Titel: Versuche über die Bereitung, Eigenschaften und Anwendung der Schießbaumwolle.
Fundstelle: Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XLV., S. 209
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XLV. Versuche über die Bereitung, Eigenschaften und Anwendung der Schießbaumwolle. Versuche über die Bereitung, Eigenschaften und Anwendung der Schießbaumwolle. Sprengversuche mit Schießbaumwolle, von Combes und Flandin. Es wurden vier Versuche angestellt, einer mit Grubenpulver und drei mit Schießbaumwolle. 1) Der Versuch mit dem Grubenpulver wurde an einem Block von sehr hartem Kalkstein gemacht, welcher die Form eines geraden Prismas mit vierseitiger Basis von 45 Centimeter Dicke hatte. Ein Bohrloch von 30 Centimeter Tiefe wurde mit 130 Grammen Pulver geladen; als Besetzung wurde Mergelkalk angewandt. Die Ladung wurde auf gewöhnliche Weise angezündet; die mit Pulver gefüllte papierne Patrone brachte eine sehr starke Detonation hervor und es wurden Stücke auf eine sehr große Entfernung weggeschleudert. Der Block wurde nach zwei Richtungen in vier Hauptstücke gespalten. 2) Zu dem Versuch mit der Schießbaumwolle verwendete man einen Block von demselben Gefüge, demselben Härtegrad und derselben Dicke wie der vorhergehende. In ein Bohrloch von 30 Centimeter Tiefe brachte man 45 Gramme Schießbaumwolle, in mehreren Portionen, die mit dem Stampfer jedesmal schwach eingedrückt wurden; dieses Loch wurde mit zwei Keilen aus Holz verpfropft, zwischen welche man einen dritten eintrieb: dieses System von Keilen reichte so weit in das Loch hinab, daß ein leerer Raum von 8 Centimeter blieb. Ein Zündstrick aus Schießbaumwolle wurde in einer Auskehlung auf dem Umfang eines der Keile angebracht; nachdem das Loch so besetzt war, legte man auf den Block einen andern Block von 1200 bis 1300 Kilogr. Gewicht, um zu verhindern, daß der Pfropf direct herausgeschleudert werden konnte. Die Ladung wurde mittelst des Schießwollstricks angezündet. Das Geräusch der Explosion war sehr schwach und es wurde nichts von dem Stein weggeschleudert. Der Block war in zwei ziemlich gleiche Theile gespalten, welche neben einander liegen blieben, in Folge des Drucks des obern Blocks, welcher nicht aus seiner Lage gekommen war. Der Holzpfropf war jedoch verschwunden; man bemerkte keinen Rauch. 3) Dieser Versuch wurde mit einem Gestein von derselben Beschaffenheit wie das vorhergehende angestellt. Ein horizontales Loch von 54 Centimeter Tiefe wurde mit 33 Grammen Schießbaumwolle geladen; in die Baumwolle wurde eine Räumnadel gesteckt, ein Papierpfropf darauf gebracht und mit dem Stampfer schwach eingeschlagen. Der übrig gebliebene leere Raum wurde auf gewöhnliche Weise mit Mergelkalk beseht. Nach dem Zünden der Ladung erfolgte die Explosion mit sehr wenig Geräusch und ohne daß etwas weggeschleudert wurde. Die Gesteinbank über dem Loch, welche sich nach einer horizontalen Ebene gehoben und von dem untern Bett getrennt hatte, war in mehrere große Stücke zertheilt. 4) Ein horizontales Loch von 95 Centimeter Tiefe wurde an der Vorderseite einer Gesteinbank, welche nur auf zwei Seiten frei war, gemacht; es wurde mit 50 Grammen Schießbaumwolle gefüllt; besetzt und angezündet wurde wie beim vorhergehenden Versuch. Die Explosion erfolgte mit sehr wenig Geräusch und ohne alles Wegschleudern. Die Masse des Gesteins hob sich ein wenig, indem sie sich in große Stücke zertheilte; die Kalksteinbesetzung war nicht merklich vertrieben; die Wände der Kammer, welche die Schießwolle ausfüllte, waren etwas geschwärzt. Sachverständige schätzten die Menge Grubenpulver, welche erforderlich gewesen wäre um dieselbe Wirkung hervorzubringen, auf 250 Gramme. (Comptes rendus, Nov. 1846, Nr. 20.) Einfluß der Reibung auf trockene Schießwolle. In dieser Hinsicht haben die vielfachen Schieß- und Sprengversuche, welche wir damit anstellten, dargethan, daß die bei den erwähnten Operationen stattfindenden Frictionen niemals eine Explosion veranlassen. Nur wenn dieselben so heftiger Art sind, daß die dadurch auftretende Wärme-Entwickelung der Entzündungstemperatur gleichkommt, kann sich Schießwolle entstammen, was aber bekanntlich auch nach den sorgfältig angestellten Versuchen der Professoren Reich und Kersten (s. Jahrbuch für den Berg- und Hüttenmann, 1841, S. 115) bei gewöhnlichem Schießpulver der Fall ist. Mäßig starke Hammerschläge gegen auf einem Amboß liegende Schießwolle geführt, verursachen zwar einen Knall und eine Zerstäubung der Wolle, ohne daß aber diese sich entzündet. Reibt man Schießwolle mit gröblich zerstoßenem harten Natronglase in einem porzellanenen Mörser anhaltend und stark, so findet niemals eine Entzündung derselben statt. Schönbein und Böttger. (Augsb. Allgem. Ztg. vom 3. Jan. 1847.) Ueber die ballistischen Wirkungen der Schießbaumwolle. Hr. Piobert hat durch Versuche gefunden, daß wenn man eine Pulvermasse zu einer einzigen Kugel formt, die Langsamkeit der Verbrennung ein gewisses Gesetz in Bezug auf den Durchmesser der Kugel befolgt. Diese Verzögerung der Verbrennung, welche die Annäherung der Molecüle verursacht, brachte mich auf den Gedanken, den Einfluß der Annäherung der Fasern von Schießbaumwolle auf die Dauer ihrer Verbrennung in den Gewehren zu untersuchen. Ich benutzte zu diesen Versuchen mit der Säuremischung behandelte Baumwollengewebe von verschiedener Garndicke. Mein Ausgangspunkt war das ballistische Resultat von 5 Centigrammen gekrämpelter Baumwolle; ich lud mein Gewehr nacheinander mit einem gleichen Gewicht einer Art Scharpie aus den verschiedenen Geweben, wobei es sich sogleich unzweifelhaft herausstellte, daß diese Scharpie größere ballistische Wirkungen lieferte als bloß gekrämpelte Baumwolle. Die größere Wirkung war viel auffallender mit einem 65 Centimeter langen Carabinerlauf als mit einem 25 Centimeter langen Pistolenlauf, weil die ganze Verbrennungszeit der kleinen Masse Scharpie länger geworden war als die Zeit, welche die Kugel brauchte, um einen Lauf von 25 Centimeter Länge zu durchlaufen. Diese Anwendung einer gewissen Quantität Fäden vom Auszupfen eines Baumwollengewebes, zum Laden der Gewehre, ist eine große Erleichterung für die Schützen und Jäger. Da vom mechanischen Gespinnst bestimmte Längen ein gleiches Gewicht haben, so braucht man nur die Gewebe in solcher Länge abzuschneiden, daß eine gewisse Quantität ausgezupfter Fäden genau das Gewicht der zum Schießen erforderlichen Ladung ausmacht. Ein Streifen zusammengerollten groben Baumwollenzeugs enthält in einem sehr kleinen Volum das Material für eine große Anzahl von Schüssen; man zieht einen, zwei oder drei Fäden aus, je nachdem man mehr oder weniger stark laden will. Beim Präpariren der Baumwollengewebe ist es durchaus erforderlich, sie rasch in das Säuregemisch einzutauchen, weil eine heftige chemische Reaction entsteht, wenn dabei ein Theil derselben einige Augenblicke außerhalb der Flüssigkeit in Berührung mit der Luft bleibt. Seguier, (Comptes rendus, Decbr. 1846, Nr. 23.) Verminderung der Explosionskraft der Schießwolle. Der größte Uebelstand der Schießwolle scheint der zu seyn, daß sie ein zersprengendes Pulver ist; diesem dürfte jedoch abzuhelfen seyn. Wenn man nämlich die Schießbaumwolle mit gewöhnlicher Baumwolle krämpelt, so gibt sie ein Pulver, welches mit einer Langsamkeit abbrennt, worüber man bis auf einen gewissen Grad Herr ist, und die Brennbarkeit dieses Gemenges kann mit derjenigen des Stückpulvers verglichen werden. Weitere Versuche, die man in diesem Sinne anstellt, dürften bessere Resultate liefern als man mit Baumwolle zu erwarten hat, welche man mehr oder weniger lange mit Säuren von verschiedener Concentration tränkte. Pelouze. (Comptes rendus, Nov. 1846, Nr. 22.) Langsame Verbrennung der Schießbaumwolle. Eine merkwürdige Thatsache, welche bisher noch nirgends erwähnt wurde, ist, daß bei der Schießwolle zweierlei Verbrennungen zu unterscheiden sind: erstens die sehr lebhafte Verbrennung, welche allgemein bekannt ist und eine Explosion in Folge einer fast augenblicklichen Entzündung hervorbringt; es gibt aber auch noch eine andere, sehr langsame Verbrennung, wobei die Schießwolle bloß ohne Flamme zerfließt und welche durch eine schwache und locale Wärme hervorgebracht wird; die Entzündung ist außerordentlich langsam und erstreckt sich nur auf 0,6 bis 0,7 Meter in der Minute. Diese Verbrennung erlischt oft von selbst, besonders wenn die Baumwolle oder das Papier auf einem kalten Körper liegen und in länglichen Fasern ausgebreitet sind; man bewirkt die Entzündung mittelst einer rothglühenden Kohle, welche man den Enden der Substanz langsam nähert. Bei dieser Verbrennung entwickelt sich viel Wasserdampf und saure Gase, welche der Kohle gestatten auf gewöhnliche Weise zu verbrennen. Piobert. (Comptes rendus, Novbr. 1846, Nr. 22.) Zündhütchen mit Schießbaumwolle. Dumas hatte gefunden, daß sich die Zersetzungsproducte der Schießwolle mittelst des Apparats, welchen Gay-Lussac und Thenard vor 40 Jahren zur Analyse der organischen Substanzen anwandten, sehr leicht ermitteln lassen; erhitzt man die Verbrennungsröhre durch eine Weingeistlampe auf 160 bis 240° R., so verbrennen die Schießwolle-Kügelchen, welche man hineinfallen läßt, lebhaft und ohne die geringste Gefahr, wobei sie Wasserdampf, Kohlensäure und Kohlenoxydgas, eine große Menge Untersalpetersäure (salpetrige SäureTränkt man die Schießwolle mit einer Auflösung von Salpeter in Wasser und trocknet sie dann, so gibt sie weniger Untersalpetersäure, wonach es wahrscheinlich ist, daß man durch einige Zusätze diese nachtheilige Eigenschaft modificiren könnte.Dumas.) nebst Stickstoffoxyd liefern. „Wenn die Explosion der Schießwolle in den Gewehren oder im Zündkraut, sagt Dumas, solche gasförmige Producte gibt, so können die Waffen ihr nicht widerstehen, sondern müssen sich schnell oxydiren; es ist aber klar, daß die Detonation der Schießwolle ganz andere Producte liefern muß, wenn sie unter dem Druck der Kugel in einem engen Raum erfolgt, wo die brennbaren Gase und die Untersalpetersäure, welche stark erhitzt sind, auf einander einwirken können. Es könnte daher sehr wohl seyn, daß bei den Feuergewehren die Schießwolle die Nachtheile nicht hätte, welche man nach den sauren Producten ihrer Explosion an freier Luft vermuthen muß. Im Zündkraut aber scheint die Bildung der salpetrigen Säure unvermeidlich; ich vermuthe, daß die Gewehre nicht lange aushalten, sondern sich schnell oxydiren werden, wenn das Feuer ihrer Ladung durch das neue Zündkraut mitgetheilt wird.“ Dagegen bemerkt Pelouze: „Hr. Dumas nimmt also an, daß zwischen der Verbrennung der Schießwolle in dem Gewehrlauf und derjenigen, welche in einem Zündhütchen stattfindet, ein beträchtlicher Unterschied seyn kann: im ersten Falle können nämlich nach seiner Meinung gar keine salpetrigsauren Dämpfe vorhanden seyn, im zweiten Falle müssen sie sich aber stets bilden. Diese Meinung dürfte schwerlich gegründet seyn, denn ein Zündkraut muß in dem Augenblick, wo der Druck des Hahns auf den Zündkegel seine Verbrennung veranlaßt, in directer Communication mit der Ladung seyn, und wenn letztere also aus derselben Substanz wie die Zündmasse besteht, so ist nicht einzusehen, warum sie andere Producte als diese geben soll, da beide nur durch die feine Durchbohrung des Zündkegels von einander getrennt sind. Es ist daher höchst wahrscheinlich, daß die mehr oder weniger sauren Dämpfe, welche sich bei der Verbrennung der Schießwolle bilden, nicht nachtheiliger sind als das bei Anwendung von gewöhnlichem Pulver entstehende Schwefelkalium. Wenn man Schießwolle mit sehr wenig chlorsaurem Kali vermengt, so liefert sie eine eben so wirksame und detonirende Zündmasse als die mit knallsaurem Quecksilber und Salpeter bereitete; Versuche, welche von Zündhütchen-Fabrikanten und einem erfahrenen Büchsenmacher angestellt wurden, ergaben auch, daß die Schießwolle für den Zündkegel nicht nachtheiliger ist als ein Gemenge von knallsaurem Quecksilber und Salpeter.“ (Comptes rendus, Novbr. 1846, Nr. 22.) Unterscheidung der Schießbaumwolle von gewöhnlicher Baumwolle. Ein Mittel dazu ist die Anwendung des polarisirten Lichts unter dem Mikroskop; betrachtet man rohe Baumwolle in trockenem Zustande, so erscheinen alle Fäden, bei dunkelstem Licht, hell, mit den schönsten Farbenspielen, während die Fäden der Schießbaumwolle sehr wenig hell werden und keine oder nur sehr schwache Farben zeigen. Auf chemischem Wege lassen sie sich auch unterscheiden, wenn man beide mit Jod in Jodkali und Wasser gelöst befeuchtet, und nach einiger Zeit verdünnte Schwefelsäure (1 und 4 Wasser) hinzufügt. Die rohe Baumwolle wird blau, die Schießbaumwolle gelb. Doch bemerkt man auch bei dem besten Präparat immer einige, wenn auch nur wenige blaugewordene Fäden; sie scheinen der Einwirkung der Säuren entgangen zu seyn. Kindt. (Poggendorff's Annalen der Physik u. Chemie, 1847 Nr. 1.) Im Xyloidin sowie in der Schießbaumwolle zeigt nach Cottereau schwefelsaures Eisenoxydul das Vorhandenseyn einer Sauerstoff-Verbindung des Stickstoffs an; mit beiden bringt aber Brucin oder Morphin nicht die rothe Färbung hervor, welche durch Salpetersäure entsteht. (Comptes rendus, Dec. 1846, Nr. 26.) Eigenschaften des in Schwefeläther auflöslichen Bestandtheils der Schießbaumwolle. Die Schießwolle, sie mag bloß mit Salpetersäure oder mit einer Mischung von Salpetersäure und Schwefelsäure dargestellt werden, gibt zwei verschiedene Producte; das eine ist in rectificirtem Aether unauflöslich (Pyroxylin), das andere aber löst sich darin leicht auf (Aether zilin). Letztere stickstoffhaltige Baumwolle entsteht fast immer, wenn man zur Bereitung von Schießwolle ein Gemenge von 2 Gewichtstheilen Salpeter und 3 Theilen concentrirter Schwefelsäure anwendet, weil dabei mehr salpetrige Säure frei wird. Sie zerstießt schwach, indem sie einen geringen Rückstand hinterläßt; doch knallt sie durch den Stoß und verhält sich sehr gut in einer Pistole mit gepflasterter Kugel. Wenn man ihre Auflösung in Aether durch Baumwolle filtrirt und in einer Porzellanschale an freier Luft verdampfen läßt, so verhärtet sie im Verlauf eines Tages und trennt sich ungemein leicht von der Schale los. Stellt man hingegen die Schale auf einen heißen Körper, so hängt ihr das Häutchen vollkommen an und würde, wenn die Temperatur sich hinreichend erhöht, jedesmal explodiren. Durch die Wärme werden diese Häutchen außerordentlich elektrisch. Bringt man sie mit Feuer in Berührung, so verknallen sie ohne bemerklichen Rückstand. Wenn man ungeleimtes Papier mit dieser Auflösung tränkt, austrocknet, erwärmt und durch einen Schlag von Hand preßt, so wird es auch im höchsten Grade elektrisch; es nähert sich aus 5 Centimeter Entfernung schnell den Körpern, welche man ihm darbietet. Wenn man Papier gerade so wie die Baumwolle mit Schwefelsäure und Salpeter präparirt, mit Aether behandelt und unter einer Glocke trocknet, so wird es durchscheinend und erlangt fast die Festigkeit des Pergaments. Gaudin. (Comptes rendus. Dec. 1846, Nr. 24.) Anwendung der präparirten Baumwolle zum Isoliren elektrisirter Körper. E. Bowman behandelte (baumwollenes) Nähgarn mit der Säuremischung und hing von einem Messingstab zwei gleich elektrisirte Messingkugeln herab, die eine an weißer Seide, die andere an präparirter Baumwolle. Als er dann die Kugeln in kurzen Zeitintervallen mittelst eines empfindlichen Goldblatt-Elektrometers untersuchte, fand er, daß die mit präparirtem Baumwollgarn aufgehängte ihre Ladung beträchtlich länger zurückhielt als die andere; dieß beweist, daß die Baumwolle viel besser isolirt als die Seide, von der man bisher annahm, daß sie sich am besten zu diesem Zweck eigne. Die angewandte Säure war eine Mischung von gleichen Theilen Salpetersäure von 1,46 spec. Gewicht und Schwefelsäure von 1,83 spec. Gewicht, und die Baumwolle wurde beiläufig 5 Minuten lang eingetaucht; sie wurde auf diese Weise nicht sehr explosiv, denn sie mußte ziemlich stark erhitzt werden, um ihre Explosion zu verursachen, (Philosophical Magazine, Decbr. 1846, S. 500.) Ueber Gaudin's Bereitungsart der Schießwolle. Behandelt man vorher geröstete Baumwollenwatte nach Gaudin's MethodeS. 44 in diesem Bande des polytechn. Journals. mit dem syrupartigen Gemenge von concentrirter Schwefelsäure und salpetersaurem Kali, so erhält man in 12–15 Minuten ein außerordentlich knallendes Product, welches aber immer einen kohligen Rückstand hinterläßt, welcher auch nicht verschwindet, wenn man den Faserstoff längere Zeit in dem Gemenge läßt oder ihn vollständiger damit tränkt. In diesem unvollkommenen Zustande besitzt die Schießwolle eine hinreichende Triebkraft, wenn man ein beträchtliches Volum davon als Ladung anwendet. Man kann die Eigenschaften dieser Schießwolle, selbst wenn sie einen beträchtlichen kohligen Rückstand hinterläßt, sehr leicht dadurch verbessern, daß man sie nach dem Austrocknen in eine heiße sehr concentrirte Auflösung von chlorsaurem Kali 1–2 Minuten lang eintaucht. Wird dieses Product ausgetrocknet und dann gekrämpelt, so setzt sich das überschüssige Salz ab und kann neuerdings benutzt werden. Die so verbesserte Schießwolle läßt nur noch äußerst wenig Kohle zurück; sie entzündet sich sehr schnell und entwickelt dabei eine beträchtliche Hitze; als Ladung in Flinten angewandt, hinterläßt sie keinen Rückstand; wegen der hohen Temperatur, die sie entwickelt, verdichtet sich bei ihrer Verbrennung weniger Wasserdampf in den Läufen als bei Anwendung der gewöhnlichen Schießwolle; sie detonirt mit starkem Knall. Sie scheint die Gewehre nicht anzugreifen, obgleich sich bei ihrer Verbrennung saure Dämpfe bilden. Ein um die Hälfte geringeres Volum derselben liefert dasselbe ballistische Resultat wie die nicht mit chlorsaurem Kali getränkte Schießwolle, und in allen Fällen braucht dieses Volum nicht viel größer als das einer kleinen Nuß (0,6 bis 1 Gramm) zu seyn. Salmon. (Comptes rendus, Dec. 1846, Nr. 24.) Einfluß der Untersalpetersäure in der Säuremischung auf die Güte der Schießwolle. Ich habe vergleichsweise von derselben gereinigten Baumwolle eine Portion behandelt 1) mit einer Säuremischung, welche viel untersalpetersaure Dämpfe enthielt und 2) mit einer Mischung der beiden Säuren, welche vorher von Untersalpetersäure gereinigt worden waren. Erstere Mischung griff die Baumwollenfasern stärker an und gab ein nur schwach knallendes Product; die zweite Mischung hingegen erhöhte die explosiven Eigenschaften der Schießwolle und gab ein reichlicheres Product. Payen. (Comptes rendus, Dec. 1846, Nr. 24.) Einfluß der Reinheit der Baumwolle auf die explosiven Eigenschaften der Schießwolle. In der rohen oder bloß gekrämpelten Baumwolle sind die langen Röhren, welche die Haare der Baumwollenstaube bilden, mit einer Hülle überzogen, die mit einer stickstoffhaltigen Substanz imprägnirt ist. Wenn man einerseits mit roher Baumwolle und andererseits mit solcher Baumwolle, welche durch die bekannten Mittel in fast ganz reine Cellulose verwandelt worden ist, Schießwolle darstellt, so erhält man Producte, welche die explosive Eigenschaft in sehr verschiedenem Grade besitzen und bei denen der ungünstige Einfluß der stickstoffhaltigen Hülle deutlich hervortritt. So erforderte erstere Wolle, auf einem Quecksilberbad erhitzt, zu ihrer Entzündung eine Temperatur über 160° R., während letztere unter denselben Umständen schon bei 132° R. eine stärkere Explosion machte. Die explosive Eigenschaft des Schießpapiers ist im allgemeinen schwächer als die der Baumwolle, was großentheils der Dicke der Wände von den Röhren, welche die spinnbaren Flachs- und Leinfasern bilden, sowie der Zusammendrückung dieser Fasern beim Filzen der Papierbögen zuzuschreiben ist. Payen. (Comptes rendus, Dec. 1846, Nr. 24.) Temperatur, bei welcher die Schießwolle explodirt. Schießwolle, im Oelbade einer Temperatur von + 230° E. (184° R.) ausgesetzt, entzündet sich momentan bei 200° C. erst nach Verlauf von 12 Secunden   „  175° C.      „                  „ 30      „   „  150° C.      „                  „ 12 Minuten   „  130° C.      „                  „ niemals. Schönbein und Böttger. (Augsb. Allg. Ztg. vom 3. Jan. 1847.) Luftströme, welche mittelst Metallblech oder Mauerwerk erhitzt werden, entzünden die Schießbaumwolle, wenn auch ihre Temperatur durchschnittlich nicht über 20 bis 24° R. beträgt; man hat aber niemals beobachtet, daß beim rascheren Trocknen der Schießwolle bei einer Temperatur nahe 80° R. eine Entzündung stattgefunden hätte, wenn die Wärme den Metallflächen, welche die Temperatur der Luft und der Baumwolle erhöhen, durch Wasserdampf oder kochendes Wasser mitgetheilt wird. Eine Trockenstube mit einem Luftstrom, welcher durch Circulation von Wasser oder Dampf auf 24 oder 29° R. erhitzt wird, dürfte daher den Anforderungen der Sicherheit genügen. Payen. (Comptes rendus, Nov. 1846, Nr. 22.) Piobert bemerkt (a. a. O.), daß die Schießwolle bisweilen in Trockenvorrichtungen aus Kupfer explodirt hat, welche mittelst Wassers auf 60 bis 64° R. erhitzt wurden; da diese Trockenapparate eine Seitenthür und oben eine Oeffnung haben, so erneuert sich die Luft und es entsteht ein schwacher Strom, welcher hinreicht um die Entzündung zu veranlassen. Vorsichtsmaaßregeln, welche bei der Bereitung der Schießbaumwolle zu beobachten sind. Wenn man bei der Bereitung von Schießwolle die Salpetersäure oder die Mischung von Salpetersäure und Schwefelsäure auf die Baumwolle gießt, so erhöht sich bisweilen die Temperatur so sehr, daß sie die Entzündung der außerhalb der Flüssigkeit gebliebenen Fasern veranlaßt. Taucht man die Baumwolle in die Säure, ohne daß der Spiegel der letztern über die Wolle hinaufreicht, so zeigt sich bisweilen an einer Stelle eine besondere Reaction und entbindet röthliche Dämpfe; diese pflanzt sich dann rasch fort und veranlaßt ein Aufbrausen, welches die Flüssigkeit aus dem Gefäß hinausschleudern kann; endlich verliert die Baumwolle ihren Zusammenhang und bildet eine röthlichbraune Auflösung. Diese beiden Fälle sind um so mehr zu befürchten, wenn man mit beträchtlichen Massen arbeitet; man kann sie aber sicher vermeiden, indem man gleich anfangs die Baumwolle in der Flüssigkeit vollständig untertaucht, in welcher sie ohne Nachtheil über 48 Stunden bleiben kann. Payen. (Comptes rendus, Nov. 1846, Nr. 22.) Waschen und Trocknen der Schießbaumwolle. Man kann die Schießbaumwolle Stunden lang mit einer großen Menge Wasser kochen, ohne daß sie die geringste Veränderung erleidet. Dieses Kochen benimmt ihr nichts an ihrer Brennbarkeit. Dieß gestattet die Schießwolle auf eine leichte Weise, nämlich in hölzernen Kufen, in welche man Dampf einströmen läßt, vollends auszuwaschen und zu reinigen. Das Trocknen derselben, welches man anfangs für eine gefährliche und schwierige Operation hielt, kann bei gewöhnlicher Temperatur bewerkstelligt werden, indem man die Schießwolle zu wiederholtenmalen krämpelt, mit der einzigen Vorsichtsmaßregel die Luft zu erneuern. Pelouze. (Comptes rendus. Nov. 1846, Nr. 22.) Elementar-Analyse der Schießbaumwolle. Pettenkofer, welcher zuerst eine Elementar-Analyse der Schießwolle veröffentlichte, fand, daß das Massenverhältniß ihrer einzelnen Elemente in einem solchen Verhältniß untereinander stehe, daß sie sich bei ihrer Explosion nicht wie das Schießpulver zu den letzten Producten der Verbrennung zerlegen könne, daher auch im Verbrennungsrohr eine große Menge Kupferoxyd zu Kupfer reducirt wird. Dieses unerwartete Resultat hat sich vollkommen bestätigt, obgleich Pettenkofer den Stickstoffgehalt der Schießwolle zu gering angab; er hatte ihn bloß durch einen einzigen Versuch bestimmt, welcher zufällig mißlang. Bei der Wiederholung der Stickstoffbestimmung (bayer. Kunst- und Gewerbeblatt, Januarheft 1847) erhielt er nach der Methode von Will und Varrentrapp als Resultat 10,20 Proc. Stickstoff; da aber diese Methode streng genommen nicht auf Substanzen angewandt werden darf, welche die Elemente der Salpetersäure enthalten, weil man in diesem Falle nicht allen Stickstoff als Ammoniak erhält (was auch die Erfinder dieser Methode durch viele Versuche dargethan haben), so wurde die Stickstoffbestimmung überdieß nach der Methode von Dumas ausgeführt, wobei der Stickstoff gemessen wird und darnach 12,40 Proc. Stickstoff gefunden; Baumwolle, welche im Wasserbade getrocknet war, bis sie nicht mehr an Gewicht verlor, lieferte also im Mittel 26,03 C, 2,78 H, 11,30 N und 59,89 O. Peligot hat in den Comptes rendus, Dec. 1846, Nr. 23 eine Analyse der Schießwolle veröffentlicht; das Mittel aus drei Analysen ergab ihm, daß die Zusammensetzung der im Vacuum bei gewöhnlicher Temperatur ausgetrockneten Schießwolle der Formel C¹²H⁹O⁹, 3NO⁵ entspricht, wonach sie in 100 Theilen 22,8 Kohlenstoff, 2,8 Wasserstoff, 13,8 Stickstoff und 60,6 Sauerstoff enthielte; die Baumwolle (C¹²H¹ºO¹º) würde also bei ihrer Verwandlung in Schießwolle durch Behandlung mit Salpetersäure 1 Aeq. Wasser verlieren und 3 Aeq. Salpetersäure aufnehmen. Wenn Peligot's Analyse richtig wäre, müßte 1 Pfd. Baumwolle nahezu 2 Pfd. Schießwolle liefern, was bekanntlich nicht der Fall ist; übrigens hat Peligot ein Verfahren angewandt, wobei es sehr schwierig ist allen Kohlenstoff zu verbrennen und nicht einmal eine directe Stickstoffbestimmung gemacht. Nach den zahlreichen Analysen, welche Prof. Fehling von Schießwollen, die auf verschiedene Weise bereitet worden waren, gemacht hat (sie sind in der folgenden Abhandlung speciell mitgetheilt), kann man annehmen, daß ein gutes lufttrockenes technisches Präparat durchschnittlich eine der Formel C¹²H¹ºO¹º, 2NO⁵ entsprechende Zusammensetzung hat; auch geht aus Fehling's Analysen hervor, daß das technische Präparat von Schönbein und Böttger ebenfalls dieser Zusammensetzung entspricht. Schönbein und Böttger haben über die chemische Zusammensetzung der Schießwolle folgende Mittheilung der Oeffentlichkeit übergeben (Augsb. Allg. Zeitg. vom 3. Jan. 1847). Sie fanden, daß das beste Auflösungs- und Reinigungsmittel für explodirende Holzfaser überhaupt wie für Schießwolle insbesondere der Essigäther ist; mit Hülfe dieses Lösungsmittels lassen sich jene explosiven Stoffe sehr leicht in vollkommener Reinheit darstellen. Die Analyse ihrer bei + 100° C. im Wasserbade eine Stunde lang getrockneten Schießwolle lieferte folgendes Ergebniß: in 100 Th. wurden gefunden berechnet Kohlenstoff   27,43    28,1 Wasserstoff     3,54      3,1 Stickstoff   14,26    14,5 Sauerstoff   54,77    54,3. Seitdem hat auch Pelouze die mit Essigäther in chemisch reinem Zustande extrahirte Schießwolle analysirt (wir theilen seine Abhandlung im Folgenden mit); die Abweichungen seiner Resultate von den vorstehenden erklären sich aus dem Umstande, daß Pelouze sein Präparat bei einer Temperatur zwischen 40 und 45° C. austrocknete. E. D.