Titel: Ueber die chinesischen Zauberspiegel und ihre Verfertigung; von Stanis. Julien.
Fundstelle: Band 105, Jahrgang 1847, Nr. LXXIII., S. 285
Download: XML
LXXIII. Ueber die chinesischen Zauberspiegel und ihre Verfertigung; von Stanis. Julien. Aus den Comptes rendus, Jun. 1847, Nr. 23. Julien, über die Verfertigung der chinesischen Zauberspiegel. Die Bemühungen, über die Natur der in China sogenannten Zauberspiegel etwas Näheres zu erfahren, waren bisher erfolglos. Die Verfertigung derselben scheint, da ein Monopol mit denselben getrieben und sie 10–20mal theurer als andere Spiegel verkauft werden, geheim gehalten zu werden. Ein großer Spiegel dieser Art ist im Besitze des Hrn. Marquis La Grange, Mitglied der Akademie der Inschriften und schönen Wissenschaften.Dieser Spiegel, dessen Rückseite großentheils oxydirt ist, zeigt vier große Schriftzeichen flachliegend (d.h. nicht in Relief) und von besserm Metall als die übrige Scheibe, nämlich rechts das Wort Choang (zwei) und links das Wort Kin (Metall); unten das sehr complicirte Wort Cheou (lange Lebensdauer), das obere Wort ist durch eine Oxydschicht maskirt. Wahrscheinlich ist es das Wort Fou (Glück), welches immer als Wunsch mit dem Worte: lange Lebensdauer zusammen vorkömmt.In der Mitte des Spiegels befinden sich zwei Verticallinien, jede von fünf kleinen Schriftzeichen, deren Sinn ist (rechte Linie): vorzüglich wahres und reines Bild; (linke Linie): bei hellem Sonnenschein erzeugen sich die (vier großen) Schriftzeichen von selbst, d.h. sie kommen von selbst zum Vorschein und machen sich auf dem Bilde der polirten Scheibe deutlich los. In der Encyklopädie: Katschi-king-youen, Buch LVI, S. 6 u. ff. fand ich nun einen Artikel über die Theou-kouang-kien oder Spiegel, welche sich vom Lichte durchdringen lassen (ein von einem im Volk verbreiteten Irrthum herrührender Ausdruck). Es war über diese Metallspiegel schon mehreres geschrieben worden, aber bis zur Zeit der mongolischen Kaiser war kein Schriftsteller im Stande nähere Aufschlüsse über diese Erscheinung zu geben, wo dann zuerst der unter dieser Dynastie (zwischen 1260 und 1341) lebende Ou-tseu-hing sich dieses Verdienst erwarb. Er sagt darüber folgendes: „Bringt man einen solchen Spiegel der Sonne gegenüber und läßt das Bild seiner Scheibe auf eine sehr nahe Mauer reflectiren, so sieht man auf dieser die auf seiner Rückseite in Relief befindlichen Verzierungen, Blumen oder Schriftzeichen deutlich erscheinen. Folgendes ist die Ursache dieser von der gesonderten Anwendung von feinem und grobem Kupfer herrührenden Erscheinung. Hat man auf der Rückseite des Spiegels beim Gießen desselben in eine Form einen Drachen in Kreisform hervorgebracht, so gräbt (gravirt) man einen vollkommen ähnlichen Drachen tief in die Vorderseite der Scheibe ein. Hierauf füllt man mit etwas grobem Kupfer die tiefen Einschnitte der gravirten Arbeit aus und verleibt dieses Metall dem ersten ein, welches von reinerer Qualität seyn muß, indem man den Spiegel dem Feuer aussetzt, und verbreitet dann darüber eine dünne Blei-(Zinn-?) Schicht.“ „Wendet man die polirte Scheibe eines so präparirten Spiegels gegen die Sonne und läßt sein Bild auf eine Mauer reflectiren, so zeigt dieses deutlich helle und dunkle Töne, deren erstere von den reinsten, die andere von den gröbsten Antheilen des Kupfers herrühren.“ Ou-tseu-hing, welchem wir vorstehende Beschreibung verdanken, erzählt, daß er einen Spiegel dieser Art in kleine Stücke habe zerbrechen sehen und sich von der Richtigkeit seiner Beschreibung selbst überzeugt habe. Bemerkungen des Hrn. Séguier. Wenn wir uns umsehen, ob unsere Industrie nichts Aehnliches mit dem besitzt, was die Chinesen auf oben beschriebene Weise durch Anwendung des Metalls in verschiedenen Stufen der Legirung erhalten, so finden wir, daß bei der Verfertigung der Cylinder zum Zeugdruck oft der Fall eintritt, daß die Spur der mit der Punzir- oder Schlagmaschine eingeschlagenen Dessins noch da ist, wenn der Cylinder in seinem Durchmesser schon verkleinert wurde, indem man die Peripherie desselben gleichmäßig abdrehte, um die Vertiefungen des Dessins verschwinden zu machen. Eine ähnliche Wirkung läßt sich auch wahrnehmen, wenn man das Relief einer Münze oder Medaille wegschlägt und das Metall polirt. Die unter den verschiedenen Theilen, welche während des Schlagens einen verschiedenartigen Druck erfuhren, bestehende Verschiedenheit der Dichtigkeiten läßt die Umrisse eines nicht mehr vorhandenen Reliefs ganz deutlich wahrnehmen. Dieselbe Wirkung tritt auch beim Formenpressen selbst des Holzes auf. Diese Eigenschaft der Materie, dem Auge nach den in Folge eines theilweisen Drucks entstehenden Molecular-Veränderungen einen verschiedenen Anblick darzubieten, rief einen Industriezweig hervor, der darin besteht, einfarbige Hölzer in moirirte und gefleckte Hölzer bloß dadurch zu verwandeln, daß man sie theilweisen Compressionen unterzieht. Allein zwischen diesen industriellen Operationen und den von den Chinesen hervorgebrachten merkwürdigen Wirkungen bleibt noch immer der ganze Unterschied eines jederzeit sichtbaren Bildes und einer Zeichnung, die nur mittelst reflectirter Strahlen zum Vorschein kömmt, ohne daß sie auch nur während ihrer Reflexion auf dem Spiegel selbst gesehen werden könnte. – Durch Versuche, welche nach dem von Hrn. Julien übersetzten Verfahren angestellt werden, muß sich erst zeigen, ob dieses Blendwerk nicht auf einer dünnen Schicht von Verzinnung beruht, mit welcher die Chinesen die auf der Oberfläche ihrer sogenannten „Zauberspiegel“ vorgenommene Metallarbeit, vielleicht nur in der Absicht überziehen, um dem Auge die Zeichnungen zu verbergen, welche dann die Sonnenstrahlen durch die Verschiedenheit der Reflexion allein zum Vorschein kommen lassen. Person's Erklärung der Wirkung der chinesischen Zauberspiegel. Hr. Person machte mit einem solchen Spiegel die Beobachtung, daß die auf der Rückseite befindlichen Figuren dadurch in dem an der Sonne reflectirten Bild sichtbar werden, daß die reflectirende Oberfläche den Figuren gegenüber plan, dem Uebrigen gegenüber aber convex ist. Die auf den convexen Stellen reflectirten Strahlen divergiren und geben nur ein geschwächtes Bild; die auf den Planflächen reflectirten hingegen behalten ihren Parallelismus und geben ein Bild, dessen Intensität gegen das Uebrige absticht. – Ueberzeugt hat sich Hr. P. von dieser abweichenden Beschaffenheit der Oberfläche durch Darüberlegen eines Papiers, in welchem sich ein etwa 1 Centimeter großes Loch befand; entsprach dasselbe einer Reliefstelle der Rückseite, so blieb der reflectirte Strahlenbüschel enggeschlossen; im andern Falle erhielt man ein auseinandergehendes Bild, welches mit dem Zunehmen der Entfernung schnell geschwächt wurde. Hievon kann man sich überzeugen durch Auflöthen eines schmalen Streifens Weißblech auf die Rückseite einer beinahe planen polirten Daguerreotyp-Platte; setzt man dieselbe der Sonne aus, so ist anfangs von der Verdickung oder dem Relief auf der hintern Seite nichts zu merken; sobald man sie aber noch so wenig krumm biegt, so zeigt sich im Bilde eine Lichtlinie und leicht kann man sich überzeugen, daß diese dem hinten angelötheten Streifen entspricht, welcher sich durch seine Dicke an gewissen Stellen der Oberfläche dem Krummbiegen widersetzt. – Es versteht sich, daß diese Erklärung nur dann anwendbar ist, wenn die Spiegel nicht ganz Plan sind, was bei dem mir zu Gebote stehenden, dem Marine-Officier Pion angehörigen, der Fall war. (Comptes rendus, Jun. 1847, Nr. 25.)