Titel: Das Lütticher und Staveloter Sohlledergerben; beschrieben von Dr. G. W. Bichon.
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XXIX., S. 119
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XXIX. Das Lütticher und Staveloter Sohlledergerben; beschrieben von Dr. G. W. Bichon.Aus dessen Lehrbuch der Sohlledergerberei nach praktischen Erfahrungen etc. Mit vielen Abbildungen. Berlin 1845, Verlag von Alb. Nauck und Comp.“ Dieses Werk, eine schätzbare Bereicherung der neueren Literatur der Gerbekunst, zerfällt in einen theoretischen Theil, worin alle zur Fabrication des Sohlleders erforderlichen Körper, die Erscheinungen beim Gerben etc. behandelt werden, und einen praktischen Theil, worin das Verfahren beim Lütticher, Staveloter, Malmedyer, St. Vither und deutschen Sohlledergerben vollständig beschrieben ist, worauf eine Vergleichung der erwähnten Gerbemethoden hinsichtlich ihrer Vorzüge und Mängel folgt. Das Werk schließt mit einem Anhang über Brand- und geschleimtes Sohlleder, wasserdichtes Sohlleder und cuir plaqué, den Gebrauch des Abfalls beim Sohlledergerben, einige neue mechanische Vorrichtungen für Gerbereien und Notizen über die bedeutendsten Sohlledergerbereien in Paris.A. d. R. Bichon, über das Lütticher und Staveloter Sohlledergerben. I. Lütticher Sohlledergerben. Einweichen. Die Häute werden am Ufer der Maas mit den Köpfen bloß ins Wasser gelegt, den anderen Tag ganz eingeworfen und so ungefähr 3–4 Tage geweicht, täglich einmal aufgeschlagen, ohne dieselben beim Einwerfen loszufalten. Nachdem sie etwas aufgeweicht sind, pflegen einige Gerber sie einen Tag aufgeschlagen liegen zu lassen und den andern Tag ganz zu strecken. Nach dieser Verrichtung werden die Häute ausgebreitet wieder in die Maas geworfen und den nächsten Tag untersucht; diejenigen, welche noch nicht genug geweicht sind, werden wieder gewässert. Man weicht dieselben bis sie noch nicht ganz ihrem ursprünglichen Zustande wieder ähnlich sind. Schwitzen. Sind die Häute ausgelaufen, d. h. hat sich das meiste Wasser von denselben getrennt, so werden sie einzeln, nicht aufeinander, in die Schwitzkammer gehängt. Man schlägt sie der Länge nach doppelt zusammen, dann die Klauen mit den Bauchseiten nach dem Rücken hin, und hängt sie nun auf den Balken, so daß der Kopf beinahe mit dem Boden gleich und das Schild etwas höher hängt. Ihre Lage wird nicht gewechselt, und die härteren Häute werden später zusammengerollt, und in eine Ecke der Schwitzkammer geworfen. — Man verfährt bei dieser Operation auch zuweilen in der Art, daß man die ganz ausgebreitete Haut mit den Klauen und Bauchseiten nach dem Rücken hin einfaltet, hierauf die Haut der Länge nach doppelt zusammenschlägt und also gefalten eine neben die andere aufhängt. Nach wenigen Tagen werden sie gewendet, so daß nun die andere Hälfte der Haut mit dem Balken in Berührung ist. Natürlicherweise wird der Luftzutritt möglichst vermieden. Nach kurzer Zeit werden die Bauchseiten losgefalten und beide Seiten der Haut mit Brunnenwasser begossen, dann in der Art neben einander gelegt, daß der Rücken der nächstfolgenden Haut die Bauchseiten der vorhergehenden bedeckt; also läßt man dieselben liegen, bis das Abhaaren statt hat, welches gewöhnlich schon den andern Tag erfolgt. Haaren. Diese Verrichtung geschieht auf einem mit einer Unterlage versehenen Baum; eine Haut wird doppelt mit der Haarseite nach innen geschlagen, und vorzugsweise zu dieser Unterlage die härteste Haut gewählt. Hart zu bearbeitende Stellen werden mit Sand eingerieben, und wofern das Haar dann noch nicht weicht, wird es wegrasirt. Die Häute müssen rein gehaart werden, denn in der Folge wird die Haarseite nicht mehr bearbeitet. Die gehaarten Häute bleiben hierauf haufenweise einen Tag auf dem Boden liegen, den andern Tag werden sie in Brunnenwasser gespült und hierauf erfolgt das Scheren. Die geschorenen Häute werden einen Tag in Brunnenwasser gebracht, welches je kälter desto besser ist, und hierauf werden sie in die Schwellbeize gelegt; jedoch müssen diejenigen Häute, welche etwa noch hart seyn sollten, zuvor abermals gestreckt werden. Schwellen. Zum Schwellen wird die Lohe des zweiten Satzes genommen; die aus der dritten Versetzung wird höchst selten, nur im Nothfalle angewendet, d. h. wenn man keine zweisätzige entgerbte Lohe hat. Bevor die Lohe des dritten Satzes gebraucht wird, läßt man sie verdunsten (évaporer), indem der flüssige saure Gehalt, den sie beim Aufziehen an sich hat, getrennt wird. Die Lohe des zweiten Satzes wird entweder eingemacht und erst später, oder gleich beim Aufziehen benutzt; der erstern gibt man jedoch den Vorzug. — Gewöhnlich hat man zum Schwellen kleine Gruben oder Kufen, worin nie mehr als fünf Häute zugleich eingelegt werden. Man gibt ihnen drei Beizen. Die erste Beize wird aus frischem Brunnenwasser gemacht, worin man zwei Tonnen, d. i. ungefähr drei Körbe, Lohe wirft, das Wasser alsdann stark aufrührt und die Lohe ausfischt. Dasselbe Verfahren wird unmittelbar hernach wiederholt; ferner wirft man nochmals zwei Tonnen Lohe hinein, und wenn die Beize wieder stark aufgerührt worden ist, so werden die Häute darein geworfen und noch denselben Tag 10 bis 12mal aufgeschlagen. Den andern Tag wird die Beize ausgefischt und durch zwei Tonnen Lohe verstärkt die Häute werden 3–4mal aufgeschlagen und den dritten Tag erhalten sie die letzte Beize, indem die alte Lohe durch dasselbe Quantum neuer ersetzt wird. Nach einer Stunde werden die Häute aufgeschlagen, und wenn sie wieder eingelassen sind, wirft man auf die oberste Haut mit der Hand einen Korb entgerbter Lohe, um sie vor dem Zutritt der Luft zu schützen. Abends werden sie aufgeschlagen, und nachdem die Brühe stark aufgerührt ist, werden sie noch bis zum folgenden Tag geschwellt; dann aber folgt das Versetzen. Bevor wir jedoch diese Verrichtung abhandeln, haben wir zunächst folgendes über die Gruben und die Lohe zu bemerken. Bei den alten Gerbern sind durchgängig die Gruben aus Mauersteinen gemacht und haben die beträchtliche Größe von 15 Fuß Tiefe, 8 Fuß Länge und 6 Fuß Breite. Nicht selten sind dieselben in den Wohnhäusern in der Küche angebracht, wo sie dann oben mit aneinanderschließenden Brettern zugelegt werden. Wenn eine solche Grube leer ist, so ist es unten auf dem Boden ganz finster, und der Arbeiter hat beim Versetzen ein Licht nöthig. — Gegenwärtig aber werden die neuen Gruben aus Holz gebaut, da man wohl einsieht, daß diese in jeder Beziehung den Vorzug verdienen. Auf dem Boden der Grube wird eine 6–8 Zoll dicke Lage abgenutzter Lohe festgetreten und bei jeder Versetzung erneuert. Die Lohe wird in Lüttich ganz eigenthümlich behandelt, und so viel bekannt ist, sonst nirgends ein ähnliches Verfahren beobachtet. Sie wird in einer Länge von 6–8 Zoll gehauen, dann nach der Mühle gebracht, wo man sie aber zunächst 24 Stunden lang in einem stark geheizten Keller lagert. Man will hiedurch eine bessere Gerbung erzielen. Das Lohmehl ist fein und sehr staubig. Die Häute werden, je nachdem sie schwer sind, drei- oder viermal versetzt und jedesmal mit der Aase nach oben gelegt. Der erste Satz bleibt 10–12, der zweite 9–10, der dritte 10–12 und der letzte nicht selten 15 Monate liegen. Für die erste Versetzung wird die Lohe einen Tag vorher sehr naß angemacht, wodurch bezweckt werden soll, daß sie sich erhitzt und dadurch schneller gerbt, auch wird zu dieser Versetzung die meiste Lohe genommen; übrigens werden die Häute ganz locker versetzt. Der Arbeiter erhält beim Versetzen große Schuhe, welche ganz breit und dick versohlt sind. Zu jeder folgenden Versetzung werden die Häute gefegt oder in der Maas gespült; letzteres wird gegenwärtig vorgezogen, weil dadurch die schleimigen Theile (crock oder limon genannt), welche die Lohe auf den Häuten zurückläßt, am besten entfernt werden. Bei der zweiten Versetzung wird die Lohe weniger naß und nicht Tags vorher angemacht, die Leder werden etwas aufeinander getreten, welches jedoch mehr bei der folgenden Versetzung stattfindet, wo übrigens die Lohe nur sehr wenig angefeuchtet wird. Endlich bei dem letzten Satze werden die Leder durch drei Arbeiter, welche mit Versetzschuhen versehen sind, so fest als nur möglich getreten; man tritt zuerst die ausgebreitete Haut und später nochmals, wenn sie mit Lohe bestreut ist. Die Lohe ist äußerst wenig angefeuchtet, häufig wird sie selbst ganz trocken gebraucht. Die für den letzten Satz gespülten Leder werden 1–2 Tage in schräger Richtung zum Auslaufen in den Schatten gelegt. Der Hut wird aus einer Lage von festgetretener abgenutzter Lohe gemacht, und mit großen neben einander gelegten Pflastersteinen beschwert; für den ersten Satz ist derselbe nicht schwer, für den folgenden schon schwerer, und bei der dritten Versetzung werden zwei Lagen von Steinen über einander gelegt, welche endlich für den letzten Satz nochmals durch eine Schicht verm hrt werden. Einige Gerber erleichtern diesen schweren Hut ungefähr 2–3 Wochen, bevor die Leder aufgezogen werden, und schütten hierauf einige Eimer frisches Wasser in die Grube, damit eine Aufquillung erfolgt. Die versetzten Leder werden gleich abgetränkt, nachdem sie mit dem Hut beschwert worden sind, beim letzten Satz jedoch läßt man sie öfters zwei Tage lang ohne Wasser liegen. Die Lütticher Gerber schneiden bei der zweiten Versetzung von den Häuten, die länger als 4 Fuß 2 Zoll sind, Kopf und Hals ab und gerben diese Stücke besonders. Beim Abschneiden sorgen sie, daß der Schnitt schräg und somit scheinbar dicker ist. Trocknen. Das Leder wird auf Speichern getrocknet, indem man es mit der Aase auf die Stange hängt. Nachdem es etwas ausgetrocknet ist, werden die Häute mit der Aase nach oben in der Art aufeinander gelegt, daß der Hintertheil der zweiten Haut den Vordertheil der ersten bedeckt. Bald nachher werden sie doppelt mit der Narbe inwendig zusammengeschlagen und mit dem Rücken auf den Boden längs der Mauer gestellt, damit vorzüglich die Bauchseiten trocknen. Fehlt es zu diesem Zwecke an Raum, so werden die Leder in die Mitte des Speichers gelegt, so daß der Rücken der einen Haut durch die Bauchseite der andern bedeckt ist. Die trockenen Leder werden mit einem Besen gefegt und selten gebürstet, da dieß den Lohstaub wegnimmt und das Gewicht verringert. II. Staveloter Sohlledergerben. Einweichen. Die Staveloter Gerber weichen entweder die Häute in Bottichen oder in der Ambléve, welche ein fließendes Wasser ist. Sie behaupten, daß durch jenes Weichen die Bauchseiten dicker bleiben, wiewohl die Schwitzoperation besser gelingt, wenn die Häute in Flußwasser geweicht werden. Im Allgemeinen wird nicht viel geweicht, man liebt die Häute etwas härter zu halten, als sie im grünen Zustande sind, und glaubt hiedurch ein festeres und schwerer wiegendes Leder zu erhalten. Beim Einweichen werden zuerst 2–3 Tage die Köpfe gewässert, dann die ganze Haut eingeworfen, nach 3 Tagen aufgeschlagen und gespült, hierauf während 1–2 Tagen doppelt gefalten neben einander gelegt, so daß die Bauchseiten der ersten Haut mit dem Rücken der folgenden bedeckt sind. Wenn sie gestreckt werden, so geschieht es nun, gemeiniglich aber unterbleibt diese Verrichtung. Nachdem sie noch kurze Zeit gewässert worden sind, bringt man sie ganz naß, so daß das Wasser abtröpfelt, in die Schwitzkammer. Schwitzen. Die Häute werden doppelt gefalten neben einander gehangen, so daß wiederum die Bauchseiten von dem Rücken der folgenden Haut bedeckt sind. Nach 3 oder 4 Tagen werden sie auf dem Boden der Schwitzkammer gestapelt und zwar wechselweise, d. h. wo der Rücken der einen Haut liegt, werden die Bauchseiten der andern gelegt. Jede oberste Hälfte der Haut wird vermittelst einer Gießkanne mit frischem Wasser begossen. Also bleiben sie liegen, bis man sie den folgenden Tag wieder aufhängt; wenige Tage später erfolgt das Haaren. Eine Haut wird doppelt geschlagen als Unterlage auf den Baum geworfen, die Haarseite der zu haarenden Haut wird mit einem in Wasser getauchten Besen befeuchtet. Selten wird Sand für harte Stellen gebraucht, man rasirt diese von unten nach oben mit einem Scheereisen. Nach dem Haaren werden die Häute in den in der Mitte des Arbeitskellers angebrachten Bottichen stark auf der Aase und Narbe von zwei Arbeitern gespült, einer faßt sie am Kopf und der andere am Hintertheil. Hierauf folgt das Scheren. Die geschorenen Häute werden gleich von dem Arbeiter auf der Narbe nachgesehen und wo es nöthig ist durch Streichen gereinigt; später werden die Fleischerschnitte gefalzt. Die Häute werden jetzt entweder noch einen Tag gewässert, oder gleich in die Schwellbeize gesetzt. Schwellen. Die Häute werden möglichst trocken in die Beize gebracht und je 8–12 in einem Bottich geschwellt. Man bringt sie zuerst in eine todte Beize, d. h. in eine solche, woraus die Häute versetzt worden sind, schlägt sie aus dieser wie aus jeder folgenden häufig auf und rührt stark die Brühe um, bevor sie eingelassen werden. Nach zwei oder drei Tagen erhalten die Häute eine ganz frische Beize; das reine Wasser wird mit 7–8 Körben Lohe stark aufgerührt, dann diese Lohe ausgefischt und 4 Körbe anderer hinzugesetzt. Hierin bleiben die Häute 3–4 Tage, dann wird die Beize verstärkt, indem für die alte Lohe 5–7 Körbe frische genommen werden. Wofern die Schwellung nicht nach Wunsch vor sich gegangen ist, wird noch eine andere Beize, der vorhergehenden gleich, gemacht. Soll die todte Beize noch für andere Häute dienen, so wird die Brühe ausgefischt und 3–4 Körbe frischer Lohe beigemischt. Man gibt der Lohe aus den letzten Versetzungen vor der, welche eingemacht ist, den Vorzug. Häufig, wiewohl nicht von allen Gerbern, werden in die Schwellbeizen eiserne Ketten geworfen, welche verursachen daß die Häute ganz schwarz wie Tinte werden. Man will hiedurch dem gegerbten Leder auf dem Schnitt ein besseres Ansehen geben. Die schwarze Farbe von der Narbe und Aase verschwindet und ist schon nicht mehr sichtbar, wenn die Leder zum zweitenmal versetzt werden. — Dieß Verfahren ist seit 8–10 Jahren bekannt und soll in England allgemein üblich seyn. Die Häute werden von zwei Arbeitern beim Aufschlagen aus der Schwellbeize zuerst mit dem Kopf herausgezogen, jeder Arbeiter faßt eine Vorderklaue und später wird der Hintertheil übergeworfen, so daß der Schwanz in der Grube hängt. Beim Einwerfen nimmt jeder Arbeiter eine Hinter- und Vorderklaue. Versetzen. Die Häute werden entweder 3 oder 4mal versetzt, je nachdem sie schwer sind. Im ersten Satz werden sie gleich aus der Schwellbeize, ohne daß das Wasser abgelaufen ist, gebracht und möglichst locker gelagert, aus derselben für die zweite Versetzung gespült und gefegt. Bei den letzten Versetzungen ist der Hut schwerer und die Leber werden festgetreten. Der erste Satz bleibt 10–12, der zweite 8–9, der dritte 9–10 Monate liegen. Noch ist zu bemerken, daß bei den letzten Versetzungen die Leder nach dem Kehren ein wenig angetrocknet werden, indem man die Aasseite der Luft aussetzt. — Oefters bleibt der letzte Satz einen Tag ohne Wasser liegen, sonst aber wird immer die Grube gleich abgetränkt. Trocknen. Die Leder werden in der Sonne, aber häufiger auf dem Speicher getrocknet. Sind dieselben so weit angetrocknet, daß sie fassionnirt werden können, so werden die Falten mit einem hölzernen Hammer geklopft. In der Presse werden die Leder mit der Narbe nach oben in der Art gelegt, daß die Hintertheile nach außen, und in der Mitte die Köpfe und die Vorderklauen sich durchkreuzen. Die Bauchseiten werden mit Brettern belegt, und diese durch mit Gewicht beschwerte Querbretter verbunden. Der Presse entnommen, werden die Leder gewöhnlich auf dem Speicher gepritscht und dann nochmals gepreßt, indem zunächst vier Leder auf eine Stange gehangen werden, so daß der Kopftheil der einen Haut an diesem, der folgende an jenem Ende derselben ist. Hierauf werden sie mit den Bauchseiten auf einander gelegt, so daß die Stangen mit dem Rücken der Leder beiderseits auswendig sind. Die Bauchseiten werden mit Brettern belegt und mit Gewichtssteinen beschwert. Aus dieser Presse werden die umgeschlagenen Theile nochmals geklopft und die Leder kurze Zeit aufgehangen, bis sie genug getrocknet sind, um gebürstet zu werden. Die in Stavelot gegerbten Leder werden für die besten und dauerhaftesten in Belgien gehalten.