Titel: Ueber das Entfärben des rothen Weinessigs mittelst Knochenkohle; von A. Chevallier.
Fundstelle: Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XXXII., S. 131
Download: XML
XXXII. Ueber das Entfärben des rothen Weinessigs mittelst Knochenkohle; von A. Chevallier. Im Auszug aus dem Journal de Chimie médicale, Nov. 1846 S. 682. Chevallier, über das Entfärben des rothen Weinessigs. Die Handelskammer von Orleans äußerte im Jahr 1845, weil mehrere auswärtige Kaufleute und Fabrikanten verfälschten Essig als Fabricat aus Orleans verkauften, den Wunsch, daß die Essige von Orleans durch eine Commission zu Paris untersucht und derselben reine Essigmuster zugestellt werden möchten, was auch geschah. Bei einer kürzlich angestellten Untersuchung einer von Nantes gekommenen Ladung Essig im Hafen von Orleans erklärte der Versender, daß der in diesem Essig gefundene Kalk von der Knochenkohle herrühre, deren er sich zum Entfärben und Klären desselben nach Figuier's Verfahren bedient habe. Figuier nämlich gab an, daß 1 Liter rother Weinessig durch 45 Gramme Knochenkohle entfärbt werden könne, und zu diesem Behufe 2–3 Tage lang ohne Wärme mit ihr in Berührung bleiben müsse; allein dieses Verfahren ist nicht anwendbar; der so behandelte Essig verliert an Kraft, indem ein Theil seiner Säure den kohlensauren und phosphorsauren Kalk in der Knochenkohle auflöst. Es muß daher zu dieser Entfärbung Knochenkohle angewandt werden, welche vorher durch Salzsäure von diesen Salzen befreit worden ist. Holzkohle bewirkt diese Entfärbung sehr gut, aber noch viel besser mit Säuren behandelte und ausgewaschene Knochenkohle. 100 Liter Essig bedürfen hiezu im Durchschnitt 6 Pfd. Kohle. Man bringt sie zu diesem Behuf in einem Fäßchen zusammen und setzt es, wohl verschlossen, durch Rollen recht stark in Bewegung, läßt abfetzen, rührt von 1/2 zu 1/2 Stunde von neuem um und fährt damit zwei Tage lang fort. Zuletzt läßt man absetzen und zieht ab. Wenn man strohgelben Essig haben will, setzt man weniger, etwa nur 4 Pfd. Kohle zu und untersucht den Grab der Entfärbung, um die gewünschte Nüance zu erhalten. Der Essig verliert so nichts an seiner Kraft und löst nichts auf, was ihm nachtheilig werden könnte.Es lassen sich auch einige andere Flüssigkeiten auf diese Art entfärben. Rother Branntwein bedurfte auf 100 Liter 1 1/2 Pfd. ausgewaschener Knochenkohle. Der rothe Essig kann auch mittelst der Kohle entfärbt werden, welche man auf die Art bereitet, daß man Quarz in ein feines Pulver verwandelt und aus demselben und einer Auflösung von Leim einen Teig bildet, welcher in einem verschlossenen Schmelztiegel stark ausgeglüht wird. Dieser Teig gibt eine Kohle, welche gepulvert, ausgewaschen und scharf ausgetrocknet, sich zum Entfärben des Essigs vortrefflich eignet. Der Essig kann auch mit gepulverter Holzkohle entfärbt werden; ich bediente mich dazu der unter dem Namen Löschkohlen bekannten Birkenkohle, welche man bei Bäckern in Menge findet. Man stößt, siebt, wäscht und trocknet sie. Obenerwähnter Essig wurde auch mir zur Untersuchung zugestellt und mein Bericht darüber schließt mit folgenden Resultaten: 1) Dieser Essig scheint nicht bloß durch saure Gährung von Weinen erhalten worden, sondern eine Mischung von Weinessig und durch Gährung anderer Körper, wie etwa Traubenzucker, erzeugte Essigsäure zu seyn; 2) zur Begründung dessen führe ich nur an, daß der Essig schwefelsauren Kalk absetzte und Kalksalze in größerer Menge enthält, als dieß sonst bei Weinessig der Fall ist; daß er ferner ein phosphorsaures Salz enthält, welches im Essig sonst nicht angetroffen wird; 3) dieser Essig ist schwach und kann mit gutem (sogenannten Orleans-) Essig nicht verglichen werden; 4) während 100 Gramme des letztern 6 bis 7,50 Gramme reinen basisch-kohlensauren Natrons zur Sättigung erheischen, bedarf der fragliche Essig davon nur 4,5 Gramme; 5) hienach wäre der Werth dieses Essigs nur 2/3 von demjenigen eines guten (Orleans-) Essigs; 6) die Menge des in diesem Essig gefundenen Weinsteins erschien mir im Verhältniß zur Beschaffenheit des Essigs beträchtlich; aus von Hrn. Lassaigne im Jahr 1844 angestellten Versuchen geht nämlich hervor, daß 1) der weiße Orleans-Essig und 2) der weiße Saumur-Wein nur 2,2 bis 2,5 Gramme Weinstein per Liter enthalten, aber der untersuchte Essig enthält davon 2,72 Gramme. Eine Untersuchung durch einen andern Sachverständigen gab dieselben Resultate. – In Folge obiger Ergebnisse und Aussagen wurde nach öffentlichen Verhandlungen von dem Zuchtpolizeigericht der Beschluß gefaßt, daß Livenais zwar keinen absichtlichen Betrug hinsichtlich der von ihm verkauften Waare begangen habe, daß man aber dem juristischen Begriff nach darüber einig sey, daß unter verfälschten Getränken solche zu verstehen seyen, die, auch ohne gerade der Gesundheit schädlich zu seyn, mit fremdartigen Körpern vermischt seyen; daß er das allerdings von Chemikern empfohlene Entfärbungsverfahren mit Knochenkohle, aber nicht in der von denselben vorgeschriebenen Weise, nach Befreiung dieser Kohle von ihren Salzen, angewandt habe, und (nach Artikel 475 und 478 des Strafcodex) zu 10 Frcs. Geldbuße verurtheilt, das Ausgießen des verkauften Essigs auf die öffentliche Straße angeordnet; ferner wurde Livenais in alle Kosten und 1 Jahr gefängliche Haft verurtheilt. Der von ihm beim höhern Gerichtshof zu Orleans eingelegten Berufung gegen dieses Urtheil wurde keine Folge gegeben.