Titel: Ueber die Fabrication des Kartoffelmehls; von A. Clerget.
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XVII., S. 72
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XVII. Ueber die Fabrication des Kartoffelmehls; von A. Clerget. Aus dem Agriculteur praticien, Dec. 1845, S. 79. Clerget, über die Fabrication des Kartoffelmehls. Man wählt gute Sorten weißer oder gelber mehliger Kartoffeln und läßt sie zuerst durch eine Waschmaschine Passiren, wie man sie in den Stärkmehlfabriken und Runkelrübenzucker-Fabriken anwendet; es ist gut, wenn die Kartoffeln wohl ausgewaschen und von den ihnen anhängenden erdigen und sandigen Theilchen möglichst gereinigt werden; deßhalb ist eine etwas vervollkommnete, innerlich mit beweglichen Bürsten versehene Waschmaschine einer gewöhnlichen vorzuziehen. Beim Herauskommen aus derselben fallen die Kartoffeln auf eine horizontale Wurzelschneidmaschine, welche sie in Scheiben oder Parallelipipeda zerschneidet. Jede Scheibe wird wieder in kleine Schnitten zerschnitten behufs des nachherigen Austroknens. Die Wurzelschneidmaschine verarbeitet mit Leichtigkeit in der Stunde 1800 bis 2000 Kilogr. Wenn die Kartoffeln gut gereinigt aus der Waschmaschine kommen, kann man sie mit der daran bleibenden Schale zerschneiden; durch das Mahlen und Beuteln wird diese Schale als Kleie entfernt; sind sie aber nicht hinlänglich gereinigt und verlangt man ein vollkommen weißes Mehl bester Qualität, ohne alle Kleientheilchen, so kommen die Kartoffeln von der Waschmaschine in einen Cylinder, welchen ich Schäler (peleuse) nenne, dessen innere Wände mit Eisenblech belegt sind, das wie ein Reibeisen durchlöchert ist und mittelst der Reibung in allen Richtungen die Schale und die darunter befindliche zweite gefärbte Epidermis ganz leicht beseitigt. Der Abgang bei dieser Operation beträgt ungefähr 12 bis 15 Proc. des Bruttogewichts; er ist aber nicht verloren, weil er später zur Bereitung eines geringern Mehls dient. Die so präparirten Kartoffeln fallen von selbst auf die erwähnte Schneidemaschine; die geschnittenen, auf der Maschine gesammelten Scheiben werden in Reservoirs geworfen und 12 Stunden lang einem kalten Wasserstrom ausgesetzt, welcher von unten in das Reservoir tritt und oben, nachdem er sich mit dem größten Theil des Pflanzenwassers gesättigt hat, wieder abläuft. Nachdem dieses erste Waschen 12 Stunden lang gedauert, lasse ich, statt kalten Wassers, einen Faden auf 20 bis 24° R. erwärmten (lauwarmen) Wassers eintreten, um eine langsame Maceration zu bewirken, welche, die innern Theilchen der Scheiben erweichend, die Befreiung der Kartoffel von einer im holzigen Gewebe und den Stärkmehlhüllen eingeschlossenen schleimigen und fetten Substanz möglich macht; diese ölige Substanz schwimmt in reicher Menge obenauf und das mit diesen schädlichen Stoffen, die einen widerlichen und übeln Geruch von sich geben, beladene lauwarme Wasser fließt oben vom Reservoir ab. Nachdem das Wasser klar geworden, kann man, wenn man es für nothwendig erachtet, die Scheiben bei einem letztmaligen Auswaschen mit kaltem Wasser behandeln, um die schwache trübe Färbung, welche das lauwarme Wasser den Scheiben etwa hätte ertheilen können, zu entfernen; in der Regel aber ist dieses nochmalige Waschen überflüssig, der Geruch ist fast gänzlich entfernt, die Scheiben sind völlig geschmacklos; man nimmt sie aus dem Reservoir, um sie abtropfen zu lassen und auf irgend eine Art auszupressen, damit der größte Theil des sie durchdringenden reinen Wassers herausgeschafft wird, und läßt sie dann an freier Luft oder auf einen Stärkmehl-Trockenboden austrocknen; sie in eine (geheizte) Trockenkammer zu bringen ist unnütz; die so gewonnenen Scheiben sind unveränderlich, sie werden in Berührung mit der Luft nicht geschwärzt und getrocknet sind sie sehr weiß, spröde und sehr leicht zu mahlen. Das gewöhnliche Ergebniß beträgt 25 bis 31 und 32 Proc. der zerschnittenen Kartoffeln. Nach dem Mahlen und Beuteln ist das Mehl so schön, wie das schönste Getreidemehl, völlig geschmacklos, unveränderlich und leicht aufzubewahren. Zur Brodbereitung kann man davon 50 Proc. und darüber nehmen; es ist einer Menge Anwendungen zu Speisezwecken fähig. Um eine andere Art dieses Mehles mit dem aufgetriebenen, aber noch in den Zellen eingehüllten Stärkmehl zu erhalten, werden, nachdem die Kartoffeln gewaschen und geschält sind, die aus der Schneidemaschine kommenden Scheiben in einen möglichst dicht verschließbaren Recipient oder Kasten gebracht, ähnlich den Dampfkästen, welche man in manchen Zuckerfabriken anwendet, um den aus den hydraulischen Pressen kommenden Rübenbrei einer Ausdehnung durch Wärme zu unterwerfen; dieser Kasten hat 2 bis 3 Kubikmeter Rauminhalt und faßt also 20 bis 30 Hektoliter Scheiben, die sich in aus großen Hürden bestehenden Körben befinden; man läßt nun Dampf von 80 bis 85° R. einströmen, womit man 8 bis 10 Minuten fortfährt, was hinreicht, um das Stärkmehl in den es umgebenden Zellen anzuschwellen und alle organischen Theile der Kartoffel, nämlich die Stärkmehlsubstanz, die Holzfasersubstanz und den extractiven Theil oder das Vegetationswasser miteinander zu vereinigen; diese Vereinigung(?) der organischen Bestandtheile vermittelst der Wärme ist es, welche dem extractiven Theil der Kartoffel den ihm eigenthümlichen scharfen Geruch benimmt und den Ertrag erhöht. Das Ergebniß an dieser Sorte Mehl beträgt ungefähr 30 Procent. Beim Herausnehmen aus dem Kasten entwickeln die Scheiben den größten Theil des sie imprägnirenden Dampfes und kommen sogleich in eine auf 48 bis 56° R. geheizte Trockenkammer, worin sie in 15 bis 18 Stunden vollkommen austrocknen, so daß sie dann zur Mühle gebracht werden können. Von dieser Mehlsorte, zur Hälfte mit Nr. 1 vermengt, kann man 50 Proc. zur Brodbereitung verwenden; zur Pastetenbäckerei ist sie dem Getreidemehl vorzuziehen und gestattet wie Nr. 1 eine Menge Anwendungen für Speisen. Ihre Kosten belaufen sich nicht höher als die des Mehles Nr. 1. Das weiße Mehl hat in hohem Grad die Eigenschaft auszutrocknen und taugt daher vorzüglich zu Vermengungen mit Getreidemehlen welche einen zähen Teig geben. Das gelbe Mehl hingegen gibt Frische und eignet sich daher als Bindemittel für Mehle, welche deren ermangeln.