Titel: Das Telephon, ein akustisches Communicationsmittel bei Eisenbahnen etc.; von Dr. Romershausen.
Autor: Romershausen
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XCVIII., S. 413
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XCVIII. Das Telephon, ein akustisches Communicationsmittel bei Eisenbahnen etc.; von Dr. Romershausen. Romershausen, über das Telephon. Bereits im Jahr 1838 schlug ich unter dem Namen Telephon ein leicht ausführbares und zu unmittelbaren und umfassenderen Mittheilungen geeignetes sprachliches Communicationsmittel durch Benutzung der in die weitesten Fernen reichenden Fortpflanzung des Schalls in engen Röhren vor (vergl. Magdeb. Zeit. Nr. 180. Aug. 1838). Diese Fortpflanzung des Schalls und der menschlichen Stimme gewährt fast unglaubliche Resultate; sie erfolgt weit schneller, ungehinderter und deutlicher als im freien Luftraum, und bis jetzt ist aus Mangel an Gelegenheit die Gränze noch nicht aufgefunden worden, wo selbst der leiseste Ton verstummte. Es ist auffallend, daß man diese Erfahrung bei den vielfachen telegraphischen Bestrebungen seither so ganz unbeachtet gelassen hat — denn es sind viele Jahre verflossen seit Biot, Martin, Bouvard und Malus eine zu Paris neu angelegte 2928,66 Par. Fuß lange eiserne Wasserleitung zu wissenschaftlicher Ermittlung dieser eigenthümlichen Fortpflanzungsweise des Schalles benutzten. Sie bezeugen, daß das leiseste Flüstern an dem einen Ende dieser Röhrenleitung völlig ungeschwächt und so klar verständlich an dem andern Ende anlangte, daß man — nach ihren eigenen Worten — ganz schweigen mußte, wenn man nicht gehört werden wollte (vergl. Annal. de Chimie et de Phys. Bd. VII S. 98). Dabei war der Durchmesser dieser Wasserleitungsröhren unstreitig noch zu groß und nicht der vortheilhafteste. Dieses war, so viel mir bekannt ist, die längste Röhrenstrecke, welche seither zu diesen Versuchen benutzt worden ist — und auf experimentellem Wege habe ich mich überzeugt, daß der Hohlraum einer halbzölligen Röhre, wie sie bei der Posaune im Gebrauch ist, noch weit günstigere Resultate geben wird. Da nach den neuesten und genauesten Forschungen der Schall im freien Luftraume in der Zeitdauer von 1 Secunde 1022,5 Pariser Fuß durchlauft, so können wir mit Sicherheit annehmen, daß er in dem abgeschlossenen Hohlraume einer solchen Röhre eine noch weit größere Geschwindigkeit erhalten wird — und eine Verständigung durch Hin- und Hersprechen zwischen weit entfernten Orten vollkommen ausführbar ist. Zu einer solchen Röhrenleitung eignen sich hinsichtlich der Dauer und Billigkeit ganz vorzüglich gezogene Bleiröhren, deren Verfertigung gegenwärtig durch die Löthung mit Knallgas wesentlich erleichtert und verbessert worden ist. Werden demnach in den rücksichtlich der geeignetsten Entfernung durch Versuche zu ermittelnden Sprechstationen, seitwärts von der Bahn an geräuschlosen Orten kleine Gebäude errichtet und dieselben durch eine solche einfache, unter der Erde fortlaufende Röhrenstrecke in akustische Verbindung gesetzt, so wird man sich vermittelst dieses Apparats auf weite Fernen hin sprechend verständigen und gegenseitige Mittheilungen machen können. Zu dem Ende werden in den verschiedenen Sprechstationen die aufwärts gerichteten Röhrenmündungen mit trichterförmigen, zum Sprechen und Höhren geeigneten Erweiterungen versehen und die gegenseitigen Signale zur Beobachtung durch eine helltönende Pfeife oder durch ein gegen die Mündung abgefeuertes Pistol gegeben. Zu diesen Mittheilungen wird man am besten die geräuschlosen Intervallen oder die Nachtstunden benutzen, wo die Bahn nicht befahren wird, da sich a priori nicht bestimmen läßt, ob und in wie weit äußere Erschütterung und Geräusch störend auf die im innern abgeschlossenen Raume der Röhre fortlaufenden Schallwellen einwirken. Indessen gibt es auch in diesem Fall Mittel die betreffenden Stationen und Röhrenstrecken gegen die Fortpflanzung des Schalles in festen Körpern der Umgebung zu isoliren. Die bedeutenden Vortheile und Vorzüge eines solchen akustischen Communicationsmittels für den bürgerlichen und commerciellen Verkehr sind an sich einleuchtend, und die Ausführung ist weit einfacher, sicherer und billiger als die anderer kunstreich verwickelter telegraphischer Vorschläge neuerer Zeit. Namentlich wird man das Interesse, welches man gegenwärtig der elektrischen Telegraphie schenkt, gewiß weit vortheilhafter diesem Telephon zuwenden; denn so sinnreich und wissenschaftlich interessant auch die Darstellung elektrischer Telegraphen ist, so mannichfache Hindernisse werden sich der Ausführung und Benutzung derselben im Großen entgegenstellen. Die nie mit Sicherheit zu beseitigende Nebenleitung wird es schwerlich gestatten, daß man den elektrischen Strom, wegen des wachsenden Leitungswiderstandes in den Drähten, ohne störende Unterbrechungen auf weite Strecken fortführen kann — und die vorgeschlagene Benutzung des Wassers oder der Erde wird zur Leitung auf weite Entfernungen mit großen Schwierigkeiten verbunden und nicht überall ausführbar seyn. Diese flüchtige Andeutung wird, wie ich hoffe, zureichen um einstweilen die Aufmerksamkeit der Unternehmer für einem Gegenstand zu gewinnen, welcher bei seiner großen Einfachheit und Kunstlosigkeit seither nicht beachtet worden ist, aber gewiß zu den vortheilhaftesten Resultaten führen wird. Halle a. S. im Februar 1846.