ich kam nun auf den Gedanken, daß diese Eigenschaft der Thierkohle dem Chemiker von großem Nutzen werden könne, da sie nach allem, was wir bis jetzt wissen, auf die vegetabilischen Alkalien nicht wirkt, und daher ein Mittel abgeben müßte, um das Hopfenbitter und andere Bitterstoffe von dem in den Krähenaugen (Brechnuß, nux vomica) und dem Opium enthaltenen ebenfalls bitterschmeckenden Strychnin und Morphin zu trennen, da, wie häusig behauptet wird, Bierverkäufer und Brauer diese und ähnliche Stoffe dem Bier in kleiner Menge zusetzen, um ihm mehr berauschende Kraft zu geben. Ich digerirte demzufolge grobgepulverte Brechnuß mit einer Portion des zu obigen Versuchen bereiteten Ale, und nachdem ich dasselbe nach dem Erkalten vielemale durch Thierkohle hatte laufen lassen, war der bittere Geschmack doch noch immer vorhanden, was also meine Voraussetzung als richtig bestätigte. Mit den Decocten einiger anderen adstringirenden bitteren Substanzen, wie der Eichenrinde, der Chinarinde (cinchona cordifolia) u. m. a. versuchte ich ebenfalls die Wirkung der Thierkohle. Diese verloren sämmtlich ihren bittern Geschmack. Bemerkt muß werden, daß bei diesen und den folgenden Versuchen die Thierkohle der noch warmen Flüssigkeit zugesetzt wurde, und die Digestion mit derselben im Sandbad stattfand, bis die volle Wirkung eingetreten war, worauf die Flüssigkeit filtrirt wurde. Die angewandte Thierkohle war das gewöhnliche Beinschwarz der Zuckerraffinerien, welches durch Digestion mit Salzsäure gereinigt und so lange ausgewaschen wurde, als noch eine salzige Substanz abfloß, worauf man es trocknete und gelinde ausglühte. Auch ein Aloedecoct wurde mit dieser Thierkohle mit demselben Erfolg behandelt, indem es allen bittern Geschmack verlor. Nachdem ich diese Versuche angestellt hatte, wurde ich erst aufmerksam gemacht, daß die HHrn. Duflos und Hirsch in ihrer „ökomischen Chemie“ (Breslau 1842) im Artikel: Bier S. 65, schon mit wenigen Worten dasselbe sagen, daß nämlich der Bitterstoff des Hopfens und aller andern, bisher als Surrogate desselben benutzten Pflanzenstoffe, wie des Enzians, Wermuths etc., sogar der Aloe, durch Thierkohle abgeschieden werde, nicht aber der Bitterstoff der Brechnuß, dessen man sich in England häusig bedient. Beim Rückblick auf meine Versuche fiel es mir nun auf, daß das Chinadecoct seine ganze Bitterkeit verloren hatte, was nach dem oben ausgesprochenen Grundsatz hinsichtlich seines wirksamen Bestandtheils nicht hätte der Fall seyn sollen. Ich löste daher eine kleine Menge neutralen schwefelsauren Chinins mittelst der Wärme in destillirtem Wasser auf, setzte hierauf Thierkohle zu und fand, daß die ganze Bitterkeit in weniger als einer Minute verschwunden war. Essigsaures Morphin, mit Thierkohle behandelt, gab dasselbe Resultat; eine wässerige Strychninlösung ebenso. Hiedurch wurde es nothwendig, den ersten Versuch mit der Brechnuß zu wiederholen, welcher mit einer kalten Lösung und bloßem Filtriren durch Thierkohle angestellt worden war; sie wurde nun in der Wärme digerirt und der ganze bittere Geschmack war bald verschwunden. Die Duflos-Hirsch'sche Angabe ist daher nicht vollkommen richtig. Um zu bemessen, wie weit diese entziehende Kraft geht, wurden 2 Gran schwefelsauren Chinins in 2 Unzen destillirten Wassers aufgelöst und der warmen Lösung Thierkohle in kleinen Mengen zugesetzt, bis aller bittere Geschmack verschwunden war; hiezu waren 12 Gran Thierkohle erforderlich. Es ist zu verwundern, daß diese Eigenschaft der Thierkohle, meines Wissens wenigstens, bisher noch nicht beobachtet wurde, ungeachtet der so häufigen Anwendung dieses Agens bei der Darstellung der Pflanzenalkalien, deren Salze und einer großen Anzahl anderer organischer Substanzen, wozu sie in allen chemischen Werken und Pharmakopöen behufs der Entfärbung anempfohlen wird. Eine Menge Analysen organischer Stoffe, wobei man sich derselben bediente, lassen jetzt die Möglichkeit eines Irrthums zu. Die einzige mir bekannte Arbeit über diesen Gegenstand ist von L. Hopff (Brandes' Archiv Bd. XXXVIII S. 28) unter dem Titel: „Ueber die Eigenschaft der Kohle, den bittern Geschmack vieler Körper zu zerstören“; er beschreibt darin eine Reihe vergleichender Versuche mit Holz- und Thierkohle, die bei einer Temperatur zwischen 20½ und 32° R. mit Auflösungen (von gewisser Stärke) der Extracte bitterer Kräuter, Hölzer, Wurzeln, Rinden, Blätter, Blüthen und Früchte angestellt wurden. Ich füge aus dieser Abhandlung ein paar Beispiele von Substanzen bei, welche auch in der vorliegenden zur Untersuchung kamen und glaube, daß die große Verschiedenheit unserer Resultate davon herrührt, daß die von Hrn. Hopff angewandte Kohle nicht gut präparirt war. Nach 24 Stunden. Nach 48 Stunden. Nach dem Kochen. Enzian. Hatte etwas von seinem Bitter verloren. Rein bitter. Hatte sehr wenig von seinem Bitter verloren. Quassia. Vielleicht etwas von seinem Bitter verloren. Wie vorher. Sehr wenig vom Bitter verloren. Aloe. Vielleicht etwas verändert. Ein wenig verändert. Wie vorher. Brechnuß. Sehr wenig verändert. Wenig verändert, noch sehr bitter. Merklich weniger bitter. In einer Anmerkung sagt der Verfasser, daß das Bitter der Brechnuß durch Schütteln der Lösung mit einem großen Ueberschuß von Thierkohle vollkommen verschwinde. Der Analogie wegen untersuchte ich die Wirkung der Kohle auf Salze mit unorganischen Bestandtheilen und es war hier eine ähnliche Wirkung wahrzunehmen. Eine große Quantität schwefelsaurer Bittererde wurde aus ihrer Lösung in Wasser abgeschieden, so wie auch Chlorbaryum, schwefelsaures Natron und andere Salze. Daß schwefelsaurer Kalk dadurch aus seiner Auflösung abgeschieden wird, haben schon Payen und Graham bemerktWir verweisen auf Chevallier's und Weppen's Abhandlungen im polytechn. Journal Bd. XCV S. 129 und Bd. XCVIII S. 403.A. d. R.