Titel: Ueber die Ausdehnung der Backsteinmauern und über Kamine für Fabriken und Hüttenwerke; von Cubitt.
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. CIV., S. 427
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CIV. Ueber die Ausdehnung der Backsteinmauern und über Kamine für Fabriken und Hüttenwerke; von Cubitt. Aus dem Moniteur industriel, 1845 Nr. 984. Cubitt, über die Ausdehnung der Backsteinmauern. Der Kamin, von welchem im Folgenden die Rede ist, gibt zu interessanten Betrachtungen Anlaß, indem er zeigt, mit welcher Kraft die Wärme die Körper ausdehnt. Der Körper dieses Kamins ist in einem Thurme eingeschlossen, welchen man von allen andern Gegenständen isolirte; die Treppen im Thurm berühren den Kamin nirgends, weil man wollte, daß die Backsteine desselben sich in Folge der Wärme frei nach oben und unten ausdehnen können, ohne die verschiedenen Theile des Thurms zu zwängen. Dieser Kamin ist von Backsteinen, also von einem der durch die Wärme wenigst ausdehnbaren Materialien erbaut, und doch beobachtete man daß seine Höhe sehr variire, und zwar bloß durch die unbedeutenden Temperatur-Verschiedenheiten, welche bei dem hindurchziehenden Rauch und Dampf eintreten. Diese Unterschiede sind stets innerhalb 121 Centesimalgraden begriffen und doch wechselt die Länge des 27,432 Meter hohen Kamins durch diese einzige Ursache um nahe 0,015 Meter. Es beweist dieß, daß das den Architekten und Ingenieurs zu Gebot stehende Material in seinen Dimensionen beständige Veränderungen erleidet und daß die Mauern eines Gebäudes nicht immer von gleicher Höhe sind, es sey denn daß die Luft sehr ruhig und die Temperatur sehr gleichförmig bleibt. Auch ist daraus zu schließen, daß die äußern Mauern des Thurmes, woran sich die Treppe befindet, auf welcher man die Höhen-Veränderungen mißt, ebenfalls beständige Veränderungen erleiden; endlich daß sogar eine einfache Gartenmauer keine constante Höhe beibehält, wenn Sonne, Wind oder Regen ungleich auf sie einwirken. Die Wände des Kamins sind parallel aufgeführt; sein innerer Durchmesser beträgt 1,528 Meter; seine Höhe über dem Boden 32,918 Meter. Der Grund desselben wurde der Beschaffenheit des Bodens entsprechend tief gelegt; er ruht auf einer Kiesschicht von 3,353 Meter Tiefe. Um das Gewicht auf eine hinreichend große Oberfläche zu vertheilen, legte man zuerst eine 7,010 Meter im Quadrat messende und 0,914 Meter dicke Schichte Steinmörtel, auf welche man ein Fundament aus Backsteinen von 6,401 Meter im Quadrat und 0,610 Meter Dicke aufführte, bei welchem Cement als Bindemittel angewandt wurde und das eine so feste Masse bildete, als wäre es ein einziger Steinblock. In der Mitte dieses Fundaments wurde ein Brunnenschacht von 0,457 Meter Durchmesser offen gelassen und derselbe tief genug unter die Linie des unterirdischen Wassers hinabgeführt, daß man versichert seyn konnte daß das untere Ende des Blitzableiters darin stets in Wasser getaucht ist. Die Mauern des Thurms sind in ihrer ganzen Höhe 0,356 Meter dick und schließen im Lichten an der Basis einen Raum von 4,492 Meter im Quadrat ein, welcher an der Krone um 0,305 Meter abnimmt, weil sie etwas geneigt aufgeführt wurden. Die an diesen Mauern angebrachten Treppen führen bis zur Glockenstube und zu einem Reservoir mit Wasservorrath zum Speisen der Dampfkessel. Auch bedient man sich dieser Treppen, um leicht an die Spitze des Kamins zu gelangen, um die Temperatur-Veränderungen der daraus entweichenden Gase zu bestimmen und zu erforschen, ob das Feuer nicht so stark sey, daß eine bedeutende Menge Wärme unnütz verloren gehe. Die Rauchröhre ist vom Fuß an bis 7,391 Meter Höhe anderthalb Backsteine dick und unten, wo sie die Feuercanäle des Dampfkessels aufnimmt, noch mit einer Reihe Backsteine verstärkt. In diesem ganzen Theil haben die Backsteine gewöhnliche Größe und Form; für weiter hinauf aber wurden sie eigens in Gestalt von Kreissegmenten geformt. In der zweiten Abtheilung, die 3,428 Meter hoch ist, ist das Mauerwerk 0,254 Meter dick; in der dritten, 12,268 Meter hohen, ist es 0,228 Meter dick; in der vierten, 5,409 Meter hohen, ist es nur 0,202 Meter dick; in der fünften, 2,257 Meter hohen, nur mehr 0,177 Meter dick; der ganze Rest wurde nur 0,152 Meter dick gemacht. Das erste, was man bei Erbauung des Thurmes im Auge hatte war, den Kamin zu verbergen, dessen Anblick Reclamationen der Nachbarschaft hätte hervorrufen können. Da man verhindern wollte, daß ein schwarzer Rauch daraus aufsteige, glaubte man daß, wenn man diesen Kamin maskire, seyn Vorhandenseyn nicht einmal bemerkt würde; außerdem dachte man, daß diese Vorkehrung noch andere positive, Vortheile bringe, welche die Mehrausgabe aufzuwiegen vermögen, was sich wirklich bestätigte. Durch die Beschützung des Kamins mittelst des ihn umgebenden Thurms gegen den Einfluß der Kälte, des Regens und Schnees ergab sich eine bedeutende Ersparung an Brennmaterial. Es scheint in der That nicht von geringerm Nutzen zu seyn, die Kamine gegen Erkaltung zu schützen, als dieß bei den Feuercanälen oder den Dampfkesseln selbst der Fall ist; denn um versichert zu seyn, daß in den Feuerraum eine hinlängliche Menge Luft zur Unterhaltung einer thätigen Verbrennung eintrete, ist erforderlich, daß die aufsteigende Rauchsäule hinlänglich leicht, folglich auch hinlänglich heiß sey, damit der gehörige Zug stattfinde. Je besser man also die Wärme eines Kamins conserviren kann, desto mehr erspart man an Brennmaterial, und der Vortheil, welchen in dieser Hinsicht ein umhüllter Kamin darbietet, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Der Thurm gestattet durch seine große Höhe einen hinlänglichen Druck hervorzubringen, um das Wasser des an seiner Spitze errichteten Reservoirs in die Dampfkessel zu schaffen. Dieses Reservoir würde also sehr gute Aushülfe leisten, wenn die Druckpumpe ihre Dienste versagte und wenn durch eine Vernachlässigung der Speisung die Verdampfung zu weit getrieben worden seyn sollte. Die Gefahr einer Explosion wird dadurch vermindert, oder doch wenigstens die Regelmäßigkeit des Ganges der Dampfkessel besser gesichert. Man wird bemerken, daß die Mauer des Kamins viel dünner ist als man sie hätte machen müssen, wenn der ihn umhüllende Thurm nicht gebaut worden wäre. Die auf diese Weise ersparte Mauerarbeit, in Verbindung mit dem ersparten Brennmaterial, beträgt viel mehr als die durch Aufführung des Thurmes verursachten Kosten, so daß, wenn die Ausgleichung auch nicht vollkommen, die Mehrausgabe doch sehr unbedeutend ist.