Titel: Ueber die Zersetzung der neutralen Kali- und Natronsalze durch gleichzeitige Einwirkung von Stab- oder Gußeisen, Wasser und Luft; von Becquerel.
Fundstelle: Band 101, Jahrgang 1846, Nr. LVII., S. 265
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LVII. Ueber die Zersetzung der neutralen Kali- und Natronsalze durch gleichzeitige Einwirkung von Stab- oder Gußeisen, Wasser und Luft; von Becquerel. Aus den Comptes rendus, Jun. 1846, Nr. 26. Brecquerel, über die Zersetzung der neutralen Kali- und Natronsalze durch gleichzeitige Einwirkung von Eisen, Wasser und Luft. Das Natron und Kali aus ihren respectiven Salzen zu gewinnen, indem man dazu bloß Stabeisen oder Gußeisen, Wasser und Luft bei der gewöhnlichen Temperatur anwendet, ist ein Problem, welches auf den ersten Blick Schwierigkeiten darbietet; wer aber mit der chemischen Wirkung der Elektricität vollkommen vertraut ist, dem können sie nicht als erheblich erscheinen. Scheele hatte schon gefunden, daß das Eisen das Kochsalz zersetzt; er drückt sich in dieser Hinsicht in seinen Abhandlungen folgendermaßen aus: „Ich fand in einem Keller ein hölzernes mit eisernen Reifen gebundenes Gefäß, worin sich gesalzenes Fleisch befand. Die eisernen Reise waren mit einem Salz überzogen, welches dem Mineralalkali vollkommen glich. Dieß schien mir sehr sonderbar, weil ich Wohl wußte, daß das Eisen durch Salzsäure weniger angegriffen wird als das Mineralalkali, und daher nicht glauben konnte, daß das im hölzernen Gefäß enthaltene Kochsalz durch das Eisen zersetzt worden sey. Um mich hierüber aufzuklären, tauchte ich ein reines Eisenblech in eine gesättigte Kochsalzauflösung und hing sie in einem feuchten Keller auf; nach Verlauf von vierzehn Tagen war das Blech ebenfalls mit Mineralalkali überzogen.“ Ich gehe nun zu den Versuchen über, welche ich selbst zu diesem Zweck angestellt habe: wenn ein Stück Stab- oder Gußeisen zum Theil in eine Auflösung von schwefelsaurem oder salzsaurem Natron getaucht ist, so entstehen Wirkungen durch Transport, deren Ursache ich nun angeben will. Bekanntlich reichen die vereinigten Wirkungen der Luft, des Wassers und des schwefelsauren Natrons auf ein Stück Eisen, welches gänzlich in die Auflösung taucht, hin, um das schwefelsaure Natron zu zersetzen; es bildet sich schwefelsaures Eisenoxydul, welches unmittelbar durch das freigewordene Natron zersetzt wird, und es schlägt sich Eisenoxydul nieder, welches nach und nach in Eisenoxydhydrat übergeht. Anders verhält es sich aber, wenn das Eisen nur zum Theil in die Flüssigkeit getaucht ist: es bildet sich alsdann schwefelsaures Eisenoxydul, welches in Auflösung bleibt, während das Natron aus dieser tritt, um sich auf den nicht eingetauchten Theil des Metalls zu begeben, wo es sich unmittelbar mit der Kohlensäure der umgebenden Luft verbindet; dadurch entsteht kohlensaures Natron, welches sehr nahe an der Oberfläche der Flüssigkeit in seidenartigen Büscheln krystallisirt. Nach wenigen Tagen haben sich schon ziemlich voluminöse Massen davon gebildet, die man leicht wegnehmen kann. Die Reactionen finden in geringer Entfernung von der Oberfläche der Flüssigkeit statt, da wo sich das Metall am leichtesten oxydirt. Auch bildet sich in einer gegebenen Zeit dieselbe Menge kohlensaures Natron, der eingetauchte Theil des Metalls mag einen Decimeter oder Centimeter betragen. Man kann nun fragen, wie es kommt daß das Natron so aus der Flüssigkeit tritt, um sich mit der Kohlensäure der Luft zu verbinden, während es doch auf das neugebildete schwefelsaure Eisenoxydul kräftig reagiren kann. Wenn man bloß die Verwandtschaften im Auge hat, so begreift man nicht, warum das Natron gänzlich der Wirkung der Kohlensäure folgen sollte, während mit ihm ein anderer Körper zugegen ist, welcher kräftig auf dasselbe in entgegengesetzter Richtung wirkt; das Resultat erklärt sich aber leicht, wenn man eine Erscheinung der Uebertragung annimmt, analog denjenigen, welche durch elektrische Kräfte hervorgebracht werden: man braucht nämlich bloß den eingetauchten Theil des Metalls als den positiven Pol, und den nicht eingetauchten Theil desselben als den negativen Pol eines volta'schen Paares zu betrachten. Nichts ist leichter als die Existenz dieses Paares zu rechtfertigen: der eingetauchte Theil wird durch die Auflösung angegriffen und der nicht angegriffene Theil ist außerhalb dieser Auflösung und mit einer Schicht hygrometrischen Wassers überzogen, welche dazu dient, die elektrochemische Kette herzustellen, so daß man dieselben Wirkungen hat, wie wenn man eine Metallplatte in zwei über einander gelagerte Flüssigkeiten taucht, wovon die eine das Metall angreift, die andere aber nicht; die Erscheinung ist also eine reine elektrochemische. Es wurde ein Versuch in hinreichend großem Maaßstab angestellt, um zu erfahren, ob dieses Verfahren eine technische Anwendung gestattet, nämlich um durch Zersetzung des Glaubersalzes oder Kochsalzes Soda zu erhalten. Ich ließ sechs hohle Cylinder aus Gußeisen verfertigen, welche an beiden Enden offen waren, 33 Centimeter im Durchmesser hatten, 23 Centimeter hoch und 3 Centimeter dick waren. Diese Cylinder brachte ich in Tröge, welche eine Auflösung von Glaubersalz enthielten, die 14° Baumé, zeigte. Das Niveau der Auflösung befand sich 2 Centimeter unter dem obern Ende des Cylinders. Um das kohlensaure Natron zu sammeln, brachte ich auf den obern Theil des Cylinders eine in der Mitte ausgeschnittene Kupferscheibe, deren Ränder über die inneren und äußeren Wände des Cylinders umgeschlagen wurden und die Auflösung bloß berührten; ich hatte so vollkommene volta'sche Paare, welche aus Gußeisen, Kupfer und einer Auflösung von Glaubersalz bestanden. Das Kupfer wurde jedoch, ich wiederhole es, nur angewandt, um das kohlensaure Natron in dem Maaße, als es sich bildete, und ungefärbt durch Rost, zu sammeln. Nach 24 Stunden bemerkte ich schon Krystalle von kohlensaurem Natron auf dem Kupfer, welche bald die ganze ringförmige Oberfläche der Scheibe bedeckten. Nach 15 Tagen konnte ich auf jedem Cylinder 50 Gramme sehr reines und Weißes kohlensaures Natron sammeln. Anstatt einer in der Mitte ausgeschnittenen ringförmigen Scheibe habe ich auch eine volle Scheibe angewandt, welche sich bald mit kohlensaurem Natron bedeckte. Obgleich dieses sehr einfache Verfahren keineswegs zur Fabrication der Soda im Großen anwendbar ist, weil eine zu beträchtliche Menge Gußeisenstücke, die eine sehr große Oberfläche darbieten, dazu erforderlich wäre, so kann man es doch mit Erfolg am Meeresufer oder für persönliche Bedürfnisse anwenden, weil man dazu bloß Stücke Gußeisens, Bassins und ein Schutzdach braucht. An Orten wo das Brennmaterial fehlt und wo es unmöglich ist, sich Alkali durch Einäschern von Holz zu verschaffen, kann man dieses Verfahren ebenfalls benutzen. Durch die beschriebenen Wirkungen lassen sich manche Erscheinungen in der Natur erklären; sie zeigen, wie mit einer einzigen festen Substanz, welche ein Leiter der Elektricität ist, und einer auf sie wirkenden Flüssigkeit, in welche sie zum Theil taucht, ähnliche Wirkungen des Transports erhalten werden, wie mittelst der volta'schen Säule; ist die Substanz kein Leiter der Elektricität, so braucht man um denselben Zweck zu erreichen, ihre Oberfläche nur mit Kohlen oder anderen die Elektricität leitenden Substanzen gehörig in Berührung zu bringen.