Titel: Crawford's patentirte atmosphärische Hemmvorrichtung zum Anhalten der Eisenbahnwagen und Bahnzüge.
Fundstelle: Band 101, Jahrgang 1846, Nr. LXVII., S. 329
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LXVII. Crawford's patentirte atmosphärische Hemmvorrichtung zum Anhalten der Eisenbahnwagen und Bahnzüge. Aus dem Mechanics' Magazine, 1846 Nr. 1187. Mit einer Abbildung auf Tab. V. Crawford's atmosphärische Hemmvorrichtung etc. Die gewöhnlichen Hemmvorrichtungen bei Eisenbahnen lassen mehr oder weniger zwei ernstliche Einwürfe zu: erstens, daß sie nur eine und dieselbe gleichförmige Kraft ausüben, so verschieden auch die Umstände seyn mögen, unter denen sie in Anwendung kommen, z.B. Verschiedenheit des Gewichts oder der Geschwindigkeit, steigendes oder fallendes Terrain u.s.w.; zweitens daß die rasche und geschickte Handhabung derselben von dem Gutdünken und der Entschlossenheit der damit beauftragten Personen, welche nicht immer die nöthige Geistesgegenwart besitzen, abhängt. Bei dem in Fig. 29 abgebildeten Apparate nun wird die atmosphärische Luft benützt, um eine kleine oben auf dem Eisenbahnwagen angebrachte Maschine in Bewegung zu setzen, welche mit jeder je nach Umständen erforderlichen Geschwindigkeit auf die Bremsklötze wirkt. Einmal in Gang gesetzt, was durch einfaches Anziehen einer Schnur oder durch Drehung einer Handhabe von dem Conducteur oder Locomotivführer bewerkstelligt werden kann, arbeitet der Apparat selbstthätig und sich selbst controlirend. Die retardirende Kraft kann nach Belieben vermehrt oder vermindert werden, welches auch das Gewicht oder die Anzahl der Wagen des Eisenbahnzugs seyn mag. A, A' ist ein Cylinder, welcher oben auf dem Wagen entweder befestigt oder mittelst Zapfen bei a einer kleinen Oscillation fähig seyn kann; B ein luftdichter Kolben und b seine Stange, welche durch eine Stopfbüchse in dem Ende A des Cylinders geht und deren äußeres Ende in einer Führung C läuft. Die in dem Cylinder zwischen dem Kolben und dem Deckel A enthaltene Luft dient dem Kolben als Feder. Die Luft tritt über den Kolben durch den Hahn t, welcher vermittelst einer Stange R nach Belieben geöffnet oder geschlossen wird; letztere ist mit dem einen Ende an den Hahn und mit dem andern an eine Handhabe t' befestigt; w ist ein anderer am Boden des Cylinders angebrachter Hahn, um die Luft nach Erforderniß zuzulassen oder abzusperren; r eine an die Handhabe t' befestigte und längs der Wagenreihe fortlaufende Schnur, die sich bis zur Locomotive oder dem Tender erstreckt, wo sie unter der Controle des Locomotivführers steht. Dadurch, daß man eine Feder o mit dem einen Ende an die Schnur, mit dem andern Ende an den Wagen befestigt, ist die Schnur r verhindert den Hebel zu rütteln, oder das Ventil t zufällig zu öffnen. Eine gegliederte Röhre (a hinged tube) schützt die Schnur r auf ihrem Wege über die Wagen. D ist ein in einem verschiebbaren Rahmen p, p gelagerter Cylinder, um den eine Kette oder ein Seil d gewickelt ist, dessen anderes Ende an das Ende der Kolbenstange b befestigt ist. An der Achse der Walze D ist ein Handrad E, ein Stirnrad F und ein Sperrrad G befestigt. Das Rad F greift in ein an der verticalen Welle M festgekeiltes Rad e, an dem unteren Ende der Welle M aber befindet sich ein Getriebe f, welches in das unter dem Boden des Wagens befindliche Rad H greift. Das Rad F kann dadurch außer Eingriff mit dem Rad e gebracht werden, daß man den Schiebrahmen mit Hülfe der Schraube n zurückdrängt. Das Rad H trägt an seiner Achse eine Walze h, um die sich eine Kette oder ein Seil h' windet, welche vermittelst einer Feder h'' mit den nachher zu beschreibenden Bremsklötzen in Communication steht. Außerdem enthält die Achse des Rades H eine Rolle I, welche vermittelst einer Kette W mit einem correspondirenden Seil einer ähnlichen Rolle am nächstfolgenden Wagen in Communication steht. Die Bremsklötze S und S' gleiten an der die Achsenbüchsen verbindenden Stange K; sie werden durch die Stangen s, s und letztere durch den um J drehbaren doppelarmigen Hebel k, k in Thätigkeit gesetzt. In der Mitte der quer unter dem Wagen hingehenden Achse J ist ein Hebel L angebracht, an den die Federn h'' und c befestigt sind, um die Bremsklötze von den Rädern des Wagens wegzuziehen, wenn sie nicht mehr wirken sollen. Die Stelle der Feder c kann auch ein Gegengewicht vertreten. Die Stangen s, s sind in ihrer Mitte durch rechts und links gewundene Schraubenkuppelungen auf die richtige Länge adjustirt. Die Wirkungsweise des Apparats ist nun folgende. Angenommen, der Kolben befinde sich an der Stelle A' des Cylinders, der Hahn w sey geschlossen und t offen. Der Kolben wird alsdann durch Drehung der Walze D mittelst des Handrades E nach dem Ende A des Cylinders hingezogen. Da die Räder e und F im Eingriff sind, so veranlaßt die Bewegung des Rades F das Getriebe f, das Rad H zu drehen und dadurch die Kette w von der Rolle I abzuwickeln, während die Wirkung der Gegenseile oder einer am nächsten Wagen angebrachten Feder macht, daß die Rolle dieses Wagens das Seil aufwickelt. Nachdem man den Hahn t geschlossen hat, ist die Maschine für den Gebrauch in Bereitschaft; denn wenn man den Hahn t durch Anziehen des Seils r öffnet, so treibt die Luft den Kolben nach dem andern Ende des Cylinders, die Kette d wirkt auf die Walze D, die Kette h' wickelt sich vermöge des zwischenliegenden Räderwerks auf die Walze h und drückt dadurch die Bremsklötze gegen die Räder. Zugleich setzt die auf die Rolle I sich windende Kette w die Rolle des benachbarten Wagens in Rotation, und wirkt auf ähnliche Weise auf die Bremsvorrichtung dieses Wagens. Derselbe Mechanismus kann auf ähnliche Weise auf eine beliebige Anzahl Wagen ausgedehnt werden. Die Räder e und F werden außer Eingriff gebracht, um die Federn h'' in den Stand zu setzen auf die Rolle I und eben so auf die Rollen der andern Wagen zu reagiren und dadurch die Bremsklötze von den Rädern zu entfernen.

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Tafel Tab. V
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