Titel: Ueber die Vertheilung des Zuckers und einiger anderen Bestandtheile in den Runkelrüben; von Payen.
Fundstelle: Band 105, Jahrgang 1847, Nr. LVI., S. 213
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LVI. Ueber die Vertheilung des Zuckers und einiger anderen Bestandtheile in den Runkelrüben; von Payen. Aus den Comptes rendus, Mai 1847, Nr. 22 und 23. Payen, über die Vertheilung des Zuckers in den Runkelrüben. Ich habe in einer früheren Abhandlung gezeigt, daß die in den Gefäßen der Runkelrübe aufsteigende Saftflüssigkeit für sich allein gewonnen und analysirt werden kann, und daß sich auf diese Art ihr sehr geringer Gehalt an Zuckerstoff direct nachweisen läßt. Später zeigte Hr. Decaisne in seiner organographischen Untersuchung dieser Wurzel, bei Prüfung der von Hrn. Raspail zur Entdeckung des Vorhandenseyns von Zucker vorgeschlagenen Reagentien (Albumin und Schwefelsäure), daß dieselben hinsichtlich der Runkelrübe in den meisten Fällen unzuverlässig sind; daß ferner seinen Angaben gemäß der größte Theil des Zuckers sich nicht in den Gefäßen vorfinden würde (wie Raspail meinte), sondern vielmehr in einem besondern, aus verschlossenen, cylindroidischen Zellen bestehenden Gewebe, welches die Gefäßbündel begleitet, sich vor diesen Bündeln schon bildet, und in den letzten Schichten des Zuwachses der Runkelrüben sogar ohne sie vorhanden ist. Hr. Decaisne bemerkt noch dazu, daß diese Schichten keinen Zucker enthalten könnten, wenn dieser Stoff nur in den Gefäßen enthalten wäre. Ich entschloß mich, die noch unentschiedene Frage über den Hauptsitz der Zuckersubstanz einer unmittelbaren Untersuchung zu unterziehen. Der Weg, welchen ich dabei einzuschlagen gedachte, war der, durch zweckmäßige Einschnitte das Zellgewebe von dem die Gefäßbündel umgebenden besondern Gewebe möglichst genau zu trennen und dann die Analyse jedes dieser Theile besonders vorzunehmen; endlich ihre Zusammensetzung zu vergleichen. Die Hauptschwierigkeit lag hier in der Anatomie, welche dem ganzen Verfahren zum Grunde lag. Um Ungenauigkeiten weniger ausgesetzt zu seyn, wählte ich zuerst eine Wurzel von der Varietät der Feldrunkelrübe, die gewöhnlich disette genannt wird. Diese Varietät zeichnet sich sich aus durch die große Menge ihres Rohproducts, das Volum der Wurzeln und ihren geringen Zuckergehalt; ihre concentrischen Zonen von zweierlei Geweben lassen oft sehr deutliche Abgränzungen wahrnehmen; die weißen faserigen Zonen nämlich bilden abwechselnd einen Kreis innerhalb des mit einem rothgefärbten Saft gefüllten Zellgewebes und einen Kreis um dieses Gewebe, welches breiter ist als bei den übrigen Varietäten. Diese eigenthümliche Organisation benützend, zerschnitt ich eine Wurzel unterhalb ihres Hauptes (collet) in zur Achse perpendiculären Scheiben; indem ich nun mit einer dünnen und scharfen Klinge die durch den Farbengegensatz hervortretenden Conturen verfolgte, erhielt ich die beiden Gewebe getrennt, wobei ich aber absichtlich die drei letzten Doppelschichten vernachlässigte, in welchen das Zellgewebe so schmal wird, daß die Gränzen zwischen den zweierlei Geweben undeutlich werden. In den vier der Achse nähern Doppelzonen verhielt sich das Gewicht der vereinigten weißen faserigen Theile zu den rothen Zellentheilen wie 100 zu 54. Die reichlicher vorhandene Fasersubstanz war auch reicher an trockener Substanz; sie enthielt deren 10 Proc., während der Zellenbestandtheil nur 8,63 hatte; die in Weingeist von 85 Volumsproc. auflöslichen Substanzen betrugen bei den trockenen Faserzonen 8,8 Proc., während sie bei den ebenfalls getrockneten Zellenzonen kaum 5,8 ausmachten; endlich betrug der in gereinigten Krystallen gewonnene Zucker bei den frischen Faserzonen 5,87 Procente, während er bei den normalen Zellenzonen nur 2,6 Gewichtstheile vom 100 erreichte. Addirt man die erhaltenen Quantitäten reinen Zuckers proportional dem Gewichte der beiden Zonen der Runkelrübe, so findet man, daß sie 4,27 auf 100 Theile der angewandten Wurzel betragen; sie würden um 0,67 mehr betragen, wenn man die äußern Schichten, welche 0,391 des Gesammtgewichts ausmachen, dazu rechnete, und so 5,39 Procente der ganzen Wurzel unterhalb des Hauptes erreichen. Bei Vergleichung der beiden Zonen, der faserigen und zelligen, die im Zuckergehalte so verschieden sind, war ferner zu bemerken, daß die in Weingeist von 85 Proc. auflösliche unkrystallisirbare Substanz in der Zellenzone, im Verhältniß zur ganzen aufgelösten Menge, 1 1/2 mal mehr betrug als in der Faserzone (indem erstere auf 5,8–3,71, letztere hingegen auf 8,81 nur 2,74 von dieser Substanz enthielt). Eben so verhielt es sich mit einer andern, gummiartigen, in Weingeist von 85 Proc. unauflöslichen, in Wasser löslichen Substanz; die durch Weingeist von 85 Proc. erschöpfte Zellenzone enthielt davon das Drittheil ihres Gewichts, während die ebenfalls erschöpfte Faserzone nicht einmal das Viertheil gab.Diese Substanz ist in verdünntem Weingeist auflöslich, wird durch überschüssiges Kalkwasser gefällt, trocknet zu durchscheinenden Blättern aus, gibt beim Glühen saure Dämpfe und eine aufgeblähte Kohle; Kali verwandelt sie nicht in Gallerte. Bei Erschöpfung endlich der beiden Gewebe durch Auswaschen mit Essigsäure, Ammoniak und Kali verlor das Fasergewebe etwas mehr eiweißartige Substanz und hinterließ dennoch mehr Zellensubstanz; im Ganzen enthielt die trockene Substanz der Zellenzonen 6 1/2 reines Pflanzengewebe in 1000 Theilen, während die trockene Substanz der Faserzonen sieben Tausendstel ihres Gewichts gereinigten Gewebes ergab. Hieraus ergibt sich, daß die Gesammtmenge der in der angewandten Runkelrübe (im Normalzustand derselben) enthaltenen trockenen Substanz weniger als 6,8 Zellensubstanz in 1000 Gewichtstheilen betrug.Unter dem Mikroskop zeigte diese Zellensubstanz Membranen und Elementarfäserchen von Zellen und einige Gefäßfetzchen; diese letztern wurden durch Jod gelb gefärbt, hierauf von Schwefelsäure angegriffen, aufgeschwellt, braun gefärbt und aufgelöst; sie enthielten sonach außer der Zellensubstanz eine stickstoffhaltige Materie, während die Zellentrümmer zuerst weiß blieben und, ihren Zusammenhang verlierend, intensiv violettblau gefärbt und dann aufgelöst wurden, mithin die Merkmale der reinen Zellensubstanz darboten. Vorstehende Resultate konnten über diese Runkelrübenvarietät (disette) keinen Zweifel übrig lassen. Es war nun zu untersuchen, ob ähnliche Verschiedenheiten auch in der Zusammensetzung der, die abwechselnden Zonen der eigentlichen Zuckerrübe bildenden, zweierlei Arten von Geweben obwalten. Die Versuche mit einer weißen Runkelrübe mit grünem Haupte (collet) ergaben Folgendes: 100 Theile der vier ersten concentrischen Doppelzonen um die Achse bestanden dem Gewichte nach aus: Faserzonen     71,01 Zellenzonen     28,99. Erstere gaben im 100: trockene Substanz     16,26 (davon 100 = 4,64 weißer Asche) Wasser     83,74. Letztere ergaben im 100: trockene Substanz     14,25 (deren 100 = 10,35 brauner Asche) Wasser     85,75. 100 Theile trockener Faserzonen gaben 82,17 Auflösliches an Weingeist von 85 Proc. ab; unauflöslich blieben 17,83 100 Theile trockener Zellenzonen gaben 72,58 Auflösliches an Weingeist von 85 Proc. ab; unauflöslich blieben 27,42 Die erschöpfte Substanz der Faserzonen enthielt   1,29 Stickstoff im 100, an Albumin entsprechend   8,385 Die erschöpfte Substanz der Zellenzonen enthielt 1,23 Stickstoff im 100, was an Albumin entspricht 7,995. Der Rückstand der Einäscherung war bei den erschöpften Faserzonen   6,12 Bei den erschöpften Zellenzonen 18,26 Aus 1,715 Gr. getrockneter Faserzonenwurden erhalten 1,310 Milligr. kryst. Zucker oder 76 Proc. Eben so viel Zellenzonen gaben nur 0,801    „         „   „ 46,6  „ Untersucht man, was jede Zone in 100 Theilen der normalen Runkelrüben an reinem Zucker liefert, so findet man: Faserzone   8,83 Zellenzone   1,92 –––––                        im Ganzen 10,75. Bei einer weißen Runkelrübe mit rosarothem Haupte ergaben die vergleichenden Versuche zwischen den Faserzonen und Zellenzonen Verschiedenheiten in demselben Sinne, obgleich der Gesammtgehalt an Zucker etwas größer war. So verhielten sich die Faserzonen zu den Zellenzonen wie 0,7066 zu 0,2934; und die trockene Substanz verhielt sich wie 0,1691 zu 1454.Die Faserzonen waren breiter, aber ihre Absonderung schwieriger und ohne Zweifel minder genau als bei den Runkelrüben mit grünem Haupte. Textabbildung Bd. 105, S. 216 Auflösung in Weingeist von 85 Proc.; Weingeist von 85 Proc.; Gesammtbetrag des Auflöslichen; Unauflösliche Substanz; 100 Theile Faserzonen gaben; 100 Theile Zellenzonen gaben Der krystallisirbare Zucker betrug: bei dem normalen faserigen Theil     13,1 Proc. bei den Zellenzonen nur       6,81  „ Da alle bisherigen Versuche mit den innern Theilen der Wurzel angestellt wurden, wo die Absonderung der concentrischen Zonen am wenigsten Schwierigkeit darbietet, so war das Verhältniß zwischen dem Gewichte dieser Theile und dem der mehr nach außen liegenden Zonen noch zu ermitteln. Vier den analysirten gleiche innere Doppelzonen wogen 62 Hundertel, und die vier äußersten Doppelzonen 38 Hundertel des ganzen Gewichts; bei den letztern sind die Gefäße bei weitem nicht so zahlreich als bei den mehr der Mitte zu liegenden Zonen, wie Hr. Decaisne bewiesen hat; die trockene Substanz beträgt mehr bei ihnen; sie enthielten davon 17,37 Proc., und die innern Zonen nur 15,82. Die Verschiedenheit im Zuckergehalt war ziemlich entsprechend; diese Verschiedenheiten dürften vielleicht den größeren Zuckergehalt erklären, welchen Hr. Peligot bei einigen Runkelrüben, die ihre Reife erlangt hatten, beobachtete; überdieß muß derselbe auch in dem Verhältniß variiren und größer seyn als Luft und Boden zur Zeit der Ernte weniger feucht sind. Ich behalte mir vor, zur Zeit der Reife der Runkelrüben diese Abweichungen zu untersuchen; auch werde ich mich zu überzeugen suchen, ob das Volum und die Mengenverhältnisse der Zonen mit cylindrischen Zellen ein Merkmal der bessern Varietäten in Bezug auf Zuckergewinnung abgeben und zu ihrer Erkennung dienen können. Aus vorstehenden analytischen Details geht hervor, daß Weingeist von 85 Proc. der ausgetrockneten Runkelrübe eine dem Zucker fremde Substanz entzieht, welche größtentheils auch in Weingeist von 89 Proc. auflöslich ist; es sind dieß die in meinen ersten Analysen angegebenen auflöslichen stickstoffhaltigen Körper; daß sie stickstoffhaltiger Natur sind, ergibt sich durch Vergleichung der in Weingeist von 85 Proc. unauflöslichen Theile mit der ganzen Runkelrübe; da letztere nämlich 1,11 Proc. Stickstoff ergab, so ist daraus zu ersehen, daß die 0,25 unauflöslicher Substanzen davon nur 0,32 repräsentiren würden; folglich enthalten die 0,75 auflöslichen davon 0,77 oder 1,026 Procent. Zieht man ferner den Zucker ab, welcher die 0,65 dieser auflöslichen Theile ausmacht, so findet man, daß die auflösliche stickstoffhaltige Substanz 2,93 Proc. Stickstoff enthält, folglich mit einer nichtstickstoffhaltigen Materie vermengt seyn muß. Uebrigens war es auch möglich, die Zusammensetzung des in Weingeist auflöslichen Theils direct zu bestimmen, was ich nicht verabsäumte. Die Analyse ergab auf 100 der ausgetrockneten Substanz 1,12 StickstoffUnd 6,81 anorganische Materie., was mit obigen Folgerungen übereinstimmt. Resultate. Aus den in dieser Abhandlung enthaltenen Thatsachen geht hervor: 1) daß der Zucker größtentheils in dem die Gefäßbündel begleitenden Gewebe abgesondert wird, welches specielle Gewebe aus von Hrn. Decaisne beschriebenen und abgebildeten engen cylindroidischen Zellen besteht; 2) daß die gummige Substanz aus dem mittelst Weingeists von 85 Proc. erschöpften Gewebe durch Wasser unmittelbar kalt ausgezogen werden kann; sie beträgt 0,25 bis 0,33 dieses Rückstandes;Die Substanz braucht nur durch Zerreiben in wasserfreiem Alkohol vollkommen zertheilt zu werden, um sie dann nach ihrer Erschöpfung mit Weingeist von 85 Proc. mit kaltem Wasser ausziehen zu können; übrigens reißt der Weingeist wahrscheinlich etwas von dieser Gummisubstanz mit. 3) daß die 0,66 stickstoffhaltiger Substanzen, welche die Elementar-Analyse repräsentirt, in dem Weingeist von 85 Proc. aufgelöst werden; daß folglich das Albumin nur das Drittheil sämmtlichen Stickstoffs repräsentirt; 4) daß das Gewebe der Faserzonen der verschiedenen Runkelrüben-Varietäten den größten Theil des in diesen Wurzeln secernirten Zuckers enthält, daher es auch weniger Wasser, Gummi, weniger auflösliche stickstoffhaltige Substanzen und weniger anorganische Substanzen (mit viel geringerm Gehalt an auflöslichen Salzen – 81,7 statt 99,1), dagegen etwas mehr unlösliche stickstoffhaltige Substanzen und etwas Zellensubstanz enthält. Sonach beweist die chemische Analyse, daß die physiologischen Functionen die Secernate von organischen Bestandtheilen und mineralischen Substanzen in den abwechselnden concentrischen Zonen der beiden organischen Gewebe in sehr verschiedenen Mengenverhältnissen anhäufen. Zusatz. Auf Hrn. Brongniart's Veranlassung untersuchte ich, ob auch das Jod durch seine Reaction die bei der Analyse gefundene Verschiedenheit in der Zusammensetzung der besondern Schichten von Geweben angibt. Ich stellte diesen Versuch auf die ganz einfache Weise an, daß ich eine (perpendiculär zur Achse der Wurzel geschnittene) dünne Scheibe in eine gesättigte Auflösung von Jod in Wasser tauchte. Bei Untersuchung dieser Scheibe in der Flüssigkeit mit bloßem Auge kann man folgende Merkmale aufstellen, welche diese Gewebe unterscheiden. 1) Das specielle Gewebe mit engen cylindrischen Zellen, welches am meisten Zucker und feste anorganische Substanzen enthält, bringt auf dem benachbarten Zellgewebe durch seine weißere, undurchsichtigere Nüance eine Zeichnung hervor; 2) das an Zucker arme, an Wasser aber, sowie stickstoffhaltiger Materie und auflöslichen Salzen um so reichere Zellgewebe contrastirt mit seiner orangegelben, durchscheinenden Nüance mit dem matten Weiß des vorerwähnten concentrischen Kreises, und so abwechselnd fort sticht eine Zone von bestimmter Zusammensetzung in ihrer Färbung von der andern ab; dieß findet in der Art statt, daß die Scheide der weißen Runkelrübe die Zeichen der zweierlei Gewebe eben so gut gibt, wie die Scheiben der Varietät disette mit abwechselnden weißen und rosenrothen Zonen. Man bemerkt außerdem noch die intensive orangegelbe Färbung der Gefäße in der Mitte der weißen Zonen, welche Färbung ein Zeichen ist von dem großen Stickstoffgehalt der Membranen dieser Gefäße in ihrer ganzen Dicke. Diese Erscheinung einer sehr dunkeln gelben Färbung zeigte endlich auch eine die ganze Wurzel umgebende dicke Schicht. Ich untersuchte diese peripherische Schicht mit dem Mikroskop und fand, daß sie aus 4–5 Reihen epidermischer Zellen gebildet wird, die alle aus Zellensubstanz bestehen, welche stark mit stickstoffhaltigen Substanzen beladen ist, die mit ihrer Färbung der Einwirkung der Schwefelsäure weit besser widerstehen als alle Membranen des darunter liegenden Zellgewebes; letztere verlieren zuallererst ihren Zusammenhang und entwickeln so unmittelbar und ohne Reinigung die intensive blauviolette Färbung – ein Attribut der reinen oder sehr wenig angefüllten Zellensubstanz. Wie man sieht, stimmt das constante Vorhandenseyn einer allgemeinen Hülle, die aus mit Kieselerde und stickstoffhaltiger Substanz injicirter Zellensubstanz besteht, mit einem der allgemeinen Gesetze überein, welche ich über die chemische Zusammensetzung der Gewächse aufstellte.Diese Epidermis beträgt im trockenen Zustande 0,0012 vom Gewicht der Runkelrübe, enthält 0,024 Stickstoff und gibt 0,225 Asche.