Titel: Ueber die Photographie auf Glas; von Hrn. Niepce.
Fundstelle: Band 109, Jahrgang 1848, Nr. X., S. 49
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X. Ueber die Photographie auf Glas; von Hrn. Niepce. Aus dem Moniteur industriel, 1848 Nr. 1252. Niepce, über die Photographie auf Glas. In meiner früher veröffentlichten Abhandlung (polytechn. Journal Bd. CVII S. 58) habe ich über diesen Gegenstand mitgetheilt was ich damals wußte. Ich will nun meine neuen Resultate nachtragen. Die Bilder welche ich seitdem erhielt, sind ebenfalls nur Copien von Kupferstichen und von Denkmälern nach der Natur; die Operation dauert nämlich zu lange, als daß ich mit Anwendung von bloßem Eiweiß Porträte hätte darstellen können; doch erhielt ich Bilder von Landschaften in 80 bis 90 Secunden im Schatten; wenn man dem Eiweiß Tapioca beimengt, beschleunigt man die Operation, verliert aber an der Reinheit der Striche (Züge), was man an Geschwindigkeit gewinnt. Ich gab in meiner Abhandlung zwei Substanzen an, welche sich zur Photographie auf Glas eignen: Stärkmehl und Eiweiß. Ich beschrieb die Methode das Stärkmehl aufzutragen; da ihm aber das Eiweiß vorzuziehen ist, so werde ich jetzt nur von diesem sprechen. Man verfährt folgendermaßen: man nimmt das Weiße von zwei oder drei Eiern (je nach der Anzahl der zu präparirenden Glastafeln), gießt in dasselbe zwölf bis fünfzehn Tropfen einer gesättigten Auflösung von Jodkalium in Wasser und schlägt dann das Eiweiß zu schneeartigem Schaum, bis es eine solche Consistenz erlangt hat, daß es sich auf dem Rand einer flachen Tasse erhält. Man reinigt den frei gebliebenen Theil der Tasse vollkommen, um dorthin das flüssige Eiweiß laufen zu lassen, welches aus dem Schaum abzieht, nachdem man die Tasse auf eine geneigte Fläche stellte. Nach einer bis zwei Stunden wird diese Flüssigkeit in eine Glasflasche gegossen und zum Gebrauch aufbewahrt. Man kann das Eiweiß wenigstens achtundvierzig Stunden lang zum Gebrauch aufbewahren, wenn man es an einem kühlen Orte läßt. Es ist sehr schwierig, das Eiweiß gleichförmig auf einer Glasplatte auszubreiten; folgendes Verfahren gelang mir am besten: Ich bringe das Eiweiß in eine flache viereckige Porzellanschale, so daß deren Boden mit einer Schicht von 2 bis 3 Millimeter (beiläufig einer Linie) Dicke bedeckt wird; dann stelle ich die Glastafel senkrecht gegen eine Seite der Schale; ich neige sie hierauf, indem ich sie mit einem Haken halte, so daß sie ganz allmählich die horizontale Lage annimmt; dann hebe ich sie mittelst des Hakens vorsichtig wieder auf und lege sie auf eine horizontale Fläche. Dieses Verfahren gab mir die besten Resultate und man kann darnach eine Schicht von gleicher Dicke erhalten, was eine Hauptsache ist, denn wenn das Eiweiß an einigen Stellen der Platte in Ueberschuß vorhanden ist, so schuppen sich dieselben dort ab. Nachdem das Eiweiß so aufgetragen worden ist, läßt man es bei einer Temperatur trocknen, welche nicht über 12 bis 16° R. betragen darf; ohne diese Vorsichtsmaßregel würde die Schicht Risse bekommen und man könnte daher nur noch schlechte Resultate erzielen. Sollte die Temperatur über 16° R. betragen, so müßte man die Glastafeln nur Abends zubereiten und sie auf einen mit befeuchteter Leinwand überzogenen Marmor legen; sie trocknen dann langsam über Nacht und am andern Morgen bringt man sie an einen kühlen Platz, bis man sich ihrer bedienen will. Außerdem würde die Schicht, obgleich sie trocken ist, dennoch Risse bekommen, sobald sie einer etwas höheren Temperatur ausgesetzt wird; um aber diesem Uebelstand zu begegnen, passirt man die Platten, sobald sie trocken sind, in dem essig-salpetersauren Silber und bewahrt sie dann gegen das Licht geschützt auf. Ich habe mich überzeugt, daß das Bild eben so gut zum Vorschein kommt, wenn die Schicht trocken, als wenn sie feucht ist; nur dauert im ersteren Fall die Operation etwas länger; dieser Uebelstand gleicht sich aber dadurch wieder aus, daß man trockene Platten viel leichter transportiren kann, um an entfernten Orten Bilder aufzunehmen. Nachdem so die Glastafel mit einer Eiweißschicht, welche Jodkalium enthält, überzogen worden ist, passirt man sie durch die Auflösung des essig-salpetersauren Silbers nach derselben Methode, welche ich für das Auftragen des Eiweiß angegeben habe, wascht sie dann mit destillirtem Wasser und bringt sie hierauf in die camera obscura. Um das Bild zum Vorschein zu bringen, benutzt man Gallussäure; und um es zu fixiren, Bromkalium. Die Lichtbilder, welche man auf Glas erzeugt, scheinen mir in jeder Hinsicht besser zu seyn als die auf Papier erzielbaren, nur dauert die Operation länger. Für positive Bilder ist jedoch das Papier entschieden vortheilhafter als das Glas; um aber eine größere Reinheit der Züge und schönere Töne zu erhalten, muß man es stark mit Stärke leimen. Es gibt eine Menge Gegenstände in der Naturgeschichte und Botanik, deren genaue Darstellung den Zeichnern und Malern sehr schwer wird. Die getreuen photographischen Copien derselben auf Glas kann man aber beliebig oft auf Papier übertragen und sodann coloriren. Ich habe mich beeilt dieses Ergebniß meiner zahlreichen Versuche zu veröffentlichen. Auch habe ich Hoffnung eine beschleunigende Substanz zu ermitteln, womit man auf Papier die Lichtbilder eben so schnell wie auf Daguerre'schen Platten hervorbringen kann; nach den bereits erzielten Resultaten hoffe ich bald im Stande zu seyn, photographische Porträte auf Papier nach der Natur vorlegen zu können.