Titel: Ueber das farbige Glas, welches zur Beglasung des neuen Treibhauses für Palmbäume im königl. botanischen Garten zu Kew (in England) angewandt wurde.
Fundstelle: Band 106, Jahrgang 1847, Nr. LXIII., S. 307
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LXIII. Ueber das farbige Glas, welches zur Beglasung des neuen Treibhauses für Palmbäume im königl. botanischen Garten zu Kew (in England) angewandt wurde. Aus dem Agriculteur praticien, Sept. 1847, S. 367. Ueber ein farbiges Glas für Treibhäuser. Man beobachtete schon lange Zeit, daß die in Treibhäusern gezogenen Pflanzen sehr oft unter dem austrocknenden Einfluß der Sonnenstrahlen leiden und man machte in botanischen Gärten und Treibhäusern oft sehr große Ausgaben für Rollvorhänge (Rouleaux), um diesem zerstörenden Einfluß der Wärme zu begegnen. Die großen Dimensionen des neuen Treibhauses für Palmengewächse zu Kew aber machen die Anwendung irgend einer Art solcher Rouleaux beinahe unausführbar, denn dieses Gebäude hat 109 Meter Länge, 80 Meter Breite und 19 Meter Höhe. Es waren daher Versuche wünschenswerth, ob diesem Uebelstande nicht durch ein farbiges Glas abgeholfen werden könne, unbeschadet des hübschen Ansehens und der Durchsichtigkeit; dieselben wurden dem mit diesem Gegenstand sehr vertrauten Hrn. Hunt übertragen. Es handelte sich um die Wahl eines Glases, welches sich dem Durchgang der Wärmestrahlen widersetzt, die beim Austrocknen der Pflanzenblätter die Hauptrolle spielen, und er überzeugte sich durch eine Reihe, mit dem gefärbten Saft der Palmbäume selbst angestellter Versuche alsbald, daß die Strahlen welche seine Farbe zerstören, jenen angehören, die am Ende des prismatischen Spectrums genau außerhalb der Gränzen des sichtbaren rothen Strahls liegen, und am meisten erwärmen. Eine Menge, auf verschiedene Weise angefertigter Glasproben wurde probirt und es ergab sich, daß das grün gefärbte Glas den beabsichtigten Zweck am besten zu erfüllen schien. Einige grüne Gläser ließen beinahe gar keine Wärmestrahlen durch; das war noch nicht alles, was man wünschte, und außerdem hatte die zu dunkle Färbung dieser Gläser auch den Nachtheil daß sie eine bedeutende Menge Lichts am Durchgang hinderten, welches für die Gesundheit und den Wachsthum der Pflanzen unentbehrlich ist. Viele Glasproben wurden von den HHrn. Chance in Birmingham besonders zu diesem Zweck angefertigt. Mit jeder Glasprobe wurden drei Reihen von Versuchen angestellt: 1) um sich durch directe Messung der gefärbten Strahlen des Spectrums von seiner Durchsichtigkeit hinsichtlich des Lichteinflusses zu überzeugen; 2) um den Widerstand, welchen es den chemischen Strahlen entgegensetzt, in Graden kennen zu lernen; 3) um das Verhältniß der durchstrahlenden Wärme zu messen. Die chemischen Veränderungen wurden mittelst Chlorsilbers und durch Papiere ermittelt, welche mit dem grünen Farbstoff der Palmblätter selbst bedruckt waren. Der Einfluß der Wärmestrahlen wurde durch ein von John Herschel in seiner Abhandlung über die Sonnenstrahlung angegebenes Verfahren gemessen. Es besteht darin, daß man ungeleimtes Papier auf einen Rahmen spannt und auf einer Seite über einer rauchenden Flamme einraucht, dann in dem Augenblick wo man das Sonnenspectrum auf die eingerauchte Oberfläche fallen läßt, die andere Seite mit rectificirtem Schwefeläther befeuchtet. Bei der Verdampfung dieses letztern werden die Punkte sehr leicht erkannt, auf welche die Wärmestrahlen einwirkten, indem hier der Aether viel schneller verdampft und beim Verdampfen sehr deutlich trockene Kreise zurückläßt, ehe die andern Stellen nur einen Schein von Trocknung zeigen. Auf diese Weise konnte die Durchdringlichkeit des Glases für Licht-, Wärme- und chemisch wirkende Strahlen genau ermittelt werden. Das so ausgewählte Glas ist von sehr blaß gelblichgrüner Farbe, die ihm durch Kupferoxyd ertheilt wird; es ist so durchsichtig, daß es kaum eine merkliche Menge Lichts auffängt. Läßt man durch dasselbe die Strahlen des Spectrums dringen, so findet man daß der gelbe Strahl etwas an Intensität verloren hat, und daß die Größe des rothen Strahls dabei leidet, weil vom untern Rand desselben etwas durch dasselbe abgeschnitten wird. Auf das chemische Princip scheint es gar nicht zu wirken, denn das Spectrum wirkt auf das Chlorsilber in jeder Hinsicht gerade so wie die durch das gewöhnliche weiße Glas gegangenen Strahlen. Dessenungeachtet Besitzt dieses Glas eine sehr merkwürdige Einwirkung auf die nicht leuchtenden oder wenigst brechbaren Wärmestrahlen; es widersetzt sich dem Durchgang aller jener Wärmestrahlen, welche sich unter und auf dem von mehreren Physikern als das Maximum der Erwärmung bestimmten Punkt befinden; und da es diese Classe von Strahlen ist, welchen der fragliche austrocknende Einfluß zuzuschreiben ist, so ist aller Grund zu dem Schlusse vorhanden, daß die Anwendung dieses Glases für die Beschützung der Pflanzen vortheilhaft ist; andererseits ist hinsichtlich der Farbe nichts gegen dasselbe einzuwenden; es läßt den Lichtstoff hindurch, welcher zur Entwickelung der Pflanzentheile nothwendig ist, die von der äußern chemischen Erregung abhängen; den Wärmestrahlen ist es zum Theil durchgänglich, bleibt aber nur für die schädlichsten undurchgänglich. Vorzüglich ist darauf zu sehen, daß der Braunstein, welcher zum Scheibenglas gewöhnlich angewandt wird, hier nicht in Anwendung kommt, weil das manganhaltige Glas, wenn es einige Zeit lang intensivem Sonnenlicht ausgesetzt war, eine nelkenrothe Farbe annimmt und weil jede analoge derartige Farbe die besondern Eigenschaften, wegen welcher man eben dieses Glas wählte, völlig aufhebt. Hr. Melloni fand bei seinen Versuchen über strahlende Wärme, daß ein, in Italien verfertigtes, eigenthümliches grünes Glas beinahe sämmtliche Wärmestrahlen aufhalte; daraus ist zu schließen, daß das in England gewählte Glas fast identisch mit solchem ist. Die Farbe dieses Glases ist von der des alten Crown-Glases nicht merklich verschieden, und mehrere praktische Gärtner haben beobachtet daß ihre Pflanzen unter solchem Glas besser gedeihen, als unter dem gewöhnlichen weißen Scheibenglas, dessen man sich heutzutage beinahe ausschließlich bedient.