Titel: Ueber die Verfahrungsweisen der HH. Polinelly und Cassagnade Marmor und Steine zu reinigen; Bericht von Gourlier.
Fundstelle: Band 107, Jahrgang 1848, Nr. CIX., S. 451
Download: XML
CIX. Ueber die Verfahrungsweisen der HH. Polinelly und Cassagnade Marmor und Steine zu reinigen; Bericht von Gourlier. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Nov. 1847, S. 638. Gourlier, über Verfahrungsweisen Marmor und Steine zu reinigen Der Société d'Encouragement wurden Notizen über die neuesten Methoden Marmor und andere Steine zu reinigen übergeben; es sind diejenigen 1) von Hrn. Polinelly welcher den Zweck mittelst eines feinen Pulvers erreicht, das er aus Italien bezieht; 2) von Hrn. Cassagnade (rue Vanneau No. 11, Fauburg Saint-Germain in Paris) welcher ein von ihm erfundenes Wasser benutzt; beide Verfahren beabsichtigen, daß jedes Abkratzen vermieden werde und den geputzten Körpern nicht der geringste Schaden zugehe. Hr. Cassagnade empfiehlt sein Verfahren auch zum Reinigen der Gemälde ohne daß sie Schaden leiden. Die aus den vereinigten Comités für chemische und ökonomische Künste bestehende Commission, welche mit der Prüfung dieser Methoden beauftragt wurde, glaubte vor allem der vielleicht zu wenig bekannten Untersuchungen erwähnen zu müssen, die über diesen Gegenstand schon früher angestellt wurden. Am Thermidor VII (August 1799) legte der damalige Minister des Innern (Francois de Neufchateau) dem Institut folgende Frage vor: „Durch welche Mittel sind die Uebelstände zu vermeiden, welche die Anwendung der schwarzen SeifeWir müssen hier bemerken, daß weder die schwarze, noch überhaupt eine Seife an und für sich auf Steine und Marmor schädlich einwirken kann, es sey denn, daß Theilchen derselben sich in den Höhlungen (Vertiefungen) der Steine einsetzen, welche dann mit der Zeit Flecken verursachen könnten. oder anderer ätzenden Verbindungen verursacht, deren man sich bisher zur Reinigung von Marmorstatuen bediente?“ Mit der Beantwortung dieser Frage wurde damals eine Kommission beauftragt, welche aus zwei Mitgliedern aus der Classe der physikalischen und mathematischen Wissenschaften (Chaptal und Vauquelin) und der ganzen Abtheilung für Sculptur (Dejoux, Houdon, Julien, Pajou und Roland) zusammengesetzt war; nach einem Jahr übergab diese Commission einen Bericht, woraus wir hier das Wesentliche mittheilen. „Die Commission stellte zuvörderst den Satz auf, daß die im Freien befindlichen Marmore und Steine, welche abwechselnd der feuchten Luft und der Sonnenhitze ausgesetzt sind, abgesehen vom Staub (welchen bloßes Abwaschen beseitigt), durch kleine Vegetationen, Flechten, verunreinigt werden, welche sich in den Fugen und Poren dieser Körper ansetzen; daß letztere auf Stein sich in größerer Anzahl bilden und ihm stärker anhaften als dem Marmor, welcher feinkörniger ist und eine glattere Oberfläche hat; daher rühre die mehr oder weniger starke Zerstörung dieser Oberflächen, zuweilen auch Zerklüftung der Blöcke selbst, und überhaupt die Veränderung der Farbe und des Ansehens. Die Commission prüft hierauf die fast immer unzulänglichen oder gefährlichen Verfahrungsweisen, deren man sich zur Bekämpfung dieser Uebelstände gewöhnlich bediente. Die einen sind chemische, wie die Anwendung von Seifen, verdünnter Säuren (Scheidewassers), Kalkwassers, Salzlösungen etc.; sie ertheilen dem Stein und Marmor allerdings ihre natürliche Weiße wieder und zerstören die Vegetationen, zugleich lösen sie aber auch die Oberfläche derselben mehr oder weniger auf, so daß sie ein verwittertes Ansehen erhält und schaden somit den Formen und der Politur. Die andern Mittel sind mechanische und bestehen im Scheuern mit feinem Sand, Kreide oder feuchtem Thon; sie machen ebenfalls weiß, benehmen aber auch die Glätte und benachtheiligen die Formen und Oberflächen. Dann auf die Mittel übergehend, dem schon vorhandenen Verderbnisse abzuhelfen, oder einem solchen vorzubeugen, macht die Commission zuvörderst darauf aufmerksam, daß die Flechten sich in der Regel in regnerischen Jahreszeiten, im Herbst und im Frühjahr, nur sehr selten im Sommer, entwickeln; daß sie bei großer Hitze austrocknen und zerreiblich werden, so daß nur schwarze Spuren zurückbleiben, die man dann durch bloßes Abwaschen mittelst Pinseln, Bürsten und Schwämmen leicht entfernen kann. Die Steine behalten dann einen schwach bräunlichen Ton; soll aber dem Marmor seine ganze Weiße wieder ertheilt werden, so empfiehlt die Commission hiezu die Anwendung von Chlorkali (Javellischer Lauge) mittelst eines Pinsels, worauf aber, sobald der Flecken verschwunden ist, zu wiederholtenmalen und mehrere Tage fort viel Wasser über den Stein gegossen werden muß, damit nichts von der Lauge zurückbleibt. Als Schutzmittel endlich empfiehlt die Commission auf der Oberfläche des Marmors, nachdem sie in einem Trockenraum oder mittelst der Gluthpfanne, oder durch bloße Sonnenhitze gehörig erwärmt wurde, mit weißem Wachs herumzufahren, welches schmelzend in alle Poren eindringt, und dann die Oberfläche mit erwärmten, weichen Linnen in der Art zu reiben, daß aller überflüssige Ueberzug entfernt, ein vollkommener Glanz erzielt und jede Vegetation unterdrückt, sowie das Eindringen von Feuchtigkeit und Wasser in die Poren und folglich deren Beschädigung durch Frost unmöglich gemacht wird. So behandelte Büsten wurden den ganzen Sommer des Jahres VIII hindurch auf ein durch Bäume beschattetes Dach gestellt, wo dann bloße Waschungen hinreichten, um die mit Wachs überzogenen Oberflächen, welche wenig von ihrem Glanz verloren hatten, zu reinigen, während die nicht gewichsten Büsten stark mit Flechten bedeckt waren. Wie es scheint, fetzte die Commission hinzu, bedienten sich die Alten eines ähnlichen encaustischen Ueberzugs, welcher nach Abbé Requeno aus Wachs, Erdharz und Marmorstaub bestand, und wahrscheinlich ist dieser Zubereitung die Erhaltung der uns von ihnen überkommenen Meisterwerke zu verdanken. Dieser Ansicht traten seitdem noch andere competente Autoritäten bei, wie Quatremère de Quincy (in seinem Jupiter Olympien) und de Clarac (in seinem Musée de Sculpture), die sich dabei auf die Bemerkungen von Plinius über dieses Verfahren (welches er circumlitio nennt) stützten.“ Vorstehendem vom Institut angenommenen Bericht scheint übrigens nicht die geringste Folge gegeben und derselbe wenig bekannt geworden zu seyn. Chevallier erwähnt von demselben in seiner „Abhandlung über die Mittel die Mauern der Gebäude und die Statuen zu erhalten“ (polytechnisches Journal, 1830, Band XXXVI Seite 381) nicht das Geringste; dagegen bezeichnet er, wie früher schon d'Arcet (Annales de Chimie, 1812), mehrere Species kleiner Spinnen als die Hauptursache der Beschmutzung, welche die Façaden der Häuser schwärzt, nämlich in Folge ihrer Gewebe und Nester und des Staubs und anderer Substanzen, die sich darin ansammeln, der Feuchtigkeit, die sie verursachen und der Vegetationen, die sie bald zur Folge haben. Unter den Mitteln dagegen erinnert er zuerst an die im J. 1775 an drei Säulen des Hofes im Louvre aufgetragene Bachelier'sche Tünche (badigeon), deren guter Erfolg, nach einem Bericht Guyton de Morveau's, sich im Jahr 1808 noch zeigte, und deren bis dahin geheimgehaltene Zusammensetzung dann von Chevallier der Akademie mitgetheilt wurde. Er erinnert ferner an die fruchtlosen Versuche des Abwaschens mit verdünnter Phosphorsäure, mit phosphorsaurem Kalk, Bleioxyd oder Talkerde, welche in einem Ueberschuß von Phosphorsäure aufgelöst sind, oder mit einer Schicht schwefelsauren Baryts, oder endlich mit einer verdünnten Auflösung von Oralsäure und Weinsteinsäure. Er spricht sich gegen jede Art des Abkratzens oder Schadens aus. Seine Versuche führten ihn zu dem Schlüsse, daß sowohl mittelst trocknen Bürstens, als durch Waschen mit reinem Wasser mittelst Bürste und Schwamms, wenn nur die Mauern nicht feucht waren, beinahe immer die schwarze Schicht entfernt werden kann. Für diesen Fall empfiehlt er, wenn der Stein seine frühere Weiße wieder erhalten soll, ein zweites Abwaschen mit sehr verdünnter Salzsäure (1 Loth Säure auf 1 Pfund Wasser), worauf noch einmal mit großen Wassermassen abgewaschen wird. Er macht auf die Unzweckmäßigkeit der Anwendung von mit Schwefelsäure angesäuertem Wasser bei Stein aufmerksam und auf die Zweckmäßigkeit desselben bei Gyps, der jedoch nachher stets mit vielem Wasser abgewaschen werden muß. Für nicht polirten Marmor empfiehlt Hr. Chevallier, außer einem ersten Abwaschen und Bürsten mit reinem Wasser, welches in vielen Fällen ausreicht, ein nochmaliges Abwaschen mit Wasser, welchem auf das Pfund 1 Loth Aetzkali zugesetzt wurde, was aber nur dann nothwendig ist, wenn der Marmor mit einer fetten Substanz überzogen ist; dann ein drittes Abwaschen mit Wasser, welchem auf das Pfund 1/2 Loth Salzsäure zugesetzt wurde; endlich jedesmal ein letztes Abwaschen mit vielem Wasser. Diese Verfahrungsweisen wurden bei Privathäusern, an einigen Theilen des Palais-Royal, bei mehreren Statuen etc. mit gutem Erfolg angewandt, und auf einen Bericht der HH. Chaptal und Thenard von der Akademie der Wissenschaften approbirt. Durch diese verschiedenen Arbeiten war ein sehr gutes System zur Reinigung der Häuser, Monumente, Statuen etc. eingeleitet, und man kann nur bedauern daß es nicht allgemeinern Eingang fand und daß man namentlich bei einigen wichtigen Gebäuden fortfuhr abzukratzen und auf ganz neuen Grund zu verwerfen, was eine viel längere, also auch viel kostspieligere Arbeit erheischt; daß man so die conservirende Schicht, welche sich mit der Zeit auf der Oberfläche der Steine (namentlich unserer weichen Steine) bildet, entfernte und die ursprünglichen architektonischen Formen und Details verkleinerte und veränderte, und dadurch den Gebäuden ein neues Ansehen gab, anstatt des wärmern und angenehmem, welches sie ebenfalls erst durch die Zeit erhalten, das überdieß mit ihrem Alter in Einklang steht und ihnen durch bloßes sorgfältiges und umsichtiges Putzen erhalten werden kann und soll. Wir kommen nun zur Prüfung der gegenwärtig vorliegenden Reinigungsmittel. Da beide nicht patentirt sind, so wird ihre Zusammensetzung von ihren Besitzern geheim gehalten, doch haben dieselben uns in den Stand gesetzt, die nothwendigen Aufschlüsse darüber zu geben. Hr. Polinelly läßt sein Pulver, wie schon gesagt, aus Italien kommen. Es ist licht rosenroth, beinahe unfühlbar und wir können versichern, daß es chemisch auf die Oberflächen sowohl des Marmors als der Steine nicht den geringsten Einfluß ausüben kann. Man bedient sich desselben mit Zusatz von gemeiner Seife zum Waschen und Bürsten. Wir haben es bei Marmor, hartem und weichem Stein versucht. Mit den beiden ersten schien es das befriedigendste Resultat, ohne alle nachtheiligen Folgen, zu geben. Starke Schichten Staubs, alte mit Feuchtigkeit erfüllte Vegetationen wurden vollkommen entfernt, so daß die Oberflächen ihren ursprünglichen Zustand wieder erhielten, ohne an Schnitt oder Sculptur eine Veränderung zu erleiden. Zu dem weichen Stein jedoch verhielt es sich leider anders; allerdings reinigt das Pulver die Oberfläche desselben ebenso gut, aber in Folge der starken Reibung leiden der ursprüngliche Schnitt und die Details der Bildhauerei, folglich auch das ursprüngliche Ansehen des Gebäudes oder Monumentes dabei Schaden. Das Polinelly'sche Verfahren kann daher für Marmor und harte Steine recht gute Anwendung finden, ist aber bei weichen Steinen zu vermeiden. Die Flüssigkeit des Hrn. Cassagnade enthält, wie sich leicht erkennen läßt, Säuren; doch scheinen dieselben sich darin zweckmäßig vermischt und gemildert zu befinden und folglich den oben ausgesprochenen Bedingungen zu genügen. Sie kann daher ohne Nachtheil zum Reinigen von Monumenten etc. angewandt werden, vorausgesetzt jedoch, daß man den Gegenstand stets mit vielem Wasser abwascht, sowohl vor als nach ihrer Anwendung. Die Versuche, welche Hr. Cassagnade vor einem Mitglied der Kommission anstellte, gingen schnell und befriedigend vor sich. Da die Flüssigkeit auf weichen Stein stärker einwirkt, so erheischt sie weniger Reibung und verdirbt die Details weniger; doch könnten wir nicht dafür stehen, daß sie mit der Zeit nicht eine gefährliche chemische Einwirkung äußert, was nur durch reichliches Abwaschen mit Wasser verhindert werden kann. (Auch mit einigen Gemälden wurden Versuche mit gutem Erfolg angestellt.) Es ist noch zu bemerken, daß die Preise des Hrn. Polinelly in der Regel sehr hoch, diejenigen des Hrn. Cassagnade hingegen sehr mäßig gestellt sind und den Preisen der gewöhnlichen Verfahrungsweisen entsprechen, deren Resultate beinahe immer ungenügend sind.