Titel: Ueber das Verhalten der Fadendicke in den verschiedenen Garnnummern; ein Beitrag zur Kenntniß der Gespinnste; nebst einer Tabelle zur Ermittelung des Feinheitsverhältnisses in den Garnnummern von 1 bis 64; von Hrn. S. Weigert.
Fundstelle: Band 103, Jahrgang 1847, Nr. X., S. 29
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X. Ueber das Verhalten der Fadendicke in den verschiedenen Garnnummern; ein Beitrag zur Kenntniß der Gespinnste; nebst einer Tabelle zur Ermittelung des Feinheitsverhältnisses in den Garnnummern von 1 bis 64; von Hrn. S. Weigert. Aus den Verhandl. des preuß. Gewerbevereins 1846, 4te Lief. Weigert, über die Fadendicke in den verschiedenen Garnnummern. Die genaue Kenntniß der Feinheit (Fadendicke) von den verschiedenen Gespinnsten ist für deren weitere Verarbeitung zu Geweben ein höchst wichtiger Umstand. Die zu diesem Behufe gebräuchlichen Bestimmungen werden nach dem sogenannten Numerotirsystem gemacht, bei welchem man ein bestimmtes Gewicht als Einheit annimmt, und die Länge des Fadens als maaßgebend für die Feinheit betrachtet. Es wird dieses System in der Weise durchgeführt, daß man die Gespinnste zu Strähnen, welche alle dasselbe Längenmaaß haben, haspelt, und dann die Anzahl solcher Strähne, die ein Pfund wiegen, ermittelt. Die sich hiebei herausstellende Zahl nennt man die Nummer des Garns. Nach diesen Grundsätzen wird nun selbstredend jede höhere Nummer auch einen höheren Grad der Feinheit bezeichnen, und man wird unter Garn Nr. 60 solches verstehen, wovon 60 Strähne ein Pfund wiegen, und unter Garn Nr. 30 solches, wovon schon 30 Strähne das Gewicht eines Pfundes haben. Es wird also ein Pfund von Nr. 60 eine doppelt so große Fadenlänge, als ein Pfund Nr. 30 haben. Bei der Voraussetzung, daß gleichartige Gespinnste auch eine durchaus gleichförmige Beschaffenheit des Fadens haben, könnte man im allgemeinen den Grundsatz aufstellen, daß die Feinheit des Garns durch das Verhältniß der Garnnummern ausgedrückt wird. Dem ist aber nicht so. Die verschiedene Drehung des Fadens, welche, je nachdem sie stärker ist, auch den Faden feiner macht, ferner die Beschaffenheit des Materials, welches, je nachdem es feiner ist, auch ein desto geringeres specifisches Gewicht besitzt, haben zur Folge, daß das Verhältniß der Garnnummer nur annähernd das Verhältniß der Feinheit des Fadens angibt. Wie selbst dieses annähernde Verhältniß in der Wirklichkeit aufzufassen ist, soll im Nachfolgenden näher auseinander gesetzt werden. Im gewöhnlichen Verkehr ist im allgemeinen die ganz irrige Voraussetzung verbreitet, daß das Verhältniß der Länge des Fadens oder die Garnnummer im gleichen Verhältniß zur Feinheit oder der Dicke des Fadens steht, so daß Garn Nr. 20, welches doppelt so lang als Nr. 10 ist, auch doppelt so fein als dieses sey. Diese Annahme beruht nun, abgesehen von den oben angeführten Rücksichten auf die Beschaffenheit des Materials und des Gespinnstes, auf einer ganz falschen Ansicht, welche vielfach getheilt wird, und zu manchen irrigen Folgerungen Anlaß gibt. Ich will hier versuchen die Grundsätze festzustellen, nach welchen das relative Verhältniß der Fadendicke in gleichartigen Gespinnsten, in Beziehung auf die Garnnummer zu ermitteln ist, und glaube damit keinen unwillkommenen Beitrag zur allgemeinen Kenntniß der Gespinnste zu liefern, zumal, wie ich später zeigen werde, sich hieraus auch mancher Nutzen in praktischer Richtung ziehen läßt. Aus den eben angeführten Grundsätzen in der Bezeichnung der Garnnummern läßt sich leicht folgern, daß die Fadenlänge, oder der Materialinhalt, in zwei gleich langen Fäden verschiedener Gespinnste sich umgekehrt wie die Nummern verhält, und daß, wenn man sich den Querschnitt des Garnfadens als eine Kreisfläche denkt, der Inhalt dieser in verschiedenen Garnnummern ebenfalls in umgekehrten Verhältnissen zu einander steht. Es ist z.B. die Fadenlänge eines Pfundes Nr. 64 viermal so groß, als die eines Pfundes Nr. 16, es wird demnach in 100 Ellen Garn Nr. 64 nur der vierte Theil Material enthalten seyn, als in 100 Ellen Garn Nr. 16, und ebenso der Querschnitt eines Fadens Nr. 64 nur den vierten Theil Inhalt haben, als der eines Fadens von Nr. 16. Wenn nun der Querschnitt des Garnfadens als eine Kreisfläche anzusehen ist, so wird man nothwendig auch den Garnfaden selbst als einen Cylinder betrachten können. – Die Dicke eines Cylinders bestimmt man jedoch nicht nach dem Inhalte der Kreisfläche (Querschnitt), sondern nur nach dem Durchmesser, daher wird auch die Bestimmung der Dicke des Fadens nicht nach dem Inhalte des Querschnitts, sondern nur nach dem Durchmesser gemacht werden müssen. Es verhalten sich aber die Inhalte zweier Kreisflächen wie die Quadrate der Durchmesser, oder auch die Durchmesser zweier Kreise wie die Quadratwurzeln der Flächen, folglich wird auch die wirkliche Dicke zweier Garnnummern sich umgekehrt wie ihre Wurzeln verhalten. Es wird daher Garn Nr. 64, das wie eben angeführt zwar den vierten Theil der Kreisfläche von Nr. 16 besitzt, nicht auch viermal feiner als letzteres seyn, sondern nur halbmal, weil die Wurzel von Nr. 64 = 8 und die Wurzel von Nr. 16 = 4, und die wirkliche Dicke wie auseinandergesetzt aus dem umgekehrten Verhältnisse der Wurzel von der Garnnummer gefunden wird, also Nr. 64 : Nr. 16 = √ 16 : √ 64 = 4 : 8 = 1 : 2. Aus dem Angeführten wird man leicht einsehen, daß die Annahme, die Feinheit zweier Fäden stehe in demselben Verhältnisse wie die Garnnummer, eine ganz irrige ist, daß vielmehr die Feinheit nur aus dem Verhältnisse der Wurzeln und der Garnnummern gefunden werden kann. Daß jedoch auch die Kenntniß zur Bestimmung der effectiven Feinheit der Gespinnste in praktischer Beziehung vielen Werth hat, und manchen Nutzen bieten kann, wird sich aus Nachstehendem ergeben: 1) Die Festigkeit eines Gewebes hängt unzweifelhaft von dessen Dichtheit zum größten Theil ab. Die verschiedenen Grade der Dichtheit eines Gewebes sind von dem mehr oder weniger engen Aneinanderliegen der Kett- und Schußfäden abhängig. In Beziehung auf die Dauerhaftigkeit wird man bei einem soliden Gewebe voraussetzen müssen, daß dessen Kett- und Schußfäden im richtigen Verhältnisse möglichst eng aneinander liegen. Das Verhältniß zwischen Kett- und Schußfäden ist aber nicht bei allen Arten der Gewebe ein und dasselbe, so z.B. würde kein guter Atlaß mit der beim Taffet gebräuchlichen Zahl von Kettfäden herzustellen seyn, weil zu ersterem eine weit größere Anzahl Kettfäden als zu letzterem erforderlich sind, und umgekehrt würde kein guter Taffet aus der beim Atlaß gebräuchlichen Kettfädenzahl dargestellt werden, weil durch die Dichtheit dieser die Schußfäden sich nicht aneinander treiben lassen. Wenn nun jeder erfahrene Fabrikant die Verhältnisse der zu jedem Gewebe erforderlichen Kett- und Schußfädenzahl kennt, so kommt es doch oft vor, daß zuweilen nothgedrungen, oder mit Absicht, anstatt der sonst gebräuchlichen Garnnummer eine feinere oder stärkere verwendet werden soll. In diesem Fall ist es klar, daß von der anzuwendenden stärkeren Garnnummer eine geringere Anzahl, und von der feineren eine größere Zahl Fäden zur Herstellung eines nicht vertheuerten und gleich soliden Fabricats erforderlich seyn wird. Um nun eine solche richtige Wahl treffen zu können, ist es gewiß von Wichtigkeit, das Verhalten der Stärke in den verschiedenen Garnnummern zu kennen. 2) Es ist bekannt, daß gleichartige Gewebe aus feinerem (dünnerem) Garn, trotz des höhern Gewichtspreises dieses, billiger herzustellen sind, als aus stärkerem. Würde man von dem feineren Garne nur dieselbe Fadenzahl anwenden wollen, als von dem früher angewendeten stärkeren, so würde das Gewebe durchsichtig und offenbar schlechter, also auch weniger werth seyn, und der Fabrikant würde durch ein solches Verfahren mehr Nachtheil als Vortheil finden. Ist es aber dem Fabrikanten bekannt daß, wenn z.B. hundert Fäden von dem stärkeren Garn, möglichst dicht an einander gelegt, einen bestimmten Raum ausfüllen, alsdann von dem feineren Garn zu einer Ausfüllung desselben Raumes 110 Fäden gehören werden, dann wird er die obigen Mängel zu vermeiden wissen, und in gewissen Fällen durch das feine Garn sogar ein noch ansehnlicheres Fabricat als aus dem stärkeren herstellen. 3) Es ist dem Fabrikanten bekannt, daß zur soliden Herstellung eines bestimmten Stoffes bei so und so viel Fäden eine bestimmte Garnnummer erforderlich ist. Es liegen jedoch Rücksichten vor, z.B. das Vorhandenseyn einer eingerichteten Vorrichtung u.s.w., wo dasselbe nur mit einer bestimmten geringeren oder höheren Fadenzahl geschehen kann; um hier die richtige Wahl der darin erforderlichen Garnnummer zu treffen, ist ebenfalls eine Kenntniß von dem Feinheitsverhältnisse wichtig. 4) Bei der Wahl der Garnnummer ist auch die Kenntniß des Preisverhältnisses von Wichtigkeit. Jedermann weiß, daß feineres Garn dem Gewichte nach theurer ist als stärkeres, hingegen dem Längenmaaße nach, welches für die Fabrication maßgebender ist, bedeutend billiger. Um nun zu ermitteln, wie sich in Beziehung hierauf die Preise gegenseitig stellen, darf das Verhalten der Fadendicke nicht außer Acht gelassen werden. Daher ist auch hiezu die Kenntniß dieses Verhältnisses von Wichtigkeit. Wenn ich nun in dem Vorherstehenden genügend auseinandergesetzt habe, daß die Kenntniß von dem Verhalten der Fadendicke in den verschiedenen Garnnummern in praktischer Richtung nicht ganz unwesentlich ist, so glaube ich auf die Bearbeitung der beigegebenen Tabelle, welche die Verhältnisse der Garnnummern von 1 bis 64 enthält, keine unnütze Mühe verwendet zu haben. Wenn mir die Einwendung gemacht werden sollte, daß eine solche Berechnung unmöglich richtig seyn könne, weil hiebei auf die Beschaffenheit der Gespinnste, wie im Eingang angeführt, keine Rücksicht genommen werden kann, so ist allerdings diese Einwendung ganz richtig, aber ich bemerke, daß es mir nicht darum zu thun war, ein absolut richtiges Verhältniß aufzustellen, sondern nur ein relatives, und auch dieses nur möglichst annähernd. Daß man ein Garn Nr. 4 Mule nicht mit Nr. 60 Water nach der Tabelle wird vergleichen können, wird jeder selbst einsehen, da es Niemandem einfallen wird, diese beiden Nummern für einander anzuwenden. Daß jedoch auch diese Nummern in die Tabelle aufgenommen sind, mußte der Vollständigkeit wegen geschehen, und deren Verhältniß wird nach der Tabelle auch relativ richtig seyn, wenn man voraussetzen dürfte, daß 6 und 60er aus ein und demselben Material und in gleicher Drehung gesponnen sind. Die Einrichtung der Tabelle betreffend, so ist diese in ganz bekannter Weise. – Die Zahlen der obersten horizontalen und ersten linken verticalen Reihe geben die Garnnummern an, während die Verhältnisse in dem Schneidungspunkt dieser Reihe enthalten sind. Den Gebrauch betreffend, so muß man sich die Nummer in der senkrechten Reihe als das erste Glied, die Nummer in der horizontalen Reihe als das zweite Glied des ersten Verhältnisses denken, ferner die zu suchende Zahl als das erste Glied, und die Zahl 100 jederzeit als das zweite Glied des zweiten Verhältnisses; z.B. Nr. 10 : Nr. 8 = 112 : 100 Nr.   6 : Nr. 8 =   86 : 100 Wie diese Zahlen aufzufassen sind, wird man mit Bezug auf die eben angeführten Anwendungsfälle aus folgenden Beispielen ersehen. 1) Um wie viel ist Garn Nr. 20 stärker als Nr. 30? Das Verhältniß ist 20 : 30 = x: 100. Nach der Tabelle ist x = 77, folglich 20 : 30 = 77 : 100, d.h. ersteres ist um die Differenz zwischen 77 und 100 = 23 oder um 23 Proc. stärker. Umgekehrt ist 30er um 23 Proc. feiner als 20er, weil 30 : 20 = 123 : 100. 2) Wenn von Nr. 40 zur Ausfüllung eines Raumes gerade 100 Fäden gehören, wie viel wird hiezu von Nr. 44 erforderlich seyn? 44 : 40 = x : 100, nach der Tabelle ist x = 105, folglich 44 : 40 = 105 : 100 d.h. zu demjenigen Raume, den 100 Fäden 40er ausfüllen, gehören 105 Fäden 44er. Umgekehrt 40 : 44 = 95 : 100. 3) An Stelle von 100 Fäden 20er sollen 110 Fäden einer anderen Nummer angewendet werden, welche ist diese Nummer? Da die Zahl 100 ein für allemal im zweiten Gliede des zweiten Verhältnisses stehen muß, so wird auch die bekannte Nr. 20 im zweiten Gliede des ersten Verhältnisses stehen, mithin x : 20 = 110 : 100. In der senkrechten Rubrik 20 sucht man die Zahl 110 auf, zu dieser ist als erstes Glied die Nr. 24 gehörig. Mithin 24 : 20 = 110 : 100, d.h. man würde in dem fraglichen Fall Garn Nr. 24 anwenden. 4) Wie viel ist Nr. 10 billiger als Nr. 8? Nach der Tabelle ist 10er um 12 Proc. feiner als Nr. 8, es ist aber auch als letzteres um den vierten Theil, also um 25 Proc. länger mithin wird es um die Differenz, dieß sind 13 Proc. billiger seyn. Ein Preisabzug findet hier nicht statt, weil gewöhnlich die Nummern 1 bis 10 ein und denselben Pfundpreis haben. Andererseits ist 30er um 17 Proc. billiger als 20er, weil ersteres um 50 Proc. länger, dagegen um 23 Proc. feiner ist, mithin Differenz 27 Proc. Hievon der theurere Preis für das Pfund mit 10 Proc. in Abzug gebracht, ergibt 17 Proc. Ich will nun noch einige Worte über die Art und Weise, wie ich die bezüglichen Tabellen berechnet habe, hier anführen. Nach der obigen Auseinandersetzung stehen die Garnnummern in Beziehung auf den Inhalt des Querschnitts im umgekehrten Verhältnisse. Ich nahm nun an, daß diejenige Nummer, deren Verhältniß zu einer anderen ich auffinden wollte, 10,000 in der Kreisfläche (Querschnitt) habe, und berechnete nach dieser angenommenen Zahl den Inhalt jeder anderen Nummer, aus denen ich dann die Wurzeln zog, um die Verhältnisse des Durchmessers oder der effectiven Fadendicke zu erhalten. Z.B. Garn Nr. 20 hat, wie angenommen, 10,000 Inhalt, folglich Nr. 10 5000 (umgekehrtes Verhältniß), Nr. 4 2000 u.s.w. Die Wurzeln hieraus sind für Nr. 20 = 100, für Nr. 10 = 71, für Nr. 4 = 45, welches die Verhältnisse 10 : 20 = 71 : 100, Nr. 4 : 20 = 45 : 100 gibt. Daß ich zur Fundamentalgröße 10,000 annahm, geschah aus dem Grunde, um die Wurzel 100 zu erhalten, da zur Berechnung nach Procenten nur diese Zahl geeignet ist. – Die Angabe der Wurzelgrößen, oder der Verhältnisse, ist in ganzen Zahlen mit Weglassung jedes Bruches in der Weise geschehen, daß ich für jeden Bruch, der größer als 1/2 wurde, die nächst folgende ganze Zahl setzte, und andererseits jeden Bruch, der 1/2 und darunter betrug, ganz ausließ, so daß hiedurch eine wirkliche Differenz von nur 1/2 Proc. stattfindet, deren Werth ganz außer Acht gelassen werden kann. Tabelleüber das Feinheits-Verhältniß der Garnnummern von 1 bis 64. Textabbildung Bd. 103, S. 35