Titel: Ueber den Kaffee; von Payen.
Fundstelle: Band 101, Jahrgang 1846, Nr. LXXXI., S. 391
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LXXXI. Ueber den Kaffee; von Payen. Aus den Comptes rendus, Jul. 1846, Nr. 1. Payen, über den Kaffee. Zweite Abhandlung.Die erste Abhandlung wurde S. 279 im vorhergehenden Heft des polytechn. Journals mitgetheilt.A. d. R.Krystallisirbares Doppelsalz und krystallisirbare Säure im Kaffee; Darstellung und Zusammensetzung des Caffeïns. Keinem der früher genannten Chemiker gelang es, die nun zu beschreibenden krystallisirbaren Substanzen aus dem Kaffee abzuscheiden. Robiquet hatte eine grünliche zähe Substanz beobachtet, welche ohne Zweifel die neue Verbindung enthielt; da er aber kein reines Product daraus darstellen konnte, so begnügte er sich eine Vermuthung auszusprechen, die sich von der Wahrheit noch weit entfernte; dieser Stoff schien ihm den harzigen Substanzen analog zu seyn. Ungeachtet aller Mittel, welche der Chemie zu Gebote stehen, bleiben unsere Untersuchungen, um die wahre Natur der näheren Bestandtheile des Organismus zu bestimmen, oft unsicher. Die Schwierigkeit, einen der interessantesten Bestandtheile des Kaffees isolirt darzustellen, wird vollkommen einleuchten, wenn man bedenkt, daß sein Vorhandenseyn nur durch die große Veränderung, welche er erlitt, angezeigt wurde. Nachdem ich mich vergebens bemüht hatte, die grüne Färbung dadurch zu vermeiden, daß ich mich bestrebte, den sie verursachenden Bestandtheil abzuscheiden, schlug ich den entgegengesetzten Weg ein, worauf es mir dann bald gelang, diese Erscheinung fast augenblicklich hervorzurufen; ich hatte nun ein Reagens, welches die aufgesuchte Substanz anzeigen konnte; durch successive Anwendung von Aether, wasserfreiem Alkohol, dann Alkohol von verschiedenen Graben und Wasser entdeckte ich die besten Auflösungsmittel sowohl des der Färbung fähigen Stoffes als seiner Beimengungen. Unmittelbare Analyse. – Der Kaffee wird zuvörderst mittelst der Feile oder im Mörser in ein feines oder gröbliches Pulver verwandelt; sodann in einem unausgesetzt wirkenden Verdrängungs- und Destillirapparat mittelst Aether erschöpft. Die ätherische Auflösung liefert durch Verdampfen zur Trockne eine Fettsubstanz, welche durch Auswaschen mit kochendem Wasser gereinigt wird. Die eingedickten wässerigen Lösungen geben einen gelbbraunen oder braunen Rückstand, der, mit wasserfreiem AlkoholDer Antheil des wässerigen Extracts, welcher sich im wasserfreien Alkohol nicht auflöst, enthält eine kleine Menge des neuen Körpers, Legumins und einer andern stickstoffhaltigen Substanz. behandelt, nach dem Abdampfen einen krystallinischen Bodensatz zurückläßt, welchen man bloß mit kaltem Alkohol auszuwaschen, in heißem Alkohol aufzulösen und krystallisiren zu lassen braucht, um durch diese Behandlung, welche man noch zweimal wiederholt, das Caffeïn in dünnen, weißen und glänzenden Prismen zu erhalten. Das so erhaltene reine Caffeïn schmilzt in der Wärme und verflüchtigt sich ohne Rückstand; seine Dämpfe geben bei ihrer Verdichtung wieder ungefärbte und durchscheinende Krystalle. Bei vier Analysen erhielt ich Zahlen, die von der bisher angenommenen Zusammensetzung nicht unbedeutend abweichen; seine Elementar-Zusammensetzung entspricht hienach folgender Formel: C¹⁶ 1200 H¹º   125 N⁴   708   300 –––– 1333. oder in hundert Theilen: Kohlenstoff   50,855 Wasserstoff     5,085 Stickstoff   30,000 Sauerstoff   14,060 ––––––– 100,000. Der mit Aether behandelte Kaffee wird nun mit Alkohol von 60 Proc. Tralles auf dem Filter bis zur Erschöpfung ausgewaschen; die zur Consistenz eines dünnen Syrups eingedickten Auflösungen werden mit ihrem dreifachen Gewicht Alkohol von 83 Proc. vermischt; die Flüssigkeit scheidet sich in zwei Theile, wovon einer klebrig ist und sich absetzt, der andere sehr flüssige aber darüber stehen bleibt; letzterer wird abgegossen und enthält den größten Theil der krystallisirbaren Verbindung, wovon man sich überzeugen kann, indem man eine kleine Menge der Auflösung in eine Röhre bringt und etwas Ammoniak zusetzt. Die dadurch entstehende gelbe, ins Grüne übergehende, an Intensität allmählich zunehmende Färbung ist ein sicheres Anzeichen hievon; sie führte zu dem beschriebenen Verfahren und diente bei weitern Operationen noch als Führer, wenn man bei Behandlung von Mutterlaugen die der krystallisirbaren Verbindung fremdartigen Substanzen durch Alkohol abzuscheiden sucht. Um übrigens aus den verschiedenen Niederschlägen einen Theil des krystallisirbaren Körpers wieder aufzunehmen, braucht man sie nur mit etwas Wasser wieder aufzulösen und dann neuerdings mit Alkohol von 85 bis 90 Proc. zu fällen; die überstehende Flüssigkeit nimmt die gewünschte Substanz in sich auf. Alle alkoholischen Auflösungen werden der Destillation im Wasserbad unterworfen; der syrupartige Rückstand wird mit 25 Proc. seines Volums Alkohol von 90 Proc. Tralles angerührt; an einen kühlen Ort gestellt, gibt er nach 24 bis 48 Stunden körnige Krystalle, welche man auf einem Filter sammelt und durch Anrühren mit kaltem Alkohol von 65 Proc. reinigt; hierauf wäscht man sie mit Alkohol von 70–85 Proc. aus. Man löst sie hierauf wieder in Alkohol von 6 Proc. auf mittelst Erwärmen im Wasserbad; beim Erkalten erhält man dann fast ganz reine Krystalle in reichlicher Menge; es sind durch die Vereinigung mit ihrem einen Ende in einem gemeinschaftlichen Centrum zu Sphäroden gruppirte Prismen. Man reinigt sie vollends durch nochmaliges Auflösen in Alkohol und zweimaliges Krystallisiren; hierauf läßt man sie abtropfen und im luftleeren Raum bei 88° R. austrocknen. Eigenschaften und Zusammensetzung der krystallinischen Substanz. – Diese Substanz besteht aus einem Doppelsalz, welches eine Verbindung einer organischen Säure mit zwei Basen, einer organischen, dem Caffeïn, und einer mineralischen, dem Kali, ist. Das farblose Princip der satten grünen Färbung hat seinen Sitz in der deßhalb von mir so benannten Chlorogen säure (acide chloroginique). Die krystallisirbare Verbindung, oder das natürliche Kaffeesalz ist sonach ein chlorogensaures Doppelsalz von Kali und Caffeïn. Wenn man es bei 80° R. getrocknet auf dem noch warmen Papier reibt, so wird es so elektrisch, daß es sich einer ihm entgegengehaltenen Messerklinge anhängt und in länglichen voluminösen Flocken daran hängen bleibt. Beim Erhitzen erleidet es von 80 bis 120° R. keine Veränderung; schmilzt aber bei 148°, entwickelt eine schöne gelbe Färbung, kömmt ins Sieben, schwillt bis zu seinem fünffachen Volum auf und bleibt dann schwammig, gelblich, fest und zerreiblich; bis auf 184° R. erhitzt wird es bräunlicher und theilweise zersetzt. Die sich alsdann entwickelnden Dämpfe geben bei ihrer Verdichtung nadelförmige Caffeïn-Krystalle. Erhitzt man weiter, so wird die braune Färbung noch intensiver, es erfolgt wiederholtes Flüssigwerden, es gehen reichliche alkalische Dämpfe davon, die Masse schwillt abermals bald bis zum vierfachen Volum auf, oder dieses wird, mit andern Worten, zwanzigmal so groß als das Volum der angewandten trockenen Krystalle war; die so erhaltene sehr leichte Kohle reflectirt auf ihrer Oberfläche Regenbogenfarben.Diese Erscheinungen wurden bei Versuchen mit 1 Decigr. des Salzes in einem Röhrchen von 5 Millimeter Durchmesser und 12 Centimeter Länge beobachtet. Ohne Zweifel ist dem zwischen der Zellensubstanz des Eiweißkörpers gelagertem chlorogensauren Salz das Aufschwellen der Körner beim gewöhnlichen Rösten des Kaffees zuzuschreiben. Dieses Doppelsalz ist in wasserfreiem Alkohol, selbst in der Wärme, kaum etwas löslich. Aus einer siedendheißen gesättigten Auflösung in Alkohol von 95 Proc. krystallisirt es beim Erkalten strahlenförmig in Prismen; in Alkohol von 85 Proc. ist es leichter auflöslich und krystallisirt beim Erkalten auch reichlicher heraus; die Auflöslichkeit nimmt mit der Menge des Wassers immer zu. Reines Wasser nimmt noch mehr davon auf und die kochend gesättigte wässerige Auflösung erstarrt beim Erkalten in Masse. Die kalte Auflösung setzt, in einer Schale langsam abgedampft, allmählich einen Kranz von sehr feinen Krystallen in warzenförmigen Gruppen ab. Die wässerige Auflösung verändert sich sogar während der Krystallisation an der Luft mehr oder weniger schnell, wird gelb und spätes grünlichbraun gefärbt. Diese freiwilligen Reactionen würden die Darstellung des reinen Salzes sehr erschweren; man vermeidet sie aber durch Zusetzen von Alkohol zu allen Flüssigkeiten, dessen Verdunstung an freier Luft man verhindern muß. Die Krystalle des chlorogensauren Doppelsalzes, mit Kalihydrat schwach erhitzt, färben sich zinnober- oder orangeroth; weiter erhitzt, schmilzt die Mischung, nimmt eine gelbe Farbe an, entwickelt reichlich ammoniakalische Dämpfe, wird braun u.s.w. Mit concentrirter Schwefelsäure erhitzt, entwickelt das natürliche Kaffeesalz eine intensiv violette Färbung und bildet ein Bronze-Häutchen; Salzsäure gibt ähnliche, nur weniger intensive Erscheinungen; mit Salpetersäure erzeugt sich eine orangegelbe Farbe. In den wässerigen und alkoholischen Lösungen des chlorogensauren Doppelsalzes erzeugt essigsaures Blei einen blaßgrünlichgelben flockigen Niederschlag. Das dreifach-basische essigsaure Blei (Bleiessig) gibt einen gleichbeschaffenen, aber reingelben Niederschlag. Salpetersaures Silber für sich allein bewirkt keine Veränderung; vorher aber mit ein wenig Ammoniak versetzt, veranlaßt es eine gelbe, ins Braune ziehende Färbung; die Flüssigkeit trübt sich und bald schwimmt ein Häutchen von reducirtem Silber darüber, welches sich nach und nach über die Wände des Gefäßes ausdehnt. Die unmittelbare Analyse des Doppelsalzes kann auf verschiedene Weise durchgeführt werden. Man bestimmt zuvörderst mittelst Einäscherung das Kali aus dem Gewicht des kohlensauren Kalis oder durch Umwandlung desselben in schwefelsaures Kali. Aufgelöst und direct mit ihrem Aequivalent Schwefelsäure behandelt, dann in Berührung mit gepulvertem Marmor abgedampft, gibt die fragliche Verbindung schwefelsaures Kali, vermengt mit saurem chlorogensaurem Caffeïn; Alkohol zieht letzteres Salz aus, dessen Säure durch basisch-essigsaures Blei gefällt werden kann; das Caffeïn wird aus der eingedampften Flüssigkeit durch Auswaschen des Rückstandes mit kaltem Alkohol und Behandlung des Zurückbleibenden mit warmem Alkohol ausgezogen. Dieser läßt beim Erkalten das Caffeïn herauskrystallisiren. Das chlorogensaure Blei erhält man auch durch Fällen der alkoholischen Auflösung des normalen Salzes mit basisch-essigsaurem Blei und Auswaschen des Niederschlags, oder durch Zusammenreiben desselben Salzes mit überschüssigem Bleioxyd und Wasser ohne Wärme; in diesem Fall macht das zurückgebliebene Kali das chlorogensaure Blei auflöslich, wobei sich ohne Zweifel ein anderes Doppelsalz bildet; um dasselbe zu zersetzen, leitet man in die filtrirte Flüssigkeit einen Strom Kohlensäure. Es bildet sich dann allmählich ein gallertartiger, durchscheinender Niederschlag von chlorogensaurem Blei. Die dazwischen gelagerte Flüssigkeit enthält das Kali und das Caffeïn. Letzteres kann man abscheiden durch Abdampfen bis zur Trockne, Auswaschen des Rückstandes mit kaltem Alkohol, dann Auflösen des Caffeïns in siedendem Alkohol, welches nun nach dem Filtriren die ganze Flüssigkeit mit sich kreuzenden Krystallen erfüllt. Ein viertes, nicht minder sicheres, aber langwieriges Verfahren das Caffeïn aus dem Doppelsalz zu ziehen, besteht darin, eine Veränderung der Chlorogensäure durch gleichzeitigen Einfluß von Wasser, Luft und Ammoniak zu veranlassen. Man löst nämlich 1 Gramm der natürlichen Verbindung in einer flachen Schale in 10 Kubikcentimeter Wasser auf, setzt 2–3 Tropfen Ammoniak hinzu und bringt sie unter eine Glocke, worin sich die Luft langsam erneuert. Eine gelbe, grüne und bläulichgrüne Färbung folgen in 24 Stunden hintereinander, dann wird die Mischung braun; von Zeit zu Zeit seht man etwas Wasser zu, um das verdampfte zu ersetzen, so wie auch einen Tropfen Ammoniak. Nach Verlauf von 25–30 Tagen ist die Umänderung geschehen; man verdampft zur Trockne und erhält einen sehr dunkelbraunen Niederschlag, welcher in Schuppen abgelöst, gepulvert und mit kochendem wasserfreiem Alkohol behandelt, beim Erkalten das Caffeïn mit allen seinen charakteristischen Eigenschaften liefert. Läßt man die Veränderung des Doppelsalzes nur so weit eintreten, daß die angeschwollene Masse bloß schwach braun wird, so kann man durch kochenden wasserfreien Alkohol einen bedeutenden Antheil Caffeïn ausziehen. Darstellung und Eigenschaften der Chlorogensäure. – Das chlorogensaure Blei, wie es durch eines der drei obigen Verfahren erhalten wird, durch Auswaschen mit siedendem destillirtem Wasser vollkommen gereinigt und durch einen Strom von Schwefelwasserstoffgas zersetzt, liefert eine Auflösung, welche, rasch abgedampft, Chlorogensäure in verworrenen Krystallen zurückläßt. Diese Säure, durch kleine Quantitäten wasserfreien Alkohols gereinigt und dann getrocknet, ist weiß, in wasserfreiem Alkohol auflöslich, noch besser aber in verdünntem Alkohol, auch sehr leicht auflöslich in Wasser und schwer krystallisirbar. Ihre wässerige Auflösung in der Siedhitze beinahe gesättigt, krystallisirt nur sehr langsam in mikroskopischen Prismen, die aus gemeinschaftlichen Mittelpunkten strahlig auslaufen und nach 24–30 Stunden zahlreiche Zusammenhäufungen in Kügelchen von 1–2 Millimeter Durchmesser geben. Die Chlorogensäure, in Wasser aufgelöst, reagirt deutlich sauer; sie ist das wirksame Princip der oben angegebenen verschiedenen Färbungen des Normalsalzes im Kaffee. In einer Röhre erhitzt, schmilzt sie, färbt sich gelb, kömmt ins Sieden und hinterläßt eine Kohle in dünner glänzender Schicht. Ihr Dampf condensirt sich zu einer braunen Flüssigkeit, die rasch erhitzt, eine Kohle in sehr dünner Schicht zurückläßt, welche lebhafte Regenbogenfarben reflectirt. Die Elementar-Analysen der Chlorogensäure, des chlorogensauren Caffeïn-Kalis und des chlorogensauren Bleies gaben folgende Resultate:         Chlorogensäure       Chlorogensaures Caffeïn-Kali. Kohlenstoff   56,0       Kohlenstoff         50,74 Wasserstoff     5,6       Wasserstoff           5,38 Sauerstoff   38,4       Stickstoff           9,12 –––––       Sauerstoff         27,26 100,0       Kali           7,50       ––––––       100,00 Nähere Zusammensetzung des chlorogensauren Doppelsalzes       des chlorogensauren Bleies. Chlorogensäure         63,5       Chlorogensäure     40 Kali           7,5       Bleioxyd     60 Caffeïn         29,0   ––––       –––––   100       100,0 Atomgewicht der Chlorogensäure       des chlorogensauren Bleies. C¹⁴       1050         Säure   1850 H         100         Oxyd 2 PbO   2780 O         700 –––––       –––––   4630       1850 Allerdings sind Analysen verschiedener Verbindungen erforderlich, um die Zusammensetzung und Formeln der Chlorogensäure und ihrer Salze feststellen zu können; folgende Thatsachen aber sind jedenfalls erwiesen. 1) Das Caffeïn spielt im natürlichen Doppelsalz die Rolle einer Basis; 2) von selbst eintretende, oder durch Temperatur-Erhöhung veranlaßte Veränderungen der organischen Säure setzen das Caffeïn in Freiheit und lassen mit dem Kali eine von dieser Veränderung herrührende braune Säure verbunden zurück; 3) der neuentdeckte Körper existirt im Normalzustand im Eiweißkörper der Früchte des Kaffeebaums. Im dritten Theil meiner Abhandlung werde ich die Resultate meiner Untersuchungen über das aromatische Princip und einige andere im Kaffee enthaltene Substanzen mittheilen.