Titel: Ueber das durch das Sonnenspectrum gefärbte photographische Bild; von E. Becquerel.
Fundstelle: Band 110, Jahrgang 1848, Nr. VI., S. 25
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VI. Ueber das durch das Sonnenspectrum gefärbte photographische Bild; von E. Becquerel. Aus den Annales de Chimie et de Physique, April 1848, S. 451. Becquerel, über das durch das Sonnenspectrum gefärbte photographische Bild. Im Laufe der Untersuchungen, die ich seit mehreren Jahren mit verschiedenen Körpern anstellte, welche durch das Licht sich chemisch verändern, wurde ich zur Beobachtung einer Thatsache geführt, die ich in dieser Abhandlung beschreibe. Mehrere Beobachter schon fanden, daß das Chlorsilber, je nach den Umständen unter welchen es dargestellt wurde, oder der Farbe des Lichtes, welches auf dasselbe einwirkte, verschiedene Nüancen annimmt. So fanden Seebeck und Herschel, daß dasselbe unter der Einwirkung der rothen Strahlen eine rothe Farbe annimmt. Herschel, der diese Einwirkungen am besten untersucht hat, bemerkte, daß mit Chlorsilber überzogenes Papier, der Einwirkung eines stark concentrirten Spectrums ausgesetzt, einen gefärbten Eindruck erhält, der so beschaffen ist, daß das Rothe lebhaft erscheint, aber sich mehr dem Ziegelrothen als dem Rothen des Prima's nähert; das Gelbe fehlt gänzlich, das Grüne ist dunkel und von metallischem Glanze, das Blau ist noch dunkler und geht schnell ins Schwarze über. Bei Untersuchung dieser Effecte fand ich, daß sie mit gut ausgewaschenem Chlorsilber, welches man mit etwas Gummi auf ein Papier streicht, besser wahrgenommen werden können, als vermittelst eines Papieres, das erst in eine Chlormetalllösung und dann in salpetersaures Silberoxyd getaucht wurde; das überschüssige salpetersaure Salz wirkt bei der Reaction, die unter dem Einflusse des Lichtes stattfindet, mit, wie ich es auch später zeigen werde. Wenn man auf eine mit weißem Chlorsilber überzogene Fläche ein reines und concentrirtes prismatisches Spectrum auffallen läßt, so beginnt die Einwirkung unmittelbar von dem Violetten ab, in dem Raume, der zwischen den Streifen H und M liegt, erstreckt sich dann gegen das Blau und von der anderen Seite gegen das Violette hin. Wenn man aber, anstatt auf diese Weise zu verfahren, das Spectrum auf eine Fläche fallen läßt, die durch die Einwirkung des Lichtes schon einen Eindruck empfangen und ein wenig violett geworden ist, so wird nicht nur das Chlorür vom Violetten ab schnell dunkel, sondern nimmt auch eine blaue, in dem prismatischen Blau gut bemerkbare Färbung an, entfärbt sich allmählich gegen das Gelbe zu und geht ins Rosa im Rothen über. Bisher schrieb ich diese rothe Färbung einer eigenthümlichen Reaction, die sich auf das Chlorür erstrecke, oder vielleicht auch einer Umwandlung von violettem schon fertig gebildetem Subchlorür in metallisches Silber und weißes Chlorür (Ag2 Cl = Ag + Ag Cl) zu; auf das Zusammentreffen der Farbe, welcher zufolge das Chlorür in dem Rothen rosa und in dem prismatischen Blau bläulich ist, hatte ich nicht Acht gegeben. Als ich aber eine ziemlich beträchtliche Quantität völlig weißes Chlorür dem diffusen Lichte unter einem grünen Glase, das nur den Anfang des Blauen und des Grünen hindurchließ, aussetzte, war ich erstaunt, nach vierzehn Tagen dieses Chlorür schön blau ohne Spur von Violett gefärbt zu sehen; ich dachte daran, das Chlorür nach allen möglichen Methoden darzustellen und mit Aufmerksamkeit die Einwirkung des Spectrums auf diese verschiedenen Präparate zu beobachten; ich wurde deßhalb darauf hingeführt, Silberblättchen, die direct durch Chlor angegriffen waren, anzuwenden. Ich erhielt folgende Resultate. Hält man ein gut polirtes Blättchen von Silber, oder nur ein versilbertes, einige Centimeter über Chlorwasser, so nimmt es nach Verlauf einiger Minuten, in Folge der Bildung von Chlorsilber, eine weißliche Färbung an; läßt man dann auf die Oberfläche ein bis zur Länge einiger Centimeter concentrirtes Sonnenspectrum fallen, so erhält man ein photographisches Bild, das den ganzen sichtbaren Theil des leuchtenden Spectrums einnimmt. Es ist merkwürdig, daß die Einwirkung bei dem Orange beginnt, bei der Stelle, bei welcher das Licht am meisten intensiv ist, und daß sich das Bild wie das Spectrum färbt. Der Theil des Blättchens, auf welchen das prismatische Roth auffiel, ist röthlich bis zum Purpurrothen am Ende des Rothen und selbst bis zum Streifen A.; das Orangerothe ist deutlich wahrzunehmen und das Bild geht bei D ins Grüne über, nachdem es vorher eine leichte gelbliche Färbung angenommen hat; das Grüne ist bis zu dem Streifen F gut ausgedrückt, bei welchem das Bild anfängt blau zu werden; diese Färbung geht bei G ins Violette über, das Violette geht bis über H und nimmt allmählich ab. Diesem zufolge scheint sich das Spectrum auf der Platte mit Farben abgebildet zu haben, die den seinigen ähnlich sind; setzt man die Wirkung längere Zeit fort, so dunkeln die Tinten und je nach der Intensität des Spectrums nimmt das Bild nach einer bis zwei Stunden Metallglanz an und alle Farben sind verschwunden. Wenn man genau auf die angegebene Weise verfährt, so wird die Silberplatte nicht gleichförmig durch das Chlor angegriffen. Um eine gleiche Schicht zu haben, braucht man nur die Platte in Chlorwasser zu tauchen, so daß die Platte nur einen Augenblick untergetaucht ist, dieselbe dann abzuwaschen und zu trocknen. Gewöhnlich ist ein einmaliges Eintauchen nicht hinreichend um eine Schicht zu erhalten, die eine gute, prismatische, gefärbte Abbildung aufnehmen kann; es muß deßhalb das Eintauchen ein- bis zweimal wiederholt werden, so daß die Platte eine weißliche, kaum rosa Färbung angenommen hat. Wiederholt man das Eintauchen, oder läßt man die Platte einige Zeit in dem Chlorwasser, so entstehen in Folge der Dicke der auf der Oberfläche entstandenen Schicht verschiedene Nüancen: läßt man jetzt das Spectrum einwirken, so erhält man verschiedene Resultate, obgleich die allgemeinen Effecte der Färbung dieselben sind, bald waltet das Rothe, bald das Blaue, bald das Grüne in dem photographischen Bilde vor; aber immer, wenn die Farben zu erscheinen beginnen, sind sie denen der entsprechenden Theile des Spectrums am ähnlichsten. Ich habe eine große Anzahl von Platten dargestellt und viele Versuche angestellt und ich darf wohl sagen, daß es sehr schwierig ist, eine weißliche Schicht, die alle Nüancen des Spectrums gut wiedergibt, ohne Fehler zu erzeugen; durch neue Versuche glaube ich aber eine Darstellungsmethode angeben zu können, die sicherer als die vorhergehenden ist und mit welcher man unmittelbar und sicher ein schönes, gefärbtes, photographisches Bild auf der Platte erhalten kann (siehe die Anmerkung der Seite 28). Uebrigens führe ich einige Folgerungen an, die sich aus den bis jetzt erhaltenen Resultaten ziehen lassen. Wenn die durch Eintauchen der Platten in Chlorwasser erhaltene Schicht etwas dick und rosenroth oder weißlich gefärbt ist, so werden die Nüancen des photographischen Bildes ziemlich schön. Läßt man die Platten während fünfzehn Secunden, einer halben Minute und länger noch in der Flüssigkeit, so läßt sich auf ihnen sehr schnell das Spectrum abbilden, das erzeugte Bild hat aber gewöhnlich eine grünliche oder bläuliche Färbung, die durch Vermischen mit den gefärbten Nüancen dieselben vollständig versteckt; ich muß noch hinzufügen, daß nach der Vorrichtung der Platten das Maximum der Einwirkung sich in dem Gelben findet, da, wo die größte Lichtintensität ist, oder gegen das Rothe hin. Die am wenigsten sichtbare Farbe bei den nach vorstehender Methode erhaltenen Bildern ist die gelbe. Es lassen sich photographische Bilder erhalten, die dieselbe mit großer Schönheit zeigen, man braucht nur eine gut präparirte Platte unter ein dunkelrothes Glas, oder besser noch unter ein vereinigtes rothes und blaues Kobaltglas (diese Vereinigung gibt nur das äußerste Roth des Spectrums) zu bringen und diese Platte durch Aussetzen derselben an das diffuse Licht purpurroth zu färben; läßt man dann auf ihre Oberfläche ein Sonnenspectrum fallen, so zeichnet sich das Orange, das Gelbe, das Grüne und das Blaue sehr deutlich in den entsprechenden Theilen des Lichtspectrums ab. Bei diesem Umstande nimmt das äußerste Rothe eine dunkle Purpurfarbe an, die sich über das sichtbare Roth hinaus verlängert. Das folgende Resultat erschien mir auch vom physikalischen Gesichtspunkte aus betrachtet seltsam genug, um hier erwähnt zu werden. Die meisten der präparirten Platten färben sich, wie schon oben erwähnt wurde, nach längerer oder kürzerer Zeit im weißen Lichte violett; eine Platte aber, auf welcher die empfindliche Schicht eine dem Rosa der zweiten Ordnung der Tinten der dünnen Platten entsprechende Dicke hatte, zeigte das Eigenthümliche, daß unter dem Einflusse des weißen Lichtes ein hellerer Abdruck, aber von derselben Färbung wie der Grund der Platte, entstand. Es gibt noch ein anderes Mittel die Platten so zu präpariren, daß sie die Eigenthümlichkeit annehmen, im weißen Lichte positive Bilder zu erzeugen; dieß Mittel besteht darin, die Platte in eine Auflösung von Kupferchlorid, anstatt in Chlorwasser zu tauchen. (Um diese Auflösung zu erhalten, löst man 100 Grm. schwefelsaures Kupferoxyd und 300 Grm. Kochsalz in einem Liter Wasser.) Die silberne oder versilberte Platte nimmt sogleich eine weißlich-violette Färbung an; wenn sie einmal gewaschen und getrocknet worden ist, so nimmt sie leicht im weißen Lichte Eindrücke an und gibt ein gefärbtes photographisches Bild des Spectrums.Seit Veröffentlichung dieser Abhandlung habe ich meine Arbeiten fortgesetzt; es ist mir nun gelungen fortwährend sehr schöne photographische Bilder des Spectrums zu erzeugen, indem ich mich der Platten bediente, die in eine verdünnte Lösung von Chlorwasserstoffsäure tauchten und mit dem positiven Pole einer Säule in Verbindung standen. Zu demselben Resultate gelangt man, wenn man die Platten einfach in das oben erwähnte Kupferchlorid, aber in gewissen Verhältnissen mit Wasser verdünnt, eintaucht. Ich will hier der Abhandlung nicht vorgreifen, die später veröffentlicht werden wird und in welcher alle bis jetzt über diesen Gegenstand beobachteten Thatsachen, sowie die Vergleichung der Färbungen der photographischen Bilder mit denen der entsprechenden Theile des Lichtspectrums niedergelegt seyn werden. Ich muß aber hinzusetzen daß, wenn man von den oben angegebenen Resultaten ausgehen will, um Bilder der camera obscura mit ihren Farben zu erzeugen, immer die Eindrücke berücksichtigt werden müssen; denn, je nach der Vorrichtung, bemerkt man über dem Violetten und Rothen, außerhalb der Gränzen des Lichtspectrums, eigenthümliche Farbeneffecte, welche die Darstellung der Bilder eigenthümlich verändern können. Mit Hülfe von Schirmen lassen sich die Strahlen, welche diese Reactionen erzeugen, absorbiren. Ich erwähne auch folgenden Versuch, der sehr leicht zu wiederholen ist und welcher zeigt, daß eine in chemischer Beziehung unveränderliche Substanz keine Farbe annehmen kann, die der Farbe des darauf gefallenen Lichtes ähnelt. Wenn man eine gut polirte Silberplatte in die oben erwähnte Kupferchloridlösung, die mit zwei Volumen Wasser und einem Volumen Salzwasser verdünnt worden ist, taucht, so nimmt die Platte bald eine dunkel violette Färbung an; bringt man sie nun nach dem Trocknen auf die Oberfläche eines colorirten Kupferstichs, so daß die Zeichnung in Berührung mit der präparirten Oberfläche ist, und setzt sie der Einwirkung des diffusen Lichtes einundzwanzig Stunden lang aus, so wirkt das Licht durch das Papier auf die Platte und man findet auf derselben eine Darstellung des Kupferstichs, in welcher gewisse Farben durch analoge Färbung entstanden sind. Auf diese Weise erhält man aber nicht alle Farben, sie sind ferner nicht lebhaft und man muß die Platten unter einem gewissen Winkel betrachten um den Effect bemerken zu können. Alle diese photographischen Bilder nehmen an Lebhaftigkeit zu, wenn man die Platten mit irgendeinem Firniß überzieht. Aus Vorstehendem geht hervor, daß die auf Silberplatten erhaltene Einwirkung in ganz anderer Beziehung viel bemerkenswerther ist, als wenn man leicht gefärbtes, gefälltes weißes Chlorsilber anwendet, denn anstatt röthlicher oder blaulicher Tinten, die allein in letzterem Falle sichtbar sind, kann man auf den Metallplatten alle Farben des Spectrums haben, die den Färbungen der darauf fallenden Strahlen entsprechen. Ich glaube daß die Verbindung, die sich auf der Oberfläche des metallischen Silbers in Folge der directen Einwirkung des Chlors bildet, ein eigenthümliches Chlorür, vielleicht ein violettes Subchlorür oder ein Gemenge von weißem Chlorür mit Subchlorür ist. Was mich in dieser Ansicht noch bestätigt, ist der Umstand daß eine so präparirte Platte, die man eine oder zwei Stunden dem Ammoniakgas aussetzt, eine weißliche Färbung annimmt und nunmehr in dem Spectrum nur über dem Violetten, ebenso wie das weiße Chlorür, verändert wird. Bei diesem Umstande würde also dieselbe Umwandlung stattfinden, als wenn man violettes Subchlorür mit Ammoniak behandelt; in diesem Fall verwandelt das Alkali die Verbindung in Chlorür, das sich auflöst, und in zurückbleibendes metallisches Silber. Der gefärbte prismatische Abdruck auf den Silberplatten scheint sich im Dunkeln zu erhalten, am Licht aber verändert er sich, und bis jetzt konnte ich kein Mittel finden demselben Beständigkeit zu geben. Ammoniak, unterschwefligsaures Natron und alle Auflösungsmittel des Chlorürs zerstören dasselbe und hinterlassen auf der Oberfläche der Platte nur eine Spur von metallischem Silber und von gleichförmiger Farbe. Die geringe Beständigkeit der Farben und die schwache Empfindlichkeit der in Frage stehenden Substanz zeigen, daß man bis jetzt noch nicht daran denken darf, sich dieser Substanz zu bedienen, um Bilder der camera obscura mit ihren natürlichen Farben zu erzeugen; nach dieser Abhandlung aber scheint es, daß die Lösung dieser Frage möglich ist. Ich muß noch hinzufügen, daß das Chlorsilber, das durch directes Angreifen des Silbers durch Chlor oder Chlorüre entsteht, die einzige Substanz ist, die bis jetzt die Eigenschaft zeigte die Farben des Sonnenspectrums zu erzeugen. Das unter ähnlichen Umständen erhaltene Bromür gab mir kein genügendes Resultat, obgleich das Brom ebenso wie das Chlor sich hinsichtlich des Silbers nicht auf gleiche Weise wie Jod zu verhalten scheint und wahrscheinlich nur ein dem Subchlorür analoges Subbromür bildet, von dem ich glaube daß es sich unter der metallischen Platte absetzt. In einer nächsten Abhandlung übrigens werde ich auf diesen Gegenstand zurückkommen. Auf welche Weise soll man die wahrhaft erstaunliche Thatsache erklären, daß sich ein photographischer Abdruck des Sonnenbildes mit Farben, die den seinigen ähnlich sind, abbildet? Ich weiß es nicht, aber wenn es ein Zufall bewirkt daß die oben beschriebene Verbindung unter dem Einflusse des Spectrums mehrere chemische Reactionen erleidet, so wäre doch eine Vereinigung von Zufälligkeiten höchst außerordentlich, durch welche das prismatische Roth eine rothe Färbung, das Gelbe eine gelbe Färbung, das Blaue eine blaue Färbung, das Grüne eine grüne Färbung und zuweilen das Weiße eine weiße Färbung geben sollte etc. Könnte es nicht seyn daß das Licht, wenn es anfängt chemisch auf gewisse Substanzen einzuwirken, seine eigene Farbe diesen Substanzen aufdrückt und daß in Folge der späteren chemischen Veränderungen dieser erstere Effect modificirt werde? Das Zusammentreffen das man bei den vegetabilischen Farben beobachtet, unterstützt meine Ansicht, da bekanntlich die grüne Farbe der Pflanzen unter dem Einflusse der gelben und grünen Strahlen erzeugt worden ist; ferner geht aus Herschel's Versuchen hervor, daß die Pflanzenfarben hauptsächlich durch die Strahlen zerstört werden, deren Farben complementär der ihrigen sind; es wäre daher möglich daß die Strahlen, durch welche die vegetabilischen Farben entstanden sind, ihnen ihre eigene Farbe mitgetheilt hätten. Ich stelle diese Conjectur nur mit großer Vorsicht auf und erwarte daß der Versuch diesen Gegenstand aufhelle.